Full text: St. Ingberter Anzeiger

darin nicht vorwiegend den Zweck verfolgt, sich 
felbst zu rechtfertigen, sondern die Ereignisse erzählt 
nd sprechen lüßt. Dem Texte sind 11 Karten 
Fer Umgebung von Mez und verschiedener Schlacht⸗ 
elder, dier kolorirte und sieben schwarze, außerdem 
ahlreiche amtliche Schriftstücke, Briefe, Depeschen 
u s. w. beigefügt. Darunter befindet sich ein 
Rtapport, den Bazaine dem auf Wilhelmshöhe ge— 
angenen Kaiser Napoleon III. erstattete, und der 
mit Randbemerkungen von der Hand des Kaisers 
versehen ist, sowie ferner ein Schreiben, das der 
Marschall am 14. September an die Kaiserin 
Fugenie richtete, um ihr den Rath zu ertheilen, 
je möchte zu Pferde steigen und sich an die Spitze 
er Metzer Truppen stellen. 
Im folgenden Passus entwickelt der Verfasser 
t „Episodes de la guerre de 1870*, was nach 
einer Ansicht hätte geschehen müssen, um nach den 
in Anfange des August 1870 erlittenen ersten 
zchlappen größeren Niederlagen zuvorznkommen: 
„Der Kaiser Napoleon III. hatte die Lage 
chtig beurtheilt, als er den Rückzug auf Verdun 
mordnete; aber man hätte diese Bewegung mit 
znischlossenheit ausführen und namentlich die im 
zlsaß stehenden Truppen auf der nämlichen Höhe 
ehalten sollen, wie diejenigen Lothringens, um die 
rechte Flanke dieser letzteren nicht vollständig bloß 
zu geben. Diese brachten leider ihren Rückzugs— 
marsch nicht mit demjenigen der elsässischen Truppen— 
törper in Einklang, welche sich mit ihnen vereinigen 
vollten, aber es nicht vermochten, weil das ent— 
nuthigte Heer in seiner Uebereilung eine diver— 
gsirende Marschroute eingeschlagen hatte. So mußte 
nan die Vertheidigung des Moselbeckens aufgeben 
ind zugleich auf die Deckung durch die Vogesen 
erzichten, welchen die doppelte Rolle vorgezeichnet 
st, auf dem einen Abhange die Mosel- und auf 
dem anderen die Rheinlinie zu schützen. Lothringen 
ind Elsaß sind ganz militärische Gebiete, deren 
Bodenbeschaffenheit und einheimischer Patriotismus 
wie für einen nationalen Widerstand gemacht scheinen. 
Man hätte daher im Voraus Hilfsmittel vor— 
vereiten sollen, welche der Muth der Einwohner in 
dem Augenblicke der Gefahr verhundertfacht. Die 
berantwortung für die Besetzung von Weißenburg 
jegt dem Marschall Mac Mahon ob, und die Un— 
vissenheit, in der er sich hinsichtlich der Bewegungen 
ys Feindes befand, ließ ihn die Schlacht von 
Fröschweiler unter allerseits ungünstigen Beding— 
ingen annehmen. Das fünfte Korps — General 
Faillh — hätte in den Vogesen bleiben, die dor— 
igen Pisse vertheidigen und den Widerstand der 
Finwohner, mit Pfalzburg als Basis, organisiren 
ollen, während das siebente Korps — General 
gelit Douay — sich dem ersten Korps hätte an— 
hließen, und der Marschall Mac Mahon in Defen— 
ibgefechten hinter die Sufallinie zurückgehen müssen, 
wvo die Lage für ein befestigtes Lager günstig war, 
jon dem aus er Straßburg so lange hätte decken 
onnen, als nöthig war, um seine Wälle zu ver— 
hollständigen und ihm eine genügende, noch nicht 
untmuthigte Garnison zu verschaffen. Das zweite, 
xitte, vierte, sechste Korps und die kaiserliche Garde 
satten in Saint-Avold und Kadenbronn, mit Metz 
is Operationsbasis, in staffelförmigen Stellungen 
en Rückzug der elsässischen Truppen schützen und 
hnen Zeit gönnen sollen, die Eisenbahnschienen, 
dunnels, Brücken und andere Kunsistraßen zu ver— 
aichten, was leider nicht geschehen konnte, weil der 
dückzug in Verwirrung, unter panischem Schrecken 
vor sich ging, und der Feind daraus sogleich großen 
dutzen zog, um sich rascher der Operationdlinien 
yes lothringischen Heeres zu bemächtigen. 
