Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Jugberter Aumzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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det St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich funfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wochentlich mit Unterhaltungs⸗ 
zlatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteliährlich 1 40 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1A 60 , einschließlich 
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214. 
Montag, 30. Oktober 1882. 
17. Jahrg. 
iti die von unsern Ausbeutern gepriesene Gefsellschaft 
Politische Ueberficht .Kameraden, der Tag der Rache ist da; 
Deutjches Reich. rächen wir uns mit Eisen, mit Feuer und mit 
Trier, 28. Okt. Die Nachricht von einer Bift!“ .... Die Orte, von denen die Corr. 
verständigung der staatlichen und kirchlichen Be⸗ Havas heute Unordnungen, Maueranschläge, Droh— 
jörden bezüglich der Ergänzung des Domcapitels riefe, Verhaftungen und dergleichen mittheilt, sind 
estätigt sich während andere Mittheilungen bezüg- Lyon, Chalon, Marseille, Montceau⸗les⸗Pines 
ig des Priesterseminars und des Convicts unbe-⸗ Roanne, Perreurx, Le Creuzot, Macon, Mazamet, 
gründet ind. .5 Neuville⸗sur· Saone (wo ein Colli von 28 Kg. 
Das Frankf. Journ.“ schreibt: Die von uns Dynamit mit Beschlag belegt wurde), ferner Anno⸗ 
eun lange vertretene Ansicht, daß der preußische ay, Valence, Amiens, Bourges, wo wieder ein 
dandtag im November zusammentreten werde, Kreuz mit Dynamit gesprengt wurde, endlich Paris, 
estätigt fich und wird uns von gewöhnlich gut wo im Saale Rivoli der Bürger Le⸗francais be⸗ 
mlerrichteter Seite Dienstag der 14. November als antragte; „Es muß jede Obrigkeit, jede Regierung 
rröffnungstag bezeichnet; von derselben Seite er abgeschafft werden!“ und der Bürger Criè schrie: 
ahren wir, der Konig beabsichtige, den neugewählten Die Commune soll leben! Die sociale Revolution 
dandtag in Person zu eröffnen. joch!“ Die Corr. Havas meldet ferner, daß an 
Bezüglich der Unfallversicherungs⸗ der belgischen Grenze eine Waffenkiste mit Beschlag 
ßorlage, welche die Commission des Reichs- belegt wurde, andere Kisten seien wahrscheinlich nach 
zags ja in Kurzem wieder beschäftigen wird, ver· Partis gelangt. 
autet, daß die Regierung die Vorlage zwar nicht London, 28. Okt. Im hiesigen Auswärt⸗ 
zurückziehen werde, aber den Verbesserungen, so gen Amt ist die Nachricht eingelaufen, daß der 
heit fie das Prinzip nicht umstürzen wollen, weiten S„Sultan die groͤßten Anstrengungen macht, den Pro⸗ 
Spieltaum gewähren wird. Es haben Besprechungen heß Arabi's zu hintertreiben. 
nit einzelnen Regierungsmitgliedern stattgefunden, Tunis, 28. Okibr. Der Bey von Tunis ist 
vobei die gegentheiligsten Kriliken über solche Vor- Jeute Nacht gestorben. Sein legitimer Nachfolger 
cchläge laut geworden sind. So viel man hört, st Ali Bey. Derselbe übernahm die Regierungs⸗ 
sttan der Centralstelle die Ansicht vorhanden, daß jewalt. 
iuf formelle Ausführungen nicht allzu viel Werth 
u legen ist, wenn nur das Prinzip der Vorlage 
ind somit der Enwurf selbst zur Annahme und 
war ohne weiteren Verzug gelangt. I 
Der Ausfall der preußischen Landtagswahlen 
niebt der „Trib.“ zu der Befürchtung Anlaß, daß 
zie Regierung noch im Winter versuchen werde. 
zurch eine Auflösung des Reichstages ein 
zünstiges Resultat für sich zu erzielen. Es ist immerhin 
aitwendig, auf eine solche Moͤglichkeit gerüstet 
u sein. 
sn 
laut schriftlicher Erklärung der Eigenthümer nur 
auf 26,800 Mark stellt. Der erste Punkt hat sich 
also schon als eine gewaltig übertriebene Ent— 
stellung entpuppt. 
