Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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zuf den „St. Ingberter Anzeiger“ für die Monate 
Februar und März werden von den Trägern, 
er Expedition, den kgl. Postanstalten und Post⸗ 
hoten enigegen genommen. 
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Deutsches Reich. 
Munchen, 29. Jan. Se. Maj. der König 
hat durch Entschließung d. d. Hohenschwangau den 
1i6. Jan. 1882 genehmigt, daß der Bestimmung 
in 8 21 Ziffer 8 der Rekrutirungs-Ordnung für 
die Folge nachstehende Fassung gegeben werde: 
„Behufs Erlangung der Approbation als Arzt 
werden die Mediziner nach halbjähriger Dienstzeit 
mit der Waffe unter Vorbehalt (d. i. unter Vor⸗ 
behalt der Ableistung des Restes der activen Dienst⸗ 
pflicht) als Lazareth-⸗Gehilfen zur Reserve beurlaubt“ 
(68 16.* und 18,1). Hiernach erfahren auch die 
Bestimmungen in 8 16, Ziffer 5 der Rekrutirungs⸗ 
Ordnung, dann in 8 4 Ziffer 8 nebst Anmerkung 
und in Z 45 Ziffer 9 der „Dienstverhältnisse in 
der kgl. bayer. Armee — Sanitäts-Corps —“ sinn⸗ 
gemäße Aenderung. 
Die Reichstags⸗Session, welche gestern 
Montag) ihren Abschluß fand, hatte ein verhältniß⸗ 
mäßig turzes, ein bewegtes, aber an wirklichen 
Thaten nicht allzu reiches Leben. Die Vorlagen 
alle, um welche der Wahlkampf sich drehte, sind 
überhaupt nicht vor die Volksvertretung gelangt. 
Die Gespanntheit und die kritische Zugespitztheit 
unserer politischen Verhältnisse zeigte sich durch die 
janze Session hindurch, so oft nur Gelegenheit zu 
einem höheren Schwung der Gemüther oder zu leb⸗ 
jafterer Anfachung der Leidenschaften gegeben war. 
Gleichwohl geht die Session zu Ende, ohne daß 
auf positive Leistungen hinzuweisen ist. Der Reichs⸗ 
tag hat die laufenden Arbeiten ohne Stoͤrung er⸗ 
ledigt, den Reichshaushalt vereinbart, er hat die 
damburger Zollanschlußfrage zu Ende geführt und 
das Gesetz über die Berufsstatistik angenommen. 
Er hat ferner mit dem von liberaler Seite vorge⸗ 
ichlagenen Unfallversicherungsentwurf einen Anlauf 
u einer sozialpolitischen Reform genommen. Am 
neisten Staub aufgewirbelt hat der Antrag Windt⸗ 
jorst. Indessen steht die Entscheidung über die 
ernere Gestaltung der kirchenpolitischen Frage nicht 
ʒei dem Reichstag, sondern bei dem preußischen 
Abgeordnetenhause, und man wird daher die prak⸗ 
ische Tragweite jenes Reichstagsbeschlusses nicht 
äberschätzen dürfen. Die eigentlich kritischen Zeit⸗ 
ragen sind in dieser Session nicht auf die Tages⸗ 
xxdnung gekommen, sondern für die nächstfolgende 
urückgeschoben worden. 
Berlin, 30. Jan. Echluß des Reichstags.) 
Vor fast leeren Bänken theilt der Präsident die 
Uebersicht über die Thätigkeit des Reichstags in 
dieser Session mit. Es sei ungewöhnlich gründlich 
unter den Arbeiten aufgeräumt worden. Der 
Reichsstag war 75 Tage versammelt; er hielt 38 
Plenar⸗, 75 Abtheilungs- und 92 Commissions⸗ 
Sitzungen. Die Vorlagen der Regierung wurden 
ämmtlich erledigt; von 441 Petionen gleichfalls der 
zrößte Theil. Moltke als Alterspräsident spricht 
dem Präsidenten v. Letzekow und dem Bureau den 
dank des Hauses für die umsichtige Geschäftsleitung 
rus. Der Präsident dankt, indem er der wohl⸗ 
vollenden Unterstützung gedenkt, die ihm von allen 
Zeiten zu Theil wurde. 
Der Staatssecretär v. Böftticher kheilt mit. 
