Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Jugherter Meiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert. 
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M 237. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Berlin, 29. Nov. Die Rückkehr des Fürsten 
zismarck nach Berlin wird in den allerersten Tagen 
»es Monats Dezember erwartet. Die jüngsten 
dachrichten über den Gesundheitszustand des Reichs⸗ 
anzlers lauten nicht ganz befriedigend. Der Fürst 
eidet fast unausgesetzt an heftigen neuralgischen 
Schmerzen. Sein erstes Erscheinen dürfte insofern 
lufsehen eigener Art machen, als der Fürst jetzt 
inen Vollbart trägt, den er sich auch während des 
Winters aus Befürchtung vor einer Erkältung wahr⸗ 
cheinlich nicht abnehmen wird. 
Berlin, 29. Nov. Die Forderung im Mi— 
aaretat des Reichs zur Dotirung einer Unteroffi⸗ 
cerschule in Neubreisach dürfte diesmal wohl die 
zustimmung des Reichstags finden. Die liberale 
Zereinigung (Secessionisten) wird jetzt für dieselbe 
immen, wodurch ihr die Mehrheit gesichert sein 
ürfte. Seitens der Reichsregierung wird bekannt⸗ 
ich besonderer Werth auf die Durchsetzung dieser 
zosition gelegt, zumal da der persönliche Wunsch 
ʒes Kaisers sich lebhaft der Errichtung dieser Anstalt 
uneigt. 
Berlin, 30. Nov. Der Staats-Anz. ver⸗ 
Ffentlicht die Belanntmachung auf Grund des So— 
ialistengesetzes, welche den bisher aus Berlin und 
ʒessen Umkreis ausgewiesenen Personen auch ferner 
»en Aufenthalt in diesen Bezirken versagt. 
Berlin. Der Entwurf der kaiserlichen Ver⸗ 
rdnung, betr. das Verbot der Einfuhr von 
Schweinen und Schweinefleisch amerikanischen Ur⸗ 
prungs, lautet: 8 1. Die Einfuhr von Schweinen 
ind Schweinefleisch einschließlich der Spechkseiten, 
owie von Würsten aller Art ist bis auf weiteres 
»erboten. 8 2. Der Reichskanzler wird ermächtigt, 
AUusnahmen vom Verbot unter Anwendung der 
rforderlichen Controlemaßregeln zu gestatten. 8 3. 
die Verordnung vom 25. Juni 1880, betr. das 
herbot der Einfuhr von Schweinefleisch und Würsten 
cus Amerika, ist aufgehoben. 854. Die gegen⸗ 
värtige Verordnung tritt 30 Tage nach ihrer 
berkündigung in Kraft. Der Werordnung find 
ausführliche Motive beigefügt, in welchen es u. a. 
seißt: Die Verordnung des Jahres 1880, welche 
ie Einfuhr von Schweinefleisch und Würsten aus 
lmerika verbot, habe sich als ungenügender Schutz 
egen die Einfuhr von trichinösem Fleisch erwiesen. 
die Hauptgefahr bestehe in der Einfuhr trichinöser 
„chweine und darin, daß die mikroskopische Fleisch⸗ 
eschau in den Einfuhrhäfen ungenügend sei, was 
yaraus hervorgehe, daß bei der späteren abermaligen 
zeschau im Binnenlande viele Thiere als trichinös 
efunden worden, welche die Beschauer im Einfuhr⸗ 
afen als trichinenfrei passiren ließen. Der 
hlimmste Uebelstand aber sei die ungenügende 
gierärztliche Controle in Amerika selbst, sowie die 
shatsache, daß die Trichinose bei den amerikanischen 
„chweinen überhaupt stärker auftrete als in Deutsch- 
and. Waährend in Deutschland selbst in dem 
ingünstigen Jahre 1880 nur 0.068 pCt. der 
intersuchten Schweine trichinöss waren, kamen auf 
00 amerikanische bereits 4.68 bis 16 pCt. trichi⸗ 
zöser Schweine. Die Gefahr der Erkrankung nach 
ꝛem Genuß von Schweinefleisch sei also bei diesen 
deit groͤßer, als bei den von Schweinen heimischen 
irsprungs. 
Außer dem Budget für 1883,84 und 8485 
verden dem Reichstage bei dem Wiederbeginn 
Samstag, 2. Dezember 1882. 
