Full text: St. Ingberter Anzeiger

bernommen, dessen bisherige jahrelange Thätigkeit 
als 1. .Assistenzarzt der Königlichen Unibersitate 
dlinik für Augenkranke zu Berlin (vormals von 
Gräfe'sche Klinik) das Gedeihen dieser humanen 
Unstalt verbürgt. 
—Zweibrücken, 14. Dez. Gestern ging 
von hier eine Petition an den hohen Reichstag nach 
Berlin ab, Höherbesteuerung des Gewerdebe 
thriebes im Umherziehen betr., welche mit 
106 Unterschriften hiesiger Handel- und Gewerbe— 
treibenden versehen ist. (3w. 3.) 
— In Speier trat am 13. Dez. im Regie— 
rungsgebäube das Kreisscholarchat der Pfalz unter 
dem Vorsitze Sr. Exellenz des Herrn kgi. Regie- 
rungs-Präsidenten Staatsrathes d. Braun zusam⸗ 
men, um, wie schon in veriger Nr. erwähnt, über 
die von der kgl. Regierung beabsichtigte Nevision 
der Schul⸗ und Lehrordnung für die Volksschulen der 
Pfalz zu berathen. WVoraussichtlich werden die 
Sitzungen mehrere Tage in Anspruch nehmen. 
Außer den acht Mitgliedern des Kreisscholarchats 
ind noch folgende Schulmänner zu diesen Ve— 
cathungen zugezogen worden, nämlich die Herren 
Districtsschulinspectoren Decan Dr. Leyser in Neu⸗ 
stadt und Decan Metzger in Kirchheimbolanden, 
die Herren Bezirkshauptlehrer Berger in Speyer, 
John in Bellheim, Börzler in Kaiserslautern und 
Rauch in Mittelbrunn, ferner die Herren Lehrer 
Huth in Landau und Drescher in Wolfersheim. 
CLetzterer ist zur Zeit Vorstand des Bezirkslehrer⸗ 
dereins St. Ingbert-Blieskastel.) Mitglieder des 
Freisscholarchats sind anßer den Herren Kreisschul⸗ 
inspectoren Matt, Littig, Lehmann und Roth die 
deiden Seminarinspectoren Hr. Dr. Andreae in 
Kaiserslautern und Hr. Dr Kiltel in Speyer, 
ferner Hr. Consistoriackrath Hofer und Hr. Domca⸗ 
aitular Dahl. Selbstversiändlich wohnt auch der 
Kreisschulreferent den Sitzungen bei. 
— Vor dem kgl. Schöffengerichte in Lud— 
wigshafen wurde Generalagent Ruslius wegen 
nicht vorschrifte mäßigen Verhaltens beim Abschluß 
»on Auswanderungs⸗Verträgen in 30 Fällen zu 
Beldstrafen von je 3 Mt. verurtheilt, wegen weiterer 
20 Fälle wurde zur weiteren Recherche Vertagung 
n eine spätere Sitzung ausgesprochen. Außerdem 
wurden einige andere Personen, welche sich mit 
Vermittlung solcher Verträge befaßten, ohne dazu 
'oncessionirt zu sein, zu kleineren Gelostrafen ber 
urtheilt. 
— Die kgl. Regierung der Pfal;z erläßt im 
Amtsblatt vom 7. d. M. folgende Bekanntmachung 
betr. Maßregeln gegen Verübung von Unfug in 
der Neujahrsnacht: „Zum Zwecke der Aufrecht- 
erhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung in 
der Neujahrsnacht und um dem die Sicherheit der 
Personen bedrohenden Unfuge des Schießens der⸗ 
selben entgegenzutreten, wird in Anwendung des 
3 der Allerhöchsten Verordnung vom 21. Januar 
1872 „das Verbot der Führung von Waffen zur 
Verhütung von Gefahren für die Sicherheit der 
Personen betreffend“ (Kreisamtsblait vog 1872 
Seite 393), der Regierungsbeschluß vom 1. Fe— 
bruat 1872 (ibid. S. 8095) für die Dauer des 
31. Dezember 1882 und des 1. Januar 18883 
hiermit aufgehoben, und triit für diese zwei Tage 
der unten abgedruckte Paragraph 1 der erwähnten 
Allerhöchsten Verordnung in volle Wirksamkeit. 