Dienstag, 31. Januar 18832. 17. Jahrg. 
daß der Bundesrath dem Etat, wie der Reichstag 
ihn festgestellt, seine Zustimmung ertheilt habe. 
Dabei spreche er indessen die Erwartung aus, daß 
die in letzter Stunde beschlossene Einstellung von 
10,558,350 Mark Ueberschuß aus 1881/82 in 
den Einnahmeetat von 188283 nicht für künftige 
Fälle als Maßstab gelten solle. Die verbündeten 
Regierungen ersähen hierin eine nicht gerechtfertigte 
Abweichung von der früheren bewährten Finanz⸗ 
zolitik und dem bisherigen Gang der Berathung. 
Der Bundesrath würde sich auch durch die 
Rücksicht auf das, wenn auch noch so wünschens- 
verihe Zustandekommen des Etat⸗-Gesetzes von der 
geltendmachung dieser Anschauungen nicht immer 
bhalten lafsen. Darnach verliest der Staatssecretär 
zie kaiserliche Botschaft vom 23. Januar, welche 
den Schluß vom Reichstag verkündet. Der Präsident 
chließßzt mit einem dreifachen Hoch auf den Kaiser. 
Berlin, 80. Jan. Der Kaiser hat die Ur—⸗ 
unde, welche die Ernennung Falk's zum Ober⸗ 
andesgerichts⸗Präsidenten in Ham m enthält, unter⸗ 
eichnet. Falk begt in Folge davon seine Mandate 
um Reichstag und Landtag nieder. 
Berlin, 29. Jan. TFiner hiesigen Börsen⸗ 
eitung zufolge soll dem Fürsten Bismarck als 
esondere Auszeichnung für seine Rede über den 
xFrlaß vom 4. Januar im Reichstage die Ernennung 
um „General⸗Oberst der Cavallerie“ zugedacht sein, 
ine Charge, welche für die Landwehr noch nicht 
ristirt. Die Verantwortung für diese angekündigte 
nilitärische Beförderung auf Grund parlamentar⸗ 
scher Leistungen müssen wir der angegebenen Quelle 
iberlassen. 
In politischen Kreisen sind Gerüchte im Um⸗ 
auf, welche auf eine Erkältung in den Beziehungen 
wischen dem preußischen Ministerpräsidenten 
ind dem Justizminister Dr. Friedberg hinweisen. 
Man will behaupten, daß eine keineswegs ganz 
inmögliche Eventualität gegolten habe. Schließlich 
ei es aber der vermittelnden Einwirkung einer 
ehr hochgestellten Persönlichkeit gelungen, diese 
‚drohenden Wolken“ — allerdings nicht ganz 
mühelos — zu zerstreuen. 
Ausland 
diste mit. Die Zusammensetzung des Kabinets 
st wie vorstehend gemeldet wurde. Morgen wird die Lifte 
m „Journal offiziell“ veröffentlicht. Die Unter⸗ 
taatssekretäre sind noch nicht ernannt. 
Paris, 80. Jan. Das „Journ. des Deb.“ 
Hestäfngt, daß das von Freycinet, Leon Say und 
Ferry angenommene Finanzprogramm dahin geht, 
veder eine Rentenemission, noch eine Convertirung, 
noch Ankauf zu Eisenbahnen vorzunehmen. 
Gambetta wird, wie er in Paris auf's 
Neue ankündigen läßt. unmittelbar nach dem Zu—⸗ 
tandekommen des neuen Kabinets die unter seinem 
Oinisterium ausgearbeiteten Gesetzentwürfe einbrin⸗ 
zen und zwar diejenigen, deren Verfasser dem Senat 
— 
nente sitzen, wie der General Campenon, für eigene 
Rechnung, während die anderen neben der Unter⸗ 
chrift des Herrn Gambetta die des Abgeordneten 
ragen werden, welcher sie als Minister unter⸗ 
zeichnet hat. 
London, 30. Jan. Die Hinrichtung 
Guiteau's wird am 30. Juni stattfirden. 
