Full text: St. Ingberter Anzeiger

ʒxt. Jueherter Ageiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
er „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs- 
jatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt koftet vierteljährlich 1.46 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1M 60 H, einschließlich 
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W 207. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Aus Baden wird gemeldet: Es unterliegt 
mem Zweifel, daß auf dem nächsten Landtage die 
esigen Eisenbahnverhältnisse der eingehendsten 
tersuchung und Kredit unterliegen werden, und 
wiß in keinem für die oberste Verwaltung und 
isere Bureaukratie günstigen Sinne. Leider müssen 
Jimmer große Unglücksfälle ereignen, bevor an 
„änderung bestehender Mißstände gedacht wird. 
leichwohl wird das Land all' den Abgeordneten 
nkbar sein, welche in der so wichtigen Angelegen⸗ 
it ein energisches und offenes Wort sprechen wer⸗ 
m. Das Vertrauen in die Sicherheit des Ver⸗ 
hrs auf unsern badischen Bahnen ist tief erschüttert 
ad es wird längere Zeit vergehen, bis dasselbe 
neder hergestellt sein wird. 
der Ausschuß des Deutschen Handelstages tritt 
Berlin in den Tagen des 27. und 28 Okto— 
et zu Sitzungen zusammen, in welchen u. A. auch 
ie Frage der Reform der Handelskammern zur 
jerathung gelangen sollen. 
Nach Mittheilungen aus Hofkreisen besteht das 
mwohlsein des Kaisers in einer leichten, durch— 
uus unerheblichen Erkältung, welche indessen doch 
en Monarchen nöthigt, das Zimmer zu hüten und 
mn verhindert, für seine Rückreise nach Berlin 
ie bisherigen Bestimmungen festzuhalten. Man 
aubt jedoch, daß die Unpößlichkeit in wenigen 
agen vorübergegangen sein wird. Der Kaiser 
lbst hegt nach derselben Quelle die feste Hoffnung, 
m November den Hofjagden in Wernigerode, Lud⸗ 
iglust und in verschiedenen Provinzen Preußens 
eizuwohnen.. * 
In militärischen Kreisen verlautet, daß der 
zeneral der Infanterie v. Fran zecky, dessen Ge⸗ 
andheitszustand allerdings erschüttert ist, mit der 
bsicht nmgehe, seine Enthebung von dem Posten 
nes Gouverneurs von Berlin zu beantragen. 
So zerfahren die innere Lage Deutsch⸗ 
in ds in diesem Augenblicke ist, so resignirt sehen 
e Gegner des Deutschen Reiches in die Zukunft 
nnd so wenig glauben sie noch an die Rückgängig-⸗ 
achung der Jahre 1866 und 1870,71. So schreibt 
her die „Zeitläufe“ anläßlich der preußischen Land⸗ 
g8swahlen Dr. Jörg unter dem 14. ds. Mts. 
uh Constatirung der inneren Reichszerfahrenheit, 
ie folgt: „Wir sagen dies nicht aus Schaden⸗ 
eude, und weil wir etwa dächten: um so besser 
x uns. Denn wir wissen sehr wohl, daß der 
eband im Reich unauflöslich geworden, daß für 
ie Wiederherstellung der Lage vom Tage vorher 
me Barsis mehr vorhanden ist, und daß wir alle 
un jedem Unglück, das auf dem deutschen Haupt⸗ 
unde lastet, die Kosten mehr oder weniger mit⸗ 
agen müssen.“ — Das Eingeständniß, sagt die 
5. Pr.“, ift werthvoll, namentlich aus jener 
eder, welche im Sommer 1871 das besiegte oder 
eidische Ausland auf die inneren Partelen ver⸗ 
ostete und im Juni 1873 von der durch den 
maligen monarchischen Sieg „gesteigerten Bünd- 
ßfähigkeit? Frankreichs berichtete. Was die 
jegner der neuen deutschen Zustände bei Begrün⸗ 
ing des Reiches an inneren Schwierigkeiten voraus⸗ 
jagt haben, ist „durch die Zulassung Gottes und 
eThorheit der Menschen“ Alles einge⸗ ja über⸗ 
oifen worden; dennoch im Gegensatze zu dem 
»1 und 1873 ausgesprochenen Hoffnungen bei 
u alten Führer der bayerischen Großdeutschen 
enignirte Einsicht in die „Unauflöslichkeit“ des 
Samstag, 21. Oktober 1882. 
