Full text: St. Ingberter Anzeiger

zedeckt war, den ganzen Zimmerplatz des Hrn. Voch, 
die Poststraße, Karlsstraße (Hintergasse), untere 
Wallstraße, Sonnenstraße, Löwengasse, Pfarrstraße 
und Alexandersgasse. Die Parterrelokalitäten der 
tief gelegenen Stadttheile werden wohl einen Wasser⸗ 
stand von 2m gehabt haben. Wie mächtig der 
Andrang und die Masse der Gewässer war, zeigt 
die Thatsache, daß die meisten Keller ꝛc. auf der 
rechten Seite der Fruchtmarktstraße vollständig unter 
Wasser gesetzt wurden; ebenso hatte auf der andern 
Seite der Zweibrücker Hof das Wasser 1m hoch 
in den Kellern. Die Bäume der großen Allee 
tanden fast bis zu den Astansätzen im Wasser; 
durch den großen Kasernhof schoß das Wasser in 
etwa meterhohem wildem Strom. Der Gesammt— 
chaden dürfte sehr beträchtlich sin. Im Bahnhof 
zeschädigte das Wasser die Treppe, das Vestibül 
und den Perron; Restaurationskeller und Küche der 
Frau Seiter (Bahnhof) standen gestrichen voll bis 
zur Höhe des Fußbodens der Einschänke. Die 
Schillerstraße ist am Eingang arg aufgerissen. Das 
Straßenpflaster ist an verschiedenen Stellen einge— 
sunken, u. A. dicht oberhalb der Hauptwache. — 
Schon früh waren die Vorstände des kgl. Bezirks⸗ 
imts und der städtischen Verwaltung, die Herren 
Dr. Schlagintweit und Märcker bei der 
Hand, um nöthigenfalls Anordnungen zu treffen. 
Wir hörten u. A., daß in Betreff der Versorgung 
der überschwemmten Stadttheile mit Lebensmitteln 
sofort das Geeignete angeordnet, und sahen, wie 
zu diesem Behufe Flöße gebaut wurden. — Un⸗ 
ghücksfälle sind Gottlob nicht vorgekommen; 
es war aber nahe genug daran. Ein Kutscher des 
„Pfälzer Hofes“, welcher Frau Hebamme Hübner 
und eine Magd per Chaise in die Unterstadt bringen 
—V 
nommen hatte, gerieth an der Einmündung in die 
Ludwig-(Bahnhof⸗)Straße rechts ab, die Chaise 
kippte halb um, blieb aber zum Glück an der 
Böschung hängen. Man sah den Vorgang vom 
Bahnhof aus und eilte den in Lebensgefahr schwe— 
benden mit dem gerade zur Stelle befindlichen Roll⸗ 
wagen des Herrn Welcker zu Hilfe; mittelst dieses 
Wagens ging dann die Weiterexpedirung der Frau 
Hhübner an den Ort ihrer Bestellung glücklich vor 
sich. Dem Kutscher gelang es, seine bis an die 
Hälse im Wasser stehenden Pferde loszuschneiden 
und in Sicherheit zu bringen. Die Frau eines 
herrn Hartkopf, Besitzer des neulich zur Schau 
hier aufgestellt gewesenen mechanischen Dioramas, 
welcher im Voitl'schen Holzhofanwesen am Bahnhof 
residirte, befand fich in Kindesnöthen, als das 
Wasser heranbrauste; der Mann mußte das arme 
Weib aus dem Häuschen in seinen Wagen bringen, 
der dann durch die Fluthen glücklich nach der Stadt 
zezogen wurde. Hr. Schleußenwart Wirschinger, 
der auf seinem gefahrvollen Posten aushielt, wurde, 
wie uns gesagt wird, von Herrn Zimmermeister 
Barthold u. A. mit Lebensgefahr geholt und 
in Sicherheit gebracht. Ebenso hat Herr Zimmer⸗ 
meister Loch mit seinem Personal sich rühmlichst 
sjervorgethan. — Der 26. November wird vielen 
unsererer Mitbürger in schmerzlicher Erinnerung 
zleiben. Mittel- und Unterstadt wurden hart heim⸗ 
gesucht. Ladenbesitzer, Wirthe ꝛc. werden, da das 
Hochwasser mit rapider Schnelligkeit und gleich 
mit großer Gewalt kam, vielen Schaden haben, 
ganz abgesehen davon, daß die Ueberfluthung die 
Lokalitäten zu ebener Erde arg mitgenommen hat 
und die Feuchtigkeit deren Bewohnung dorerst un⸗ 
gesund macht. — Es konnnte gestern weder Gottes⸗ 
dienst abgehalten, noch der Post- und Telegraphen⸗ 
Verkehr bewerkstelligt werden, da alle betreffenden 
Lokalitäten im Ueberfluthungsbereich standen. Auch 
der Bahnverkehr war theilweise eingestellt. 
