ʒ8f. Jugherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert.
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sountag; 2mal woͤchentlich mit Unterhaltunge⸗
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M 223. Sonntag, 12. November 1882. 17. Jahrg.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Dem Vernehmen nach hat die Reichsregie⸗
zung sich Spanien gegenüber zur Ermäßig—
eigdes Kornzol!s bereit erklärt.
Ausland.
Die gegenwärtige politische Lage der
ranzosischen Republik zeichnet ein Leitartikel
er „Südd. Presse“ treffend, wie folgt: „Frankreich
nit England gespannt, mit Italien überworfen, mit
er Türkei verfeindet, Alles der Revanchehoffnung
ppfernd und dieselbe mehr und mehr am Horizont
ntertauchen sehend, mit derselben lediglich auf
dußland angewiesen, das immer mehr in Lethargie
erfallt!. Dabei die Republik auf das Tiefste dis
reditirt, das Parteiwesen herabgekommen, die soziale
hewegung in rapidem Aufsteigen. Die dritte Re—
ublit, herabgebracht wie die erste am Vorabend
es 18. Brumaire, die zweite an demjenigen des
.Dezember, die Diktatur unvermeidlich, aber kein
Riktator! Ein schon einmal gestürzter parlamen⸗
rischer Herrscher und ein bis über das Jahr
385 hinaus garantirter nomineller Inhaber der
söchsten Stelle in der Republik! Innerhalb der je—
veilig herrschenden Parteien der Streit um die
Justizreform, d. h. um die Preisgabe weiterer drei⸗
sundert Justizstellen an hungrige Bewerber, und
im die Pariser Zentralmairie, d. h. um die Be—⸗
reiung der Gemeinde Paris von den ihr nach dem
lufstand von 1871 angelegten Verwaltungsfesseln!
diese allgemeine Lage spitzt sich im Einzelnen zu,
vie folgt. Gambetta will seine Puppe Duclerc im
uswärligen Amte lerhalten und im Ministerpräsi⸗
ium durch Ferry ersetzen. Ein Versuch mit einem
Ministerpraͤsidium Brisson ist ihm mißlungen; der jetzige
dammerpräsident will sich nicht „verbrauchen“ lassen
ind hält sich nach dem 31. Januar 1886 für
inen geeigneien Nachfolger Grevy's auf dem Prä⸗
identenstuhle der franzosischen Republik. Dieser
dombination Ferry⸗-Duclerc mit Gambetta als
vintermann steht Grevy mit den Freycinet und
lemenceau gegenüber. Die „Times“ bezeichnet
en letzteren bereits als den selbst Gambetta vor⸗
nstehenden eigentlichsten Ausdruck der französischen
zolksmeinung. Daneben spricht man von Frey⸗
inet. Derselbe hat sich durch seine vom 26. Ja⸗
war bis 29. Juli geführte auswärtige Polilik bei
en Franzosen ein relativ bedeutendes Ansehen er⸗
vorben; als ihm Gambetta die auswärtige Politik
mus der Hand riß, stand Frankreich in der orien
alischen Frage besser da, als in diesem Augenblid.
Nan glaubt, daß gleich nach Eröffnung der Sitßz-
igen Greby durch die um die beiden letztgenannten
arlamentarischen Führer geschaarten Gruppen den
ur durch die Gambettisten geschützten Duclerc zu stürzen
ichen wird. .. Als am 31. Jan. 1879 Mac
sahon gestürzt war, sagte der siegriche Gambetta:
die Aera der Gefahr für die Republik ist vorüber,
zt beginnt die Aera der Schwierigkeiten.“ Die
eit des beständigen inneren Kampfes der Repu⸗
likaner ist in jenem Satze mit prophetischer Deut⸗
chkeit geschildert worden; allem Anschein nach
eigt fie sich ihrem Ende zu und beginnt für die
tepublik jetzt wieder die „Aera der Gefahren“.
