Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingherter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der ‚St. Iugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich füunfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Untechaltungs⸗ 
blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 14 40 — einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 1MA 60 , einschließlich 
d HZustellunasgebuhhr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum beträgt bei Inseraten aus der Pfalz 10 4, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 HZ, bei Neclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
— 
M 213. So) nuntag, 29. Oktober 1882. 
17. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
XX 
reffen am 31. ds. aus der Riß zu einem 14täg- 
gen Aufenthalt hier ein. Alsdann wird das igl. 
hoflager, wie dem „Frankischen Kurier“ geschrieben 
vird, nach Hohenschwangau verlegt. 
Der Kaiser ist am Donnerstag von Berlin 
ach Ludwigslust abgereist. 
Der „Reichsanzeiger“ veröffentlicht die Bekannt⸗ 
nachung betreffend die Verlängerung des kleinen 
Belagerungezustandes über Hamburg, Al⸗ 
ona, Harburg und Theile der Kreise Pinneberg 
Stormarn und das Herzogthum Lauenburg auf 
Jahr. 
Berlin, 27. Olt. Bis jezt ist das Ergeb— 
is von 425 Wahlen bekannt. Davon sind 133 
nservativ, 46 freiconservativ, 92 ultramontan, 
33 nationalliberal, 19 secessionistisch, 38 fortschritt⸗ 
ich ausgefallen. Außerdem wurden gewählt 17 
Polen, 2 Dären, 3 Welfen, 5 sonstige Liberale und 
— ein Demokrat. Funf Minister gingen aus der 
Wahl siegreich hervor. Minister Maybach wurde 
weimal gewählt. (Das preußische Abgeordneiten⸗ 
jzaus zählt Aberhaupt 4833 Mitglieder, das Ergeb⸗ 
iiß von 8 Wahlen steht mithin noch aus. Am 
S„chlusse der vorigen Legislaturperiode war die 
barteigruppirung folgende: Conservative 113, Cen⸗ 
rum 99, Nationalliberale 87, Freiconservative 54, 
Fortschritt 39, Liberale Vereinigung (Secessionisten) 
20, Polen⸗ 19, Dänen 2. Es haben mithin bei 
Außerachtlassung der noch rückständigen Wahlergeb⸗ 
uisse bis jetzt die Conservativen 20 Wahlsitze ge⸗ 
vonnen. Die Freiconservativen haben 8, die Na—⸗ 
ionalliberalen 24, das Centrum 7, Fortschritt und 
ree Vereinigung je 1, die Polen 2 Sitze ver⸗ 
oren. 
—t. Blieskastel, 27. Okt. Die Butter⸗ 
preise sind auf dem letzen Wochenmarkt dahier 
enorm gestiegen. Das Pfund Butter wurde näm⸗ 
lich mit 1,40 Mk. bezahlt. — Infolge der in 
dieser Woche stattgehabten heftigen Regengüsse war 
die Blies zum dritten Male innerhalb kurzer Zeit 
nus ihrem Ufer getreten. — Heute Abend veran—⸗ 
taltet die Familie Lebeth aus Böhmen im Hotel 
Lang dahier ein Conzert. 
— Zweibrücken, 27. Okt. Heute Mittag 
trifft Hr. Generalmajor v. Kiliani, Komman— 
deur der 2. Kav.-Brigade, mit Hrn. Oberst Flo— 
how und seinem Hrn. Adjutanten dem Prem. 
Lieut. Frhrn. Kreß von Kreßenstein, zu 
Inspektionszwecken hier ein. (3w. Zig.) 
— In der leztzten Sitzung des Districts⸗Aus—⸗ 
schusses für den Kanton Zweibrücken wurde die 
Lonvertirung des im Jahre 1878 aufgenommenen 
5⸗procentigen Districts⸗Anlehens von 179,000 M. 
in ein 493-procentiges beschlossen mit dem Zusatze, 
daß der hierdurch sich ergebende Gewinn mit jähr⸗ 
lich rund 900 Mk. zu einem Reservefonds soll 
admassirt werden. 
— In Pirmasens soll eine Gemeinde⸗Ver⸗ 
sammlung entscheiden über den Vorschlag des Stadt⸗ 
raths, zum Zwecke der Vergrößerung der städt. 
Basanstalt ein 4proz., in 26 Jahren zu tilgendes 
Anlehen von 40,000 Mk. zum Cours von 99 
aufzunehmen. 
