ↄ»**l. Funherter Awzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der ‚St. Jugberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonnutag; 2mal woͤchentlich mit Unterhaltungs⸗
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M 217.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
München, 2. Nov. Der Chef des In⸗
eneurkorps und Inspecteur der Festungen, Gene—
allieutenant v. Butz, wurde in Genehmigung seines
ibschiedsgesuchs unter Verleihung des Charakters
is General der Infanterie zur Disposition gestellt.
In seine Stelle wurde Generalmaior v. Fries
erufen.
Aus Bayern, 1. Nov. Zu einer Zeit, in
reicher jeder Stand darnach trachtet, das ihm an⸗
ewiesene Erwerbsgebiet gegen die Uebergriffe un—
—R
pall zu umgrenzen, mag es auffällig erscheinen,
aß die Aerzte wenig oder nichts mehr zur Be—
impfung des in Bayern besonders so übermäßig
unehmenden Pfuscherthums thun. Ist es doch
rwiesen, daß wir im Königreich nur ein paar
romovirte Mediciner mehr als practicirende Quack⸗
alber zuͤhlen, welch' letztere von der Freigabe des
ewerbebetriebes den ungenirtesten Gebrauch machen.
amentlich in Altbayern, wo die verstorbene soge⸗
annte Doctorbäuerin, Amalie Hohenester, jenen
euten die Wege geebnet, schießt das Heilkünstler⸗
Unkraut mit einer Ueppigkeit in die Höhe, welche
Anbetracht dessen, daß die Pfuscher ziemlich alle
wuch zu thun haben, auf den Bildungsstand des
holkes ein trübes Licht wirft. Mit großer Vor—⸗
iebe wählt sich das Heer der „Spezialisten“ Mün—⸗
den zum Operationsfeld, wo an „Gläubigen“,
elbst für die absurdesten Curmethoden, niemals
Nangel herrscht. Auch norddeutsche Wunderdoctoren
hen gern ihr Glück am Isarstrande und jagen
jer mittelst volltönender Zeitungsreclamen und
innoncen den einheimischen Pfuschern die Kunden
Am meisten blüht augenblicklich der Weizen
Magnetiseure, deren einzelne die brillantesten
»ichäfte machen, gegen die die beste Praxis eines
comovirten Arztes nur ein armseliges Einkommen
währt. Das schließt nun entschieden einen Wie—
cspruch in sich, da die Vorbedingungen des ärzt⸗
chen Berufes in der Regel einen ganz bedeutenden
lufwand an Studium und Capital ersordern, wäh⸗
end als Medizinalpfuscher Jedermann ohne weite⸗
es Auftreten kann. Die endliche Inschutznahme
er medizinischen Facultät seitens des Reichsgesund⸗
reitsamtes würde man deshalb in Bayern als eine
benso gerechte wie billige und dringliche Maßregel
otrachten.
Berlin, 2. Nov. Es bestätigt sich, daß Ver⸗
andlungen zwischen Deutschland und Spanien er⸗
ffnet sind zur Prüfung der Frage, ob der am
iö. Dezember ablaufende Handelsvertrag erneuert
wrden könnte.
Die „National⸗Zeitung.“ erfährt, das preuß⸗
iche Siaatsministerium habe sich über die Noth⸗
endigkeit der Auflösung der Berliner Stadtver⸗
dneten⸗Versammlung schlüssig gemacht, und die
migliche Genehmigung dazu erbeten und erhalten.
In Kreisen der Reichsregierung hat es
iremdet, daß man annimmt, die letztere werde
mchtitte thun, um das Unfallversiche ru ng s⸗
esetz den etwaigen Wünschen der Commission
anprechend abzuändern. Es ist dies durchaus nicht
er Fall, sondern die Regierung vielmehr enischlossen,
en Entwurf in vollem Umfange aufrecht zu hal—
iu. Man giebt sich übrigens regierungsseitig der
)offnung hin, daß am ehesten über die Kranken—
cssen eine Vereinbarung erfolgen würde. Auch
ezüglich der Gewerbeordnungs-Novelle verspricht
Samstag, 4. November 1882.
