Full text: St. Ingberter Anzeiger

euν Willem, „Aujust“ und „Kar—⸗ 
eißen — der „Sepp! „Nazi“ und „Amrei“ 
zen in Berlin so Viele sein, wie Schusterjungen 
urchgefallene Stücke. Von Edelweiß und 
penbleaineln sehe ich schon die Linden und den 
rgarten überwuchert; den Stutzen im Arm 
die Spielhahnfeder auf dem Kopfe, schießen 
re Nimrods allsonntäglich im Grunewald ihren 
zbock; von der Kreuzberg-⸗Alm wird ein loden⸗ 
pptet Senn' aus der Ackerstraße seine kräftigen 
sir herabschmettern an das „thaufrische Dirndl“ 
Thal von Berlin O...-In Mürnchen 
ich eine große Hausse in Radiweibern aus— 
sen, denn sie werden alle dem heimischen Stoff 
pondern und mit einer großartigen urbaierischen 
gucht auch unseren guten Berliner Grund und 
x vermünchnern. — Der Berliner Bär kann 
im seinem Fortschrittsring aufhängen lassen, 
müber dem blau⸗weiß gewordenen Berlin thront 
Alleinherrscher das „Munchener Kindel“, in der 
n Hand die „Fliegenden Blätter“ und in der 
rn den schäumenden Maßkrug ... 
So wird es kommen — denn das „Echte“ 
dt zu gut! GBerl. Tgbol.) 
Gach zwei Jahren ein Mord ent— 
) Aus Berlin wird berichtet: Vor etwa 
Jahren ist die Gattin des Lieutenants a. D. 
unter verdächtigen Umständen gestorben, und 
nach ihrem Tode verbreitete sich das Gerücht, 
die Verstorbene von ihrem Gatten vergiftet 
den sei. Vor mehr als einem halben Jahre 
dauf die Anordnung des Landgerichts die Er⸗ 
nirung der auf dem Jerusalemer Kirchhof be— 
gten Leiche der Frau St. und die Obdulktion 
elben statt. Mehrere innere Theile der Leiche 
besondere der Magen wurden den Gerichts— 
nilern zur Untersuchung gegeben. Das Ergebniß 
mehrere Monate dauernden chemischen Analyse 
daß der Magen von einer bedeutenden Quan⸗ 
tArsenik durchsetzt gffunden wurde. In Folge 
cz sehr gravirenden Umstandes ist die Unter⸗ 
jung gegen den überlebenden Ehegatten wegen 
uxxdes eingeleitet worden und die öffentliche Ver⸗ 
ouung der Sache wird demnächst stattfinden. 
(Eine lustige Tortur.) Die, National⸗ 
ang“ erzählt: Zur Zeit als unsere Berliner 
z noch nicht über Räumlichkeiten verfügte, wie 
hr jetzt zu Gebote stehen, amtirte ein durch 
u originellen Humor wie durch seine Leiden⸗ 
Vergleiche zustande zu bringen, in gleicher 
ase derufener Beamter als Bagatellrichter. Zu 
n Ueberredungskünsten gehörte es unter anderm, 
er in seinem sehr knapp bemessenen Bureau 
artnäckigste Partei bei den Vergleichsverhand⸗ 
xn in nächster Nähe der Heizvorrichtung 
. Länger als eine Viertelstunde hielt das so 
it Riemand aus, und in genau zu berechnenden 
renblicken beeilte sich der Betroffene, durch Er⸗ 
en der Versöhnungshand aus der qualvoll 
chterlichen Enge sich zu befreien. Eines Tages 
ex war ein absolut hartnäckiger, allen Ueber⸗ 
ungstünsten Unzugänglicher auf dem verhängniß⸗ 
len Stuhle untergebracht. Minute um Minute 
iging, kein Zeichen von Nachgiebigkeit wollte bei 
n Manne zum Vorschein kommen; auf die fragenden 
dungeduldigen Blicke des Richters antwortete 
nut mit behaglichem Lächeln und schlauem Blin⸗ 
a, ja es schien, als fühle sich der Mann von 
iuute zu Minute wohler. Endlich ergriff er dem 
mer erstaunter dreinschauenden Richter gegenüber 
Wort: „Herr Rath“, sagte er, „mit mir jeht 
nu nich — ick bin nämlich Heizer bei Borsig“. 
in urtheile über das Gelächter, in welches das 
x Zimmer ausbrach und in welches der Herr 
mnicht als der letzte anstimmte. 
