Full text: St. Ingberter Anzeiger

diter vorr 208 Su ιι. Verechnen wir nru 
Stück zu ünfhundert tMark, im Durchschnitt, so 
hat unser Biedermann nicht weniger als 21,900 
Mark — ohne Zinsen — durch die Kehle gejagt; 
und dabei ist unser Forster selbstverständlich kein 
„Trinker“. — Vor einigen Jahren kam besagter 
Weinbauer zu einem Arzte im nahen Städtchen 
W. Er klopft an die Thüre. Der Arzt ruft ihn 
herein. Allein trotz mehrfachem Zureden bleibt 
unser Mann vor der Thüre stehen. Der Arzt 
müsse ihm Eines versprechen, wenn er sich von 
ihm untersuchen lassen wolle — und er komme 
das erste Mal in seinem Leben zu einem Arzte. 
Der Arzt weigert sich mehrfach auf solches An⸗ 
suchen einzugehen; endlich giebt er nach, um ihn 
vom Platze zu bringen. „Nun und was soll ich 
Euch nicht verbieten?“ fragte der Arzt den dik— 
tatorischen Kranken. „Den Wein derfe Sie mer 
nit verbitte“ war die Antwort unseres greisen Zechers. 
Gut! — Bei der Untersuchung siellt es sich heraus, 
daß sich der sechsundsiebenzigiährige Patient mit 
einer etwas starken Portion Leberwurst den Magen 
verdorben hat. — Er bekommt ein tüchtiges Vo⸗ 
mitiv als Kurmittel. — Am nächsten Morgen in 
aller Frühe begegnet unser Doktor dem Patienten 
mit dem Karst auf dem Rücken, der schon von 
Weitem die Kappe schwingt. „Nun, wie geht's, 
Alter?“ fragte der ob solcher kurzen Kur erstaunte 
Arzt den Winzer. „Das Zeug han i' scho' ge— 
nomme,“ meinte der Kranke, „aber gebadt (genüzgt) 
hätt's nix, wenn i' nit mein' Krug Wein daraus 
genomme hätt!“ Der weingrüne Pfälzer hatte zuersi 
das Brechmittel genommen, dies tüchtig wirken lassen 
und unmittelbar darauf als Nachdosis die zwei 
Lditer Wein aus dem vollen steinernen Krug zu sich 
genommen. — Er ist seitdem wieder gesund und 
fidel und behanptet, nach, Ueberstehung seiner Kranket“ 
müsse er jetzt hundert Jahre alt werden. — Lassen 
wir dem „weingrünen“ Pfälzer, der noch heute 
Tag für Tag nach saurer Arbeit den alten Stein— 
krug mit den zwei Litern süßen Weines leert, seinen 
guten Glauben und wünschen wir ihm, es möge 
seiner Kehle und seinem Magen der Zweiundacht⸗ 
ziger so gut munden, wie die vorausgegangenen 
Jahrgänge unseres Jahrhunderts. 
F Herzog Karl Theodor in Bayern hat so⸗ 
eben wieder eine glückliche Operation vollführt. 
Er unternahm an einem gewissen Konrad Bilgeri 
in Bayrischzell, welcher seit 5 Jahren am grauen 
Staar litt, die Operation, welche vom günstigsten 
Erfolge begleitet war. Der Operirte ist im Stande, 
seinem Berufe wieder nachzugehen. 
fF (Ein seltsamer „Student“, der der 
akademischen Welt wenig Ehre zu machen bestrebt 
war, stand am Dienstag und, weil die Staats⸗ 
anwaltschaft die Ladung zweier weiterer Zeugen 
beantragt hatte und die Verhandlung deßhalb ver— 
tagt werden mußte, Freitag vor den Geschworenen 
in Würzburg. Georg Fehrer, 31 Jahre alt, war 
früher Kaufmann, dann Studirender am Polhtech- 
nikum in Karlsruhe und ließ sich später in Mün— 
hen, dann in Würzburg als Student der Medizin 
instribiren. Fehrer, dessen Vater vor 15 Jahren 
starb und dessen Mutter in Würzburg wohnhaft 
„verstudirte“ in den letzten 9 bis 10 Jahren nicht 
weniger als ca. 44,000 Mk., 28,000 Mt. mehr, 
als sein etwas jüngerer Bruder, der zur Zeit 
sKtaufmann in Liverpool ist, in gleicher Zeit der⸗ 
brauchte. Nachdem in Folge dessen die Mutter 
sich veranlaßt gesehen hatte, in einer notariellen 
Urkunde, welche sie gemeinschaftlich mit beiden 
Söhnen aufstellen ließ, festzustellen, daß bei der 
einstigen Vermögenstheilung ihr jüngerer Sohn 
18556 Mk. vorweg haben sollte, versuchte der Au⸗ 
geklagte mit allen Mitteln den erwähnten Vertrag 
rückgängig zu machen. Er entzog seiner Mutter 
die Freiheit, mißhandelte sie, bedrohte sie mit 
einem Revolver, um die Herausgabe des Vertrages 
sowie eines Notizbuches, worin die für ihn ge— 
machten Ausgaben verzeichnet waren, von ihr zu 
erzwingen. Die Verhandlung endigte mit der 
Verurtheilung Fehrer's in eine Gefängnißstrafe 
bvon 2 Jahren. 