Die k. Bezirksämter haben gegenwärtiger Ent—⸗ 
chließung, namentlich auch durch Einrücken in die 
Lokalblätter, die möglichste Verbreitung zu sichern 
und gegen alle Zuwiderhandlungen — neben der 
Beschlagnahme der verbotenen Waffen — auf 
GBrund des unten gleichfalls abgedruckten Art. 39 
des Polizeistrafgesetzbuches die Strafeinschreitung zu 
rwirken. Ingleichen ist gegen jeden ruhestörenden 
Lärm oder groben Unfug auf Grund des unten in 
Abdruck folgenden 8 360, Ziffer 11 des Strafge⸗ 
setz buches die gerichiliche Strafeinschreitung zu ber⸗ 
anlassen.“ Abdruck. 81 der Allerhöchsten Ver— 
ordnung vom 21. Januar 1872. Die Führung 
nachstehender Waffen als: 1. von Dolchen, Stileten 
und anderen im Griffe feststehenden oder mittelst 
einer Vorrichtung feststellbaren Messern, 2. von 
zugespitzten Streichern und von Pfriemen, 3. von 
Terzerolen, Sackpistolen und Revolvern, 4. von 
Abschraubgewehren, 5. von Raufringen oder Schlag⸗ 
eisen ist allen unselbststandigen Personen (Art. 6 
des Gesetzes voin 16. April 1868 über Heimath, 
Verehelichung und Aufenthalt) verboten. 
Art. 39 des Polizeistrafgesetzbuches. Wer außer 
dem Falle des Strafgesetzbuches für das Deutsge 
— — Aun Beroronungen zuwibeir- 
handelt, wodurch zur Verhütung von Gefahren für 
die Sicherheit der Personen die Führung bestimmter 
gemeingefährlicher Waffen bestimmten Klassen von 
Personen oder in bestimmten Landestheilen unter⸗ 
ragt ist, wird an Geld bis zu fünfzehn Thalern 
oder mit Haft bis zu acht Tagen bestraft, wobei 
auf Einziehung der verbotenen Waffen erkann⸗ 
wverden kann, ohne Unterschied, ob sie dem Ver— 
artheilten gehören oder nicht. 
8360 Ziffer 11 des Reichsstrafgesetzbuches. 
Mit Geldstrase bis zu fünfzig Thalern oder mit 
daft wird bestraft: 11. wer ungebührlicher Weise 
ruhestörenden Lärm erregt oder wer groben Unfug 
erübt. 
— Im „pPf. K.“ wurde vor einigen Tagen 
zu Gunsten der Ueberschwemmten eine Weinlotterie 
ingeregt. Es heißt darüber u. A. in dem beir. 
Artikel: „Dieselbe könnte etwa in der Weise zur 
Durchführung ko mmen, daß dazu Weinproduzenten 
ind Weinhändler Kistchen mit entweder vier gan⸗ 
xen oder acht halben Flaschen beisteuern und so 
iele Loose zu je 2 Mark berkauft werden, daß je⸗ 
des zehnte Loos gewinnen würde. Man berechnet 
den Reingewinn aus solcher Lotterie, die natürlich 
von der Post durch Portofreiheit und von den 
Zeitungen durch Gratisinserate rc. zu begünstigen 
ei, auf etwa 200,000 Mark. Der Plan ist ge— 
viß anerkennenswerth; dessen Ausführung jedoch 
jewiß nicht allzu leichi.“ Wir hallen den Plan 
ür durchaus praktisch nicht minder leicht durchführ⸗ 
»ar und darum für diskutabel. Es ist dabei ein 
inziges wirkliches Hindernis im Wege und das 
st nicht zu übersehen. Die Weine müssen rein 
ein, die Flaschen müssen den Ursprung des Wei—⸗ 
ies zu erkennen geben und die Garantit überneh⸗ 
nen Leute von durch ganz Deutschland wohlkling⸗ 
indem Namen von erkaäannter Auiorität. 
Vermischtes. 
Nach einer Bekanntmachung der königl. 
Staatsministerien des Innern und der Finanzen 
zjelangen vom Jahre 1888 an im ganzen Umfange 
)es Königreichs gebührenfreie „Jagdtarten zum 
Betriebe von Aerarial-Regiejagden“ zur Einführung. 