— Vom oberen Gebirg schreibt der „L. 
A.“: Nachdem der neue Wein die Hefe zum größ⸗ 
ten Theil abgesetzt hat und in Folge dessen hin⸗ 
sichtlich seiner Qualität besser beurtheilt werden 
kann, hat sich das Weingeschäft etwas lebhafter 
gestaltet. In Weyher wurden ca. 100 Fuder ge⸗ 
lauft zu 180 bis 200 M. per Fuder. Desgleichen 
wurden auch in Burrweiler, Gleisweiler und Frank⸗ 
weiler namhafte Partien zu demselben Preise und 
auch um etwas weniger abgesetzt. — 
— Klingenmünster, 24. Nov. Heute 
Morgen um *4311 Uhr verunglückte der sich auf 
der Irrenanstalt aufhaltende Martin Funk. Der⸗ 
selbe befand sich im Walde hinter der Anstalt, wo 
gerade ein Baum gefällt wurde, dessen Spitze ihn 
heim Fallen noch derart erreichte, daß er sofort 
odt auf der Stelle blieb. 
— Dirmstein, 26. Nob. Heute Nach— 
um 1 Uhr 38 Min. wurde hier eine Erderschüm— 
erung wahrgenommen, welche sich scheinbar von 
Rordost nach Südwest erstreckte. Die Erschütterung 
var so stark, daß die auf dem Tische des Bericht 
erstatters stehende Lampe wankte und die Fenster⸗ 
riegel stark klirrten. Das Barometer stand so tief. 
wie es Berichterstatter noch nie beobachtet. 
(Pf. K.) 
— Horschbach, 24. Nob. Wieder ein 
Unglück mit der Treschmaschine. Heute wurde der 
Ackerer Weiß dahier, als er einen Zapfen an der 
Dreschmaschine anbringen wollte, von leßterer erfaßt 
vobei ihm drei Rippen und der Halsschlüssel zer⸗ 
hrochen und das eine Schulterblatt verreukt wurde. 
Loraussichtlich mird derselbe wohl den ganzen 
Winter hindurch arbeitsunfähig bleiben. (Pf. K.) 
— Der unaufhörliche Regen hat im Laufe der 
Racht von Samstag auf Sonntag vielfache Be— 
chädigungen an den Dämmen der Pfal— 
zischen Bahnen herbeigeführt, so daß der 
Betriebsdienst auf verschiedenen Strecken eingestellt 
werden mußte. Nach den uns vorliegenden Nach— 
richten war der Verkehr gestern (Monlag) noch aus 
'olgenden Strecken unterbrochen: Auf der Maxbahn 
»on Edesheim bis Weißenburg. Bei Landau ist 
zurch den Durchbruch des Bierbaches eine bedeu⸗ 
ende Rutschung und die Ueberschwemmung des 
Bahnhofes Landau erfolgt, so daß (wie bereits 
jestern gemeldet) der Verkehr von Hauptbahnhoj 
nach Westbahnhof eingestellt werden mußte. Zwi— 
chen Westbahnhof Landau und Annweiler findet 
egelmäßige Personenbeförderung statt, dagegen ist 
der Betrieb von Annweiler bis Zweibrücken und 
don Biebermühle nach Pirmasens vollständig ein⸗ 
Jestellt. Desgleichen ist der Verkehr unterbrochen 
auf der Strecke Wörth-Winden-Bergzabern, Zwei⸗— 
brücken⸗Saargemünd, Landstuhl-Kusel und Monsheim— 
Marnheim. Nach den neuesten Meldungen sind 
die Ueberfluthungen allenthalben zurückgegangen und 
jofft man die Wiederherstellungsarbeiten so rasch 
ördern zu können, daß der Personenverkehr auf 
»en Linien Landau-Zweibrücken, Neustadt-Landau, 
3weibrücken ⸗Saargemünd und Wörth-Winden⸗ 
Beißenburg voraussichtlich heute (Dienstag) schon, 
Ziebermühle-Pirmasens übermorgen, Landau-Winden 
agegen erst in einigen Tagen wird aufgenommen 
verden können. Die directen Straßburg-Baseler 
Schnellzüge, sowohl jene via Münster a. St. als 
ene via Ludwigshafen werden über Schifferstadt⸗ 
hermersheim⸗ Lauterburg geführt und verkehren 
ꝛegelmäßig. 