F Hof, 31 Okt. Ein Schweinehändler von 
Traindorf bei Marktleugast hatte sich in Sauerhof 
beim Zechen derart übernommen, daß er auf einem 
Schubkarren zu nachtschlafender Zeit nach Hause 
geschafft werden mußte. Der Transporteur schien 
aber auch nicht mehr ganz das Gleichgewicht be— 
wahren zu können. Er setzte den Schweinehändler 
in dem an der Straße sich hinziehenden Wässerlein 
ab, wo man ien des andern Tages todt auffand. 
—0GlIZRz, *. Ao. Vem „e. 5. Wilo 
geschrieben: Mit dem gestern Abend 9 Uhr 58 
Minuten via Straßburg von hier abgehenden Zug 
vurden die beiden wegen der bekannten Militäran- 
gelegenheit verhafteten Personen Rosenthal und 
Reichert unter Bedeckung zweier Criminalbeamten 
iach ülhausen i. E. abgeführt, um der dortigen 
Staatsanwaltschaft vorgeführt zu werden. Auch in 
inserer Stadt wird die Untersuchung mittlerweilen 
veiter geführt und fanden bereits verschiedene Haus— 
uchungen statt. Der flüchtig gegangene Musikalien⸗ 
zändler Wolff befindet sich nach einer zuverlässigen 
Mittheilung in Belgien; ein in einer unserer Nach⸗ 
barstädte wohnender Arzt ist dringend verdächtig, 
Dienstuntauglichkeitszeugnisse gegen klingende Aner⸗ 
kennung verabfolgt zu haben; die eingeleitete Un— 
tersuchung auch nach dieser Richtung wird hoffent⸗ 
lich das nöthige klar stellen. Ueber die Beträge, 
welche von Seiten der durch Betrug freigeworde⸗ 
nen Militärpflichtigen bezahlt worden sind, erfahren 
vir, daß die Summen sich stets nach den Ver— 
mögensverhältnissen der Militärpflichtigen richteten, 
und schwanken die Preise zwischen 2000 bis 33500 
Mtk. Da dieser Betrug schon seit 1870 getrieben 
vorden fein soll, so kann man sich eine Vorstell⸗ 
ing machen, welche bedeutende Summen in die 
Taschen gewisser Leute geflossen sind. 
FHattingen a. d. Ruhr, 2. Nob. Gestern 
wurde in einem Nachbardorfe eine Hochzeit gefeiert, 
hei welcher die Braut 65 Jahre und der Bräuti— 
zam 26 Jahre alt war. Das Merkwürdigste aber 
ist, daß die Ehe aus gegenseitiger Liebe geschlossen 
wurde; denn weder Braut noch Bräutigam sind 
nit Glücksgütern gesegnet. 
