Full text: St. Ingberter Anzeiger

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St. Jugherter Amzeiger 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
Der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗ 
Blatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 14 40 4 einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1 60 H, einschließlich 
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auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 135 , bei Reclamen 80 . Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
M 234. 
Montag, 27. November 1882. 17. Jahrg. 
iti Erklärungen zeigen, daß die allgemeine Versumpf⸗ 
Politische Uebersicht. 15 ng— gs dem Ministerium der öffentlichen 
Deutsches Reich. Arbeiten, wie in dem Finanzministerium besteht. 
Berlin, 25. Nov. Als zuverlässig kann ich Man hat zu gleicher Zeit 114 Eisenbahnlinien an— 
hnen versichern, daß die Unterredung des Herrn zefangen, die sich zusammen auf 5594 Kilometer 
„. Giers mit dem Reichskanzler der Eventualität beziffern. Man wollte den ländlichen Bevölker— 
»iner Conferenz gegolten hat, durch welche von Fall ungsschichten beweisen, daß die von den Abgeord⸗ 
zu Fall die Detailfragen der Orientpolitik, zunächst eten der Linken versprochenen und von der Kam⸗ 
ilso der egyptischen Angelegenheit geiöst werden soll. ner bewilligten Eisenbahnlinien bereits gebaut wür— 
Das Resultat der Unterredung gipfelt darin, daß den. Aber die Ingenieure haben ihre Kräfte nicht 
ine solche Conferenz mit weileren Vollmachten als oncentriren können, der Bau schritt langsam und 
‚erjenigen in Constantinopel, sicher zu erwarten steht. inter sehr ungünstigen Verhältnissen vorwärts. Die 
(Frankf. Journ.) rolge dieses jämmerlichen Systems war, daß sich 
Das Militär-Wochenblatt dringt die Ernennung die Ausgaben in einer maßlosen Weise steigerten 
»es General⸗Lieutenanis v. Wißendorff zum innd bereits den ursprünglichen Anschlag stark über⸗ 
ommandirenden General des siebenten Armeekorps. chritten hatten. Diese Vorgänge zeigen, wie sehr 
Der Gonverneur von Berlin, General v. die staatliche Eisenbahnverwaltung in Frankreich 
Fransecky, ist unter Verleihung des Schwarzen dinter derjenigen der großen Eisenbahngesellschaften 
dler⸗ Ordens in Brillanten zur Disposition gestellt urücksteht. Millionen find unützerweise vergeudet 
ind an seiner Stelle General⸗Lieutenant v. Wile umd das Land ist schließlich über die Unfahigkeit 
isen zum Gouverneur von Berlin ernannt worden. der Minister aufgeklärt, welche seit Jahren seine 
Mehrere hamburgische Lassalleaner haben einen Beschäfte leiten. Die Borse, dieser Thermometer 
Aufruf behufs Einberusung eines Congresses zur des öffentlichen Vertrauens, zeigt seit Anfang Octo— 
Bildung einer „Nationalen deutschen Ar⸗ er hinlänglich, wie sehr die französischen Capitali⸗ 
beiterpartei“ erlassen. In dem Aufrufe heißt ten in Aufregung und Unruhe versetzt sind. Die 
s, es gebe im deutschen Reiche Arbeiter genug, Baisse macht jede Woche reißende Fortschritte. In 
velche der kaiserlichen Botschaft vom 17. November der Provinz versteckt sich das Geld, und die Ver— 
1881 lebhafte Sympathie entgegenbrächten. Die uste, welche die Ueberschwemmungen den Land— 
fträfte müßien gesammelt und zu friedlicher Agi- virthen zugefügt haben, verschlimmern die Lage. 
jation im Interesse des Arbeiterstandes verwendet Der Credit ist überall ein wenig verstopft und man 
werden. Die Regierung wolle sociale Reformen macht sich auf einen sehr schlechten Jahresabschluß 
für die Arbeiter herbeiführen, der Reichstag wolle gefaßt. Jeder vermindert seine Ausgaben, vornehm— 
dieselben aber nicht zur Ausführung bringen; es ich in allem, was Comfort und Lurxus betrifft. 