Das ist die Ursache der Niederlagen, die wir 
iez des guten Willens Aller, unseren Waffen zum 
Siege zu verhelfen, kurz nach einander erlitten 
f.Die Duellwuth) grassiert in allen Pa— 
iser Kreisen derart, daß sich neuerdings zwei Köche, 
welche wegen einer Sauce in Streit gefordert haben. 
hraispieße wären passender. 
Großer Diebstahl.) Einem Kauf— 
dann von Lyon wurde auf seiner Heimreise aus 
Jialien im Eisenbahnwagen die Geldlasche gesohlen, 
belche 270,000 Fri in Diamanten und 6000 Fr. 
n Papiergeld enthielt. 
7 Ein Säbelduell zwischen Damen.) Die 
Ithawe. daß in Wien und Pariis Fürstinnen 
Floret mit Geschick führen lernten, hat auch 
ine Damen Roms veranlaßt, einen Damen⸗Fecht⸗ 
d zu gründen. Wie die „Gazetta d'JItalia“ 
* et, hat vorgestern im Bosco Sacro vor dem 
or San Sebastiano ein Säbelduell stattgefunden 
zwischen der Contessa Emilia ** und dem Fräu— 
ein Clotilda *, Gleich beim ersten Gang em— 
oafing die Contessa eine leichte Verwundung an der 
Schulter, und obwohl das Blut ihren junonischen 
Arni überfluthete, wollte sie fortfahren. Beim 
‚weiten Gang empfing Fräulein *** einen Hieb 
iber die Stirn. Die Wunde ist schwer, jedoch hat 
der Arzt Dr.“*** jedwede Gefahr ausgeschlossen. 
Beide Gegnerinnen haben even soviel Kaltblütigkeit 
wie Muth bei dieser Gelegenheit bewiesen.“ 
F (Geutsche Schulen in der Türkei.) 
Ein Corresspondent des „Berl. Tagbl.“ schreibt 
darüber Folgendes: Es ebbt und fluthet in Allem 
vas Leben hat, und nicht zum Mindesten in den 
Sprachen und ihren territorialen Grenzen. Diese 
derschieben sich, gehen vor- und gehen rückwärts. 
Es ist in diesem Blatte Klage geführt worden, daß 
das Deutschthum, soweit es durch die Sprache zum 
AMusdruck kommt, in der Schweiz im Rückgange be— 
zriffen sei. Das harte „Schweizer-Deutsch“ wird 
dort durch ein besser gesprochenes Französisch ersetzt. 
Vielleicht ist gar allein die schweizerische Zunge „an 
sich‘' daran schuld, die sich leichter dem Franzö— 
sischen anpaßt. Schon ist aber darauf hingewiesen 
vorden, daß an der nämlichen Westgrenze des 
Deutschthums, wo im Süden sich die Grenze des— 
selben einengt, sie im Norden sich ausdehnt, indem 
die Vlamländer ihre germanische Mundart ausbil— 
den und deutsche Sprache zu kultiviren beginnen. 
Für das, was die deutsche Sprache in Oesterreich— 
Ungarn in neuester Zeit an Ausdehnung und vor 
Allem an Wertschätzung einbüßt, findet sich nun 
auch ein Ersatz, und zwar weiter östlich im gesamm— 
ten türkischen Staatsgebiet. Das Deutsche beginnt 
in der Levante dem Französischen vor Allem in 
seiner Eigenschaft als Erziehungs- und Bildungs— 
prache Konkurrenz zu machen. Das Deutsche wird 
Mode im Orient, es hat das Englische verdrängt, 
benso wie in den letzten Jahrzehnten das Franzö— 
äsche die italienische Sprache verdrängt hat. 
Interessant und wichtig ist hierbei, daß sowohl 
das herrschende Volk, die Osmanen, als Griechen 
und auch Armenier sich der Erlernung und dem 
Bebrauch der deutschen Sprache zuwenden. Daß 
im Verwaltungs- und Betriebsdienst der türkischen 
Fisenbahnen in Europa das Deutsche neben dem 
Französischen seit Jahren in Gebrauch ist, fällt als 
Beweis dafür ins Gewicht, welchen Rang die 
eutsche Sprache im Handel und Verkehr einnimmt. 
Sind erst einmal die Anschlußlinien nach Oester— 
deich gebaut und im Betriebe, so wird das Deutsche 
auf der ganzen Linie mit der Zeit überwiegen. 
