Full text: St. Ingberter Anzeiger

galle, demolirt) vorübergehend der königlichen Fa⸗ 
milie zur Wohnung. — Daß jener Polenkönig mit 
unseren Alten auf dem besten Fuße gestanden ha⸗ 
hen mußte, ist durch die demselben gesendete Be⸗ 
glückwünschung zur Vermählung seiner Tochter 
Marie mit dem damaligen König Ludwig XV. von 
Frankreich, noch mehr aber durch das hierauf er⸗ 
folgte oben abgedruckte herzliche Handschreiben zur 
Genüge dokumentirt. 
— Die „Pf. VBztg.“ schreibt: „Wie wir er⸗ 
fahren, sind in dem Concurs der Actienbrauerei 
Ktaiserslautern bis jetzt nur wenige Priori— 
äts⸗Obligationen angemeldet worden. Im In⸗ 
teresse der Prioritäteninhaber machen wir darauf 
aufmerksam, daß diese Anmeldung zur Wahrung 
ihrer Rechte nothwendig ist, mit dem Bemerken, 
daß die zur Anmeldung bestimmte Frist mit dem 
31. ds. Mts. abläuft. Eile thut deshalb noth! 
— In Hochspeyer fiel der Knecht des 
Wirthes Daniel Häberle in der Scheune beim 
Strohumsetzen so unglücklich, daß der Tod sofort 
eintrat. Der Verunglückte ist Vater von 5 Kin⸗ 
dern. 
— In Ellerstadt ertrank nach der „Pf. 
Pr.“ ein Kind, Knäbchen von 3 Jahren in einem 
Pfuhlloche. Als die Eltern ihr Kind vermißten, 
wurde die ganze Nachbarschaft alarmirt, bis man 
endlich dasselbe in der obigen Weise entdeckte. 
— Der „Diesjährige wird besser als sein vor⸗ 
hergegangener Ruf war,“ wie alle Berichte über⸗ 
einstimmend lauten, — doch gilt dies vorwiegend 
nur von einzelnen begünstigten Lagen; — und 
dielfach wird sogar behauptet, daß der 1882er den 
1881Ier an Qualität übertreffen soll. Doch wir 
wollen's abwarten, und den zweifelhaften Gesellen 
nicht vorzeitig und unverdientermaßen beloben. — 
Das Mostgewicht ist sehr verschieden; im Allge— 
meinen schwankt es zwischen 60 bis 65 Grad (nach 
Oechsle), doch ist auch niedrigeres zu verzeichnen, 
während nach den uns vorliegenden Weinberichten 
das Höchste 78 Grad betrug. — Im Ahrthal be—⸗ 
ziffert sich das Mostgewicht sogar bis zu 90 -92 
Grad. — Ebenso variieren die Mostpreise sehr. In 
Wachenheim wurde der Most zu 13,25 M. bis 
15 M. per 40 Lit. verkauft, während man den⸗ 
selben zu Maikammer schon zu 6 M. verkaufte. — 
Gekelterter Neuer wurde in letzterem Orte zu 170 
—-210 M. per 1000 Liter und zu Dürkheim 450 
500 und mehr verkauft. 
— In Landau ist nach dem „Tagbl.“ die 
höhere Genehmigung zur Einführung des Lolal⸗ 
malzaufschlags daselbst eingetroffen. Von einem 
Hektoliter Bier wird danach 1Mt. 20 Pf. erhoben 
verden. Bei der Einfuhr fremder Biere sind pro 
pektoliter 66 Pf. zu entrichten und für jedes 
Liter über dieses Quantum 1 Pf. 
— Aus interessirten Kreisen wird dem „L. A.“ 
die in Sachen der Besteuerung von mit Zucker 
behandelten Weinen ergangene, von uns erwähnte 
Entschließung als ziemlich werthlos bezeichnet. 
„Eine Verbesserung des Weines durch Zuckerzusatz 
äßt sich blos dann durchführen, wenn gleichzeitig 
durch Wasserzusatz die Säure des Weines verringert 
wird.“ Die gleiche Ansicht findet sich auch in der 
„Kaiserl. Ztg.“ ausgesprochen, welche zu der Regier⸗ 
ingsentschließung bemerkt: „Wenn der pure Zucker 
in dem Weine sich selbst auflösen soll, wird der 
Winzer so viel Zucker brauchen, daß ihm der Wein 
heuer zu stehen kommt. Löst er den Zucker in 
Wasser auf und gießt es bei, so erfolgt eine Ver⸗ 
mehrung des Weines. Aus der Sache scheint also 
mehr gemacht worden zu sein, als sich verlohnt. 