17. Jahrg. 
neuen Reichsverbandes. Bedürfte dieser Bau hin— 
chtlich seiner Zweckmäßigkeit wie hinsichtlich seiner 
inabwendbaren Nothwendigkeit einer nachträglichen 
kechtferligung, in diesem Geständniß eines seiner 
dartnäckigsten Gegner würde er sie gefunden haben. 
sie und sagte: wer wird denn so viel Zeug ma— 
chen, ich konnte es nicht heben! Der ganze Vor— 
fall war ortskundig. Die Beschuldigte wird auch 
als eine arbeitsscheue Person geschildert. (L. A.) 
— Unter dem Vorsitze Sr. Exzellenz des k. 
Staatsrathes und Regierungspräsidenten v. Braun 
agt seit Montag im Sitzungszimmer der kgl. Re— 
zierung zu Speyer die auf Grund der Gesetze 
jom 19. Mai 1881, die Einkommensteuer und die 
Kapitalrentensteuer betr. gebildete Berufungskom⸗ 
nission. 
— Aus der Vorderpfalz wird berichtet: 
die Hasenjagd befriedigt die Liebhaber und Wild— 
zrethaͤndler sehr wenig. Selten gelingt es bei 
iner Streife durch eine Gemarkung, eines Lang⸗ 
öffler ansichtig zu werden. Während im Früh— 
ahre die Felder voll von Jungen waren, ist jetzt 
rampe sehr rar geworden. Die Jäger behaupten, 
ine Seuche, entstanden durch die anhaltende Som⸗ 
nernässe, habe sie hinweggerafft. Anderwärts hat 
man dieselbe Erfahrung gemacht. 
In Niedermoschel passirte dem Ackers— 
mann L. der Unfall, beim Weißrübeneinheimsen 
uuf dem durch den vielen Regen durchweichten 
Felde einzusinken und zwar so, daß derselbe nur 
zurch die Hilfe seiner Frau wieder ausseiner un⸗ 
seimlichen Lage befreit werden konnte. 
Ausland. 
Chalons, 18. Okt. Heute begann der 
Prozeß gegen die Dynamitbande von Mont—⸗ 
zeau. Der Justizpalast wird von 60 Mann 
Zoldaten bewacht; auch wurden noch andere Vor—⸗ 
ichtsmaßregeln getroffen, da dem Präsidenten des 
Berichtshofes in einem an ihn gerichteten Schreiben 
gedroht wurde, man würde den Justizpalast mit 
ynamit in die Luft speengen. Geladen wurden 
136 Zeugen. In Monteeau ist ein Schreiben der 
zuise Michel verbreitet, in welchem dieselbe den 
lufständigen anzeigt, sie werde sie im Kampfe gegen 
ie Unterdrücker des Volkes unterstützen. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
fInhaber von Pfaff'schen Nämaschinen⸗ 
Freilosen dürfte es interessiren, daß die Verloosung 
»er sechs Nähmaschinen auf dem Comptoir der 
Fabrikin Kaiserslautern stattgefunden hat und 
vurden dabei folgende Rummern gezogen: 277 2602 
3172 24275 31193 38018. Auf Loos Nr. 3172 
iel der Haupttreffer, welcher in einer wunderschön 
nit Perlmutter eingelegten Maschine, die 50,000ste 
zer Fabrik, besteht. Die Nähmaschinen werder den 
hewinnern von der Fabrik aus franco zugesandt. 
— In Edenkoben begann am Montag die 
Weinlese.“ Die Weinstöcke liefern meist mehr, als 
rwartet! und darf man durchgehends einen Drei⸗ 
iertel⸗ Herbst· annehmen. Ueber Qualität, Ge—⸗ 
chäftsabschlüsse und Preis läßt sich noch nichts 
Zestimmtes sagen. 
