Full text: St. Ingberter Anzeiger

antit eine Produktion, wie sie kein anderes 
zufzuweisen vermag. Es sind 185 Schöpf⸗ 
u, 785 Papiermaschinen nebst den Vorberei— 
maschinen und 80,000 Arbeiter beschäftigt. 
dem erfordern die 260 Holzschleifereien mit 
Us 600 Apparaten, die 45 Strohstofffabriten 
»5 und 20 Cellulosefabriken mit 28 Kesseln 
/300 Arbeiter. Rechnet man noch hinzu die 
) Lumpensammler und Nebenarbeiter, so 
ie Papierfabrikation eine Industrie dar, die, 
sJen von den Papierhändlern und den mit 
noen eug verbundenen Fabriken, wie Bunt-⸗ 
. Pergamentpapier-, Briefumschlags, Papier⸗ 
ee und Tapetenfabriken, etwa 128,000 Men— 
direct den Lebensunterhalt gewährt. 
In diesen Tagen ist die Exfindung der 
chifffahrte in der Lage, ihre Sä— 
rfeier zu begehen. Im November 1782 
es, daß die Gebrüder Joseph und Etienne 
golfier zu Annonay, ihrem Wohnort, im De⸗ 
enent Ardéche, den ersten bekannten Versuch 
dem Sieigen eines Luftbalslons in's Werk setz⸗ 
An 21. November 1783 erfolgte dann die 
Luftfahrt mit dem von diesen Erfindern con— 
cten und nach ihnen benannten Ballon durch 
are de Bozier, welcher sich am 1. Dezember 
iden Jahres ein zweiter Versuch des Professor 
rles mit dem von diesem erfundenen Concur— 
Ballon anschloß. Die erste Kriegsverwendung 
eneuen Erfindung erfolgte bei der Belagerung 
Condé im März 1783, doch mit so ungünst⸗ 
n Erfolge, daß der aus der belagerten Festung 
estiegene Ballon im Lager der österreichischen 
agerungsarmee niederfiel. Spätere Versuche einer 
»uten Kriegsberwendung vor Maubeuge, vor 
mleroi und namentlich in der Schlacht bei Fleu⸗ 
3, deren Gewinn französischerseits vorzugsweise 
genauen Recognoscirung der feindlichen Stell⸗ 
'und dem Verfolg jeder feindlichen Bewegung 
hrend dieser Schlacht durch den Luftballon zuge— 
nieben wurde, verliehen der Luftschifffahrt jedoch 
e so hohe militärische Bedeutung, daß ein in 
r Schlacht Gemappe österreichischerseits erbeuteter 
jtballon noch heüte als werthbolle Trophäe im 
csenal zu Wien aufbewahrt wird. Wiederholte 
nälle und die Schwierigkeit der Ausnutzung ließen 
m hier ab die Kriegsverwendung des Luftballons 
mählich wieder zurücktreten und von 1804 ab 
t derselbe auch fränzösischerseits wieder außer 
vwendung. Die neuere Benutzung desselben bei 
r Belagerung von Paris ist bekannt, fünf von 
en während derselben aufgestiegenen 65 Ballons 
nurden deutscherseits erbeutet. Zur Zeit sind der 
inzösischen und englischen Armee besondere aëro— 
uutijche Abtheilungen resp. Anstalten und Schulen 
igegeben, das Problem der Lenkbarkeit der Luft⸗ 
allons hat jedoch noch nicht gelöst werden können, 
nd die militärische Bedeutung desselben muß dem— 
ach auch gegenwärtig uoch in der Hauptsache auf Re— 
oscirungszwecke oder auf eine Verwendung wie 
Paris beschränkt angesehen werden, wobei für 
en ersten Zweck die Schwierigkeit die Ausnutzung 
ich heute noch genau ebenso wie während der 
anzösischen Revolutionsfeldzüge obwaltet. 