Der „gesegnetste“ Vater in Ber lin dürfte 
wder hiesige Schneidermeister sein, der in diesen 
en auf dem zustandigen Standesamte sein 26. — 
das sechsundzwanzigste Kind — angemeldet 
Hierbei hod er mit besonderem Selbsibewußt⸗ 
jerbor, daß die weitaus meisten dieser seiner 
xiinder ‚Jungens“ seien. Bei seiner Verabschie—⸗ 
qmachte der reichgesegnete und dabei urfidele 
ꝛueidermeister die Bemerkung, daß er wohl noch 
wdas letzte Mal zu einer Geburtsanmeldung 
dem Standesamte gewesen sein dürfte, daß 
nehr „das halbe Schock“ sehr leicht voll werden 
nie. Jener ehrsame Schuͤhmachermeister aber, 
ich neulich — wie wir damals mittheilten 
chon etwas Besonders darauf zu Gute that, 
ein 21. Kind meldete, muß zugestehen, 
Am dieser Schneidermeister doch weit „über, ist. 
Ein erreeee bgrnpen Arn existlret 
in Oberrad bei Mengerskirchen. Der Maun lebt 
rotz seines großen Reichthums und der vielen aus— 
gelieheuen Kapitalien in den denkbar ärmlichsten 
Perhältnissen. Allein in seiner alten, verfallenen 
dütte wohnend, denkt der „arme“ Mann nicht da— 
ran, fich etwas zu kochen, bezw. kochen zu lassen, 
zielmehr geht er eine Stunde vor dem Mittag⸗- oder 
Abendessen oder um die Zeit des Kaffeetrinkens in 
zie Häuser seiner Schuldner (deren sind es nicht 
venige), und da, wo der Tisch am besten gedeckt 
vird, bleibt er, setzt sich uneingeladen an den Tisch und 
nertilgt nicht etwa den Inhalt eines Tellers, son⸗ 
ern zweier, ja dreier großer Schüsseln. Auf diese 
Urt fristet er sein Leben und spart dadurch jede 
lusgabe, nur um immer mehr Geld zu bekommen. 
4Explosion. Bei einer Kessel Erplosion 
uuf der Lippstadter Union wurden 10 Menschen 
jetötet, welche ein gemeinsames Grab aufgenommen 
sat; außerdem sollen noch 5 schwer und 10 leicht 
erwundet sein. Den Toten wird von den Be— 
inten und Arbeitern der „Union“ ein gemeinsames 
denkmal gesetzt. 
Die „Allgem. Deutsche Lehrerzeitung“, ein 
Blatt, das auch in Kreisen von Nichtlehrern die 
veiteste Verbreitung verdient, schreibt in einer ihrer 
»tzten Nummern, daß Dr. Wilhelm Mayer, der 
eit einigen Jahren Untersuchungen in den Fürther 
Schulen über die bei den Kindern vorkommenden 
Fehler in der Rumpfbildung angestellt hat, ein 
rschreckendes Resultat fand. Von 336 uutersuchten 
Nädchen waren nur 147, also nicht einmal die 
dälfte, fehlerlos, dagegen wurden 186 mit Ab— 
veichungen in Haltung oder Bau befunden. Be—⸗ 
onders zeigte sich eine Veränderung der linken 
Seite. Dr. Mayer sucht den Grund hiefür wesent⸗ 
ich mit in der heute gebräuchlichen rechtsschiefen 
kurrentschrift. Wir wollen zugeben, daß Letzteres 
heilweise der Fall sein möge; aber wir finden die 
dauptursache des Uebels in den jetzt allgemein ge— 
räuchlichen Schnürbrüsten, die selbst von den Land⸗ 
nädchen getragen werden und ohne Zweifel die 
Irgane der Brust auf unnatürliche Weise zusammen⸗ 
rängen. Die Sache wäre wichtig genug, um von 
»en Schulbehörden und Aerzten erwogen zu werden. 