Die Ausstellung dieser Jagdtarten, für welche die 
Formulare zum Unterschiede von den uübrigen Jagd⸗ 
arten⸗Formularen unter Benützung weißer Kartons 
Jjergestellt werden, erfolgt durch die Distriktspolizei⸗ 
dehörden auf Grund der Bedarfsanmeldungen der 
gl. Forstämter, und zwar für je ein Kalenderjahr. 
Das im Riegierungsbezirt der Pfalz bisher be— 
tandene Verfahren bezüglich der Ausfertigung von 
Jagdkarten für Aerarialregiejagden iritt vom Jahre 
1888 an außer Verwendung. 
F Die große deutsche Armee⸗Conservenfabrik in 
Maunz hat lange keine Erwahnung gefunden, und 
vurde vielfach bereits angenommen, daß diese im 
Jahre 1872 oder 1878 bom Staat bewirkte Fab⸗ 
ikanlage bereits als Lufgegeben erachtet werden 
önne. Nach einer Mi.theilung der „Jahrbücher 
uür die deutsche Armee und Marine“ ist dies jedoch 
nicht nur nicht der Fall, sandern hat der Betrieß 
ieser Fabrik gegenwärtig dereits den Aufschwung 
zenommen, daß bei einem Kriegsfalle von derselben 
aglich 500,000 Kaffeeportionen, 6000 Pferde⸗ 
cationen, 62,500 Portionen Buchsenfleisch, 82,500 
Zortionen Suppengemüse in Verbindung mit Fleisch⸗ 
aft, Fett und Gewürzen in Würfel- oder Scheiben⸗ 
orm, 160,000 Portionen Preßmehl und 92,500 
Bortionen Dauerbrod oder Zwieback geliefert werden 
önnen. An derselben Stelle wird von dem ge— 
zannten Organ noch auf den hohen Werth des 
Pferdefleisches als Ernährungsmittel einer Armee 
m Felde aufmerksam gemacht. Da das Pferde— 
leisch sich gegenwärtig bereits in beinahe allen 
daupt· und größeren Städten unter die dem Ver— 
auf anheimgestellten Ernährungsstoffe mit aufge 
iommen befindet, verdient dieser Fingerzeig jeden⸗ 
alls Beachtung. Das Fleisch der bei einer Schlacht 
jetödteten oder schwer verwundeten Pferde koͤnnie 
ur die auf dem Schlachtfelde lagernden Truppen 
ꝛei der dort beinahe immer so schlecht berucksich 
igten Verpflegung eine vortreffliche Aushilfe bieten. 
das Erfordern wäre nur, dem Genuß von Pferde⸗ 
leisch das abstoßende zu benehmen, das sich in der 
Vorstellung vieler Leute damit verbunden findet, 
ind kame es hierzu vielleicht nur darauf an, in den 
zrößeren Garnisonen, wo sich Pferdeschlächtereien 
refinden, das Pferdefleisch versuchsweise für einzelne 
'age in die Verpflegungslieferung mit aufzunehnen 
XRippsraor. (Der Teufel robr. 
Hier erzählt man sich folgende Geschichte: Der 
bei einem benachbarten Dorfe im Forsthause woh. 
nende Gutsfoörster X. hatte eine ziemlich erhebliche 
Summe Holzgelder mit nach Hause gebracht, dieselde 
in einen Wandschrank geschlossen und sich darauf 
in die Dorfschenke begeben, um sich von des Tage⸗ 
Lasten und Mühen bei einem Glase Bier und oh⸗ 
ligatem Solospiel ein wenig zu erholen, seinen 
heiden Söhnen von sieben und neun Jahren das 
Haus allein überlassend. Kurz nach seinem Fort 
Jange öffnet sich das Zimmer, in welchem die 
dinder sich befinden, und herein tritt unter furch— 
erlichem Gebrüll, mit einem Beil bewaffnet, ein 
Mann mit geschwärztem Gesicht und behangen mi 
dumpen und einer Thierhaut. Nachdem er die 
ꝛnaben hinreichend erschreckt glaubt, bedeutet et 
hnen, er sei der leibhaftige und wahrhafte Teufel, 
gekommen, um sie zu holen, wenn fie nicht sofori 
zeigten, wo Papa das Geld gelassen. Die Kinder 
zeigen auf den Schrank und fliehen in die an— 
stoßende Schlafstube. Bei der Aufmerksamkeit au 
das Geräusch, welches der Pfeudo⸗Teufel beim 
Aufbrechen des Schrankes verursacht. ermannt fich 
der Jüngste der Kleinen zuerst, buͤct auf die an 
der Wand hängenden Fliuten des Vaters und sagt 
zu dem älteren Bruder: „Komm, schieß den Teu 
sel todt.“ Dies Wort zündet, und, rasch entschlossen 
nimmt der Aelteste die stets geladene Jagdflinte, 
—DD für die Kinder, 
ritt in die Wohnstube und schießt ohne Weiteres 
den vermeintlichen Teufel in den Nacken, daß er 
leblos zur Erde stürzt. 