Man stelle dem Gaste zu Weine seine 3 Stückchen 
Zucker hin wie beim Kaffee, und die Frage ist ein⸗ 
ach erlddigt. Der „Pf. Zig.“ wird in derselben 
Angelegenheit geschrieben: „Nach dem seltsamen Be— 
cheid ist Produzenten allerdings der Zusatz von 
Zucker, aber nicht die Vermehrung des Weines ge⸗ 
tattet. Der Mann muß aber noch geboren wer—⸗ 
hen, der einen übersauren Wein verbessern kann, 
ohne dessen gleichzeitige Vermehrung! Der ganze 
Witz des Verfahrens besteht ja eben darin, daß der 
Zusatz von Wasser die allzuviele Säure vertheilt, 
während der gleichzeitige Zusatz von Zucker die 
Wirkung dieser Verdünnung auf die Qualität des 
Weines wieder ausgleichen soll. Wir sind daher 
nach dem ministeriellen Bescheid noch so klug wie 
horher.“ 
Vermicchtes. 
München, 26. Okt. Als Mitglied der 
Kommission für die im Jahre 1883 abzuhaltende 
Zrüsfung für den ärztlichen Staatsdienst, zu wel⸗ 
her sich 39 Aerzte gemeldet haben, wurde u. A. 
dreismedizinalrath Dr. Fr. Karsch in Speyer für 
Medizinalpolizei bestimmt. 
F München 25. Okt. (N. B. L.) Als der 
Fagdgehilfe Göbel von Partenkirchen letzten 
Nittwoch gegen das Höllen thal pirschte, gewahrte 
r zwei Wil derer (Tyroler), die eben beschäftigt 
varen, einen Gembsbock aufzubrechen. Göbel ging, 
als er sie gewahrte, zurück, um den Förster von 
vrainau Herrn Neuner zu holen. Er begab sich 
nit diesem eiligst wieder zurück auf den Piatz, wo 
ie die beiden Wilddiebe noch autrafen und über—⸗ 
aschten. Foörster Neuner forderte sie auf, die Ge— 
vehre bei Seite zu legen und sich als Gefangene 
rgeben. Als Antwort riß der Eine aber die Buͤchse 
in die Wange und feuerte auf Neuner, ohne jedoch 
in treffen. Göbel dies wahrnehmend, zielte und 
choß den einen Wilderer, so daß derselbe nur mehr 
inige Schritte machte und dann die Wand her—⸗ 
interfiel, an deren Fuß er todt aufgefunden wurde. 
Dder zweite Wilderer entkam. 
F Ein rricher Schuldiensterspektant.) 
Bei der diesjährigen Anstellungsprüfung der Schul— 
ienstexspektanten in Ansbach ließ sich auch ein 
dandidat prüfen, der ein Vermögen von 100,000 
Mark besitzt. 
f In Hedelfingen verkaufte ein Wein⸗ 
zjärtner seinen heurigen Herbstertrag von einem 
Achtel Morgen Weinberg einem Gastwirth um 
30 Leberwürste. 
F. Die baye rischen Staatseisenbahnen ha— 
jen in den Monaten Januar bis einschließlich 
Zeptember 1882 59,583,998 Mt. oder gegen die 
zleiche Zeitperiode des Vorjahres um 2,928,994 M. 
nehr vereinnahmt. Wir können's ganz gut ge— 
—XV 
FEin Weibcertag im Oberelsaß.) 
