Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
Der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochenltich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltun gs 
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M 3. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Aus der bayer. Reichsrathskammer. 
Reichssrath v. Neuffer, als Referent über das 
Budget, beantragt Zustimmung zu den Beschlüssen 
der Kammer der Abgeordneten betreffs des Etats 
des kgl. Hauses und des Hofes in Summa 5344879 
Mark, sowie des kgl. Staatsrathes als außerordent⸗ 
iche Ausgabe mit 46800 Mark die Zustimmung 
u ertheilen. 
Berlin 2. Jan. Kaiser Wilhelm empfing an⸗ 
äßlich des Jahreswechsels, mit welchem gleichzeitig 
das 75jährige Militär-Jubilaäum des Kaisers zu— 
ammenfiel, eiu herzliches Glückwunschschreiben des 
staisers von Rußland. 
Im Reichsamt des Innern ist man bekanntlich 
nit den Vorarbeiten betreffend für die Abänderung 
der Gewerbeordnung bezüglich des Gewerbebetriebes 
m umherziehen beschäftigt. Wie verlautet, würden 
den Gegnern des Hausirgewerbes in der beabsich⸗ 
igten Novelle weitgehende Concessionen gemacht. 
Die Berliner, Post“ schlägt folgende Abän⸗ 
zerung der kirchen politischen Gesetzze vor: 
Zunächst Aufhebuug des kirchlichen Gerichtshofes 
und Uebertragung der Funktionen desselben an den 
höchsten Gerichtshof für öffentliches Recht oder an 
das öborste VLandesgericht; ferner wünschi das Blatt 
Beschränkung der Benennungspflicht ohne Gefähr⸗ 
dung des Einspruchsrechts. Sie glaubt, diese beiden 
Vorschläge seien diskutirbar und könnten zu einem 
annehmbaren modus vivendi führen. 
Die Deutscheonservativen haben auf den 
17. Januar einen von Vertretern der Partei aus 
zanz Deutschland zu besuchenden Delegirtentag in 
Berlin anberaumt, hauptsächlich um dem sich fühl— 
jar mochenden Mangel an Geld in der Parteikasse 
abzuhelfen. Die Reichstagswahlagitation hat große 
Summen verschlungen, und die Presse der Partei, 
velche zum großen Theil nicht ohne Unterstützung 
ort zu bestehen vermag, erfordert neue Summen. 
Dabei stehen die Neuwahlen zum preußischen Abge⸗ 
idnetenhause, welches im Januar seine letzte Ses⸗ 
ion beginnt, in Aussicht. Daneben handelt es sich 
auch um eine gegenüber den kirchenpolitischen Auf⸗ 
jaben, der Revision der Maigesetze und der Taktik 
»er „Bundesgenossen“ vom Centrum einzunehmende 
Stellung. 
Es verlautet, daß die preußische Regierung 
damit umgeht, einen höheren Ertrag der Besteuer— 
uing der Getränke im Reich durch Ausarbeitung 
eines Reichsschanksteuergesetzzes, betr. 
den Spiritus, zu gewinnen und somit dem Ein⸗ 
vand zu begegnen, daß vor Erhöhung der Bräu⸗ 
tteuer eine stärkere Heranziehung des Branntweins 
durchgeführt werden müßte, andererseits aber die 
andwirthschaflichen Brennereien in ihrem Ertrage 
ungeschmälert zu belassen. 
Ausland. 
Paris, 1. Januar. Der Congreß behufs Re— 
ision der Verfassung wird Ende Januar oder An⸗ 
angs Februar zusammentreten. Da derselbe in 
Versailles tagen muß, so sind die nöthigen Vor— 
dereitungen dort bereits in Angriff genommen. 
Er wird zwei bis drei Wochen dauern und die be— 
onderen Sitzungen des Senates und der Kammer 
verden während dieser Zeit ungehinderten Fortgang 
mMen. 
In Frankreich ziehen die Senatorenwahlen 
le Aufmerksamkeit auf sich. 
der französische Kultusminister Bert 
Dienstag, 3. Januar 1882. 