FGnder Hölle.) Der Düss. Anz. er— 
ählt: „Ein Schuster in Westfalen hatte sich mehr 
als billig dem Schnapsteufel ergeben, und keine 
ur wollte anschlagen. Da fanden ihn neulich 
deute bei Ibbenbüren toll und voll an der Straße 
iegen und beschlossen, ihn zu heilen. Sie schafften 
»en betrunkenen Schuster in den dunklen Schacht 
zines Bergwerks, wo er nach vielen Stunden von 
einem Rausch erwachte. Rings um ihn herrschte 
instere Nacht; dumpf und gespenstig tönten die 
zleichmäßigen Schläge der arbeitenden Bergleute 
in sein Ohr und schaudernd tasteten seine Hände 
in den naßlalten Wänden umher. Auf seinen 
ängstlichen Hülferuf eilten die schwarzen Gesellen 
herbei und gruppirten sich, von ihren Grubenlich— 
tern phantastisch beleuchtet und finster blickend um 
den tödtlich erschrockenen Schuster, dem plötzlich sein 
ganzes Sündenregister einfiel, und der Gedanke 
tam, daß er der Hölle verfallen sei. Er stürzte 
dem Obersten der Teufel zu Füßen, der, ein Erz⸗ 
ichalk, ihm seine Sünden streng vorhielt und ihm 
zurief: „Du bist der Hölle verfallen!“ Der Schuster 
lehte um Gnade, die ihm endlich unter der Beding⸗ 
ung gewährt wurde, daß er nie wieder einen Tro⸗ 
»fen Schnaps über seine Lippen bringe. Mit ver— 
junden Augen führte man ihn an die Oberwelt, 
rachte ihn eine gute Strecke vom Schachte und ge— 
tattete ihm die Binde zu lösen, nachdem sich alle 
entfernt hatien. Da sah er sich plötzlich in bekann— 
er Gegend, ohne zu wissen, wie er dorthin ge⸗ 
ommen, und fest überzeugt, daß der Weg in die 
Hölle bei Ibbenbüren zu suchen sei, schlich er nach 
Hause. Er hat seine Kur Niemanden erzählt, aber 
veit und breit kennt man sie.“ 
F Von einem Jagdfreunde wird dem „Rhein. 
Merkur“ folgendes mitgetheilt: „Der richtig ge⸗ 
chulte Jäger fängt erst mit dem 15. Okt. an 'in 
einer Jagd die Hasen abzuschießen und auch sehr 
elten Mutterhasen. Diese von den Hasen zu un— 
erscheiden, verstehen noch lange nicht alle, besonders 
msere jüngeren Waidmänner, die sogenannten 
Sonntagsjager, nicht, und dezimieren eben durch 
diese Unkenntniß meistens das Wild in ihren Re— 
ieren für die nächste Saison in underantwortlicher 
Weise. Zur Belehrung der Betreffenden sei daher 
erwähnt, daß der Hase, sobald er aufspringt, jedes⸗ 
nal sowie auch beim Laufen seine Löffel aufge⸗ 
treckt trägt, wohingegen die Häsin dieselben platt 
im Nacken liegend haͤlt. Es bedarf daher uur dieser 
lleinen Aufmerksamkeit des Jägers, und ist der— 
elbe nicht gar zu raub⸗ und mordlustig und läßt 
Monsieur Lampe, um den angegebenen Unter⸗ 
chied konstatieren zu können, einen kleinen Vor— 
prung gewinnen, bevor er ihm auf den Pelz brennt, 
jo schont er damit seine Jagd sehr bedeutend. Viele 
unsere Nimrode bitten wir, sich dieses hinter ihre 
ꝛigenen Loöffel zu schreiben.“ 
*F Eine charakteristische Bettelgeschichte wird aus 
Waldeck im Kreise Geldern gemeldet. — 
dort stationirten Grenzaufseher fiel vor einigen 5 
zen ein junger Mann auf, welcher einen Sa— tru 
und von Haus zu Haus wanderte. Auf — 
heilte der Letztere mit, daß in dem Sack etu 
enthalten sei, welches er für seinen mit der fallen 
den Krankheit behafteten Vater zusammengebellel 
„Warum betteln Sie den gerade Korn?“ fragie 
der Beamte weiter. „Ja sehen Sie.“ antwortete 
der junge Mann, „ich bin eigentlich Schlosser 
wenn ich um Geld bettele, erhalie ich höchsteng le 
2 Pf. pro Haus, wenn ich aber von jedem Bauer 
ein paar Hande voll Korn bekomme, und dieses 
dann bei einem Müller verkaufe, stehe ich mich 
drei bis vier Mal besser.“ Dies den Landleuten 
zur Warnung. 
F Eine Sammlung, wie sie in der Welt 
aicht zum zweitenmale existirt, beherbergt Berlin, 
—A Professor Virchow's, 
velche bereits über 6000 Exemplare zählt und alle 
Pölker und Zeiten umfaßt; auch materiell ein sehr 
verthvolles Object. 