Bedeutsamer dagegen ist die Stellung des Deutschen 
als Erziehungs- und Lehrsprache in der Schule 
und Haus. Die „französische Gouvernanten Civili— 
ation“ wird von der deutschen Schule im türkischen 
Drient siegreich aus dem Felde geschlagen. Aehn— 
ich wie in der französischen Armee — jedoch nicht 
zu so feindlichen Zwecken — wird in den Offiziers 
korps der ottomanischen Armee die Erlernung der 
deutschen Sprache eifrig betrieben. Für die höhere 
Militärschule ist sie als obligatorisch in den Lehr— 
»lan aufgenommen. Im Galata Seraj, der höch— 
ten türkischen Bildungsanstalt, die ein Mittelding 
wischen Gymnasium und Universität darstellt, wird 
ruch Deutsch gelehrt, was in früheren Jahren nicht 
der Fall war. Und es ist eine verbürgte Thatsache, 
jelbst in türklischen Familien erlernt man das Deutsche, 
also bis in die Harems dringt es ein. Die Bil—⸗ 
dungsanstalt für junge Mädchen vornehmer türkischer 
Familien in Stambul wird von einer Dame gelei⸗ 
et, die eine geborene Deutsche ist; den jungen 
damen — bei deren Prüfung im vergangenen 
Zommer der deutsche Vertreter werthvolle, vom 
deutschen Kaiser geschenkte Bracelets zur Vertheilung 
brachte — wird unter anderen schönen Sachen 
namentlich Deutsch gelehrt. Dasselbe ist in einer 
neuerdings gegründeten Anstalt der Fall, welche 
jzunge türkische Damen für das Lehrerinnenfach 
ausbildet. Französisch kann im Orient mehr oder 
veniger Jedermann, der nicht Wasserträger oder 
Eseltreiber ist, aber die Kenntniß des Deutschen 
unter Eingeborenen gilt allgemach als ein Zeichen 
orgfältiger, resp. wissenschaftlicher Erziehung. Das 
Deutsche ist vielleicht bestimmt, die Sprache der Ge— 
bildeten im Orient zu werden, und es ist dabei 
jedenfalls ein Vortheil, daß es nicht, wie das Fran⸗ 
zösische, auf dem Markte und hinter dem Ladentisch 
erlernt resp. aufgeschnappt wird. In gebildeten 
zriechischen Familien wird das Deutsche geradezu 
zepflegt, eine Art dankbarer Erwiederung des Eifers 
nit dem daheim die griechischen Klassiker gepflegf 
werden. Feindselig gegen das Deutsche verhalten 
sich nur aus politischen Gründen und in Rücksicht 
hrer slavischen Rasse die Bulgaren, aber das Schick— 
jal will es, daß sie ihre vornehmeren Töchter nach 
Ottakoj fchicken, wo sie mit deutschen Mädchen zu— 
sammen deuisch unterrichtet werden. 
Der Widerwille der Bulgaren hat es auch nicht 
»erhindern können, daß in Sofia eine deutsche 
Schule errichtet worden ist. In Ostrumelien, wo 
die Bulgaren frei hausen, wird das Deutsche an 
der Schule von Sliono nicht mehr unterrichtet, in 
Philipopel ist noch weniger eine einheitliche Stätte 
für deutschen Unterricht, in Adrianopel wird jdoch 
die unterbrochene Etappe wieder aufgenammen, dort 
vird in kürzester Zeit eine deutsche Schule für die 
dinder der Bahnbeamten errichtet werden, eine 
andere deutsche „Eisenbahnschule“ ist bei Konstan— 
tinopel in Yedi Kule vorhanden und Pera weist 
ichließlich eine blühende deutsche Schule mit dem 
Charakter einer höheren Bürgers resp. Töchterschule 
auf, die neben 88 deutschen Knaben und Mädchen 
und 74 Schülern österrreichisch-ungarischer Natio— 
nalität 110 Zöglinge aller europäischm Nationen, 
darunter auch Spanier, Portugieser und Belgier 
aufweist. In einer österreichischen Schule der von 
der Alliance Israelite gegründeten jüdischen Schule 
wird ebenfalls deutsch unterrichtet, ebenso in den 
katholischen Schulen von St. George und St. Benoit, 
ja sogar in einer schottischen Missionsschule ist die 
Unterrichtssprache, für die Knaben wenigstens, deutsch. 
Alle Schulen, von denen die erstgenannte nament— 
lich sich eines gegründeten Rufes erfreut, werden 
zumeist von nichtdeutschen Kindern besucht, alle 
iber lernen deutsch. