xt. Indberter Auzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert.
der ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗
zlait und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1 / 40 B einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 16 60 H, einschließlich
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M 220.
Dienstag, 7. November 1882. —17. Jahrg.
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Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
München, 5. November. Wie in militärischen
dreisen verlautet, werden den in den letzten Tagen
ublicirten Veränderungen in der Generalität wei—
ere nachfolgen und zwer haupfisächlich deßhalb,
veil auch der hochbejahrte Inspecteur der Artillerie
ind des Trains, General Graf v. Bothmer, in
)en Ruhestand zu treten wünscht. Als dessen Nach⸗
olger bezeichnet man den Commandanten der Resi—
enzstadt, Generalmajor v. Muck.
Karlsruhe, 6. Nov. Der Erzbischof Orbin
d tute hier eingetroffen und wird morgen vom
tzroßherzog in Audienz empfangen werden.
Mainz, 5. Nov. Die gesammte Geistlichkeit
)er Diöcese Mainz hat an den Großherzog eine
Adresse gerichtet, in welcher sie um Aufhebung oder
Abänderung der Kirchengesetze ersucht.
Berlin, 5. Nov. Die Hoffnungen auf Bil⸗
zung einer Mittelpartei sind gestärkt, da eine nicht
zeringe Anzahl deutschconservativer Abgeordneter
ich den Freiconservativen angeschlossen hat.
Das Interesse, mit welchem man in weiteren
dreisen der Reichsstagsverhandlung über den Antrag
uf Entschädigung unschuldig Verur⸗
theilter oder in Untersuchungshaft gehaltener
ßersonen entgegensieht, ist im Zunehmen begriffen,
eitdem verlautet, daß die Reichsregierung in der
That dieser Angelegenheit lebhafte Beachtung wid⸗
net und also nicht abgeneigt ist, eine Ergänzung
des Strafgesetzbuches in dieser Richtung eintreten
u lassen. Es sollen bereits Erörterungen an zu⸗
tändiger Seite schweben, über deren Inhalt und
Umfang jedenfalls seitens der Regierung bei den
jetr. Debatten Mittheilungen zu erwarten sind.
Eine frühere Mittheilung, daß eine Ausdehnung
er deutschen Küstenbefestigung, welche
isher an der Nordsee vorzugsweise betrieben wor—
en ist, nunmehr anuch auf die Ostseeküste ausge—
dehnt werden soll, bestätigt sich: Panzerthürme,
hanzerbatterien und Schutzwehren sollen längs der
Rüste an allen wichtigen und den feindlichen An⸗
griffen ausgesetzten Punkten aufgeführt und nament⸗
ich auf einen Schutz der Hafeneinfahrten besondere
kücksicht genommen werden. Ueder das System,
iach welchem man dabei vorgehen will, haben sehr
eingehende Berathungen von Seiten Sachberstän⸗
iger stattgefunden.
Die umstürzlerische Bewegung in den südlichen
Industrieplätzen Frankreichs verursacht auch außer⸗
zalb der französischen Landesgrenzen ein gewisses
dibriren der oͤffentlichen Meinung. Die Aufmerk⸗
amkeit in Deutschland richtet sich unwillkür—
ch auf das Sozialistengesetz, dessen Gilt⸗
zkeit, auch wenn nochmals verlängert, doch weder
in dauernder Schutz gegen etwaige Bedrohungen
er staatlichen Ordnung sein kann, noch sein soll.
Nit allem Rechte erinnert die Presse des positiven
Aiberalismus daran, daß jenes Gefetz nur Ruhe
sringen sollte, bis die Socialreform so weit in die
lechten Wege geleitet ist, um die ersten guten Wir⸗
ungen üben zu können. Inzwischen bestärkt uns
Ulerdiagz in dem Vertrauen, daß die anarchist⸗
schen Wogen an unseren Landesgrenzen sich bre—⸗
hen — statt, wie es jedenfalls in Genf geplani wird,
ieselben zu überfluthen, — auch der Hinblick auf
ie Unterschiede zwischen unserer monarchischen und
ꝛer franzoöͤsischen demokratischen Staatsform. Unser
—X schon
ue kraftvolle Gewähr der Sicherheit vor den letz⸗
mien Konsequenzen der internationalen Revolutions-
verschwörung.
