Full text: St. Ingberter Anzeiger

, 
St. Jugherter Atzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. — 
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
Blait und Sonntags mit Sfeitiger illustrirter Beilage. Das Blait kostet vierteliährlich 14 40 2 einschließlich Träägerlohn; durch die Post bezogen 1 60 H, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 , bei Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 2008. 
Sonntag, 22. Oktober 1882. 
17. Jahrg. 
J 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Neich. 
Berlin, 19. Okt. Die Berufung des Land— 
ages um die Mitte November steht, wie ich Ihnen 
chon meldete, mit Sicherheit zu erwarten und sind 
auch alle Vorkehrungen hierfür getroffen. Der Be— 
chluß des Staatsministeriums steht noch aus und 
ann nicht eher erfolgen, als bis der Etat fertig 
gestellt ist. Dieser wird die Hauptarbeit des Ab— 
seordnetenhauses bilden und an ihn soll ja die 
Jedürfnißfrage nach Reform der direkten Steuern 
ind Bedeckung des alljährlich in Preußen an— 
wachsenden Desicits sich knüpfen. Im Eisenbahn⸗ 
ministerium arbeitet man mit großer Hast, um 
ertig zu werden — es soll das spätestens morgen 
jeschehen und dann dürfte sich erst ein genauer 
leberblick über die Etatsbeschlüsse erzielen lassen. 
Berlin, 20. Oct. Die Aufstellung des Etats 
es Ministeriums der öffentlichen Arbeiten ist endlich 
ertiggestellt, so daß nun der Gesammt-Etat des 
zreußischen Staates pro 1888 —84 überhaupt ab⸗ 
Jeschlossen werden konnte. Die Eisenbahnerträgnisse 
weisen sehr erhebliche Mehreinnahmen aus. Die 
Bergisch-Märkische Bahn allein soll ein auf 5 
HMillionen geschätztes Plus erzielen. 
Der deutsche Bundesrath hat bereits die 
Aufstellung der Reichs-Einnahmen und ⸗-Ausgaben 
des vergangenen Etatsjahres 188182 in Empfang 
jenommen. Die Reichshaushaltsrechnung für diese 
stechnungsperiode stellt sich, wie die Berliner „Poli— 
ischen Nachrichten“ melden, recht günstig dar. Die 
hesammtsumme der Einnahme einschließlich der ver⸗ 
liebenen Reste beträgt 726,119,431 Mk. 7 Pf., 
die der Ausgabe, ebenfalls inkl. der Reste, 
701,042,326 Mk. 81 Pf., sodaß also die Ein⸗ 
nahmen die Ausgaben, ebenfalls unter Berükfich⸗ 
tigung der beiderseitig verbliebenen Reste, um 
25,076,104 Mk. 26 Pf. übertreffen, von denen 
10,558,250 Mtk. im Reichsetat 188283 verrechnet 
werden, während die Restsumme von 24,077, 104 
Mk. 26 Pf. zur Verfügung bleibt. Die Etats- 
iberschreitungen, welche der Bundesrath vorbehalt⸗ 
lich der verfassungsmäßigen Entlastung zu genehmigen 
jat, betragen in den Einnahmen 6,160,450 Mk. 
31 Pf., in der Ausgabe 13,940,178 Mk. 34 Pf. 
einschließlich eines Postens von 136,955 Mk. 77 Pf. 
velche auf Etatsüberschreitungen und außeretats⸗ 
naͤßige Ausgaben bei den kaiserlichen Hauptpost⸗ 
amtern entfallen. 
Ausland. 
Wien, 19. Okt. Das Militärgericht in Triest 
erkannte Oberdank, wegen des beabsichtigten Atten⸗ 
lates auf den Kaiser, des Todes schuldig. 
Das Urtheil wurde jedoch dem hiesigen Militär— 
wWpellgericht zur Bestätigung unterbreitet und zur 
Aeußerung darüber, ob die Strafe durch den Strang 
oder Pulver und Blei zu vollziehen sei. Oberdank's 
Dutter ist hier eingetroffen, um Begnadigung zu 
erbitten. Graf Taaffe wies dieselbe an die Mili— 
ärbehörden, da er in dieser Frage incompetent sei. 
Wien, 19. Okt. Polnische Blätter melden, 
zaß die russische Regierung bei Kischinew 100,000 
Mann concentrire, und daß in ganz Galizien von 
russischen Agenten ungeheuere Fuͤttervorräthe auf⸗— 
jelauft werden. 