17. Jahrg. 
irbeitet einen Entwurf aus, um die Gehälter der 
Schullehrer und Schnllehrerinen zu er— 
öhen, wobei die Kategorie der sog. Hilfslehrer 
ind Hilfslehrerinen aufgehoben werden wird. Bert 
tellt dagegen fünf Klassen auf, deren Gehälter von 
100 Fr. auf 2600 Fr. steigen, mit einer Zulage 
son 300 Fr. für Leiter und Leiterinen der höheren 
ẽlementarschulen. Jedes andere Amt, jedes Hand⸗ 
verk, sowie jeder Handel wird dem Lehrerpersonal 
intersagt; nur für die ersten zehn Jahre wird als 
lebergangsmaßregel den Lehrern noch gestattet wer⸗ 
den, als Bürgermeistereisekretäre (Gemeindeschreiber) 
u wirken. 
London, Die irische Executive hat einen vor⸗ 
üglichen Fang gemacht. Es ist der Polizei von 
Naeroom gelungen, den Anführer der nächtlichen 
Schreckensbande, unter dem Pfeudonym „Haupt⸗ 
nann Mondschein“ bekannt, in der Person eines 
degen schlechter Aufführung aus der Linie ausge⸗ 
ohenen, gegenwärtig aber in der Miliz dienenden 
SZoldaten, eines jungen Burschen von etwa 21 
jahren, Namens Connell, in dem Hause eines 
zarmers Thomas Shea zu Mushra, einem Orte 
n der Grafschaft Cork halbwegs zwischen Maeroom 
ind Millstreei (letzteres ist der Geburtsort Con⸗ 
ell's), zu verhaften, wobej der Polizei höchst 
vichtige Documente, welche Jur weiteren Unschäd- 
ichmachung der ganzen stiwarzer Bande führen 
zürften, in die Hände fielen. 
In Irland. stehen gegenwärtig 8 Regimenter 
Faballerie, 13 Batterien, 3 Compagnien Genie— 
ruppen, 7 Compagnien Train und 29 Bataillone 
Infanterie. Dies repräsentirt eine Streitmacht, die 
‚oppelt so groß ist wie die, welche in Irland in 
1879 und 1880 stationirt war. 
Nachrichten aus Rußland bezeichnen die Lage 
mausgesetzt als sehr ernst. Der Zar soll neue 
Drohbriefe erhalten haben, namentlich mit Be⸗ 
zug auf die bevorstehende Caiserkronung. Die von 
ieser Ceremonie im Volksglauben ausgehende reli⸗ 
isse Weihe macht es erklärlich, daß die Nihilisten 
em Zaren dieselbe nicht gönnen. Geschützt hat 
reilich auch dieser Akt Alexander M. nicht ganz 
jseun Jahre bis zu dem ersten Mordversuche des 
6. April 1866. Für das Frühjahr erwartet man 
rnsthafte Entscheidungen; angeblich wird dann der 
ur Wiederkehr begnadigte Loris Melikow aus Wies— 
»aden an die Newa zurückkehren und einen neuen 
rinflußkampf beginnen. Sein Einfluß wäre aller⸗ 
ings nützlich; zur Zeit soll wesentlich Professor 
katkow das Ohr des Zaren besitzen und der 
lühende Deutschenhaß dieses Mannes ist bekannt. 
r verweist besonders auf den Berliner Vertrag als 
—DVD00 
Die Ausführung des Friedens von San Stefano 
ätte nach seiner Ansicht die Nihilisten niederge— 
zalten. Im Kriegsministerium soll daneben eine 
eunruhigende Thätigkeit herrschen. 
Nord Amerika. Der Prozeß gegen 
Zuiteau, den Mörder des Präsidenten Garfield, 
it im alten Jahre so gut wie gar nicht weiter ge— 
zrdert worden, was der amerikanischen Justiz ge⸗ 
ade nicht zum Ruhme gereicht. Den, Zeugen und 
dichter beleidigenden Aeußerungen Guiteaus ge— 
jenüber entwickelt der Gerichtshof zu Washington 
ine unbegreifliche Langmuth, so daß' 'sich endlich 
uch in der amerikanischen Presse Stimmen erho— 
den haben, welche das Verfahren des Gerichtsho— 
es und namentlich das Verhalten des ersten Rich— 
ers scharf tadeln. 
Newyork, 31. Dez. An der Westküste ist eine 
Rocken⸗-Epidemie ausgebrochen; man glaubt, 
daß dieselbe durch Dampfer mit Auswanderern ein⸗ 
zjeschleppt worden sei. Es wird beabsichtigt, die 
Letzteren Ouarantäne halten zu lassen. 