FGWestfälische Wurst.) In Paderborn 
sind ein Metzger und ein Wurstfabrikant, aus Lipp. 
stadt, welche das Fleisch krepirter Kuühe ver⸗ 
kauften, resp. zu Wurst verarbeiteten, zu je 9 
Ponaten Gefängnis verurtheilt worden. Derartige 
gesundheitsgefährliche Fabrikate werden dann mit 
einem kolossalen Aufwand von Reklame als be⸗ 
cühmte westfälische, braunschweiger oder Gothaer 
Würste vertrieben. Deshalb ist einheimische Wurst 
jedenfalls gesunder. 
FGer musicirende Winterrock.) Ver— 
schiedene Leute wollen sogar schon Spatzen auf 
dem Dache den Strauß'schen Walzer: „Nur für 
Natur“ pfeifen gehört haben; daß aber auch ein 
Winterrock, förmlich aus seinein Futter hinaus jene 
Melodie, und weit besser als die Spatzen auf dem 
Dache, erschallen lassen kann, dadon sollten sich 
kürzlich die Gäste eines Kaffeehauses in der inneren 
Stadt in Berlin überzeugen. Es war wirklich 
dine originell drollige Ueberraschung. Da wurde 
Scat gespielt, dort Schach, in den Fensternischen 
vurde gelesen, kein einziger, der in jenem Kaffee⸗ 
jause anwesenden Gäste erwartete etwas wie einen 
musikalischen Genuß, und da mit einem Male 
hüpften und schwirrten die lustigen Töne des 
Walzers „Nur für Natur“ durch den Raum. Alles 
erhob die Köpfe und horchte nnd spähte aus, woher 
die Musik komme; doch bald concentrirten sich aller 
Blicke auf einen in der Mitte des Lokales stehenden 
jungen Mann, der tief erschrocken sein Haupt nach 
auf⸗ und abwärts, nach rechts und links blitzschnell 
imher warf. Und dann drehte er sich um seine 
eigene Achse wie ein Kreisel, aber die verdammte 
Musik, die Musik drang ihm immerfort aus seinem 
Rücken heraus, immersort in leicht hüpfenden und 
wiegenden Tönen „Nur für Natur“. Mit dem 
Ausdrucke eines plotzlich von Wahnsinn Erfaßten 
wollte dann der junge Mensch aus dem Lotale 
hinausstürzen. In diesem Augenblicke jedoch wurde 
er von einem starkbeleinten Herrn, einem reichen 
Bäckermeister, am Arme erfaßt und genöthigt zu 
bleiben. Der Backermeister wand sich dor Lachen, 
der junge Mann stand da bleich uͤnd zitternd, 
indessen aus seinem Rücken unausgesetzt „Nur für 
Natur“ hervordrang, und die Gäste hielten Augen 
und Ohren offen und erwarteten mit Spannung 
die Lösung dieses musikalischen Räthsels. Endlich 
Jjebot der Bäckermeister dem jungen Manne, den 
Rock abzulegen. Schon einige Jahre hintereinander 
var ihm im Kaffehause der Winterrock gestohlen 
vorden. Er sann auf ein Mittel, um bei einem 
abermaligen „Griff“ nach seinem Winterrocke den 
Dieb in flagranti ertappen zu können. Zu diesem 
Zwecke hatte er sich um schweres Geld ein Spiel⸗ 
werk angeschafft, einen halben Schuh hoch und 
ebenso breit und einen Zoll stark. Dieses Werk 
hatte vorstehende Federn; wurden diese nur ganz 
eise berührt, so fing das Werk augenblicklich zu 
pielen an und zwae fas ebenso laun, wie i 
X 
före