Gas schlafende Mädchen.) Aus 
denbrück wird geschrieben, daß das Mädchen aus 
t Vith, welches vor 2 Jahren von Schlaf- und 
tarrsucht befallen wurde, jetzt wieder von dem—⸗ 
den Leiden ergriffen worden ist. Nachdem das⸗ 
ibe über ein Jahr völlig gesund und arbeitsfähig 
wesen, und dem Vernehmen nach im Begriff stand, 
d zu verheirathen, ist es am 1. November plötzlich 
n seinem alten Leiden wieder befallen und dem 
rzt des St. Vincenz⸗ Hospitals, Herrn Dr. Sahlmen 
ttselbst, in Behandlung übergeben worden. Die 
ranke schläft seitdem ununterbrochen und kann nur 
ittelst sehr starker elektrischer Ströme auf ganz 
rreZeit erweckt werden. 
„Marseille, 17. Nov. Wie Brugiere, 
Astronom der hiesigen Sternwarte, mittheilt, 
dermalen ein vierfacher Fleck selbst mit bloßem 
ge an der Sonne erkennbar, der größer ist, als 
e Erde. Zugleich werden prachtvolle Nordlichter 
Norwegen gemeldet. Es ist dies außerordent— 
qh auffallend, weil dies bereits zum 7. Male in 
jeiem Jahre vorkommt und zwar zur selben Zeit 
norme Flecken an der Sonnenfläche beobachtet 
vurden. 
Ein höchst bedauerliches Ereigniß hat zwei 
arnehme Häuser Athens mit Schmerz und 
rauer erfüllt. Graf Kalinski, der am Hofe des 
dönigs Georg eine bevorzugte Vertrauensstellung 
innummt, destyt eine Aohter, vit idegen iert 
zlänzenden Schönheit vielgefeierte Gräfin Roidi, 
velche Mutter zweier Kinder ist. Es sind dies ein 
wölfjühriger Knabe namens Andreas und ein zehn⸗ 
ähriges Mädchen Argentine. Vor einigen Tagen 
ergnügten sich die Kinder in dem hinter dem 
lterlichen Hotel belegenen Garten mit Spielen. 
Dder Knabe, der mit einer Floberpistole versehen 
var, belustigte sich damit, auf seine Schwester zu 
ielen. Plößlich ging die scharf geladene Waffe 
os und Argentine wurde von einer Kugel in den 
Zals getroffen. Sie siel sofort, von Blut über— 
lröomt' zu Boden, suchte aber den entsetzt hinzu— 
pringenden Knaben zu beruhigen. „Fürchte nichts,“ 
agte sie mit matter Stimme, „ich werde zwar 
terben, aber vicht sagen, daß du mich getödtet hast, 
amit man dir nicht zürne.“ Gleichwohl blieb die 
Arsache der Verwundung, die sich leider als eine 
ödtliche herausstellte, nicht verborgen. Das arm 
leine Opfer des Leichtsinnes seines Bruders und 
vie nicht verschwiegen werden darf, auchder Eltern, die 
em Knaben niemals die Waffe hätten überlassen 
ollen, starb nicht sofort, seine Agonie, dauerte viel— 
nehr sechs Tage. Der jugendliche Mörder wider 
Willen, wie die Eltern, sind ein Raub der größten 
Zerzweiflung. Die Mutter ist dem Wahnsinn nahe 
ind ruft eiümal über das andere: „Ich habe keine 
dinder mehr, meine beiden Kinder sind gestorben.“ 
—Oie blutigsten Schlachten der Neuzeit.) Es 
vird immer behauptet, daß die Kriege der Neuzeit 
ange nicht mehr so blutig seien, wie diejenigen 
»er früheren Jahrhunderte, da infolge der moder— 
jen Waffen, der veränderten Taktik u. s. w. die 
etzigen Kriege viel kürzer seien und deshalb we⸗ 
iger Menschenopfer kosteten, als z. B. der sieben⸗ 
ährige oder der dreißigjährige Krieg. Es ist dies 
m AÄllgemeinen richtig, obwohl es auch in der 
aeueren Kriegsgeschichte ebenfalls mehrjährige Kriege 
zibt, wie z. B. den 4jährigen amerikanischen Bür— 
Jerkrieg, welcher über 500,000 Menschenopfer 
ostete; was dagegen die modernen Schlachten an—⸗ 
delangt, so sind dieselben weit blutiger als diejenigen 
der früheren Kriege. — Die bis jetzt blutigste 
—Schlacht des 19. Jahrhunderts war die Volker⸗ 
chlacht bei Leipzig (16. bis 18. Oktober 1813), 
pelche an Todten und Verwundeten den Alliirten 
51,000 Mann, den Franzosen 31,000 Mann 
osiete. In der siebentägigen Schlacht bei Richmond 
26. Juni bis 2. Juli 1862) büßten die Unionisten 
ind die Südstaatlichen zusammen gegen 60,000 
Manen Todte und Verwundete ein. Die verlust⸗ 
reichste Schlacht des italienischen Feldzugs von 
339 war die von Solferino (24. Junh), in der 
zie Verluste beider Parteien zusammen sich auf 
37,000 Todte und Verwundete bezifferten. Die 
Schlacht von Königgrätz (3. Juli 1866) kostete 
eiden Heeren zusammen 35,000 Mann an Todten 
ind Verwundelen, Die Schlachten um Mezz (14. 