— Kaiserslautern, 26. Okt. Die Süd⸗ 
deutsche Bodenkreditbank will das von der hiesigen 
israelitischen Gemeinde bei ihr nachgesuchte Anlehen 
bon 150,000 Mk. für den hiesigen Synagogen⸗ 
hau nicht abschließen, weil ihr die Opposition dagegen 
nnerhalb der Gemeinde zu bedeutend erscheine. 
— Vor Kurzem machte in Annweiler die 
Entdeckung kleiner „Wasserschlangen“ in den Röhr⸗ 
zrunnen unangenehmes Aufsehen. Die angestellte 
Untersuchung hat ergeben, daß es sich dabei ledig 
lich um eine Art von Regenwürmern handelte. 
— Mit Genehmigung der Generaldirektion 
der kgl. bayer. Verkehrsanstalten werden an 
sämmtlichen Postschaltern Bayerns Anhänge— 
Adressen mit Vordruck per Stück zu 1 und 2 pf 
ibgegeben. Wenn derartige Adressen an Körbe und 
Zäcke bei Versandt von Obst und Naturalien, dann 
»ei Wildpret angebunden werden, so wird die Spe⸗ 
dition der Postsendungen wesentlich erleichtert und 
zesichert, weßhalb sie dem Publikum und insbesondere 
Beschäftsleuten bestens zu empfehlen sind. 
Vermischtes. 
F Am kgl. Hofe zu München soll die Ver⸗ 
obung des Prinzen Amadeo (GBruder des 
Zönigs Humbert), Herzogs von Aosta, ehemaligen 
önigs von Spanien, geboren den 30. Mai 1845, 
eit 1876 Wittwer, mit der igl. Prinzessin 
Therese von Bayern, Tochter des Prinzen Luit— 
pold, geb. 12. November 1850, Aebtissin des lgl. 
Damenstifts St. Anna in Bälde vollzogen werden. 
F Neunkirchen, 26. Oklt. Die heute in 
der evangelischen Kirche zu Ottweiler stattgehabte 
Wahlverhandlung ergab nach der „Saar⸗ 
u. Bl.Zig.“ einen glänzenden Erfolg für die Kom⸗ 
promißlandidaten Vopelius, Sello und Serlo. 
Im ersten Wahlgange wurden 788 Stimmen ab⸗ 
jegeben, davon erhielt Vopelius (freiconserv.) 
529, Heyl 257, Windthorst 2 (aus Spiesen); im 
weiten Wahlgange wurden 752 Stimmen abge⸗ 
geben, davon für Sehlo (nat.libr.) 595, Heyl 
146, Windthorst 10, Herrmann 1! im dritten 
Wahlgange erhielten von 748 abgegebeneu Stimmen 
Serlo (frei⸗-conserv.) 425, Heyl 280, Herrmann 
41, Windthorst 2. Merkwürdig an dieser Ab⸗ 
stimmung, da ein Analogon wohl noch niemals 
dagewesen sein dürfte, ist, daß die klerikalen Wahl⸗ 
männer in allen drei Wahlgängen ihre Stimmen 
dem nationalliberalen Kandidaten Heyl gaben. 
F In Saarbrücken ist vor einiger Zeit der 
zewiß seltene Fall vorgekommen, daß ein Arzt 
Herr Dr. Höderath) an seinem schon seit längerer 
Zeit an beiden Augen gänzlich erblindeten Vater, 
velcher bereits 67 Jahre zählt, die Staaroperation 
nit dollkommenem Erfolge vornahm und dadurch 
zemselben das Augenlicht wiedergab. 
f Neustadt i. P, im Oll. Gräßliches 
Unglück) Kürzlich hat sich in dem Dorfe Gronsko 
ein schrecklicher Unglücksfall zugetragen. Eine Tage⸗ 
oͤhnerin hatte sich aufs Dominialfeld zum Aus— 
nachen der Kartoffeln begeben und ihr kleines, sechs 
Wochen altes Kind unter der Obhut ihrer älteren, 
ehn Jahre alten Tochter zu Hause zurückgelassen. 
