Full text: St. Ingberter Anzeiger

ðxX. Junbherter Aizeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
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er ‚St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich funfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
Aatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt tostet vierteljährlich 14 40 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 15 60 S, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 13 , bei Reclamen 30 . Bei 4maliger Einruchung wird nur dreimalige berechnet. 
M 230. 
Dienstaa, 21. November 1882. 
17. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Fgypten zu senden. Naqh allen bisherigen 
xrfahrungen wird es aber wohl bei dem Protest 
er Pforte sein Bewenden haben. England kann 
ich nicht einmal dazu verstehen, Frankreich mit 
vesentlichen Concessionen in Egypten entgegenzu⸗ 
ommen; der Pforte gegenüber wird es sich noch 
ziel weniger geniren. 
Konstautinopel, 19. Nov. Der Herzog 
Johann Albrecht von Mecklenburg, der seit gestern 
Fdier eingetroffen ist, wird morgen einer Einladung 
es Sultans zum Diner folgen. Der Sultan hat 
inen seiner Adjutanten zum Ehrendienst bei dem 
herzog kommandirt und dem Herzog Wagen und 
Schiffe zur Verfügung gestellt. 
Einer „Havas“⸗Meldung zufolge wird der Pro⸗ 
eß Arabi suspendirt, bis die ägyptische Regier. 
ang über die Absichten Englands unterrichtet ist. 
dieselbe würde vorziehen, auf die Fortführung des 
Brocesses zu verzichten, falls der Urtheilsspruch 
ingefochten werden sollte. Gerüchtweise verlautet, 
aß die ägyptischen Truppen in Suez, welche nach 
Zuͤakim abgehen sollten, gemeutert hätten und sich 
veigerten, sich einzuschiffen. 
— Ein katholischer Geistlicher der Pfalz hat 
dieser Tage für 1000 Mark Kaiserslauterer 
Kirchenloose gekauft unter gleichzeitigem Verzicht 
auf eventuell darauf entfallende Gewinne. 
Landau, 18. Novd. Unser bis jetzt 
wenig gepriesener neuer Wein findet plötzlich un⸗ 
rwartele Beachtung; seit einigen Tagen bereist ein 
französ. Händler unsere Gegend und kauft 1882er; 
er soll bereits 200 bis 8300 Fuder in Göcklingen 
und benachbarten Gemeinden aufgekauft haben 
und für große Quantitäten Liebhaber sein. 
(C. Tgbl.) 
— Landau, 20. Nov. Das hiesige Gremi⸗— 
— Landrath 
der Pfalz eine Denkschrift eingereicht, mit folgen⸗ 
»em Petitum: „Hoher Landrath möge bei kgl. 
Staatsregierunug die Prüfung und Wurdigung 
der durch das unterfertigte Gremium angeregten 
Frage der Kanalisation der Queich vom Haupt⸗ 
bahnhof Landau bis zur Einmündung in den 
projektirten Straßburg-Ludwigshafener Kanal in 
der Weise, daß die den letzteren befahrenden Fahr⸗ 
zeuge bis Kandel geführt werden können, geneigtest 
ʒefürworten.“ Der Landrath hat in seiner Sams⸗ 
ag⸗Sitzung die Eingabe der Regierung zur Prüf⸗ 
ung und Würdigung empfohlen. 
—In Heiligenssein starb vor einigen 
Tagen der kinderlose Lorenz Lehr, welcher, nach⸗ 
dem er in ausreichender Weise für seine hinterlassene 
Wittwe gesorgt, dem Papste 1000 M. und der 
Armenkasse zu Heiligenstein 1000 M. vermachte, 
ind schließlich den Rest seiner Hinterlassenschaft mit 
id ooo M. zur Erbauung einer katholischen Kirche 
in Mechtersheim bestimmte. 
— In der Gemeinde Wal d se e wurden die⸗ 
es Jahr etwa 3400 Centner Tabak abgehängt. 
Derselbe wurde sämmtlich zu dem Preise von 20 
bis 28 Mt. verkauft. Die Waare war recht gut 
rippenreif und meistens sehr trocken abgehängt, 
weshalb auch die Kauflust groß und das bedeu⸗ 
ende Quantum zu den freilich etwas niedrigen 
Preisen so rasch abgesetzt war. 