Ausland.
Paris, 5. Nov. Mehrere hiesige Journale
fahren fort, die Eröffnungen des Grafen Kalnoky
in der ungarischen Delegation dazu zu benutzen,
um die Stimmung in Italien in einer für Oester⸗
reich ungünstigen Weise zu beeinflussen. Irgend
ein Erfolg ist hievon kaum zu erwarten, da die
Tendenz, Italien von Oesterreich und Deutschland
abspenstig zu machen, und es zu bewegen, daß es
die Befestigung der italienischen Beziehungen zu
Deutschland und Oersterreich mit einem Anschlusse
an Frankreich vertausche, gar zu durchsichtig ist.
Wie verlautet, werden die Angeklagten von
Montceau⸗-les-Mines, deren Proceß vor
der Geschworenen von Chalon urplötzlich suspen—
dirt wurde, in der nächsten Schwurgerichts-Session
vor die Assisen des Departements Morbihan ver—⸗
wiesen werden.
Rom, 85. Nov. Der Popst soll beabsichtigen,
im Winter eine Art Concil zur Definirung bestimm⸗
ter religiöser Fragen zu berufen.
Aehnlich wie das Generalkonsulat der Vereinig⸗
—
fuhr nach Nordamerika für das Fiskaljahr
188182 ausweist, so konstatirt auch das General⸗
konsulat der Union zu Frankfurt a. M. eine be—
deutende Zunahme des transatlantischen Exports
deutscher Waaren. Die Gesammtziffer der Ausfuhr
aus Süddeutschland und den Rheinlanden betrug
aämlich 30 986 648 Dollar oder 5 729 693
Dollar mehr, als im Vorjahre. Obenan stehen
uinter den einzelnen Konsulatsbezirken die nieder—
cheinischen, von denen Krefeld für 5649 317
Dolslar oder für 1720 817 Dollar mehr Waaren
nach den Vereinigten Staaten ausführte, während
Barmen sich mit 5 063 195 Dollar (4 1279 084
Dollar) anschließt, worauf alsdann süddeutsche Han⸗
dels⸗ und Industriedistrikte mit Exportziffern von
3334 714 Dollar (Nürnberg) abwaͤrts folgen.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
* St. Ingbert, 7. Nov. Von der Ver⸗
tretung der israelitischen Cultusgemeinde zu Ven⸗
ningen, sowie von dem Gemeinderath daselbst
wurde der israel. Lehrer Herr J. Samter von
hier einstimmig als Lehrer, Vorbeter und Schächter
zewählt. Die hiesige israel. Lehrerstelle wird, da
die Stadtigemeinde den bisher für dieselbe geleisteten
Beitrag gekündigt hat, nicht wieder besetzt und die
Schule sohin aufgelöst werden.
* St. Ingbert, 7. Nov. Am 12. d8s.
Mis. wird gutem Vernehmen nach die in Schaaf—
brück Gahnstrecke St. Ingbert-Saar—⸗
brücken) neuerrichtet Haltestelle für den
Personen⸗- und Gepäckverkehr eröffnet.
— Kaiserslautern. Der Schwindler,
welcher eine Anzahl hiesiger Kaufleute um Beträge
don 50 Pf. bis zu 4 M. 50 Pf. prellte, indem
er ihnen vorspiegelte. ihre Firmen würden dafür
in ein Reichsadreßbuch aufgenommen, wurde am
Freitag zu 83 Monaten Gefängniß verurtheilt. Hier
sollen nicht weniger als 150 Geschäftsleute auf
diesen Leim gegangen sein; auch in Neustadt,
Edenkoben und Landau soll der Betrüger, ein ge—
visser Johann Schmidt aus Burgau, viele „Ge—⸗
schäfte“ gemacht haben.
— In Konken bei Kusel ist in zwei Rind⸗
ziehställen Lungenseuche ausgebrochen.