müßten deshalb die richtigen Männer in den Keichs- Der Kleinhandel fühlt diesen Zustand der Dinge 
ag gewähli werden. Der Schluß des Rundschrei- dereits sehr, und wenn dieser schlecht geht, wird die 
ens lautet: „Kleinliche Parteiunterschiede sind Großindustrie sehr bald den Rücksschlag zu spüren 
nomentan vollständig bei Seite zu lassen, das jaben. Die Unzufriedenheit tritt fast in allen De⸗ 
Hhrundprincip muß die Vereinigung und Gründung dartements immer mehr zu tage; man spricht es 
iner deutschen, wirklichen deutschen nationalen Ar- allmählich öffentlich aus, daß der Begriff „Repu⸗ 
zeiterpartei auf politischem wie landwirthschaft- blick“ durchaus kein Synonym von „Glücheligkeit“ 
ichem Gebiete sein. Der Congreß wird im Stande sei. Es vollzieht sich in der öffentlichen Meinung 
ein, bestimmte formulirte Forderungen aufzustellen, in großer Umschwung. 
welche geeignet sind, die Lage der Arbeiter zu ver⸗ Im französischen Marineministerium ist 
hessern, und mit welchen wir an die Reichsregier- nan zu der Ueberzeugung gekommen, daß die Häfen 
ung wie Gesetzgebung herantreten können.“ von Brest und Cherbourg, die früher für unein⸗ 
aehmbar galten, den riesigen Panzerschiffen und den 
chweren Schiffsgeschützen keinen genügenden Wider⸗ 
sttand leisten können. Es ist deßhalb beschlossen 
worden, die genannten Häfen ebenso wie dies be—⸗ 
reits in Toulon geschehen ist, durch gewaltige 
Molen bis auf einen ganz engen Zugang abzu—⸗ 
perren. Für diese Bauten und für die Tiefer⸗ 
egung eines Theils der Rhede von Toulon fordert 
die Regierung einen auf zehn Jahre zu vertheilen⸗ 
den Credit von 93 Millionen Francs. 
Waohrend sich die Franzosen in Afrika zu schaffen 
nachen, ist England an der Arbeit, die Früchte der 
igyptischen Siege zu verfolgen und für seine Macht⸗ 
tellung im Orient auf Kosten Frankreichs, auszu⸗ 
autzen. Von Paris aus richtet man besorgliche 
Blicke auf den immer mehr um sich greifenden 
kinfluß Englands in Syrien, das die Franzosen 
eit Jahrzehnten als ihre Domäne zu betrachten 
zjewohnt waren. Die französischen Blätter füllen sich 
nit Klagen über englische Umtriebe in jenem Gebiete. 
Dublin, 26. Nov. Drei Geheimpolizisten 
vurden gestern von Feniern durch Revolverschüsse 
ingegriffen. Ein Polizist wurde getödtet, ein anderer 
erwiderte das Feuer und verwundete einen Fenier 
ehr schwer. Die beiden anderen Fenier wurden 
tgenommen 
In der rumänischen Kammer beantragte 
mläßlich der Adreßdebatte ein Abgeordneter der 
Thronfolger möge seinen Wohnsitz im Lande nehmen. 
Bratianu antwortete, die Thronfolgefrage sei end⸗ 
ziltig geregelt. Der Prinz Leopold von Hohen⸗ 
ollern verzichtete auf die rumaͤnische Krone zu Gunsten 
eines ältesten Sohnes, welcher im Begriffe war, 
einen Wohnsitz im Lande zu nehmen, hieran aber 
zurch die schwere Erkrankung seiner Mutter verhindert 
worden sei. Die Kammer fügte dem Adreßentwurfe 
die Worte „Es lebe die Dynastie“ hinzu. 
Die britischen Truppen in Aegypten werden 
vom Typhusfieber täglich stark heimgesucht. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
* St. Ingbert. 26. Nov. Bis nächsten 
Mitiwoch Abend wird die Bergkapelle von Heinitz 
unter der Direktion des Kapellmeister Herrn Wittig 
hr zweites Aonnements-Konzert hier 
Jeben. Alle Musikfreunde seien darauf aufmerksam 
jemacht mit dem Bemerken, daß das Programm ein 
ehr reichhaltiges und gewähltes ist. Als besonders 
mziehend dürften folgende 8 Piecen den Konzert⸗ 
esuchern empfohlen sein: 1. Qu ver ture zur 
Heimkehr“ v. Mendelssohn, 2. Serenade 
ür Flauto und Waldhorn v. Titl, 3. Pot pourri 
ius der Oper „der lustge Krieg“ v. Strauß. 