In Waßshington ist eine Flugschrift erschie⸗ 
ien, welche den Titel führt: „Der Irische Rächer, 
der der Dynamit-Evangelist.“ Die 16 Seiten 
tarke Broschüre ist mit den zügellosesten Aufrufen 
in die Irländer, London zu zerstören, gefüllt, 
owie auch mit vielen Bibelstellen, welche darthun 
ollen, daß Gott ein solches Werk wohlgefällig sein 
oürde. Vdan findet darin auch eine Hymne, welche 
odie folgt beginnt: „Heil Dynamit, glorreiches 
Dynamit“. Am Schlusse sagt der Verfasser: „Ge⸗ 
egnet sei die Hand, welche den ersten Ausbruch 
er zackigen rothen Flamme verursacht. welche Lon⸗ 
on in ein Feuermeer einhüllt. Gesegnet seien Die— 
enigen, welche diese Flamme zu einer thurmhohen 
zeuerbrunst anfachen, welcher keine menschliche 
Nacht Einhalt thun kann, bis das Nest der bri⸗ 
ischen Tyrannen ein Ruinenhaufen geworden ist. 
der Verfasser ist ein irischer Demagoge Namens 
8. M. Me. Gill. Er stellt drei Fortsetzungen der 
zlugschrift in Aussicht, von denen die nächste Wei— 
ungen geben wird, wie Dynamit am sichersten und 
virksamsten benutzt werden kann. 
Rele und pf⸗szische Nachrichten 
Si. Ingbert 3. Januar. Von dem Stadt⸗ 
ath wurde, wie uns mitgetheilt wird, in seiner 
etzten Sitzung eine Commission gewählt mit dem 
luftrage, eine Petition auszuarbeiten, in welcher 
as kgl. Staatsministerium unter Darlegung der 
okalen gewerblichen und industriellen Verhäͤltnisse 
im eine Herabsetzung der Kohlenpreise auf der 
ziesigen kgl. Grube gebeten werden soll. 
* St. Ingbert, 3. Januar. Die gestern Abend 
tattgehabte Generalversammlung des Mu—⸗ 
ikvereins war außergewöhnlich zahlreich besucht. 
dach der Tagesordnung beschäftigte sich dieselbe 
nit der Abhör der Jahresrechnung pro 1881, mit 
»er Aufstellung des Budgets für 1882 und mit 
er Neuwahl des Ausschusses. Die Jahresrechnung 
zro 1881 schließt mit einer Einnahme von 869 
. 43 Pf. und mit einer Ausgabe vvn 801 M. 
4 Pifg. ab, es verbleibt somit ein Einnahmeüber⸗ 
huß von 67 Mk. 539 Pfg. Nachdem von den 
). H. S. Kahn und L. Grewenig die Rech—⸗ 
jung geprüft und als richtig befunden war, wurde 
em Rechner, Hrn. Stadtischreibe Bayer, von 
er Generalversammlung Decharge ertheilt. Hierauf 
yurde die vom Ausschusse aufgestellte Budgetvor⸗ 
age für 1882 mit Majorität en bloc angenommen. 
fhe zur Neuwahl des Ausschusses geschritten wurde, 
odurde ein vorliegendes Schreiben des 1. Vorstandes, 
es Herrn Oberamtsrichters König, berlesen, in 
velchem dieser seinen Rücktritt anzeigte; auch der 
. Vorstand, Herr Realienlehrer Schlick, erklärte, 
ine Charge nicht mehr anzunehmen. Die Neu— 
vahl hatte hierauf folgendes Ergebniß: 1. Vorstand: 
»err Apotheker Weigand; 2. Vorstand: Herr 
deufmann Fischer; Rechner: Herr Stadtschreiber 
Zayer; Schriftführer: Herr Stadteinnehmer Alt. 
dirigent und Archivar werden in nächster Zeit von 
en Activen des Vereins allein gewählt werden. 
* St. Ingbert, 8. Januar. Soeben geht 
ins folgendes Schreiben zu: St. Ingbert. den 3. 
jannar 1882. Herr Redakteur! 
In der gestrigen Rummer Ihres Blattes bringen 
Sie die Notiz, „An der Spitze ihrer Nummer vom 
31. Dezember kündigt die „St. Ingberter 
Zeitung“ (Herausgeber Herr L. Pecheur) an.