— Für die Wetterbeschädigten des Bezirks
Kusel sind nunmehr Baarbeträge in Summa von
29,841 Mk. 68 Pf. gespendet worden, also nahe—
zu 30,000 Mk.
— Eine Frau von Erfenbach, Ehefrau
von Jos. Heß, verfiel, wie der „Pf. V.“ mitge—
theilt wird, in plötzlichen Irrsinn, in welchem sie
die fixe Idee hatte, Gott habe ihr das Essen ver—⸗
boten, und war dieselbe nicht zu bewegen, etwas
Anderes wie Wasser zu sich zu nehmen. Auf diese
Weise verlebte sie 31 Tage — bis sie dieser Tage
in Folge vollständiger Entkräftung das Zeitliche
segnete.
— Im Oktober waren es fünzig Jahre, daß
das aus verschiedenen bayerischen Regimentern zu⸗
sammengesetzte Expeditionskorps sich auf den Weg
nach Griechenland machte, um den bahyerischen
Prinzen Otto bei seinen hellenischen Unterthanen
ils König einzuführen und seinen Thron wenigstens
für die erste Zeit zu festigen. Von den Theil—
nehmern an dieser Expedition leben, dem „Eilb.“
zufolge, in Landau noch fünf, nämlich die
derren: Heinrich Kast, Melchior Kühner, Ludwig
Runnemann und Johann Stumpf, sämmilich dem
53. Infanterie-Regiment angehörig und Karl Blan—
lkenbach, der den Zug nach Griechenland als Frei⸗—
williger mitmachte. Zu Ehren derselben fand am
Freitag Abend in der Stöopel'schen Brauerei eine
Bedenkfeier statt, wobei Herr Dr. Ziegler und Herr
Lehrer Rettig, Letzterer Namens des Kriegervereins,
Unsprachen an die Gefeierten richteten. Ein Männer⸗
juartett und eine Capelle trugen durch geeignete
Vorträge zur Erhöhung der Feier bei.
— Die „Frkth. Ztg.“ bringt folgende Mit⸗
cheilung ans Ludwigshafen: Seit einigen
Wochen vermißt man dahier den als Klaviervirtuosen
zekannten und geschätzten Hrn. Martin Endres,
bisherigen Gesangsdirigenten der Gesellschaft „Ein⸗
racht“ und Musiklehrer dahier, als plötzlich dieser
Tage eine schweizerische Zeitung die Meldung
brachte, Herr Endres konzertiere soeben in der
Schweiz und ernte dorien den größten Beifall. Es
st nicht uninterressant dabei zu erfahren, daß der
Künstler nach einer Fußtour von St. Martigny
aus im Kurhause zu Genf ein bestens aufgenom⸗
menes Konzert gab, nach dessen Schluß er längere
Zeit hinter den Coulissen wegen Hunger und
Schwäche in einer Ohnmacht lag. Voraussichtlich
hat sich Herr Endres nun Bahn gebrochen und
sieht er einer sorgenfreieren Zukunft entgegen.
Vermischtes.
4 (,Ein weingrüner Pfälzer.“) Unter
dieser Bezeichnung finden wir in dem so empfehlens⸗
verthen, Deutschen Familienblati“ Folgendes: Zu
Forst, dem Heimathlande des „Forster Kirchen⸗
ftückes“, der Perle der Pfalz, lebt auch ein alter,
achtundsiebenzigiähriger Weinbauer, der von der
Erhaltungskrafi des Haardtweines erzählen kann.
Zeit netto sechszig Jahren nimmt er im Durch—
scchnitte seine zwei Liter selbstgezogenen Weines als
Abendtrunk zu sich, nachdem er von fünf oder gar
vier Uhr an mit der Hacke und dem Karst in seinen
Weinbergen streng und recht gegraben und gerodet
hat. Dabei ist er gesund und munter, wie ein
Junger und kennt weder Zahnweh noch Rheuma—
tismus. Nach eigener Einschätzung hat dieser solide
Weinvertilger, das Jahr zu 365 Tage angenommen,
pro anno 730 Liter Wein hinter die Binde ge—
gossen. Für sechszig Jahre macht das genau 43,800