GDie Photographie als Feind 
LUmors.) Die jetzt in Schwung kommenden 
»hotographischen Momentaufnahmen, welche Ansich⸗ 
en der belebtesten Straßen und Plätze wiedergeben 
ind sogar den harmlosen Straßenpafsannten ohne 
sein Wissen auf die empfindliche Gelatineplatte zau⸗ 
bern, haben schon den Verräiher jungen Liebes 
zlückes gespielt. Wie die Koln. Ztg. erzählt, be— 
jand sich unter den Beschauern, welche dieser Tage 
bor einem Kunsthändlerladen Berlins standen, auch 
zine Dame, die einem dieser photographischen Straßen. 
bilder eine besondere, lang anhaltende Aufmerksam⸗ 
'eit widmet. Das Mutterauge hatte auf einem die 
Leipzigerstraße darstellenden Bilde sofort und mil 
Sicherheit die eigene heranwachsende Tochter erkannt, 
welche, wie es schien, im vertraulichen Geplauder 
mit einem Herrn einherging. Die Mutter schüttelte 
den Kopf, dann betrat fie den Laden. Eine halbe 
Stunde später hatte eine kleine Dame ein peinliches 
berhör zu bestehen. Sie leugnete. „Ich weiß es 
»estimmt!“ rief Mama drohend. Emma läugnete 
»erzweiflungsvoll. Da zog Mama eine Photogra- 
phie aus der Tasche — jene unselige Momentauf— 
tahme — und der bisherige Clavierlehrer wurde 
ibgeschafft. So räumen die Fortschritte auf den 
Hebieten der Technik mit der Romantik unnachsicht⸗ 
lich auf. 
F Betreffs des Züchtigungsrechts der Lehrer hat 
neuerdinds das Oberlandesgericht zu Stettin in 
zer Revisionsinstanz sehr bemerkenswerthe Grund⸗ 
ätze ausgesprochen. Es wird in der Entscheidung 
zesagt, daß das Züchtigungsrecht der Lehrer nicht 
owohl Strafzwecken diene, als vielmehr der Erziehung 
und Bildung der Jugend. Es sei ein dem elter— 
ichen Zuchtrechte analoges und wie dieses nach der 
Natur der Sache überall auszuüben, mögen die 
Eltern und die Lehrer oder Dritte von der Unart des 
indes betroffen werden. Ohne diese Unbeschränkt— 
heit lasse das Erstrebte sich gar nicht erreichen; 
dabei unterliege der Lehrer der disziplinaren Auf— 
icht, mit welcher etwaigen Mißgriffen entgegenge⸗ 
reten werden könne, und insofern er die Grenzen 
der Schulzucht überschreite, könne er strafrechtlich 
erantwortlich gemacht werden. Damit seien die 
Harantien zum Schutze der ihm anvertrauten Kin⸗ 
der erschöpfend und ausreichend gegeben. Weiter 
jei anzunehmen, daß die Schulzucht, wenn mehrere 
dehrer an derselben Schule angestellt seien, ein ge⸗ 
meinschaftliches Recht des ganzen Lehrerpersonals 
ei, welches sich objektiv auf alle Schüler der An⸗ 
talt erstrecke, sofern nicht durch besondere ausdrück⸗ 
liche Dienstinstruktionen Beschraänkungen vorgeschrie⸗ 
ben seien. Andererseits sei aber die Schulzucht 
nicht auf die Räume der Schule und die Zeit des 
Anterrrichts beschränkt. Endlich falle es der ge— 
vissenhaften Beurtheilung des Lehrers anheim, ob 
zur Vornahme der Züchtigung ausreichender Grund 
horhanden sei, während diese Frage der richterlichen 
Nachprüfung nicht unterliege. 
f. Unter dem nicht prägmatischen Personal der 
bayerischen Civilstaatsbediensteten besteht die Ab⸗ 
sicht, einen allgemeinen Unterstützungsverein 
ins Leben zu rufen. Derselbe soll den Zwed ha— 
ben, den Relilten derselben unter der Pension noch 
eine jährlich forlaufende Unterstützung zu gewahren. 
Soll nun dieses Unternehmen gelingen, so ist vor 
Allem eine zahlreiche Beitrittserllarung aus sammt—⸗ 
sichen Kreisen des Koniqsreichs nothwendig. Zu 
iesem Zwecke soll schon in naͤchster Zeit ein Auf— 
uf ergehen. 
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