Von einem seltsamen Brauche, der früher in den 
hber⸗elsäsfischen Dörfern Weier im Thal, Walbach 
ind Zimmerbach geherrscht, erzählen uns Rappolt- 
teiner Annalen des Jahres 1681 Folgendes: 
„Alle Weiber dieser drei Orte kamen alle Jahre 
auf öff entlichem Markt zusammen, die meisten mäs— 
irt. Jede hatte etwas zu essen in der Hand. 
die eine einen Hafen mit Fleisch, die andere mit 
hemüß, wieder eine andere gebraten Fleisch an 
inem hölzernen Spieß, noch andere etwas anderes 
in Essenspeise. Sie nahmen aus dem gemeinen 
deller Wein, der in zwei Fäßlein auf einem Pferd 
getragen worden, welches ein maskirtes Weib mit 
Schellen führte. Jeder Bäck und jeder Wirth mußt 
hnen einen Leib Brod geben. Die Gemeinde gab 
hnen auch zwölf Gulden. Daraus kanften sie einen 
jroßen Bock und zierten ihn mit Schellen. Dann 
ogen sie mit Musikanten auf den Mayerhof, da 
hnen der Mayer Butter geben mußte. Sie aßen 
zuf der Landstraße, backten Küchlein und die Rei— 
enden mußten mit Ihnen um den Boch tanzen. Ihre 
Nämer durften sich nicht sehen lassen bis auf den 
Ubend. Sie (die Weiber übten allen Muthwillen 
uus und schmissen die Fenster ein. Es war den 
24. Februar (Matthiastag.) Herr Pfarrer Forster 
sat es mit dem Ameässchaffner abstellen machen.“ 
F Von einem latholischen Geistlichen aus E. 
im Rhein, welcher nach Südfrankreich geschickt ist, 
im in Ermangelung der eigenen Ernte dort Ein⸗ 
äufe von „Meßweinen“ zu machen, erhält die „Ger⸗ 
pania“ einen Reisebericht. Er schreibt aus Mont⸗ 
dellier: „Wir geben uns stets als Prussieus 
dar force aus, nämlich als Elsässer (natürlich 
veiß kein Mensch, wo G. liegt), sonst könnten wir 
s bei diesem Volke gar nicht aushalten. Es ist 
Thatsache, daß die Sucht nach Revanche nicht allein 
nicht nachläßt, sondern bis in die Hütte der Armen reicht. 
rFinmal lief mir bei der Prahlerei einiger Herren 
nein Mauh über (NB. Trotz der fürchterlichen Prügel, 
die diese Kerle 1870 71 bekommen, haben sie na— 
ürlich überall gefiegt! — denn auf alle Hetzereien 
ntworten wir mit Stillschweigen — also einmal 
igte ich: Molkte hat jetzt eine Kanone erfunden, 
nit welcher man um die Ecke schießen kann — 
as verstanden sie; die Herren standen auf, verlie⸗ 
en das Lokal und wir sahen sie nie mehr wieder. 
zm Uebrigen möchte ich nun noch kurz bemerken, 
aß es unmöglich ist, die ganz kolossalen Wein⸗ 
hmierereien zu schildern, die man überall findet. 
krotzdem diese Leute pro Morgen 6—7 Stück (in 
deutschland 1 bis 122 Stück) Wein ernten, fab— 
iziren diese Menschen in ganz unglaubligerWeise. 
zst es in Deutschland schon geboten (um mit ab— 
AAuter Gewißheit ganz naturreine Weine zu be— 
ommen) selbst zu keltern, so ist es in Frantr 
ioch mehr der Fall. Nicht allein, daß außer Ind 
Ilhcerin Salichle und weig der liebe hetShrn 
Alles 1002 150 pCt. Wasser zugesetzt werden 
nit Dampfpumpen gehoben (aber als —** 
uicht zu genießen ist), sondern — bitte, lachen 
nicht, so lächerlich es lautet — denn es ist z 
ch selbst habe mich mit Augen und Zunge wohi 
20 Mal davon überzeugt, man nimmt auch Senf 
„moutarde“ 6—8 Pfund per 100 Liter. Da. 
zurch wird die Gährung unterdrückt und so dem 
Wein ein höherer Zuckergehalt erhalten. Und das 
zeug geht dann meistens Bordeaux und wird als 
Zordeauxwein, Narbonner, Bourgogne ꝛxc. ver⸗ 
andt und wir dummen Deutschen zahlen für 
Wasser, Glycerin, Mostrich und Wein zusam. 
nen 24 Mk. (resp. 30 Mk., weil das Gebinde 
ils Wein in Deutschland mitverzollt resp. bezahlt 
verden muß) an Zoll pro 100 Liter. Doch was 
nachen? Ich habe schon so viel gegen die Wein 
abrikation geschrieben und gesprochen, daß ich kein 
hoffnung auf Erfolg haben kann; ich bedauer⸗ 
uur immer die armen Kranken, die Rothwein trin⸗ 
len um gesund zu werden, denn ich weiß, daß neun 
Zehntel aller Wein nicht Naturweine sind. Also 
Vorsicht!“ 
f Der Verein „Concotdia“ in Berlin hat 
ür die beste Losung der Frage über die „rationellste 
Anlage und Errichtung von Wohnhäusern für je 
ine Arbeiterfamilie unter Berücksichtigung der Ver— 
jältnisse in verschiedenen Theilen Deutschlands, so— 
vohl in Städten als auf dem Lande“ zwei Preise 
»on 1200 Mk., resp. 600 Mt. ausgesetzt. 