17. Jahrg. 
er Plenarsitzungen auch die Gesetzentwürfe beir. 
Abänderung des Militär⸗Pensions- und des Reichs⸗ 
zeamtengesetzes zugehen. 
Zu den Gerüchten über eine nahe bevorstehende 
Auflösung des Reichssstages, die in parlamen- 
arischen Kreisen wieder in Umlauf sind, schreibt 
in angeblich wohlinformirter Gewährsmann der 
Schl. Ztg.“: „Diese Andeutungen verdienen eine 
rnste Beachtung gerade im gegenwärtigen Augen— 
zlick gewiß nicht, womit freilich nicht gesagt sein 
oll, daß in der bevorstehenden Reichstagssession 
ücht Ereignisse eintreten könnten, welche zu einem 
olchen Beschlusse führen würden. In Regierungs- 
reisen empfindet man es gewiß als bedeutenden 
lebelstand, daß der Reichstag eine so viel stärkere 
iberale Opposition aufweisst, als das Abgeordneten⸗ 
Jaus, auffallend wäre es also nicht, wenn die Re— 
zierung Geneigtheit bekundete, zu erproben, ob die 
ei deñn Landtagswahlen hervorgetretene conservative 
Strömung auch bei neuen Reichstagswahlen stand— 
jalten würde. Ein bestimmter Plan, ein Entschluß 
iber liegt in dieser Hinsicht ganz gewiß noch nicht 
‚or, und es läßt sich durchaus nicht vorhersagen, 
b die Dinge wirklich eine solche Entwickelung 
iehmen werden.“ 
Wie die „B. L.«Z.“ hört, hat sich die Reichs⸗ 
nilitärverwaltung veranlaßt gesehen, einem 
atsetzlichen Unfug zu steuern, der seit einiger Zeit die 
ʒicherheit des Reiches zu gefährden droht. Es treiben 
ch nämlich viele in Civil gekleidete fremdländische Of⸗ 
ziere allerwärts herum, die darauf ausgehen, 
uͤlitärische Geheimnisse in Erfahrung zu bringen. 
die betr. Indibiduen sind der deutschen Sprache 
um theil vollständig, theils leidlich mächtig, und 
3 ist das Bestreben derselben, sich bald hier, bald 
a in das Vertrauen von Personen zu setzen, von 
enen sie annehemen, es werde ihnen dies oder 
enes jpezifisch Militärische auf amtlichem Wege, 
der sonstwie durch Bekannte, zugänglich gemacht. 
58 ist unter solchen Umständen erklärlich und noth- 
vendig, daß eine Zeit lang Jedweder streng beob⸗ 
chtet wird, dessen Benehmen auf Spionzwecke 
chließen läßt. Wir bemerken ausdrücklich, sagt 
ie „B. L.⸗Z.“, daß der Verdacht besteht, das Reich 
ei ganz plötzlich von einer großen Zahl verdächtiger 
individuen heimgesucht, und solcherlei Personen ge⸗ 
alle nicht etwa blos der Aufenthalt in Festungen 
der sonstwie militärisch wichtigen Orten, sondern 
3 liege ihnen zum Theil daran, auf Umwegen 
slerhand in Ersahrung zu bringen. Es versteht 
ich ganz von selbst, daß unsere Militärs dergleichen 
zndividuen von sich abzuhalten wissen, schon, da 
hnen bekannt ist, daß jedwede Mittheilung an Un⸗ 
erufene strafbar bleibt; da indeß bei der allge⸗ 
neinen Wehrpflicht jeder Deutsche mehr oder weniger 
n militärischen Dingen Bescheid weiß, so erscheint 
ie Mahnung zur Vorsicht in der Unterhaltung mit 
zremden über Dinge, die unser Landesverrathsver⸗ 
heidigungswesen angehen, als eine Pflicht des 
jatriotisnus. Der blose Hinweis auf den that— 
ichlich vorhandenen Unfug wird, waran nicht zu 
weifeln ist, hinrichen, um den Intentionen der 
teichsmilifärverwaltung in jedem Betracht Vorschub 
u leisten. Die bisher als verdächtig erschienenen In⸗ 
ibiduen machen den Eindruck, daß ihre Mutter⸗ 
prache die französische sei. 