Zwar lassen sich Moden nicht leicht befehlen oder 
serbieten, dies beweisen die Krinolinen und deren 
etzt übliches gegentheiliges Zerrbild. Aber in den 
Schulen dürfte es doch nicht allzuschwer sein, eine 
Ansitte abzuschaffen, die erwiesenermaßen der körper⸗ 
ichen Ausbildung entschieden nachtheilich ist. 
F Es ist eine Aera der großen Verbrechen 
ind Skandale hereingebrochen, fast kein Tag ver—⸗ 
jeht, ohne daß ein sensationeller Vorfall, ein Liebes 
rama mit blutigem Ausgang, ein ein⸗ oder mehr⸗ 
acher Mord, ein Mord mit Selhstmord u. s. w. 
zjemeldet wird. Die Redakteure des lokalen Theils 
ind des „Vermischten“ halten reiche Ernte, der 
AUnterhaltung am häuslichen Herd und am Biertisch 
st schon lange nicht der Stoff in der Fülle zuge⸗ 
trömt wie eben jetzt. Es ist, als wenn alle bösen 
deidenschaften entfessell, alle Teufel losgelassen sind. 
Alle die „Affairen“ aus den letzten Wochen zu— 
ammgenommen ergeben schon ein kleines Pandämo— 
iium. Und ist die Häufung dieser düsteren und 
sjäßlichen Ereignisse, diese Massenproduktion aus 
»en dunklen Regionen des sozialen Lebens ein bloßer 
Zufall, oder beruht sie nicht vielmehr auf einem 
sieferen, inneren Znsammenhang? Skeptiker werden 
das fest behaupten, die Anatomen der Gesellschaft 
iber werden aufs Neue von einer geistigen Epi— 
zemie, von einer Ansteckung des Verbrechens sprechen. 
WBer von ihnen Recht hat? Fast möchten wir zu 
der letzteren Auffassung, neigen. Merkwürdig, in 
vem Cyklus der Uebelthäter, der Lasterhaften, der 
excentrischen Naturen, den die Tageschronik an uns 
yorbeigeführt, erblicken wir fast jedes Alter, die 
erschiedensten Stände, beide Geschlechter. Von 
dem halberwachsenen Mädchen, welches lachenden 
Mundes über die Mysterien der Venus vulgivaga 
pricht, bis hinauf zu dem an der Schwelle des 
hrabes stehenden Greise, der mit kaltem Blut Mord 
ind Selbstmord begeht, von dem mit unverdauter 
dectüre belasteten Kutscher, der Frau und Kinder 
»em Tode weiht, um das Hinderniß zu einem 
inderen Ehebund hinwegzuräumen, bis zu dem mit 
iller Bildung, allem äußeren Schliff ausgestatteten 
Kertreter der „guten Gesellschaft“ — sie Alle sind 
m Rahmen dieses unerquicklichen Gesammtbildes 
nthalten. Auch ist es nicht die Großstadt allein, 
velche zu den Reigen dieser Verdorbenen und Ver— 
erten die Helden liefert, die Provinz will nicht 
uruckbleibden, auch sie hat ihre Vramen und Seu— 
sationsgeschichen. Und wahrlich, es ist nicht der 
uninteressanteste „Fall“, der sich dieser Tage in 
dem schlesischen Städtchen Hoverswerda abgespielt 
hat. Im Hinblick auf die Persönlichkeit des Acteurs, 
sein hohes Alter und das Motiv der That verdient 
der Vorgang eine besondere Beachtung weit über 
den Ort der Handlung hinaus. Ein Ritterschafts- 
rath, Herr von der Marwitz, ein Greis von einigen 
achtzig Jahren, begeht Mord und Selbstmord. Er 
hat mit seinem Opfer, dem Eisenwerksdirektor 
AV 
Prozeß gelegen, ist von ihm wegen plötzlicher Amts- 
entlassung verklagt und auch verurtheilt worden, 
eine Schadloshaltung von 70,000 Mark zu ge— 
währen. Schon hierüber ist der alte Mann im 
yöchsten Grade aufgebracht, sein Grimm aber steigert 
sich noch, als er in einer anderweiten Privatklage 
des Direktors Schlägel von Neuem verurtheilt wird. 
Dieser Schlag macht das Gefäß überlaufen, die 
haß⸗ und Rachegedanken verdichten sicht zu einem 
esten Entschluß. Am Tage der Verhand ung, nach 
zefälltem Erkenntniß, treffen die beiden Männer im 
asthof zum Schwarzen Bären zusammen. Nichts 
aber deutet auf die fürchterliche Tragödie hin, die 
nach wenigen Minuten vor sich gehen soll. Der 
arglose Schlägel setzt sich an's Fenster und blickt 
auf den Marktplatz, mährend von der Marwitz 
rnhig einige Mal im Zimmer auf und ab geht. 
Blötzlich zieht er einen Revolver hervor und feuert 
aus nächster Nähe zwei Schüsse auf den Hinterkopf 
Schlägel's ab. Dieser sinkt ohne einen Laut todt 
dom Sessel. Noch ehe die wenigen Anwesenden 
recht begriffen haben, was vorgegangen, setzt von 
der Marwitz den Revolver an den Mund, drückt 
ib und stürzt ebenfalls todt zu Boden. Man 
ktann sich denken, in welcher Aufregung die ganze 
Bevölkerung ist. Die Leichen sind einstweilen in 
das Kreiskrankenhaus überführt worden. Der er— 
mordete Schlägel war Witwer und hinterläßt vier 
unversorgte Kinder. 
Auf den probeweis am 11. Oktober abge⸗ 
tassenen Blitzz ug Paris-Wien sind, wie man der 
„Augsb. Abztg.“ mittheilt, in der Nähe von Oos 
in Baden zwei Schüsse abgefeuert worden, wovon 
der eine die Außenwand des Restaurationswagens 
beschädigte, der andere ein Fenster desselben zer⸗ 
rümmerte. Ob aus Versehen, ob aus Muthwille 
'der böser Absicht die Schüsse abgegeben wurden, 
'onnte vorerst nicht ermittelt werden. J 
Die Galanterie des Blitzes. Ein 
ranzösiger Gelehrter namens Boudin hat sich in 
der neueren Zeit beschäftigt, statistische Tabellen 
iber die vom Blitz getöteten Personen zu entwetfen. 
Er erklärt. Frauen hätten weniger Ürsache, als 
Männer, sich zu fürchten, denn auf 100 Männer 
ämen erst 28 Frauen, die vom Blitzz erschlagen 
vorden seien. Der Blitz habe eine entschiedene 
Vorliebe für das männliche Geschlecht, und wenn 
zin Mann und eine Frau neben einander gingen, 
jo werde der Mann, nicht die Frau erschlagen. 
Boudin beschränkt sich darauf, die Thatsache mit— 
zuteilen, ohne einen Versuch zu machen, eine Er— 
lärung dieser bemerkenswerten Naturerscheiuung 
aufzustellen. 
Petersburg, 16. Okt. Heute Nacht 
varen hierselbst 4 Grad Kälte, ebenso in Astrachan; 
in Nischny Nowgorod uud Kostrowa steigerte sich 
die Kälte bis zu 10 Grad. Auf der Wolga und 
Kama wurde die Schifffahrt eingestellt; in Nischny 
und Perm ist Eisgang. 
F In Moskau hat am 13. ds. Mts. die 
Fröffnung des deutschen Theaters statt— 
jefunden. Zur Aufführung gelangte „Emilia 
Halotti“'. Das Theater war ausverkauft und der 
Erfolg ein vollständiger. 
Chinesische Schlauheit. Bekanntlich hat 
der Kongreß in Washington vor einigen Wochen 
»ein Gesetz angenommen, durch welches die Ein⸗ 
vanderung von chinesischen Arbeitern in die Ver— 
»inigten Staaten während der folgenden zehn Jahre 
untersagt ist. Dagegen gestattete der Kongreß die 
jernere Einwanderung von chinesischen Schauspielern, 
da dieselben nicht zur arbeitenden Klasse gehören. 
In Folge dessen wandern jetzt die schlauen Ehinesen 
alle als „Schauspieler“ nach der Union ein, wo 
sie sich späterhin als Arbeiter entpuppen. Vor 
einigen Tagen ist sogar ein Schiff mit 300 an—⸗ 
zeblichen Schauspielern von Canton nach San 
Francisco abgegangen. 
F. Guiteaus Schädel ist aus dem Army Medi— 
cal Museum in Washington, wo derselbe