*St. Ingbert, 26. Nov. In Folge des 
tarken Regenfalles und der dadurch bedingten 
leberschwemmung mußte gestern der Bahnver—⸗ 
Rehr zwischen hier und Zweibrücken bis Abends 
zingestellt werden; am Abend konnte jedoch 
Zug 259 die bei Lautzkirchen unfahrbar gewesene 
Strecke wieder passieren. Zwischen hier und Saar⸗ 
zrücken cursirten die Züge regelmäßig. Ein durch 
das Abgleiten der Böschung bei Rentrisch verur⸗ 
achter Schaden ˖ wurde sofort ausgebessert und be⸗ 
dingte keine Störung. (Auch die Linie Landstuhl⸗ 
— 
wischen Ramstein und Steinwenden gesperrt werden; 
benso war der Verkehr zwischen Landau 
dauptbahnhof undLandau Westbahn— 
Jof unterbrochen. Kleine Rutischungen zwischen 
domburg und Berbach waren ungefährlich 
ind ohne weitere Folgen.) 
* St. Ingbert, 26. Nov. Der in der 
stacht von Samstag auf Sonntag gefallene Regen 
erwandelte das Thal des Rohrbaches in einen 
zroßen See. Auch in verschiedene Keller drang 
»as Wasser ein und verursachte Schaden; so soll 
herr Kaufmann F. einen solchen in seinem Waaren⸗ 
ager von mehreren hundert Mark erlitten haben. 
*St. Ingbert. In der letzten Sitzung der 
Strafkammer des kgl. Landgerichts Zwei⸗ 
»rücken wurden drei junge Glasmacher von hier 
des Widerstandes gegen die Staatsgewalt überführt 
defunden. (Dieselben hatten den sie zurechtweisen⸗ 
den Forstgehilfen beschimpft und sich ihm wider 
setzt). Sie wurden gesammiverbindlich in die Kosten 
zerurtheilt; außerdem erhielt jeder noch eine em⸗ 
ofindliche Gefängnißstrafe: K. K. 2 Monate, M. 
B. 1 Mon. und D. S. 14 Tage. Ein des 
zleichen Vergehens angeklagter Kamerad derselben, 
P. V., war nicht erschienen und wurde darum 
gjegen denselben Haftbefehl erlassen. — Der 25- 
ährige P. D., Schmelzarbeiter dahier, erhielt, weil 
er am 19. Juni abhin einem gewissen Mathias 
Becker nach vorausgegangenem Dispute in der 
Becker'schen Wirthschaft zu Dberwürzbach am rechten 
Urme eine Wunde, welche eine Arbeitsunfähiakeit 
Ausland. 
Ueber diefinanzielle Lage Frankreichs 
nntwirft eine Pariser Correspondenz der „Str. 
Post“ ein düsteres Bild. Sie sagt: Es war am 
26. Juli d. Is., als der Finanzminister erklärte, 
daß unsere finanzielle Lage eine ganz ausgezeichnete 
ei. Seit diese Worte gesprochen worden sind, ist 
das Land von einer Enttäuschung in die andere 
zebracht worden. Heute ist es so weit, daß man 
mit dem Abgeordneten Madier de Montjou ange⸗ 
sichts der Finanzlage sagen kann: „Ich bin wie 
jersteinert!“ Die Unordnung unserer Finanzen springt 
sedem sofort in die Augen, sogar Leuten, die sich 
sonst nicht mit Nationalökonomie und Budgetfragen 
»eschäftigen. Man hat in das Budget von 1888 
Ausgaben eingestellt, ohne dafür Hilfsquellen an⸗ 
zugeben, indem man auf den Mechanismus der 
schwebenden Schuld vertraute, um das Loch zu 
topfen. Man schrieb in das Budget von 1888 
ine Summe von 289 Millionen für öffentliche 
Arbeiten ein, welche eine Ausgabe von mindesten 
500 Millionen erheischen werden. Das Deficit 
meldet sich von allen Seiten zu gleicher Zeit. Jeder 
Tag bringt neue Enthüllungen. Die in der Bud— 
getcommission vom Minister Hérisson abgegebenen