— Nach dem Berichte des Fabrilkinspektors der 
Pfalz betrug die Anzahl der im Jahre 1881 in 
den verschiedenen Betrieben beschäftigten männlichen 
Arbeiter 16,142, der weiblichen 4,973, Sumino 
21. 124. 
— Der Landrath der Pfalz hat die Anzahl 
der zur Untersuchung der Zuchttauglichkeit der Pri— 
atbeschälhengste und zur Ausstellung der Körscheine 
uu bilbenden Körausschüsse auf zwei festgesetzt und 
Langenkandel und Speyer als Körorte bestimmt. 
Vermischtes. 
7 München, 25. Nov. Herzog Karl 
Theodor hat, wie aus Wien berichtet wird, bereits 
nehrere Staaroperationen mit günstigem Erfolge in 
»er Augenabtheilung des Professors Jäger vollzogen. 
Der Herzog wohnte vorgestern daselbst einer seltenen 
Aperation, nämlich einer vom Professor Jäger vor⸗ 
jsenommenen Entfernuug eines sechs Millimeter 
zroßen Blasenwurmes aus dem Innern eines Auges 
ei. 
München. Der diesjährige Ersatz des 
Infanterie⸗Leibregiments wurde zum erstenmale nach 
en neuen Bestimmungen über dessen Rrekrutirung 
uusgehoben, und hat das Regiment nur Mann— 
chaften mit einer Minimalgröße von 1,67 m er— 
alten, während bisher solche wie bei der übrigen 
Infanterie von 1,87 me fesigesetzt war. Als Re— 
rutirungsbezirke sind dem Regimente die Verwalt⸗ 
ungsämter der südöstlichen Theile Oberbayerns zu⸗ 
Jewiesen; für den Fall, daß diese Aushebungsbe⸗ 
zirke die nöthigen Rekruten —' ca. 600 Mann — 
nicht ergeben würden, soll aus den nächstgelegenen 
Bezirken der Bedarf durch Leute mit dem Nrini— 
nalmaße von 1,75 mugedeckt werden. In Folge 
»essen hat nun das Leibregiment einen sehr schönen 
„chlag von jungen Leuten erhalten: keinen Mann 
inter 1,67 m, aber sehr viele über 1,75 mm, lauter 
räftige Gestalten, wie solche unser Oberland zahl⸗ 
reich aufweist, ächte Gardisten, worunter wahre 
Hühnengestalten. 
F EGEin „billiges Damencostüm“ 
wird nächstens in München den Gegenstand einei 
Berichtsberhandlung bilden. Ein Herr trat, wie 
wir dem „Fremdenblatt“ entnehmen, in das Ver⸗ 
kaufslocal eines dortigen großen Kleidergeschäfts 
um ein im Auslagfenster befindliches mit 8o Pe 
dezeichnetes Costüum zu kaufen. Es wurd⸗ ihm die 
Auskunft ertheilt, daß das Costüm 180 M. koste 
und der uarichtige Preis ein Versehen der Ladnetin 
sei. Nach fünf Tagen ging er wieder vorbei, und 
siehe, das billige Kleid prangte noch immer mil 
der Bezeichuung 80 M. im Fenster. Er begab 
sich jetzt in Begleitung eines Polizeicommissars in 
Civil in den Laden, wo wieder die Geschichte vom 
Irrthum der Ladnerin aufgetischt wurde. Der 
Polizeicommissar befragte diefelbe, und fie gestand 
den Preis auf Anordnung des Besitzers angegeben 
zu haben. Die Sache ist zur amilichen Anzeig 
zelangt, da solche falsche Preisangaben im Sqhad. 
enster als Täuschung des Publikums in gewinn⸗ 
üchtiger Absicht anzusehen und demnach als Be— 
rug strafbar sind. 
fF Nürnberg, 23. Nov. Se. Maj. der 
ttönig, welcher von der ersten Serie der Ausstell. 
ungslotterie 3000 Loose ankaufen ließ, hat hiermi 
18 Treffer gemacht, darunter eine Oelgemälde von 
Hans Blum in München, „Andacht“ (Werih 3000 
Mark). 