Sodann nennt man den erwählten Plazz in 
der Oberstadt eine „ungünstige Lage“ hinsichtlich 
des Hinaufbringens der Baumaterialien: eine 
Schwierigkeit, die mittelst eines Hebekrahnens aus 
der Baustelle nach dem Ausspruche eines hohen 
Fachmannes sehr leicht beseitigt werden wird, ohne 
auch nur einen einzigen „Weg“, geschweige „Stra⸗ 
zen“ anlegen zu müssen. 
Ferner wird die Anschaffung neuer Glocken, 
einer neuen Orgel, neuer Paramente und anderer 
Dinge angeführt. Allerdings müßte man das 
saben; aber so nehme man doch die vielen Tau- 
sende, die man nutzlos in den sumpfigen 
Boden bauen müßte und so ist Geld genug 
vorhanden für Glocken, Orgel, Paramente und noch 
für einen Vermögensstock fuͤr die zweite Kirche. 
Die Cultusumlagen aber scheint der Haupt ⸗ 
trumpf zu sein, den die Gegner der zweiten Kirche 
ausspielen. Sie begehen dabei aber den Fehler, 
daß sie vergessen, daß der Kirchenbauverein nur 
zum Baue und der Ausstattung einer zweiten 
Zirche gegründet, daß nur zu diesem Zwecke 
die Beilrage gesammelt und nur dafür eine Lotte⸗ 
rie nachgesucht wurde. Wenn es ihnen nun darum 
zu thun wäre, sparsam in der Gemeinde zu hau⸗ 
sen, so möchten sie doch bedenken, daß die 160 
Tuitusumlagen, die die Katholiken zu zahlen haben, 
noch von dem tostspieligen Umbau des kath. Pfarr⸗ 
hauses herrühren.“ Derselbe war zu 8000 Mark 
heranschiagt und kostete schließlich 158,000 Mark, 
allerdings für manchen unndthigen Luxusgegen⸗ 
jand, wie: vergoldete Tapeten im Speisesaal, 
Haustelegraph u. a. m. Ohne diese und ähnliche 
unnöthige Depensen wären die Cultusumlagen heute 
zewiß viel niederer. 
Wenn man nun jetzt mit dem Vergrößerungs- 
projecte der alten Kirche hervortritt, was. nebenbei 
bemerkt, von Fachmännern des ungünstigen Ter⸗ 
rains und ihrer Lage wegen als unausführbar 
bezeichnet und in den fünfziger Jahren, soviel wir 
wissen, von der Baubehörde bereits abgelehnt wurde, 
woher würde man dann das Geld nehmen? Dazu 
würde keine Lotterie genehmigt und die Ka⸗ 
tholiken müßten in ihren eigenen Säckel greifen 
und hätten auf lange. age Jahre Hun—⸗ 
derte von Prozenten Eultusumlagen 
in bezahlen. 
Hinsichtlich des Bauplatzes hat die katholische 
Bürgerschaft entschieden und zwar für den vorge⸗ 
chlagenen Platz in der Oberstadt (Schwarz'sches 
daus), weil dieser Stadttheil hoöͤher liegt, als irgend 
Aner hier und die Kirche dorten eine wirklich herr⸗ 
liche Lage beläme! Daß man Treppen oder ge⸗ 
— sich von 
seibst, denn die Kirchen baut man ja erhaben, 
damit man nicht rislirt, bei einem Unweiter, wie 
vor mehreren Jahren hier, mit Kähnen, resp. Wasch⸗ 
bütten um die Kirche herum fahren zu müssen, 
wobei das Wasser meterhoch in der Kirche stand. 
Diesen Fehler unserer Vorfahren nicht nach einmal 
zu begehen, das haben die Katholiken mit ihren 
Unterschriften und durch ihre Abstimmung wohl— 
weislich vermeiden und die Erhaltung ihrer Pfarr⸗ 
tirche, die ihnen wirklich heilig und eh würdig 
ist, aussprechen wollen. 