Brünn, 20. Olt. Ein, Erlaß des Statt⸗ 
jalters an die Bezirkshauptmannschafien macht die 
charfe Ueberwachung jedweder antisemitischen Be⸗ 
vegung zur Pflicht. Ein weiterer Erlaß lenkt die 
Aufmerksamkeit auf die Umtriebe der Sozialisten, 
welche die antisemitische Bewegung in Ungarn er⸗ 
zeugen sollen, um für sozialistische Bestrebungen 
unter den Arbeitern Propaganda zu machen. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
e. Ensheim, 19. Okt. Marktpreise. Eier 
er Dutzend 90 Pf. Butter per s Kilo 1,20 Mk. 
dartoffeln: weiße per 50 Kilo 3 Mk., rothe 
3,80 Mk. 
— Die für die Wetterbeschädigten des Bezirks— 
imts Kusel in Ensheim veranstaltete Sammlung 
rtrug 63 Mark. 
— Landan, 20. Okt. Die Herbstberichte 
auten, wie nach Lage der Dinge nicht anders zu 
erwarten ist, durchweg ziemlich unerfreulich. Hier 
jewogener Most schwankte zwischen 50 —600 nach 
Dechsle, am unteren Gebirge ergaben sich 70 -800; 
das letztere Gewicht wird aber auch dort nur in 
den besseren Lagen erreicht. Die Preise für ältere 
Weine ziehen noch fortwährend an, während füt 
die neuen wenig Nachfrage besteht. Wie es scheint, 
will man abwarten, wie sich die 1882er entwickeln; 
noöglicherweise soll durch diese Zurückhaltung auch 
nur ein Druck auf die Mostpreise ausgeübt werden. 
In Dürkheim werden 400 — 450 M. für das Fuder 
derlangt und hie und da auch bezahlt; in unserer 
Umgebung läßt sich ein Durchschnittspreis noch nicht 
angeben. (Eilbote.) 
Vermischtes. 
F Die Elektrizitäts-Ausstelling in München 
schließt mit einem Ueberschusse von ca. 30,000 M. 
ab. Die Kosten beliefen sich auf 100,000 M. 
F In der Sitzung des Schöffengerichts zu 
Rappoltsweiler ereignete fich ohnlängst nach— 
stehender drolliger Zwischenfall: „In derselben Stunde, 
wo das Gericht versammelt war, fand im unteren 
Stockwerke eine Holzversteigerung statt. Ein Fremder, 
welcher Holz brauchte und sich im Amisgerichtsge⸗ 
häude nicht zu orientiren wußte, kam in den Sitzungs⸗ 
aal des Amtsgerichts und da man gerade einen 
Waldfrevler richtete und der Fremde mehrere Foͤrfter 
jah, welche als Zeugen geladen waren, so glaubt 
er, er befinde sin im Versteigerungssaal. Als der 
Richter das Urtheil verkündele, durch welches der 
Deliquent zu 30 M. Geldstrafe verurtheilt wurde, 
rief der Fremde, welcher glaubte, es seien 30 M. 
auf ein Klafter Holz geboten, mit lauter Stimme: 
„35 Markl!“ Man kann sich das allgemeine Gelächter 
oorstellen. (121) 
F Kreuznach, 18. Okt. Der Bau des 
weiten Geleises der Rhein-⸗Nahe⸗Vahn ist nunmehr 
schon so weit vorgeschritten, daß die Strecken 
Bingerbrück-Kreuznach, Münster am Stein⸗Nieder⸗ 
zausen, Waldböckelheim⸗Sobernheim, Monzingen⸗ 
Martinstein, Fischbach-Oberstein und Heimbach⸗ 
Neunkirchen bereits zweigleisig befahren werden. 
Auch auf den noch nicht ganz fertig gestellten 
Strecken sind die Arbeiten bereits weit vorge— 
chritten. Die eisernen Brücken bei Kreuznach und 
Münster a. St. werden im Laufe dieses Monats 
rotz aller Ungunst der Witterung und der wieder⸗ 
jolten Zerstörung der Gerüste durch Hochwasser 
ertiggestellt. Die Schienen sind auf dem größten 
ben gestopft und gerichtet, so daß es zu erwarten 
teht, es könne dieses letzte Stück der untern Nahe 
Bahn in den ersten Tagen des November ebenfalls 
chon befahren werden. In gleicher Weise sollen 
auch auf den obern Strecken der Bahn die Erd⸗ 
und Fels⸗Arbeiten ihrer Vollendung ganz nahe ge— 
zracht sein, so daß im Laufe des Monats Novbr. 
der noch rückständige Rest von ca. 39 kmä langen 
Rhein⸗Nahe⸗Bahn zweigleisig dürfte befahren 
verden können. 