FGord und Selbstmord) In Berlin 
zat in der Nacht vom Sonntag zum Montag der 
dauptmann Frhr. v. Schrötter vom 74. Inf.⸗Regt, 
Lehrer an der dortigen Militär⸗-Turnanstalt, seine 
Heliebte, mit welcher er eine Wohnung inne hatte, 
nit einem Revolverschusse getödtet und kurze Zeit 
»arauf mit einem zweiten Revolverschusse sich selbst 
entleibt. Seit längerer Zeit andauernde Zwistig 
eiten zwischen ihm und seiner Geliebten, welche 
nuf eine baldige Verehelichung drang, sollen die 
chreckliche That veranlaßt haben. 
F In Berlin brach am 25Okt. in dem Ge— 
däude des AUswärtigen Amtes an der Ecke 
der Wilhelmstraße Fe uer aus. Bei'm Eintreffen 
er ersten Spritzen stand bereits das ganze Zimmer 
nit allem Inventar in Flammen, so daß stärkece 
röschabtheilungen durch die Meldung „Mittelfeuer“ 
jerangezogen werden mußten. Eine weitere Aus— 
—XX 
erhindert werden. 
FDer „Hamburger Correspondent“ enthält einen 
Urtikel über die „Schwierigkeit der Be— 
rzufswahl“, der Beachtung verdient. Ganz zu⸗ 
reffend heißt es darin: „Es wird auf den meisten 
Hebieten deutschen Lebens zu häufig den höchsten 
zielen nachgestrebt und dadurch ein Proletariat der 
Bildung hervorgebracht, bei welchem das Mißver⸗ 
jältniß zwischen Anspruch und Genüge noch pein⸗ 
icher ist, als unter den Proletariern der ärmerten 
dlassen. Daß heutzutage kleinere und mittlere Städte 
Deutschlands nicht ruhen und rasten, bevor sie es 
zu einem Gymnasium oder einer höheren Realschule 
ind womöglich zu beiden gebracht haben, macht 
em deutschen Bildungseifer alle Ehre, ist für die 
zZevölkerung aber kein Glück. Man bildet sich nur 
isl' zu häufig ein, daß, wenn die Kinder erst durch 
ie Schule gebracht worden seien, das Schwierigste 
iberstanden sei und das Uebrige sich von selbsi 
inden werde. Thatsächlich ist für die Leute in 
ꝛeschränkten Verhältnifsfen aber gerade das Umge⸗ 
ehrte der Fall, weil die eigentliche Schwierigkeit, 
iejenige Unterbringung des ,hoöher gebildeten“ jungen 
Mannes, erst jenseits der Schule anfängt. Eine 
urchschlagende Abhilfe des von Jahr zu Jahr zu⸗ 
nehmenden Uebelstandes der Ueberfülle der hoheren 
der für höher angesehene Berufsarten in Deutsch- 
and wird anders als durch Umgestaltung des Frei⸗ 
villigen- und Berechtigungswefens nicht erreicht 
verden. Bis es dazu gekommen ist, bleibt (unseres 
Frachtens) nur Eines uͤbrig: daß der Mittelstand 
mmer wieder gemahnt werde, möglichst viele tuch⸗ 
ige Kräfte dem Handwerkerstande zuzuführen. Wir 
vissen wohl, daß das deusche Kleingewerbe nicht 
auf Rosen gebettet ist, — immerhin ist dem Hand⸗ 
werker und kleineren Industriellen im In⸗ nud Aus⸗ 
land ein erheblicher Spieltaum geblieben, der von 
rüchtigen und wahrhaft gebildeten Kräften behauptet 
ind erweitert werden kann. Auf einen Umsiand 
nuß dabei ganz besonders hingewießen werden; 
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