— Landau, 18. Okt. “Vor der Straf⸗ 
ammer des k. Landgerichts hatte sich gestern eine 
innatürliche Mutter, die ihr Kind durch barbarische 
Mißhandlung sozusagen in den Tod getrieben, zu 
»erantworten.“ Die Verhandlung endete mit der 
Verurtheilung der Beschuldigten, Ehefrau des 
Schreiners pᷣh. J. Seib von Kapsweyer, zu 192 
Jahr Gefängniß. Durch die Zeugenaussagen wurde 
estgestellt, daß die Rabenmutter ihr Kind seit dem 
Frühjahr 1881 bis zu seinem am 30. April d. J. 
rfolgten Tode nicht leiden konnte, ihm Nichts zu 
ssen gab, es täglich mit Schlägen rraktirte, nicht 
rzeinigte und nicht kleidete, daß sie, wenn das arme 
dind vor Hunger bei Nachbarsleuten ein Stückchen 
Brod erbettelte, letzteres ihm abnahm und ihren 
inderen Kindern gab, daß sie es zu allen Jahres⸗ 
eiten in den sogenannten Dorfbach, welcher aus 
Zuell⸗, resp. Brunnenwasser besteht, eintauchte und 
s mit einem Strohwische wusch. Des Nachts 
nußte das arme Geschöpf auf dem Boden schlafen, 
von einem Bette wußte es gar Nichts, und so fort. 
Ihre drei andern Kinder dagegen verschätschelte die 
innatürliche Mutter auf jede Weise. Bei der ge— 
ichtlichen Obduktion der Leiche ergab sich, daß das 
irme, bis zum Skelett abgemagerte Würmchen am 
janzen Körper blaue Flecken und mit Blut unter⸗ 
aufene Stellen hatte; im Gesicht an Nase und 
Augen hatte es blaue Flecken, welche 14 Tage vor 
zessen Tode durch einen Wurf mit einem Holz⸗ 
huhe verursacht wurden. Die Staatsbehörde hob 
ervor, daß das wilde Thier seine Jungen nährt, 
flegt und hegt, dieses entartete Weib aber nicht; 
ie schändlichsten Redensarten gebrauchte sie über 
ꝛas Kind: und als dasselbe schon todt war, lachte 
Vermischtes. 
F Eine entsetzliche Rohheit wird aus 
München gemeldet: Neulich Abends ließ sich ein 
in der Kusterman'schen Eisengießerei beschäftigter 
Arbeiter beigehen, einen Lehrling mit Petroleum 
zu übergießen und dieses dann anzuzünden. Der 
unge Mensch liegt infolge der erhaltenen Brand⸗ 
vunden lebensgefährlich verletzt im Krankenhause; 
der Thäter wurde sofort verhaftet. 
F In Kaufbeuren wurde kürzlich ein ge— 
visser J. N. Maier, lediger Zimmergeselle von 
Ldandsberg beim Betteln verhaftet. Bei der Durch⸗ 
suchung fand man bei ihm ca. 1000 Mark in 
Bold und Silber und überdies eine Summe von 
30,000 Mark in Obligationen. Der Betreffende 
vill diese Summe „erspart“ haben. 
F.Sulzbach, 16. Okt. Ueber einen am 
Freitag der vergangenen Woche auf der Grube Dud⸗ 
veiler geschehenen Unglücksfall wird uns geschrieben: 
der Gasarbeiter Thinnes von Libergallshaus zu 
Zulzbach kam am Freitag mit brennendem Licht 
»en Gasen nahe und wurde durch deren Erplosion 
ur Erde geworfen, wo ihn ein auf den heftigen 
Znall herbeigeeilter Arbeiter in hellen Flammen 
liegend fand. Die brennenden Kleidungsstücke wur— 
den zwar sofort dem Unglücklichen abgerissen, doch 
ist der Oberkörper deratt verbrannt worden, daß 
der Bedauernswerthe am andern Tage mittags im 
hiesigen Lazerett, wohin derselbe gebracht wurde, 
hereits verschieden ist. (Bote d. Sulzb.⸗Th.) 
F Am 15. Okt. schoß der Privatförster Chemel 
don Stie ringen bei Forbach im Wendel'schen 
Walde einen von einem Flügelende zum andern 
1,68 m messenden Steinadler. (Kürzlich wurde 
auch ein solcher Vogel bei Landau in der Pfalz 
erlegt.) 
F Eil (Rheinpreußen). Auf der nahegelegenen, 
einer englischen Gesellschaft gehörenden Dynamit— 
jabrik explodirte mit fürchterlichem Knall eine Werk⸗ 
hütte, wo drei in derselben Beschäftigte zerrissen 
und weit weggeschleudert worden. Einer derselben 
var Vater von sechs Kindern.