Nun kommt man noch einmal mit dem abge— 
worfenen Vroiekte einer einzigen Kirche, deren 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
Eingesandt.). St. Ing bert, den 29. Octo⸗ 
her 1882. Wer glaubte, daß die Kirchenbaufrage, 
rachdem sie in diesem Sommer die Gemüther au⸗ 
zerordentlich stark bewegt hatte, nachdem die kath 
Bürger durch ihre Unterschriften und durch ihre 
Abstimmung ihren Willen offen ausgesprochen 
hatten, in ein ruhiges Fahrwasser eingelenkt wäre 
der hatte sich sehr geirrt. Denn heute früh wurde 
ein Flugblati von Haus zu Haus (sogar in Rohr— 
bach, Hasel und Rentrisch) gebracht, das die be⸗ 
ruhigte Gluth abermals zu einem aroßen Flam⸗ 
nenmeere anfachen sollte. 
Der entscheidende Moment ist in der Thal— 
gekommen, gekommen durch die mit nahezu 700 
Unterschriften selbstständiger katholischer Män⸗ 
ner bedeckte Petitionen an die hohe königliche Re— 
zierung und an das hochw. bischöfliche Ordinariat, 
bwie durch die erdrückende Majorität ge 
gen die Erbauung einer einzigen Kirche 
n's Wiesenthal und gegen den Abriß 
Rer jetzigen Kirche in der außerordentlichen 
Zeneralversammlung vom 1. ds. Mts. —— 
Diese bedeutende Thatsachen ließen, scheint es, 
die Anhänger des Abrißplanes, die das Kirchen⸗ 
monopol in der Stadt nur für fich allein in 
Anspruch nehmen möchten und sich sogar erkühnten, 
den erwählten Bauplatz, der der Mitte der Stadt 
benso nahe ist, wie die jetzige Kirche, als „au⸗ 
ßerhalb der Stadt“ zu erklären, nicht in 
Kuhe und boten in dem Schriftstücke in sützen, 
jalbungsvollen Worten eine ganze Reihe von Un— 
vahrheiten und Entstellungen dar, die jeder Kluge 
und Verständige sofort auf den ersten Anblick als 
olche ertennen muß. 
Man beginnt mit dem Kostenpunkt als dem, 
heim Bauen am ersten zu beachtenden Gesichts- 
unkte und schatzt den Ankauf der auf dem von 
zer Majorität gewählten Platze nothwendig wer⸗ 
benden Häuser und Gärten nebst „Anlage 
nener Wege und Straßen“ (wohin denn) 
duf mindestens 65.000 Mark“. während er sich 
Ausland. 
Paris, 27. Okt. Die Nachrichten über die 
evolutionääre Bewegung nehmen einen immer grö⸗ 
zeren Umfang an. Constatirt ist, daß in Genf ein 
marchisnsches Centralcomite tagt und daß von 
Henf aus in den letzten Wochen an die Lokal⸗ 
omites in Frankreich Sendungen von Dynamii 
gemacht wurden. Das Journal „Paris“ ver—⸗ 
Iffentlicht Details über den anarchistischen Geheim— 
zund. Die lokalen Gruppen führen den Namen 
„Das Schwert“, uͤber den lokalen Gruppen stehen 
dreiscomites und über diesen das Geheimcomite, 
velches mindestens jeden Monat in Genf Ver— 
ammlung hält. Auch die Corr. Havas meldet, 
daß die Dynamitpatronen sämmtlich aus der Schweiz 
eingeführt worden: „Die Bundesbrüder bringen die 
datronen in ihren Taschen über die Grenze, da 
ie Explosion ja nur Folge eines Schlages ist.“ 
die communistischen Kundgebungen werden immer 
reister und herausfordernder. Eine Marseillaiser 
Proclamation von der Place de la Joliette lautet: 
Brüder, die Bourgeoisie steckt sich hinter Geist⸗ 
ichkeit und Richter und predigt uns fortwährend 
Ordnung, Familie und Sittlichkeit. Sie ist sich 
elbst Moral. Der Vater nimmt sich Concubinen 
ind die Söhne, die in der Gemeinheit aufwachsen, 
)egehen Fälschungen und sitzen auf der Armsünder⸗ 
hank, wo sie gefällige Richter finden, die das Ge— 
etz vertreten und doch die Augen bei solchen 
Lebertretungen zudrücken. Die Geistlichkeit, faul 
dis ins Mark der Knochen, träumt von der Wie— 
derherstelluna der heiligen Ingauisition Das ist