17. Jahrg.
sich dieRegierung Erfolge. Allem Anschein nach hat
der Ausfall der preußischen Landtagswahlen die
Reichsregierung zuversichtlicher gemacht, als sie es
bis vor einiger Zeit gewesen ist.
Das Material, welches im Reichsamt des Innern
als Grundlage für die zum Schutze der Ar⸗
beiter gegen Gefahren für Leben und Gesundheit
zu erlassenden Verordnungen vorliegt, gestaltet sich
mmer umfangreicher. Aus den Berichten der Fabrik⸗
inspektionen, welche dazu die wichtigste Unterlage
zilden, erhellt die vielfach große Mangelhaftigkeit
der jetzigen Zustände. — Die Nachrichten, welche
iber einen Gesetzentwurf für den Reichstag bezüglich
des Auswanderungswesens berichten, sind
ediglich auf die Erhebungen zurückzuführen, welche
in Preußen wie im übrigen Deutschland über die
Besammtzahl und den Personenstand der aus den
einzelnen Bezirken Ausgewanderten, sowie über die
Bründe, welche zu diesen Auswanderungen geführt
Jaben, angestellt worden sind. Diese Erhebungen
ind in Preußen abgeschlossen, liegen jedoch seitens
)er Bundesstaaten bis jetzt nur spärlich vor. Erst
iuf Grund der vollständigen Ergebnisse wird man
veitere Beschlüsse über ein etwaiges gesetzliches Vor⸗
gehen fassen.
Die Nachricht, daß der deutsche Botschafter
'n St. Petersburg, Herr v. Schweinitz, eine
beränderung seiner gegenwärtigen Stellung wünsche,
erhält sich fortdauernd. Man führt diese Angelegen⸗
jeit auf Friltionen in Entiquettenfragen mit dem
dem Kaiser Alexander persönlich attachirten General⸗
ieutenant und Generaladjutant von Werder zurück.
Indessen soll auch Generallieutenant von Werder
zereits früher seine Abberufung von Vetersburg
zeantragt haben.
Die „National-Zeitung“ shreibt: Die schwere
Kriegsrüstung, unter deren Last Europa fast
erliegt, ist diesem namentlich durch die französische
Republik auferlegt worden. Man hat in Frank⸗
ceich wiederholt die Aeußerung gehört, daß man
zort hoffte, Deutschland finanziell zu erschöpfen,
ndem man es zu einer fortwährenden Steigerung
einer Militärausgaben zwang; der finanzielle Krieg,
o nannte man das, sollte zunächst gegen den ver⸗
jaßten Nachbar geführt werden. Die Arbeiter⸗
Unruhen zeigen, wie zweischneidig die Waffe ist,
velche die Staatsmanner seit zwölf Jahren geführt
Jaben. Frankreich hat sich mit einem stets wach—⸗
enden Budget belastet, dessen Gleichgewicht selbst
die steigenden Einahmen nicht mehr balanciren
önnen; den Löwenantheil davon nehmen Befestig-
ungen, Heer, Flotte, auswärtige Unternehmungen
weg. Zur Hebung der Volkswohlfahrt bleibt nur
wenig übrig. Die Republik trägt in dieser mili⸗
järischen Gestaltung die Gefahr in sich, dem Cäsa⸗
rismus anheimzufallen, die Vernachlässigung der
Interessen der arbeitenden Bevolkerung, der Druck,
den die hohen indirecten Abgaben auf dieselben
legen, macht sich in den socialistisch-anarchistischen
Bewegungen geltend. Und schon sieht man sich
Stimmen erheben, welche vorschlagen, aus Angst
bor dem Socialismus sich unter die Säbelherrschaft
zu flüchten. Die französischen Staatsmänner haben
die socialistische Gefahr durch eine unglückliche
Militärpolitik großgezogen; die anderen europäischen
Staaten, namentlich Deutschland, werden durch
Frankreichs Rüstungen in schwere Mitleidenschaft
jezogen. Es ist sehr begreiflich, wenn die franzö—
ischen Arbeiter in von Gambetta vertretenen Rich⸗
ung ihren natürlichen Gegner sehen. Wenn Frank⸗
reich, belehrt durch die jezigen Vorgänge, in einer
theilweisen Abrüstung Europa vorangehen wollte,
das sicher bereit wäre, ihm nachzufolgen, so würde
2s nicht nur in der That an die Spitze der Civili—
sation treten, es würde seine jetzigen Einrichtungen
gegen die imperialistische und socialistische Gefahr
schützen, es würde dem ärmeren und nothleidenden
Theile der europäischen Bevölkerung einen uner⸗
meßlichen Segen stiften, Was könnte Frankreich,
was das übrige Europa mit den Millionen, welche
an dem Militärbudget durch eine vertragsmäßige
Minderung der Rüstungen gespart werden könnten,
für Segen verbreiten. Ueberhört Frankreich die
Warung, melche in den Arbeiterunruhen liegt, be—
harrt es darauf, durch geradezu unsinnige Rüst—
ungen seine eigene Kraft und die von Europa zu
erschöpfen, so wird die Strafe für ein so verhäng—
nißvolles Verhalten auf die Dauer gewiß nicht aus⸗
hleiben.