In Bielefeld hat laut der „Westf. Z.“ 
her älteste Bürger der Stadt, der Reniner Markus 
Jorden am 15. ds. sein 104. Lebensjahr vollendet. 
Dan kann denselben noch täglich auf den Prome⸗ 
naden treffen. 
In Gelsenkiärchen ist ein Knabe, welcher 
um den Sohn eines Nachbars zu ärgern, diesem 
das Stotiern nachmachte und es darin bis zu hoher 
Meisterschaft brachte, jetzt selbst von diesem Uebel 
hefallen worden und zwar so stark, daß selbst der 
Aufenthalt in einer berühmten Heilanstalt ihn nicht 
davon hat befreien können. 
4 Marienburg, 18. Okt. Ein vor einigen 
Tagen vorgekommener Fall von Blutvergiftung 
fordert zu großer Vorsicht auf. Es handelt sich 
um eine Vergiftung durch gewöhnliche blaue Strick⸗ 
volle, die dadurch entstand, daß die Strickende den 
Faden um einen Finger gewickelt hatte, der nur 
zanz geringe Spuren einer höchst unbedeutenden, 
laum sichtibaren Verletzung aufzuweisen hatte. Bei 
der erkrankten Frau stellte sich schon nach wenigen 
5tunden heftiges Fieber ein, bald darauf schwollen 
dand und Arm bedeutend an, und nun erst wurde 
durch den schnell herbeigerufenen Arzt die Ursache 
der Erkrankung festgestellt. Eine Amputation des 
Arms, die man anfangs für nothwendig hielt, hat 
war unterbleiben können, jedoch macht die Genesung 
der Frau nur sehr langsame Forftschritte. 
Die Ueberschwemmungen in Ober⸗Italien 
iehmen neuerdings einen gefährlichen Charakter an. 
In den Provinzen Rovigo und Padua wächst das 
Wasser noch fortwährend. Die Etsch wühlte sich 
ein neues riesiges Bett. In der Provinz Rovigo 
ind 36,000 Menschen obdachlos; Hab und Gut 
sind total verloren. Die Flüchtlinge schlafen in 
den Städten Padua, Chioggia, Rovigo und Este 
in den Kirchen. 
F GEin elfjähriger Mörder.) In St. 
Nazaire erschoß ein 11jäͤhriger Knabe seinen 19 
Jahre alten Bruder. Der junge Mörder wurde 
oerhaftet und nach dem Gefängniß von St. Nazaire 
gebcacht. 
— Giftige Hechte ist der neueste Schrecken, der 
us Rußland angekündigt wird. Professor M. 
Braun zu Dorpat fand bei der Untersuchung meh⸗ 
cerer gewöhnlicher Hechte in der Musculaiur, Leber, 
Milz und andern Theilen der Eingeweide zahlreiche 
Zarasiten (Bothriokephalen), die man vielleicht als 
dechttrichinen betrachten kann. Bei Versuchen, die 
er mit Hunden und Kaßen anstellte, ergab sich, 
daß die Parasiten sich in den Eingeweiden dieser 
Thiere festsetzten und dort sich als Bandwürmer 
entwickelten, indem sie neue Glieder ansetzten. Nach 
diesen Versuchen ist den Fachgelehrten die Ueber— 
tragbarkeit dieser Parasiten auf den Menschen gar 
nicht zweifelhaft, und Professor Braun hat deshalb 
zu weitern Erörterungen dieser Entdeckung auch 
deutschen Gelehrten Mittheilung dabon gemacht. Es 
wird sich nun darum handeln, zunächst festzustellen, 
ob auch die in unsern Gewässern lebenden Hechte 
von dem gefaährlichen Bothriokephalus heimgesucht 
sind, oder ob diese Hechtkrankheit nur auf die Ge⸗ 
wässer in den russischen Ostseeprobinzen beschränkt 
st. 
—