Frankreich haͤt fast niemals ein gemäßigt freisinniges
degiment gehabt; hatte es ein solches, wie unter
migen Ministerien der Restauration und unter
Louis Philipp, dann wurde dasselbe entweder
hnell gestürzti oder verkam. wie das letztere, in
nnerer Korruption. Zwischen unruhiger Libertät
ind einer die materiellen Interessen befriedigenden
dittatur ist das Land stets hin⸗ und hergeworfen
vorden; auf die Dauer verträgt es weder das Eine,
roch das Andere. Die erste Republik dauerte 12
Fahre, das erste Kaiserthum 11, die Restauration
i5, die Julimonarchie 18, die zweite Republik 4,
zas zweite Kaiserreich wieder 18 Jahre. Jetzt hat
die dritte Republik 12 Jahre hinter sich. Man
raucht der Beredtsamkeit dieser Zahlen Nichts hin⸗
uzufügen.“
Lokale und pfälzische Nachrichten.
* St. Ingbert, 11. Nov. Gestern verstarb
n Dürkheim a.H. nach längerem Leiden Herr
Adjunkt Jakob Rheinberger, Buch—- und Stein⸗
ruckereibesitzet. Mit ihm schied ein ehrenfester
Tharakter, ein Biedermann im wahren Sinne des
Wortes aus diesem Leben. Möge er in Frieden
uhen!
* St. Ingbert, 11. Nov. Der heutige
Hormittag brachte uns den Aublick von wirbelnden
S„chneeflocken. Hoffentlich hat es der Winter
zach diesem leichten Geplänkel mit seinem Einzuge
noch nicht sehr eilig.
b. Blieskastel, 10. Nov. Durch die in den
etzten Tagen stattgehabten hefligen Regengüsse ist
die Blies zum vierten Male binnen verhältnißmäß⸗
g kurzer Zeit aus ihren Ufern getreten, und es
—XRLRV Wiesenthal einem großen See.
B.Blieskastel, 10. Nor. Dieser Tage wur⸗
den dahier zum Baue einer altkatholischen Kirche
n München 70,50 M, als freewillige Beiträge
zerschiedener hiesiger Herren abgeschickt.
ff. Blieskastel, 10. Nov. Der Stadtrath
von Blieskastel bewilligte zur Unterstützung der
Wetterbeschädigten im Bezirke Kusel 50 Mark aus
der Gemeindekasse.
— Die Neustadter Volksbank hat die
Mitglieder⸗ Stammantheile von 1800 auf 1200 Mk
ind die Eintritisgebühr von 10 auf 5 Ml. herab⸗
esetzt, Beides von 1883 an.
— Wie verlautet soll der Opferstock in der
xrotestantischen Kirche in Lambrecht seines In⸗
altes beraubt worden sein. Da derselbe seit Ostern,
ilso ca. 7 Monate, nicht entleert wurde, so ist die
niwendete Summe jedenfalls eine nicht unbedeutende.
— In der am Donnerstag stattgehabten 5.
zitzung des pfäl zischen Landrathes re⸗
eritte Herr Dekan Krieger zunächst über die
Borlage kgl. Regierung, den H. Hilgard'ischen
dreißgstüpendienfonds betreffend. Der Land⸗
ath nimmt diese Stiftung an und spricht dem
jochherzigen Stifier, welcher seiner Anhänglichkeit
in die Pfalz und seinem vielfach bethätigten In⸗
eresse für die Pflege pfalzischer gemeinnütziger
Internehmungen durch seine Stiftung wiederholt
lusdruck gegeben hat, den aufrichtigsten Dank aus.
Zzur Bethäligung dieses Dankes erhebt sich der Land⸗
ath auf Aufforderung seines Präsidenten von den
Sißen — Die Rechuung des pfalzischen
dienstbotenstiftes pro 1881 weist eine Ge—
amnmt⸗Einnahme von 8 519 M. 26 Pf. — nach.
Ddie Ausgaben betragen 7 778 M. 32 Pf. Das
gesammtvermögen Ende 1881 beträgt 63 440 M.