Ausland.
Die Krönung des russischen Kaiserpaares
ist nun bestimmt für den Mai 1883 in Aussicht
jenommen. Das Finanzministerium hat bereits die
xrönungsmedaille bestellt. Dieselbe zeigt, abweichend
UV
das Bild des Kaisers enthielten, auf der Haupt—
jeite die Brustbilder des Kaisers und der Kaiserin,
sowie auf der Kehrseite das kleinere Reichswappen,
oben mit der Devise: S'nami Bog (Gott mit uns.)
Lokale und vfälzische Nachrichten.
* St. Ingbert, 3. Nov. Gestern wurde
in der „Au“, Distrikt Roth, eine französische Geld⸗
münze, halber Luisd' or, mit dem Bildnisse Ludwigs
XIII. und der Jahreszahl 1642 gefunden. Auch
dordem sollen schon derartige Funde daselbst gemacht
worden sein. Da in den früheren franzöosisch⸗deutschen
Kriegen Gefechte auf dem genannten Terrain statt⸗
zefunden haben sollen, so läßt sich leicht erklären,
wie die gefundenen Gegenstände dahin kamen.
— Pirmasens, 2. Nov. Heute Vor—⸗
nittag ereignete sich hier ein schweres Unglück.
kin im Bau begriffenes Fabrikgebäude in der Ei⸗
enbahnstraße (Herrn Schuhfabrikant Rolland ge⸗
jörig) stürzte zusammen und verschüttete sieben
Personen, von welchen fünf, darunter der Bau⸗
neister M., schwer, zwei lebensgefährlich verletzt
vurden. Wie man hört, soll die Verwendung
chlechten Baumaterials die Ursache der Katastrophe
ein. (P. Anz.)
— Kusel, 1. Nov. Man soll doch immer
sein gegebenes Woct halten! Hätte es U. aus L.
nuch gehalten, so hätte er viel sparen können. Der
etreffende Bauer hatte einem Viehhändler ein Paar
Ochsen verkauft, aber bald darauf den Handel be—⸗
zeut, weßhalb er die Ochsen dem Käufer nicht über⸗
zeben wollte. Letzterer blagte, und gestern entschied
das hiesige Amtsgericht, daß der Käufer außer den
nicht unbedeutenden Kosten dem Händler noch 160
Mt. Entschädigung nebst Reisekosten zu entrichten
habe. (3. 3.)
— Das Gesuch der Stadtgemeinde Kusel
um Fortdauer des Lokalmalzaufschlages wurde
dom kgl. Staatsministerium auf weitere zehn Jahre
hewilligt.
— Münchweiler a. Alsenz, 26. Okt.
Gestern erhielt Hert Lehrer Alt von hier von seinem
dor etwa 3 Jahren nach Amerika ausgewanderten
Sohne als dessen Ersparniß die schöͤne Summe von
1000 M. gesandt.