Full text: St. Ingberter Anzeiger

xt. Jugherter Amzriger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
zZiatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 146 40 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 16 60 , einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 15 A, bei NReclamen 30 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
2858. Dienstag, 81. Oltober 1882. 17. Jahrg. 
iti 18 Polen (bisher 19), 2 Dänen (bisher 2). Das 
Politische Ueberficht. Tentrum hat also wie der Fortschritt die alte Stärke 
Deutsches Reich. »ewahrt, die Nationalliberalen haben eine Reihe von 
Berlin, 29. Okt. Der Chef des General- Sitzen verloren, die beiden Conservativen Fractionen 
tabes der Armee, Generalfeldmarschall Graf von daben ungefähr eben so viele gewonnen. Aller—⸗ 
Moltke feiert heute den Tag, an welchen ihn der dings sind es in den wenigsten Fällen national— 
könig vor 25 Jahren auf diesen wichtigen Posten iberale Mandate, welche unmittelbar den Conser⸗ 
zerief. Das Militär-Wochenblatt widmet dem hoch⸗ dativen zugefallen sind, sondern diese haben sich 
herdienten Strategen aus diesem Anlasse einen dielmehr zunächst auf Kosten der „entschieden Libe— 
Artikel, dem wir Nachstehendes entnehmen: calen“ verstärkt, während sich die letzteren ihrerseits 
Keinem der Vorgänger war eine solche Dauer vieder an den Nationalliberalen erholt haben. Fort⸗ 
»s Wirkens in diesem hohem Amte beschieden: chrittspartei und „liberale Vereinigung“ erscheinen 
der erste Chef des neu gebildeten Generalstabes, ziemlich genau in der alten Anzahl. Es kann 
henerallieutenant Freiherr von Müffling, bekleidete nicht verhehlt werden, daß man liberalerseits mit 
»nur 9 Jahre lang (1821 bis 1829), General jJanz anderen Erwartungen und Hoffnungen in den 
er Infanterie von Krauseneck fast 18 Jahre (1829 Wahlkampf gegangen ist. Die Reichstagswahlen 
is 1848), General der Kavallerie von Reiher 10 vom vergangenen Jahre hatten unstreitig ein starkes 
ahre. Freiherr von Moltke trat die Stellung als Anwachsen der liberalen Strömung gezeigt und die 
generalmajor im Herbste 1857 an. Dreifach ist Hoffnung gerechtfertigt, daß auch bei den Landtags— 
ie Aufgabe, welche der Chef des Generalstabes zu vwahlen diese Strömung zum Durchbruch kommen 
dsen hat und, welche Graf Moltke in einer Weise werde. In dieser Erwartung hat man sich getäuscht; 
xlöst hat, die wohl einzig dasteht in der Geschiche es werden im neuen Abgeordnetenhause Deutschcon⸗ 
iller Heere. Es galt die Ausbildung eines stets versative und Centrum allein schon eine Mehrheit 
vachsenden Corps von Generalstabsoffizieren; es hbilden: während im alten noch Freiconservative oder 
alt, Jahr für Jahr den Entwurf der allgemeinen Polen hinzukommen mußten. Die große Gruppen⸗ 
sandesvertheidigung und die Eiuleitung der mög- lheilung, Conservative, Liberale nnd Ultramontane, 
ichen Feldzüge auf Grund der jedesmaligen poli- oon denen keine Gruppe für sich eine Mehrheif 
ischen Lage und der sich allmälig steigernden Wehr- dildet, scheint noch auf lange Zeit unabänderlich 
traft festzustellen und bis in die geringsten Einzel- bei uns bestehen bleiben zu sollen. 
heiten vorzubereiten; es galt endlich, die centrale Glaubwürdigen Nachrichten der „Trib.“ zu—⸗ 
Leitung dreier Kriege, von deren glorreicher Füh-⸗ folge wird der preußische Staatshaushaltsetat 
ung die Weltgeschichte reden wird, so lange sie des ür das bevorstehende Etatsjahr ein Deficit von 
)eutschen Volkes, ja so lange fie des europäischen etwa 30 Millionen Mark aufweisen; nach dem 
bölkerkreises eingedenk bleibt. — Wie viele stille Vorgang der beiden letzten Jahre ist daher der ge⸗ 
mfige Arbeit, wie viel Prüfen und Ringen, wie eignete Augenblick gekommen, Steuererlasse zu be— 
diel Energie und sicheres Beharren sind in dieser schließen, meint das genannte Blatt. 
zun viertelhundertjährigen Thätigkeit beschlossen! 
Vor allen Zeitgenossen steht das Bild des Grafen 
Moltke, ein Bild des schlichten, gottergebenen Mannes, 
des feinsinnigen, für alles Edle und Schöne be—⸗ 
eisterten Denkers, ein Bild des unermüdlich wir⸗ 
enden Staatsdieners, des genialen, überwältigend 
xoße Pläne vorzeichnenden und ausführenden Feld⸗ 
jerrn. — Merkwürdig ist es, wie dies Bild Zug 
um Zug dem Ideal entspricht, das schon das Auer— 
hum für einen Strategos aufgestelit.“ 
Welchen Dank das deutsche Volk und das deutsche 
heer dem greisen Feldherrn schuldet, braucht wohl 
aicht aufs Neue hervorgehoben zu werden. Sein 
edles, ruhevolles Bild steht vor eines Jeden Augen 
und ihm gebühren die schönsten Kränze, welche Dank⸗ 
varkeit und Bewunderung zu spenden vermögen. 
Die in Sachen der Straßßburger Tabaks⸗ 
manufactur niedergesetzte Prüfungscommission 
unter dem Vorsitz des Ministeralraths Herrn Strenge 
st auf solche Schwierigkeiten gestoßen, daß sich die 
seichsregierung vom Rechnungshofe eine Unterstütz⸗ 
ing erbeten hat, um die gesammte Buche und 
assenführung für die Jahre“ 1880 und 1881 einer 
Zrufung zu unterwerfen. In Folge dessen wird 
ich in den nächsten Tagen der Geheime Oberrech- 
ungsrath Herr Rembe in Potsdam in Begleitung 
weier Revisoren nach Straßburg begeben. 
Das neue preufßische Abgeordnetenhaus zählt 
nach genauer Berechnung i 28 Conserdatide (bioher, 
am Schlusse der letzten Session, 116), 56 Frei⸗ 
stroative (bisher 51), 100 Ultramontane und 
en (bisher 99), 67 Nationalliberale (bisher 
5), 38 Fortschritismanner (bisher 88), 21 Se. 
sionisten (bisher 20), 3 Liberale ohne Zuge— 
Mrigkeit zu einer Fraction (bisher ebenfals 8), 
Paris, 30. Okt. Prinz Napoleon beabsich⸗ 
tigt, ein Manifest zu erlassen. Krapotkin der 
Benfer Nihilistenchef, soll sich bei dem Russen 
dawroff verborgen in Paris aufhalten. 
Lyon, 30. Oct. In der Nacht des Sonn⸗ 
ags entdeckte und beschlagnahmte die Polizei eine 
Dynamitsendung von 40 Kilo. 
Bern, 29. Olt. Der vom Bundesrath den 
ꝛidgenössischen Räthen vorzulegende neue Zolltarif— 
ntwurf gewährt Zollerleichterungen auf die Roh— 
ind Hilfsstoffe für die Industrie, sowie auf den 
Rohtabak. Auch wurde die Zollermäßigung auf 
Koheisen beibehalten; Brennmaterialien sind befreit 
»om Zoll. Zollerhöhungen dagegen erleiden Zünd⸗ 
hölzchen, Textilfabrikate, Vieh und feine Ek— 
vaaren. 
In Odessa sind neuerdings wieder zahlreiche, 
nan schreibt von 90 Verhaflungen vorgekommen. 
die Verhafteten sind beschuldigt, politische Pro⸗ 
daganda für die Partei der Terroristen gemacht zu 
haben. Die Polizei hatte in Folge der Entdeckung 
iner geheimen Druckerei in der Wohnung des 
Studenten Malachoff die Mitgliederliste in die Hände 
»ekommen. Die Nihilisten verbreiten, die Pro— 
ureure hätten die Verhafteten zur Ablegung eines 
»ffenen Geständnisses mit dem Hinweis auf den 
icher nach der Krönung des Czaren Hin Aussicht 
tehenden Straferlaß aufgefordert. 
Die von deutschen Officieren mit größter Sorg⸗ 
'alt ausgearbeiteten Projecte betreffend die Reor⸗ 
ganisation der türkischen Armee liegen 
dem Sultan zur Genehmigung vor. Der P. C. 
chreiht man aus Konstantinopel, daß vor allen 
audern jenes Project werde ausgeführt werden, 
welches die Remonte der Cavallerie betrifft, die sich 
in der That in einem kläglichen Zustande befindet 
und seit Langem aufgehört hat, eine nationale 
Waffe zu bilden. Das türkische Officiercorps be— 
rrachtet allgemein das von den deutschen Officieren 
unternommene Reformwerk mit Befriedigung, aber 
im Kriegsministerium stoßen die Pläne derselben 
iuf Widerstand. Glücklicherweise ist der Credit 
Osman Pascha's in fortwährender Abnahme be— 
zriffen und Alles berechtigt zu der Hoffnung, daß 
der Sultan sich an der Annahme des ihm vorge— 
legten Projectes durch den Einfluß des ebenso un⸗ 
wissenden wie unbequemen Helden nicht werde ver⸗ 
hindern lassen. Der von der Pforte als Rath im 
Ministerium für Ackerbau, Handel und Bergwerke 
engagirte deusche Functionär, Baron Nordenflycht, 
ist in Konstantinopel augekommen und hat seinen 
Bosten angetreten. 
Kairo, 29. Okt. Das Verhör der Be— 
astungszeugen in dem Prozeß gegen Arabi durch 
die Untersuchungscommission ist beendet; das Ver⸗ 
zör dieser Zeugen durch die Vertheidiger soll in 
einigen Tagen beginnen. Der Procurator Borelli 
Bey soll sich dahin geäußert haben, daß die Aus⸗ 
agen der Zeugen die Mitschuld Arabi's an den 
Plünderungen und Brandstiftungen in Alexandrien 
hdewiesen 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
— GOeffentliche Sitzung der Strafkammer des 
igl. Landgerichts Zweibrücken vom 25. Okt.) 
Abraham Heinrich, 24 Jahre alt, Tagner, ge⸗ 
horen in Hertlingshausen, und Jakob Bettinger, 
31 Jahre alt, Tagner in Kirkel, standen im Jahre 
1881 als Holzmacher in Diensten des Holzhändlers 
Philipp Munzinger in St. Ingbert und machten 
ür letzteren unter der Aufsicht des Schlaghüters 
Tlemens Weyland von Rohrbach im Rohrbacher 
Walde Holz. Den armen Tagnern hatte nun 
Munzinger, der nicht immer bei seinen Holzmachern 
ein kann, in wohlmeinender Absicht den Auftrag 
zegeben, sich, wenn sie eine Partie Holz aufgear— 
beitet hätten, von Weyland eine Anweisung schrei⸗ 
ben zu lassen, um dann auf diesen hin ihren ver⸗ 
dienten Lohn bei Munzinger in Empfang nehmen 
zu können. Nun begaben sich am 12. November 
1881 die beiden Angeklagten nach St. Ingbert, 
und Heinrich ging in die Wohnung seines Dienst⸗ 
herrn mit folgender von ihm verfertigten Anwei⸗ 
sung: „Bescheinigung. Ich bescheinige hiermit den 
Abraham Heinrich und den Jakob Bettinger, daß 
Sie ihm 25 M. geben sollen auf Ihr Holzspalt 
im Fuchsbau. Achtungsvoll Clemens Weyland“ 
und verlangte auf diese Anweisung hin 25 Mk. 
für sich und Bettinger. Munzinger setzte aber 
nach einigem Besehen Zweifel in die Aechtheit die— 
ses Schriftstückes, machte auch fragend den Heinrich 
darauf aufmerksam, ob Wehyland Dies geschrieben 
hJabe, worauf Heinrich Solches wiederholt bejahte 
and die Aechtheit der Anweisung behauptete. Da⸗ 
raufhin erhielt jedoch keineswegs Heinrich das ver⸗ 
langte Geld, sondern Munzinger gab seinem Ar—⸗ 
beiter Friedrich Graf 25 Mark mit dem Auftrage, 
mit den Beschuldigten zu Weyland zu gehen und 
sich über den Sachverhalt Aufschlüsse geben zu 
lassen, vor Allem darüber, ob die fehlerhaft ge⸗ 
ichriebene Anweisung von Weyland herrühre. Un— 
erwegs suchten nun die beiden Angeklagten das 
Weite, während Graf bei Weyland erfuhr, daß die 
Beschuldigten von ihm keine solche Bescheinigunz