34 Pf. — Herr Spies referirte sodann über
) die Kechnung des Vorschußfonds für Schul—
Ausbauten. In Summa wurden im Jahre
881 verausgabt 8000 M. und besteht dieser Fonds
in Schlusse des Jahres aus 46 285 M. 71 Pf
3) Die Rechnung des Fonds für Gemeindezwede
Von den aus diesem Fonds entfallenden Zinsen
wurden im Laufe des Jahres 1881 vierzehn Unter⸗
tützungen im Gesammibetrage von 1660 M. ver⸗
abreicht — Herr Huth referirte über den Bedarf
der deutschen Schulen pro 1888. Derselbe
erfordert eine Summe von 977 094 M. 94 pf.
wovon aus der Staatskasse 8006 006 M. 44 Pf.
bestritten werden. Herr Huth referirte ferner über
die Rechnung der Schullehrer⸗Pensions-Kreis-An⸗
dtalt, welche ohne Anstand befunden wurde. —
Die von bverschiedenen Gemeinden eingegangenen
Besuche um Zuschüsse zu den Volksschulen werden
dom Landrath wie solgt entschieden: Obrigheim er⸗
hält 180 M. Imsbach 210 M., Kalkosen 200 M.,
Münsterappel 100 M., Jettenbach 180 M., Warten⸗
derg 100 M., Schneeberg 248 M. und Zell 200
M. Die Gesuche von Oberhausen und Dellfeld
wurden abgelehnt. — Auf der Tagesordnung der
nächsten Sihung: Realschulen und Straßen
und Damme
Vermischtes.
Aus dem Breisgau schreibt man: Die
Nachricht, daß ein Gesuch um die ausnahmsweise
Erlaubniß, daß gezuckerter Wein als Naturwein
verkauft werden dürfe, von der obersten Verwalt⸗
tungsbehörde abschläglich beschieden wurde, findet
die vollste Zustimmung reeller Winzer und Wein⸗
händler. Wem der Wein zu sauer ist, mag Zucker
zusetzen, Das ist ja nicht verboten. Aber ein
Anderes ist es, wenn solch verzuckerter Wein, ohne
daß diese Manipulation dem Käufer zur Kenntniß
zu gelangen hätte, als Naturwein verkauft werden
dürfte. Damit wäre der Weinschmiererei wieder
Thür und Thor geöffnet.
7 Ddie in Paris ausgebrochene Typhusepi⸗
demie hat in 6 Wochen 11,060 Opfer gefordert.
4 Marseille, 9. Nov. Gestern circulirte
ein Lasttrain auf einer Zweigbahn der ost⸗alge⸗
rischen Bahn mit 50 Arbeitern, als derselbe auf
eine starke Eisenstange an einer Kreuzung der Bahn
tieß, entgleiste und über die Böschung stürzte. Die
Waggons sind nebst der Locomotive zertrümmert.
Elf Personen sind getödtet, 39 meist schwer ver⸗
wundet. (Fr. Zig.)
Marseille, 9. Norb. In Südspanien
st eine Hunger snoth ausgebrochen. In Xeres
vurden die Bäckerläden geplündert. Den Bäcker⸗
ungen wurden auf der Straße die Brodkoͤrbe von
er hungernden Menge weggerissen. In Rizarsona
vurden die Mehllager ausgeplündert, sowie die Eß⸗
vaaren auf dem Markte fortgenommen. Die Poli-⸗
‚ei mußie einschreiten. Infolge dieser Umstände
indet eine große Ausfuhr von Mehl aus Mar—-
seille nach Südspanien statt.
Sterbefälle.
Gestorben: in Kaiserslautern Frau Louise
Remig, geb. Schreiner, 65 J. a. ebendaselbst
Johanna, Il J. a., T. v. David Brodhag;
in Kirchheimbolanden Frz. Heinrich Compter.
72 J. a; in Grünstadt die Gattin von Moses
Isaac, Friederike geb. Maher, 59 J. a.; in
Zweibrücken Frau Lina Ott, geb. Schwoerer; in
dandau Posamentier Friedrich Rehn, 55 J. a.;
in Wollmesheim Frau Marie Katharina Wahl,
geb. Laque, 75 J. a. in Dürkheim J. Rhein⸗
derger, Buch- und Steindrudereibesitzer, Heraus⸗
geber des „Dürlheimer Anzeiger“, 59 J. a.
Fiür die Redaklion verantwortlich R. T. Dem⸗