Petersburg. (Kabanoff und Igna— 
tieff.) Aus Gatschina, 25. Januar, erhält die 
„Trib.“ folgende Mittheilung über die Stellung 
des künftigen Kanzlers und das panslavistische 
Programm: Von jeher hat es bei uns unendliche 
Mühe und einen Riesenaufwand von Apparaten 
jekostet, wenn überhaupt etwas beschlossen werden 
oslte, obgleich nur sehr selten der Vorsatz zur Aus⸗ 
ührung kam. Eine so schwere Geburt wie die des 
ünftigen Staatskanzlers Labanoff,- ist aber auch 
hier selten. Das kam und ging und schwirtte von 
Nachrichten, von Briefen und Depeschen zwischen 
den hier und im Auslande lebenden hohen Herren, 
uind bei alledem kam doch die Sache so urplötzlich 
in Fluß, daß ein ganz besonderer Grund vorliegen 
mußte, um sie in die Hand zu nehmen, zu berathen, 
zu verwerfen und wieder zu dergen Man wird 
in den nächsten Tagen wohl wieder von heftigen 
Barteikämpfen hören, die im Stillen ausgefochten 
ein sollten; das ist aber wirklich wenig der Fall 
jewesen, vielmehr kaun als bedeutungsvollstes Re⸗ 
ultat gelten, daß, mag man nun Labanoff so oder 
o, als Freund oder Gegner Deutschlands ansehen, 
die politische Thätigkeit Ignatieff's nicht im Min⸗ 
)esten eine Einschränkung erleiden wird, vielmehr 
vird Labanoff sich mit dem Minister des Innern 
ehr wohl vertragen, und das ist bei dem nun fest⸗ 
ehenden Programm der Panslavisten gar kein 
kunststück. Man denkt ja vorläufig nicht an einen 
zirekten Angriff auf die habsburgische Monarchie; 
nan behält denselben nur in petto und bereitet 
»arauf vor; einstweilen ist die Furcht vor dem 
eutschen Reich und die wirklich ehrliche Abschätzung 
der eigenen Krüfte der wesentlichsie Mitfaktor; auf 
Frankteich kann Niemand zählen, denn man kennt 
zessen Zukunft nicht; so handelt es sich also um die 
ndirekte Entzündung der Orientfrage durch Agenten, 
hne daß sich Rußland offiziell kompromittirt. 
Der Gesundheitszustand Kaiser Alexanders III. 
oll einige ärztliche Fürsorge nöthig machen. So 
vird dem „Deutschen Mont.“Bl.“ aus' russischen 
dofkreisen geschrieben, der Kaiser hacke in Gatschina 
etzt täglich in einem besonders für ihn eingerichte- 
en Holzhofe täglich 1 bis 1/3 Stunden Holz. 
xr erscheine dazu, Egleitet von dem kleinen Thron⸗ 
olger, in russischem Nationalkostüm, rothem Hemde, 
veiten Hosen in hohen Stiefeln, Halbpelz und das 
zetreffende Handbeil (wie es der russische Arbeiter 
rägt) unmittelbar über den Hüften in den Gurt 
resteckt, der den Halbvelz zusammenbält. Gleich 
Die Dinge im Süden der österreichischen 
Mon archie nehmen ein immer ernsteres Aus⸗ 
ehen an, fast jeder Tag bringt ein neues Gefecht 
ind der Aufstand scheint sich über die ganze 
derzegowina, ja selbst über einen Theil von Bos⸗ 
nien verbreiten zu wollen. Was die Sache noch 
efährlicher macht, ist die offenkundige Unterstützung 
ie die Insurgenten seitens der Montenegriner er⸗ 
salten. Während der Fürst und seine Regierung 
ich gegenüber Oesterreich: Ungarn in Betheuerungen 
—V0 
Unterthanen in hellen Haufen über die Grenze, um 
zie Reihen der Aufständischen zu verstärken, mon⸗ 
enegrinische Wojwoden übernehmen die Organisa⸗ 
ion und Führung, und die Lieferung von Waffen, 
Munition und Vroviant nimmt ungehindert ihren 
Fortgang. 
Paris, 30. Jan. Das neue Kabinet 
st also, wenn nicht unvorhergesehene Aenderungen 
intreten, zusammengesetzt aus: Freicinet, Conseil⸗ 
Bräsident und Auswaͤrtiges; Say, Finanzen; Ferry, 
Anterricht; Goblet, Inneres; Humbert, Justiz; 
Bgillot, Krieg; Jaureguiberry, Marine; Varroy, 
yffentliche Arbeiten; Tirard, Landwirthschaft und 
CFochery, Posten. 
Paris, 30. Jan Frehcinet theilte heute 
Morgen dem Präsidenten Grevy die Minister—⸗