Full text: St. Ingberter Anzeiger

Ein Allerseelen-Drama. Die ent⸗ 
uche Catastrophe, welche am 8. Dez, v. J. über 
x Wiener Ringtheater hereingebrochen ist und 
underte blühender Menschenleben vernichtet hat, 
nunmehr noch ein Opfer gefordert. An jenem 
hreckensabende fand im Theater am Schottenring 
ih ein junger, talentvoller Student von 18 
sͤhren, Namens Gustav Petter, den Tod. Die 
iche des jungen Mannes, welche der einzige Sohn 
et Kaufmannswittwe Amalia Petter in Gotha 
har, wurge aufgefunden. Die schmerzgebeugte 
sutter war sofort nach Wien geeilt und hatte ihren 
cohn auf dem Centralfriedhof bestatten lassen. 
dann war sie nach Gotha zurücgeeilt, um an der 
Seite ihres zweiten Kindes, einer kaum 17 jährigen 
Tochter, in verdoppelter Liebe Trost zu finden. 
Fünf Monate später entriß ihr der unerbitterliche 
god auch dieses letzte Kleinod. Der Schmerz der 
Mutter war grenzenlos; sie verlor alle Lebensfreude 
ind wurde von düsterer Schwermuth befallen. Sie 
hatte nur mehr einen Wunsch — mit ihren Kin— 
Jern vereint zu sein. Vor wenigen Tagen verließ 
e Gotha und traf am 27. v. M. in Wien ein. 
Rdachdem sie sich in einem Hotel in der innern 
ztadt einlogirt hatte, bestellte sie sofort einen großen 
chhönen Blumenkranz, welcher ihr vorgestern abge⸗ 
jefert wurde. Unmittelbar darauf fuhr sie mit dem 
granze auf den Centralfriedhof und legte ihn auf das 
hrab des Sohnes nieder. Ueber zwei Stunden kniete 
ie betend und laut schluchzend au der letzten Ruhe⸗ 
zätte ihres Kindes. Als die Frau gestern früh 
diel läanger als gewöhnlich in ihrem Zimmer blieb 
ind auf wiederholtes Klopfen an der Thür nicht 
zffnete, entschloß man sich, mittelst des Hauptschlüssels 
nufzusperren. Man fand Frau Petter regungslos 
mn Bette liegen; an der Bettwäsche klebte getrocknetes 
glut; an der Seite der Frau entdeckte man einen 
echsläufigen Revolver — sie hatte ihrem Leben ein 
aͤnde gemacht. 
x Eine seltsame Entführungs-Geschichte macht 
a Budapest Aufsehen. Ein junger Englän—⸗ 
ꝛer erließ dort, wie „Egyetertes“ meldet, folgendes 
Inserat: „Junge, hübsche Mädchen werden im 
heldzipedfahren unterrichtet und zur Reise aufge— 
nommen. Näheres unter Tabakgasse 29.“ Es 
neldeten sich in Folge dieser Annonce nicht wenig 
unge Mädchen aus dem Bürger⸗ Handwerkerstande 
ind mit einer Anzahl von diesen verschwand nach 
inigen Tagen der moderne Rattenfänger aus Pest, 
hne daß man bisher außer seiner nach Frankfuri 
. M. führenden Spur etwas von ihm ermittelte, 
obwohl der Telegraph hinter ihm nach allen 
ichtungen spielt. 
Die Ueberschwemmungen in Eng— 
und dauern in Folge schwerer Regengüsse fort. 
die Themse ist in stetigem Steigen begriffen und 
nat große Strecken Landes zwischen Staines und 
)xford überschwemmt. Auch die Umgegend von 
dindsor steht unter Wasser. 
Von Edinburg Echottland) aus wird 
emeldet, daß, als der Nacht⸗Expreßzug von der 
tation St. Pantkras in London auf der Fahrt 
ach Schottlaud am 29. Okt. in der Frühe an 
xr Hunsbet⸗ Station bei Leeds ankam, ein Pull⸗ 
nan'scher Salonwagen in lichterlohen Flammen 
iand. Es befanden sich in demselben vier Passa⸗ 
jere, von denen drei in ihren Nachthemden glück⸗ 
h gerettet wurden, der vierte aber, ein Dr. Artihur, 
ilitärarzt, wie sich herausstellte, und Sohn des 
eistlichen von Bunchory bei Aberdeen, war zu 
ͤode verbrannt. Derselbe war eben nach zehnjähr⸗ 
ger Abwesenheit von Ceylon zurückgekehrt und 
uf dem Weg, seine Eltern zu besuchen. Wie 
hter ermittelt wurde, hatte der Wagen in der 
lähe von Leeds Feuer gefangen. Man fand das 
dach des Wagens gänzlich abgebrannt und die 
Seitenwände sehr siark beschädigt. Der Wagen 
vurde sofort abgehängt, während der übrige Theil 
ꝛes Zuges weiter nach Norden fuhr. 
sfPetersburg, 31. Okt. Auf der War⸗ 
dauer Eisenbahn wurden aus dem Bagagewagen 
py Postzuges 7 nach Köln und Riga bestimmte 
Hollis mit kostbaren Sachen im Werthe bon 30,000 
sadeln gestohlen. Bei Antonopel wurden zwei 
aufgefunden von den übrigen nur noch Bruch⸗ 
e 
x Als ein russisches Gegenstück zu dem Gatten⸗ 
aorder Tourville wurde in Smolenst der dort⸗ 
ꝓallgemein gekannte und geachtete Bürgermeister 
engelhardt fesigenommen. Burgermeister Engel 
ardt hat — wie der Moskauer Rußtkij Kurier 
neldet — am 17. d. während einer Fahrt von 
Moskau nach Smolensk seine noch junge und hübsche 
Frau in der Nähe der Station Michajlowskaja 
mus dem Waggon durch das Fenster hinausge— 
vorfen, in Folge dessen die Frau unter die Zugs— 
cäder gerieth und von denselben buchstäblich zer⸗ 
mnalmt wurde. Die Verstorbene galt in der Stadt 
ür eine ebenso gute Mutter als brave Gattin. 
die Ursache des Mordes ist bis jetzt unaufgeklärt. 
F Ernne kulinarische Kuriosität.) 
kin Restaurateur in Gravelle hat geweitet, ein 
poulet financièro in weniger als fünf Minuten 
zu bereiten und gewann seine Wette. Um dem 
Thier den Kopf abzuschneiden, es zu brühen, voll⸗ 
tändig zu rupfen, zu zerschneiden und auszunehmen, 
zann in einem Bade von siedendem Oele zu kochen, 
es in eine pikante Sauce zu hüllen und es endlich, 
wie der Spezialausdruck lautet, „tous paros* einem 
Kichterkollegium von etwa 20 Personen zu servieren, 
jatte der geschickte Koch nicht mehr als 4 Minuten 
uind 22 Sekunden gebraucht. Die Gegner mußten, 
nachdem sie gekostet hatten, zugestehen, daß sie be— 
iiegt seien. 
FGWas kostet eine Reise nach Euro— 
pa?) Der Eigenthümer und Redakteur des „Bal⸗ 
simore American,“ C. C. Fulton, ist von einer 
Reise nach Europa, welche er in Begleitung von 
dier Damen machte, zurückgekehrt. Er theilt nun, 
vie der „Baltimore Korrespondent“ berichtet, in 
einem Blatte mit, daß die Unkosten für alle Fünf 
1884 Dollars 80 Cents (circa 7917 Mark) be—⸗ 
rugen. Das schließt die Kosten der 23tägigen 
Zin⸗ und Herfahrt und 47 Tage Aufenthalt in 
kuropa in sich. Die Gesellschaft besuchte Liverpool 
, London 5, Paris 10, Vichy 3, Genf 4, Bern 
„Interlaken 3, Zürich 2, Constanz 3, Rheinfälle 
„ Straßburg 2, Mainz 1, Rheinfahrt 1, Köln 2 
Brüssel 3. und Antwerpon 3 Tage. Die Reise 
wostete also für die Person nur 8 Dollars 45 Cents 
(circa 22 Mark) täglich. Herr Fulton bemerkt 
jierzu, daß er mit seiner Gesellschaft in den besten 
dotels logirte, häufig Fuhrwert brauchte, Opern 
Theater und Konzerte besuchte und somit den Be⸗ 
wveis geliefert habe, daß ein 70-⸗tägiger Ausflug 
nach Europa weit weniger koste, als selbst der Be⸗ 
uch und permanente Aufenthalt für dieselbe Zeit 
in einem Badeort Amerikas. 
Auf eine in dem Newyorker Tagblatte 
„Sun“ erschienene Anfrage an den bekannten Elek⸗ 
triker Edison, warum er in East⸗-Newark nur 
deutsche Ingenieure beschäftige, hat Edison folgen⸗ 
dermaßen geantwortet: „Ich habe zwanzig Deutsche 
aus dem Einwanderer⸗Depot Castle⸗Garden genom⸗ 
men, um zur Einwanderung anzuspornen und an 
dem Aufbau des Landes mitzuhelfen.“ 
F Das kürzlich in Philadelphia stattge⸗ 
fundene deutsche Canustatter Volksfest hat einen 
Netto⸗Ertrag von 5183,39 Dollars ergeben. Die 
Einnahmen betrugen 16,282,01 Dollars, die Aus⸗ 
zaben 11,898,62 Dollars. Nicht weniger als 
24,907 Billete wurden abgesetzt. Das lassen wir 
uns gefallen. 
F Martin Stetzel, welcher am 2. Dezember 
1802 die Sonne bei Austerlitz aufgehen sah, die 
Völkerschlacht bei Leipzig 1813 mitmachte und beim 
Rückzug von Moskau beinahe umkam, ist zu Tran⸗ 
hury im Staate New⸗Jersey im Alter von 93 
Jahren gestorben. Stetzel war ein geborener Würt⸗ 
lemberger und vor 30 Jahren drüben eingewandert. 
Sein Hinscheiden wird von vier Generationen sei⸗ 
ner Nachkommenschaft betrauert. 
F Aus Sierra Leone Ober⸗Guinea wird 
zemeldet, daß die früheren Missionäre W. T. John 
und John Williams sammt ihren Frauen am 12. 
September nach zwölftägigen Verhandlungen des 
Todtschlages eines jungen einheimischen Mädchens 
im Jahre 1877 in Onitaha am Nigerflusse schul⸗ 
dig gefunden und Ersterer, der schon 18 Monate 
in Untersuchungshaft gewesen, zu 1822, Williams 
zu 20 und Frau John zu zwei Jahren Zuchthaus 
derurtheilt wurden. Die frommen Herren hatten 
das unglückliche Mädchen so schlecht behandelt, daß 
dasselbe in Begleitung eines anderen Mädchens fort⸗ 
lief. Die Flüchtlinge wurden aber eingebracht und 
ihren milden Herren übergeben, welche die beiden 
Mädchen Rücken an Rücken zusammenbinden ließen 
und sie dann so barbarisch durchprügelten, daß die 
Anglücklichen, in ihrem Blute schwimmend, ohn⸗ 
mächtig zu Boden stürzten, wo sie Stunden lang, 
»hne Wasser und den glühenden Strahlen der 
Sonne ausgesetzt, liegen blieben, während zur Er— 
zjöhung ihrer Qual noch Pfeffer in ihre Wunden 
gerieben wurde. Das eine Mädchen erlag seinen 
Wunden, das andere erholte sich wieder. Trotz aller 
Bemühungen, die Sache zu vertuschen, wurde die⸗ 
jelbe ruchbar, doch zog sich die Untersuchung in 
die Länge, da es äußerst schwierig war, Zeugen zu 
bekommen, und nur der Energie eines Herrn Haar⸗ 
troop gelang es endlich, die Ungeheuer zur Strafe 
zu bringen. Eine solche Bekehrungsmethode dürfte 
aübrigens den Wilden keine sehr hohe Idee von 
den christlichen Missionären beibringen, die jene 
Gegenden mit ihrer Gegenwart beglücken. 
F (Eine gewissenhafte Wittwe.) Ein 
mmerikanisches Blatt erzählt: Ein armer Mann 
nachte auf seinem Todtenbette sein Testament. Er 
rief seine Frau und theilte ihr seine letzten Ent⸗ 
chließungen mit. „Ich habe,“ sagte er, „mein 
Pferd meinen Verwandten hinterlassen, verkaufe es 
ind gib ihnen das Geld, das Du dafür erhältst. 
Ddir hinterlasse ich meinen Hund, behandle ihn gut, 
er wird Dir ein treuer Beschützer sein. Die Frau 
»ersprach, seinen Willen zu erfüllen, und nach 
einiger Zeit begab sie sich mit Pferd und Hund 
nach dem benachbarten Markt. „Wie viel wollen 
Sie für Ihr Pferd haben?“ fragte ein Farmer. 
‚Ich kann das Pferd nicht allein verkaufen, aber 
Zie können Beide zu einem angemessenen Preise 
saben. Geben Sie mir hundert Dollars für den 
hund und einen Dollar für das Pferd.“ Der 
Farmer lachte und da der Preis ihm convenirte, 
zing er auf den Handel ein. Die brave Frau 
zab hierauf den Verwandten ihres Mannes den 
Dollar und die hundert Dollars behielt sie für sich. 
Wenn es wahr ist, schreibt die „Pf. Pr.“, 
vas amerikanische Astronomen von dem jetzt sicht⸗ 
zaren Kometen voraussagen, so wird dieser 
„himmlische Vagabund“ uns noch einige interessante 
Fxtravorstellungen geben. Die neuesten Beobachter 
melden nämlich, daß er sich wuhrscheinlich spalten 
vird, wie sich der Biela'sche Komet im Jahre 1846 
zespalten hat und darauf verschwunden ist. Der 
etzige Komet wird sich darauf in die Glutmassen 
der Sonne stürzen und eines großartigen Feuer⸗ 
todes sterben. Ein uraltes Lied, vor Jahrhunder— 
len auf Island gesungen, weissagt: „Auch da 
droben ist Drangsal und droht mit Vernichtung. 
Auch am Himmel erlöschen Lichter, und die stolzesten 
Sterne erwartet Zerstörung!“ 
(Aus den Papieren eines Grobians.) .... 
Wenn ich einen Mann vor einer Dame knieen sehe, 
um sie um ihre Hand zu bitten, so glaube ich stets 
in die Seelenwanderung, denn ich meine, daß 
ffenbar die Seele eines Kameels in ihn gefahren 
jein muß, da dies das einzige Geschöpf ist, welches 
niedertniet, wenn man ihm — die schwersten Lasten 
rufbürdet. 
Marktberichte. 
Zweibrücken, 2. Nov. (Fruchtmittelpreis und Vik⸗ 
ualienmartt.) Weizen 10 M. OI Pf., Korn 7 M. 70 Pf., 
Spelz 6 M. 54 Pf., Spelzkern — M. — Pf. Dinkel 
— Mi. — Pf. mMijchfrucht 7 M. 71 Pf., Hafer 6 M. 
29 Pf. Erbsen — M. — Pf., Wicken — M. — Pf. 
Berste zweireihige 6M. 80 Pf., vierreihige ß M. 27 Pjf., 
tartoffeln 3 M. — Pf., Heu 3 M. 50 Pf., Stroh 2 M. 
50 Pf., Weißbrod L Kilogr. 56 Pf., Kornbrod 8 Kilo. 
60 Pf, Gemischtbrod 8 Kilogr. 75 Pf., paar Weck 90 Gr. 
b Pf. Rindfleisch 1. Qual. 60 Pf., II. Qual. 50 pf. Ralo⸗ 
leisch 50 Pj., Hammelfleisch 60 Pf. Schweinefleisch 55 Pf., 
Butter :/ Kilogr. 1M. 15 Pf., Wein 1 vNiter 80 Vf., 
Bier J viter 24 Pf. 
Homburg, 2. Nov. (Fruchtmittelpreis und Vittu⸗ 
alienmartt.) Weizen 10 M. 20 Pf. Korn 7 M. 45 Ppf., 
Spelztern — M. — Pf., Spelz o6 M. — Pj., BGerste 
dreihige — M. — Pf., Gerste 4reihige — M. — pi. 
dafer 6 M. 18 Pf., Mischfruhgt 8 M. — Pf., Ervsen 
M. — Pf., Wichken d M. — Pf., Bohnen v M. 
— Pf., Kleesamen — M. — Pf., Rornoroo 6 Pfund 
— Ppff. Gemischtbrod 6 Pfund 75 Pf. Ochsenfleisch — Pf., 
dindfieisch 56 Pf., Kalbfleisch 500 Pf., Hammelneijch — Ph., 
S„chweinejleisch 50 Pf., Butter 1 Pfund 1 M. 10 pp. 
dartoffeln per Ztr. 2 M. 60 Pj. 
Landstuhl, 30. Okt. (Fruchtmittelpreis und Vik— 
ualienmarkt.) Weizen — M. — ppf., storn 7 M. 54 pPPpf., 
Spelz — M. — ppf, Hafer 6 Mt. 40 Pf., Gerste O M. 
— Pf. Wicken — M. — pPf., Erbsen — M. — Pf. 
Linsen — M. — Pf., Kleesamen — M. — Pj., Kartoffeln 
her Ztr. 2 M. 25 Pf., Kornbrod 6 Pfd. 66 Pf., Weis⸗ 
rod 2 ppfd. 45 Pf., Gem. Brod 3 Pfo. — Pf., Butter 
ver Pfd. — M. 93 Pf., Eier per Dutzend 84 Pf. 
Kaiserslautern, 31. Okt. (Frachtmittelpreis und 
8gittualienmakt.) Weizen 10 Mt. 01 Pf., Korn 7 Mt. 
37 Pf. Spelztern O M. — Pf., Spelz 6 M. 81 Pi., 
herste 6 M. 88 Pf., Hafer 6 M. 46 Pj., Erbsen 10 Vt. 
50 Pf., Wicken O M. — Pf. xinjen — M. — Pj. Klee⸗ 
saamen — M. — Pf., Schwarzbrod 6 Pfund 74 Pr.. da. 
83 Pfd. 37 Pf., Gemischtbrod 3 Pfund 42 Pf., Butter pro 
Pfjd. M. 1,07-0,00 Eier 2 Stüd 15 Pf., Kartoffeen pro 
zentner 2 V. 55 bis J M. — Af., Stroh 2 M. — pi, 
deu pro Ctr. 3 M. 30 Pf., bis O M. — Pi. »tie heu 
3 M. 60 Pj. bis 0O M. — pf. 
Flr die Redalktion verantwortlich F. X. Demeß.