Ddieses Mädchen aber ging ins Dorf zu anderen 
dindern und ließ das schlafende Kind allein in der 
Stube zurück. Die Stube war nicht gut verschlossen, 
ein sehr gefräßiges Ferlel der Nachbarsfrau, welches 
erst vor einigen Tagen eine Gans zerfleischt haite, 
»rang iu die Stube ein, fand das schlafende Kind 
und fraß demselben zuerst ein Hindchen ab. Dann 
jog es das arme Kind aus der Wiege und fraß 
dem bedauernswerthen Wesen fast das ganze Kopfchen 
weg. Das Kind war bereits leblos, als die Wirthin 
des Hauses in die Stube trat und das Ferkel ver⸗ 
trieb. Unbeschreiblich war der armen Mutter Schmerz 
über den unglücklichen Tod ihres Kindes. 
f Unsere Leser werden sich noch der in diesem 
Blatte öfter erwaͤhnten Schwindelfirma B. Wijp⸗ 
recht u. Co. in Rotterdam erinnern, auf 
deren Offerten betreffs billigen Kaffee's ec. so viele 
leichtglaubige Leute hereinfielen. Es ist num ge— 
ungen, den Urheber dieser Schwindeleien in der 
Person eines gewissen E. N. Gianz (alias Wijp- 
zecht, alias Steinmann) in England zu ermittein. 
Der Schwindler wurde dort verhaftet und der 
holländischen Behörde ausgeliefert. Am 9. Nobbr. 
cx. wird derselbe in Rotterdam wegen vielfachen 
Betrugs prozesfirt werden, und es sind zu der 
Berichtsverhandlung auch mehrere Zeugen aus der 
Rheinprodinz geladen worden. 
x Ein sehr trauriger Fall ereigneie sich in 
der Stadt Zduny. Der dorlige Schornsteinfeger⸗ 
meister, ein solider und tüchtiger Mann, Vater bon 
drei Kindern, stieg, um zu fegen, in den Schorn⸗ 
ttein eines Hauses und blieb darin stecken. Die 
Magd, welche glaubte, der Meister habe seine Ar— 
beit beendet und sich bereits entfernt, machte Feuer 
an. Da dieses nicht recht brennen wollte, forschte 
man nach der Ursache ud fand den Beklagenswerihen 
im Schornstein erstickt. 
f Innsbruck, 27. Okt. Die Gesammt⸗ 
summe des Schadens der überschwemmten 14 Be— 
zirle Südtyrols an Gemeinde- und Privatgut be— 
rägt 15 593 000 fl.; an Sammelgeldern sind, die 
aiserspende ungerechnet, 250 000 fl. eingegangen. 
Ein franzöfisches Zeugniß über die 
Bayern bei Bajailles. 
Unter dem Titel „Dies iraes sind in Stutt⸗ 
zart bei Karl Krabbe Erinnerungen eines dem 
Beneral v. Wimpffen persönlich zugetheilt gewese⸗ 
nen französischen Obersten Marquis de. 
11 
Ausland. 
Paris, 27. Oct. Clemenceau beruft eine 
Vollsversammlnng auf Montag. In Lyon dauern 
die Verhaftungen fort. In St. Etienne und in 
Amiens ist alles ruhig. In Paris wird die Auf⸗ 
techterhaltung der Ordnung von dem Ausbruch des 
Strikes unter den 4000 Schreinern abhängen. 
dambetia soll durch Antonin Proust den Fabri⸗ 
lanten vorgestellt haben, den Forderungen der Ar— 
zeiter nachzugeben. Der Direktor der Werke von 
Montceau erhielt Drohbriefe mit dem Poststempel 
berlin. Heute Abend findet ein großes Anarchisten- 
meetina in St. Antione statt. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 28. Okt. Gestern war 
ahier eine Com misfion aus München anwesend, 
um den Gefängniß-Neubau zu inspizieren. 
St. Ingbert, 28. Okt. Gestern Nach— 
nitiag ereignete sich in der hiesigen Grube ein sehr 
edauerlicher Unglücksfall. Der Bergmann 
deinrich Phlatt von Niederwürzbach wurde, 
nicht lange nachdem er mit seiner Arbeit begonnen 
jatte, von niederstürzenden Kohlen⸗ und Felsenmassen 
so schwer getroffen, daß er sofort eine Leiche war. 
der Verunglückte, 36 Jahre alt, war Wittwer und 
ninterlaßt 6 unversorgte Kinder. 
2t. Blieskastel, 26. Olt. Die Extradition 
es hiesigen kgl. Rentamts von dem seitherigen 
tentbeamten Herrn Pfirrmann auf den Rech⸗ 
ungskommissar Herrn Dar, bisher Amtsverweser 
ꝛes Igl. Rentamts Annweiler, wurde dieser Tage 
ollzogen.