F Eine in Saarbrücken stattgehabte Kon— 
ferenz der Saar⸗, Mosel⸗ und rheinisch⸗westfälischen 
kisenwerke hat beschlossen, den Grundpreis von 
Trägereisen, 145 M. ab Neunkirchen, 142 M. ab 
Steele, für Winterlieferungen aufrecht zu erhalten. 
7 In Saargemünd stürzie ein in der 
Hauptstraße gelegenes, dem Kaufmann Koblenz 
gehöriges Wohnhaus, das neu erbaut und noch 
nicht ganz vollendet war, in sich selbst zusammen. 
Nur die aus Schichtsteinen aufgeführie Vorderfront 
zlieb unverletzt. Der Eigenthümer und der Bau— 
neister wurden schwer verletzt, ebenso 3 im Hause 
zeschäftigte Arbeiter. (Pf. P.) 
F Metz, 25. Novb. Hier hat sich eine Aktien⸗ 
zesellschaft gebildet, an deren Spitze der städtische 
Architekt Fridrici steht, welche sich die Errichtung 
einer Zuckerfabrik in der Nähe von Diedenhofen 
zur Aufgabe gemacht hat. Wie die „Lothr. Zig.“ 
berichtet, sind bereits einige Verträge mit Runfel— 
rüben bauenden Landwirthen für die nächsten Jahre 
abgeschlossen, so daß möglicherweise die Fabrikation 
im kommenden Jahre beginnen könnte. Da unsere 
Landwirthe seit langem wünschten, in Lothringen 
die Zuckerfabrikation neu erstehen zu sehen, so wird 
es jetzt nur von ihnen abhängen, dem bir. Unter⸗ 
nehmen die nöthige Stutze zu leihen. 
F. Mannheim, 27. Nod. Der Rhein hat 
jetzt die enorme Höhe von 8 Meiter 15 Centimeter 
erreicht. 
FKoln, 27. Nov. Der Rhein und seine 
Nebenflüsse sind noch anhalterd im Steigen be— 
griffen. Die Wasserhöhe von 1876 ist bereits über⸗ 
chritten. Der Regen dauert allenthalben an; die 
Verkehrsstockungen mehren sich. 
F. In Könn hat sich in den jüngsteu Tagen 
ein „Verband der Kolonialwaarenhaͤndler“ gebildet, 
velcher bezwedt, das Interesse seiner Mitglieder 
iamentlich dem „Konsumverein der Beamtenverein⸗ 
igung“ gegenüber zu wahren. 
x. In einer unserer Nachbarstädte, schreibt man 
aus Barmen, ist vor einigen Wochen ein den 
besseren Ständen angehdriger Kaufmann auf eine 
höchst drollige Weise von der Trunksucht geheilt 
worden. Monatelang schon hatte man denselben Abends 
nur „unter Bedeckung“ nach Hause zu schaffen ver⸗ 
mocht. Als er nun einmal wieder nicht allein heim⸗ 
inden konnte, führten ihn einige Freunde zu einem 
Barbier, der ihm seinen stattlichen Vollbart, sowie 
sein Haupthaar gänzlich abrasirte, und so stellte 
man ihn, nachdem vorher die Schelle gezogen worden 
var, gegen seine eigene Hausthür. Seine Frau 
erschrack nicht wenig, als sie beim Oeffnen einen 
hr unbekannten Menschenkopf hereinstolpern sah, 
ind erst bei näherem Beleuchten erkannte sie in 
dem Glatzköpfigen ihren eigenen Mann. Der so 
unfreiwillig seiner männlichen Zierde Beraubte wagte 
in dieser seltsamen Metamorphose während vieler 
Wochen nicht, sich dem Gelächter der Nachbarn und 
dem Spotte seiner Kameraden auszusetzen, und — 
in dieser Zeit gewöhnte er sich das Trinken ab. 
f Potsdam, 26. Nov. Der Kronprinz als 
Schulmeister. Aus dem benachbarten Bornstedt