»is 18. August) herum endlich ergaben für die 
Deutschen ca. 839,000 Mann an Todten und Ver⸗ 
dundeien. Welch eine beredte Sprache reden diese 
einfachen Zahlen! 
ꝓ Eine große und deutschen Forschergeist und 
MNuth hoch ehrende Kunde kommt aus Afrika. 
Finein Landsmann von uns ist das gewaltige, bis⸗ 
jer für undurchführbar gehaltene Wagstück gelungen, 
‚on Loanda an der Mündung des Kongoflusses 
Westküste) quer durch Südafrika nuch Zanzibar 
Ostküste) zu gelangen. Von dem Vorstand der 
geiliner Afrikanischen Gesellschaft erhält das „B— 
T.“darüber folgende Mittheilung: Einem Tele— 
zramm zufolge, welches soeben der Afrikanischen 
hesellschaft in Deutschland zugeht, ist Lieutenunt 
Vißmann, welcher im April v. J. zusammen mit 
dr. Pogge von Loanda aufbrach, gestern glücklich 
n Zanzibar angekommen. Die Aufgabe der Rei⸗ 
enden war, die Erforschung des mittleren Congo— 
jebietes. Sie wandten sich am Tschipka nordwärts 
ind erreichten im Frühjahr den Lualaba (ovberen 
TFongo). Von hier kehrte Dr. Pogge zurück, um 
'n Mutkenge eine Station zu begründen, während 
Wißmann nach Osten weiter vordrang.“ 
(GEine Eidesleistung per Tele— 
phon.) Eine amerikanische Zeitung, die „Chitago 
News“ erzählt folgendes hübsche Geschichtchen von 
iner neuartigen Hilfsleistung des Fernsprechers: 
derr John Freemann, Hilfsbuchhalter bei der 
Stadtbauverwaltung in Chigago und öffentlicher 
Rotar, vor welchem die verschiedeuen Werkmeister 
die Richtigkeit der von ihnen aufgestellten Lohn⸗ 
listen zu beschwören haben, bedarf eines Tages 
ruch einer derartigen eidlichen Versicherung von 
En V 
er etwas eutfernt liegenden Reparaturwerkstatt be— 
chäftigt und daher nicht ohne Weiteres herbeizu⸗ 
chaffen ist. Herr Freemann weiß sich indeß zu 
Jelfen. Er verbindet den Fernsprechapparat seines 
Jüreaus mit der Leitung nach dem Reparatiur— 
schuppen und ruft den Gesuchten. Hierauf ent—- 
pinnt sich folgende Unterhaltung: „Ist William 
Inneß dort?“ — „Ja!“ — „Ich habe in meiner 
dand die von Ihnen aufgestellte Lohnliste für den 
Hdonat August. Sind Sie bereit, die Richtigkeit 
dieser Liste zu beschwören?“ — „Ich bin bereit!“ 
— „So nehmen Sie Ihren Hut ab und erheben 
Zie die rechte Hand zur Eidesleistung.“ — „Ist 
jeschehen!“ — ,„Sie schwören feierlich, daß die 
Auͤgust⸗Lohnliste der Reparaturwerlstatt richtig ist.“ 
„Ich beschwöre es!“ — Herr Freemann er— 
dennt genau die Stimme des William Inneß und 
agt beruhigt: „So, das wäre in Ordnung, ein 
»er Telephon geschworner Eid ist gesetzlich bindend.“ 
(Beim Rigorosum.) Examinator: Herr 
Kandidat können Sie mir die Definition des Be— 
ruges geben? .... Sie scheinen sie nicht zu 
kennen; die Unwissenheit eines anderen benützen. 
um ihm zu schaden, ist Betrug. 