Eisenberg, 18. Nop. Trotz allge- 
meinen Klagen über schlechte Zeiten und schlechten 
Beschäftsgang scheint sich die industrielle Thaͤtigkeit 
in hiesiger Gemeinde fortwährend zu heben. Wie 
die Pf. Vz. hört, soll hier eine weitere Ziegelei 
und Tonwaarenfabrik von einem Konsortium auf 
Aktien gebildet werden. 
— Frankenthal, 19. Nov. Gestern 
wurde am hiesigen Eisenbahnschalter versucht, ein 
falsches Funfzigpfennigstück anzubringen, dieser Ver⸗ 
such wurde jedoch durch den Herrn Bahnbeamten 
sofort entdeckt, die betr. Persönlichkeit sicher gestellt 
und Protokoll darüber aufgenommen. 
(Frkih. Tgbl.) 
— Der „Frktih. Zig.“ wird aus Grünstadt 
geschrieben: In welcher Weise in hiefiger Gegend 
zer Zuckerrübenbau betrieben wird, beweisen die 
Aushezahlungen von 50,000 M., die am Sonntag, 
Montag und Dienstag vor. Woche in den Ge⸗ 
meinden Heidesheim, Obersülzen und Grünstadt an 
die dortigen Lieferanten erfolgte, was für unsere 
Ackerbau treibende Landbevölkerung, insbesondere, 
da in diesem Jahr das Getreide schlecht gerathen 
ind wenig Abnehmer sich finden, von nicht zu 
unterschätzendem Vortheil sein dürfte. 
— Die pfalzischen Bahnen vereinnahm 
ten in den verflossenen 10 Monaten von 1882 
(Januar⸗Oklober) um 503,882 M. 81 pf. mehr, 
als in dem gleichen Zeitraum des Vorijahrs. 
Deutsches Reich. 
Der deutsche Kaiser ist am Freitag mit dem 
zoönig von Sachsen, den er im Schlosse abholte, 
wie mit dem Kronprinzen, den Prinzen Wilhelm 
ind Friedrich Karl sowie dem Großfürsten Wladi⸗ 
ir von Berlin aus nach Hubertusstock (zur Jagd) 
bgereist. 
Die Meldung, daß der rufsische Minister 
s Auswärtigen, Herr v. Giers, einen Abstecher 
on Danzig nach Varzin macht, wird vielfach 
ꝛesprochen. Russen, die sich in Berlin aufhalten, 
einen, daß Herr v. Giers durch diesen Besuch 
eine Stellung in Rußland nicht verbessere. Man 
üsse also annehmen, daß er wichtige und bestimmte 
zruünde zu diesem Besuche habe. Indessen steht 
er russische Minister auf einem so guten Fuße mit 
inserm Reichskanzler, daß ein Höflichkeitsbesuch 
ichts Auffallendes haben kann. In jedem Falle 
eutet es auf eine friedliche Lage, daß Herr 
Giers sich auf mehrere Monate beurlauben lassen 
onnte. Eine Berliner Korrespondenz der „Köln. 
ztg.“ meint über den vorstehend erwähnten Besuch: 
Man wird darin wohl jedenfalls ein Zeichen er⸗ 
lcken dürfen, daß Rußland sich Deutschland noch 
nehr zu nähern und die bestehenden guten Be⸗ 
jehungen zu befestigen wünscht. Hoffentlich wird 
dies auch zu der Verbesserung der Lage der 
deutschen in den russischen Ostseeprobinzen beitragen.“ 
Aus der Rede, mit welcher der preußische 
Finanzminister Scholz am Freitag im Abgeordne⸗ 
enhaus die Einbringung des Budgets begleitete, 
var der frappanteste Satz der, daß die Regierung 
amit umgeht, dem Reichstage eine Erhöhung des 
„olzzolls vorzuschlagen. Der Gesetzentwurf über 
ie Klassensteuer ist zur Vorlage noch nicht reif; 
er Minister bestätigt, daß der Ausfall durch eine 
Sleuer auf den Vertrieb der geistigen Gelränke 
ind des Tabaks gedeckt werden soll. Das veran⸗ 
chlagte Defizit fuͤr das nächste Jahr beträgt 31 
Milsl. Mark. 
A⸗ 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 21. Nov. Ende voriger 
Woche ging durch eine Reihe auswärtiger Blätter 
ie Notiz, daß Herr Gensdarmerie -Sergeant Henn 
zon hier auf dem Bahnhofe Zweibrücken, waͤhrend 
x vom Zuge zurück über das Geleise schritt, von 
inem andern, gerade einfahrenden Zuge beinahe 
rfaßt worden sei und sich nur mit knapper Noth 
zurch einen raschen Sprung aus der Gefahr, über— 
ahren zu werden, retten konnte. Wie wir nun 
jören, istan der Sache kein wahres Wort 
ind war Herr Henn an dem betreffenden Tage 
iberhaupt nicht in Zweibrücken. Der ganze Vor⸗ 
jang scheint also nur in der etwas lebhaften Phan⸗ 
asie irgend eines schreibseligen Correspondenten ge— 
puckt zu haben. 
Aus dem Westrich. EKin originelles 
deumundszeugniß über einen Schulverweser stellte 
vor einiger Zeit ein Westricher Bürgermeister aus. 
Es lautet ungefähr also: „Dieser N. ist weder für 
die Schule geboren noch gezogen und es wundert 
alle Leute hier, wie er Schullehrer geworden ist. 
xFs wunderi mich, daß ihn die Gemeinde Nso lange 
Fehalten hat. Die Geineinde N. kann „Großer 
Hhoͤt wir loben Dich“ singen, wenn er von dort 
jort ist.“ N., Datum X. Bürgermeister. (Pf. Ztg.) 
Bei der Ende voriger Woche stattgehabten 
Zuirnbacher Pferdeverloosung gewannen fol- 
jende Nummern Pferde oder Fohlen 5273, 8111 
050, 8921, 3904, 73867, 8964, 2298. 1586. 4483 
064, 2731, 1570. 
— Aus Kaiserslautern wird dem „Pf. 
Journ.“ berichtet, daß daselbst vor einigen Tagen 
ine Anzahl früheret Schüler der Real⸗, früher 
hewerbschule eine Besprechung hatten über 
ine im nächsten Jahre abzuhaltende 50jährige 
Jubilaumsöfeier der Anstalt. Da die Anstalt 
sets sehr stark frequentirt war, so ist zu erwarten, 
zaß der Gedanke von Vielen freudig aufgenommen 
werden duͤrfte und daß auch eine starke Betheiligung 
in der seinerzeitigen Feier von außen in Aussicht 
u nehmen ist. Noch entgegenkommender wird man 
ich in den bürgerlichen Kreisen Kaiserslauterns zeigen, 
vo die mannlichen Mitglieder gar mancher Familie 
chon im dritten Gliede ihre theoretische Ausbildung 
r Gewerbschule zu verdanken haben. 
Ausland. 
In Lemberg Galizien) verhaftete die Poli⸗ 
ei sechs Handwerksgehilfen nach vorheriger Haus-⸗ 
uchung, bei welcher ein bedeutender Vorrath ver⸗ 
„otener socialistischer Brochuren und mehrere, mit 
och zu prüfendem Stoffe gefüllte Kugeln saisirt 
ourden. 
LZLondon, 18. Nov. Die Königin nahm 
eute auf dem Platze vor dem Gebäude der Horse 
Hhuards die Parade über die aus Egypten zurück- 
ekehrten Truppen ab. Die Zahl der dor der 
cönigin vorüberdefilirenden Truppen, einschließlich 
er Marinebrigade und der von dem indischen 
cruppenkontingent hierher kommandirten Abordnung, 
etrug gegen 8000 Mann. An der Spitze der 
Truppen befand sich General Wolseley. Sowohl 
uuf dem Paradeplatze wie in den zu demselben 
ührenden Straßen wurden die Truppen von den 
dopf an Kopf gedrängten Volksmassen mit be— 
eisterten Zurufen begrüßt. 
Im englischen Kriegsamt wird die Even⸗ 
ualuat einer Vermehrung der egyptischen Garnisonen 
ernstlich erwogen. Im Marinearsenal herrscht eine 
erhöhte Thätigkeit. 
Die Differenz, die sich zwischen England 
ind der Pforte infolge der Mission des Lord 
dufferin erhoben hat, dauert scheinbar noch fort. 
trotz des Einspruchs Englands besteht die Pforte 
och immer darauf, einen türkischen Commissar nach