Die aus dem Ertrage der Zölle und der Ta— 
alsteuer an die Bundesstaaten zu überweisen⸗ 
en Summe ist in den Reichshaushaltsetals für 
88384 und 188485 mit um 58,358,170 bezw. 
3595,430 Mark erhöhten Beträgen in Ansatz ge— 
zracht worden, bei den Stempelabgaben ist ein 
Mehr von 43,880 M. angenommen. 
Ausland. 
Während der Pariser „Voltaire“ ein langes 
Beruhigungs-Bullelin über das Befinden Gam— 
etta's bom Stapel läßt, enthält der „Gaulois“ 
illerlei mysteriöse Andeutungen üaber den Hergang 
er Verwundung, danach soll Gambetta sich nicht 
elbst verletzt haben, sondern sollte das Opfer einer 
zrivatrache werden. Die Kugel wäre durch die 
zrust gedrungen. Vier Aerzte seien nach Bille— 
d'avray berufen u. s. w. Die geringe Verläßlich⸗ 
eit des „Gaulois“ in solchen Dingen ist jedoch 
ekannt. 
Dublin, 29. Nov. Der Vizekönig erließ 
ine Proklamation, welche für die Stadt und die 
grafschaft Dublin den Artikel des Gesetzes über 
die Unterdrückung von Verbrechen in Kraft setzt, 
vonach die Polizeiagenten befugt sind, alle zu ver⸗ 
Jaften, welche der Ausübung ungesetzlicher Hand⸗ 
ungen verdächtig sind und zwischen Sonnenunter— 
jang und Sonnenaufgang auf öffentlicher Straße 
ingetroffen werden. Für die Entdeckung des Mör— 
hers Field's setzte die Behörde eine Belohnung 
hon 5000 Pfund Sterling aus. 
Kairo, 29. Noo. Der Gesundheitszustand 
»er englischen Truppen bessert sich, es kommen we— 
aig Sterbefälle unter den im Hospital befindlichen 
zranken vor. 
Wie die Adener Blätter berichten, hat König 
Johannes von Abyssinien beschlossen, sich 
urch seinen diplomatischen Agenten in Europa, den 
zekannten Afrikareisenden Gerhard Rohlfs, an 
ämmtliche Großmächte zu wenden, damit sie ihm 
ur Wiedererlangung der jetzt von der ägyptischen 
stegierung widerrechtlich besetzt gehaltenen abyssin⸗ 
schen Küste behilflich sein follen. 
— — 
Lokale und pfͤlzische Nachrichten. 
*St. Ingbert, 1. Dez. Auf verschiedenen 
Flötzen des Tiesbaues in der hiesigen Grube ist 
zas Wasser immer noch so stark, daß nicht gear⸗ 
eitet werden kann. Im Ganzen geht jedoch die 
Förderung wieder lebhafter als in den ersten Tagen 
zieser Woche und steht zu hoffen, daß die Wasser⸗ 
alamität in kurzer Zeit vollständig gehoben ist. 
Berichtigend wollen wir hierzu bemerken, daß die 
dohlenfoörderung dahier nie ganz, sondern nur 
heilweise welches Wort in der betreff. Notiz 
ines Theiles der Auflage des Dienstagsblattes durch 
in Versehen des Setzers fehlte, eingestellt war.) 
— St. Ingbert, 1. Dez. Wie Einsender 
ieses hört, wurde gegen die Giltigkeit der Pres⸗ 
yyterwahl in der hiesigen Pfarrei nachträglich Protest 
rhoben, derselbe aber sowohl formell wie materiell 
ür unzulässig erklärt. Die Beschwerdeführer wollen 
ich jedoch dem Vernehmen nach damit nicht zu⸗ 
rieden geben, sondern die Sache höheren Ortes 
zur Entscheidung bringen. 
St. Ingbert, 1. Dez. Bei der jüngst 
n Speyer stattgehabten Verloosung im Pfälzischen 
dunstverein hat Herr Buchhalter K. Seyb von 
jier einen Kupferstich nach Defregger (Tischgebet 
zarstellend) gewonnen. 
*St. Ingbert, 1. Dez. Nächsten Sonntag 
eiert die hiesige Knappschaft zu Ehren ihrer Schutz⸗ 
atronin in der herkommlichen Weise den St. 
ßZarbaratag.