Kandidat: Sie wissen also, welchen Verbrechens 
Sie sich schuldig machen, wenn Sie mich durch— 
fallen lassen! 
(Auch ein Jubiläum.) Lieutenant von 
Schnipel: Ei, ei, Herr von Zweckenheim, Sie sind 
ja heuie recht aufjeraumt, trinken sojar Sekt. Lieu⸗ 
jenant von Zweckenheim: Feire heut ein seltnes 
Jubiläum, habe jestern meine zehntausenste Fenster— 
promenade beendei. Lieutenant von Schnipel: Emi— 
nente Leistung! (Schalk.) 
—— 
Sterbefälle. 
Gestorben: in Pirmasens Ludwig Bühler, 
61 J. a.; in Haßloch Philipp Heinrich Heene, 
49 J. a.; in Erfenbach PhilippWeismann; 
in Kaiserslautern Heinrich Liebrich, 42 J. a.; 
in Frankenthal Frl. Clara Coerper, 47 J. a. 
n Zweibrücken Dr. Christian Hoerner, kgl. 
Studienlehrer, 36 J. a.; in Friedelsheim Frl. 
datharina Messing, 24 J. a.; in Mörsfeld 
Zhilipp Lawall, 85 J. a. in Oberhofen Friedr. 
dakob Silbernagel, 54 J. a., in Albers— 
weiler Frau Katharina Maier, geb. Ginand, 
76 J. alt. 
Neueste Nachrichten. 
Berlin, 20. Nov. Der russische Minister 
des Aeußern, v. Giers, ist von Varzin hier einge— 
troffen, derselhe bleibt heute und morgen hier. Ihm 
zu Ehten wird morgen ein kleines Diner beim 
russischen Botschafter Saburoff, stattfinden. 
Berlin, 20. Nov. Der Kaiser ertheilte heute 
Mittag dem nach Petersburg zurückkehrenden Bot— 
chafter von Schleinitz und hierauf dem russischen 
Minister des Aeußern, von Giers, Audienzen. Zu 
dem Nachmittags beim Kaiser stattfindenden größ⸗ 
eren Diner sind beide mit Einladungen beehrt 
worden. 
Berlin, 20. Nov. Die Nordd. Allg. Ztg. 
erklärt die Blättermeldung, der Finanzminister habe 
einerseits zwar auf eine Erhöhung der Lotterie⸗ 
'oose von 90,000 auf 150, 000 verzichtet, sei aber 
einer entsprechenden Anregung des Abgeordneten⸗ 
hauses gerne zu folgen geneigt, als jedes thätsäch- 
üchen Anhalts entbehrend. 
Paris, 20. Nov. Der Voltaire bringt heute 
»einen Leitartikel, Le „complot royalisto“ über- 
chrieben, in welchem er die Actionsmittel der Le⸗ 
zitimisten zum Sturz der Republik enthüllt. Bei 
der prononcirten Stellung Volltaires zu Gambetta 
nögen folgende Angaben wichtig erscheinen: Das 
Schicksal des Grafen Chambord beschäftige augen— 
zlicklich das monarchische Europa. Deutschland sei 
einer Restauration nicht mehr so feindlich gesinnt 
Us zu Arnim's Zeit. Oesterreich gehe mit Deutsch⸗ 
and, vielleicht auch Italien, wo Nigra von Ein— 
Juß sei. Eine Manifestation Chambord's sei zu 
erwarten, durch welche er die Tricolore versprechen 
werde. In Paris seien zwanzig royalistische Co— 
mitès constituirt und 300 Preßorgane sind zu seinen 
Bunsten thätig. Besondecs große Hoffnungen setzt 
Graf Chambord auf die Armee, und vielleicht mit 
Recht denn alle Anzeichen deuten auf eine baldige 
Action der Legitimisten hin. 
Für die Redaktion verantwortlich F. X. Deme ß.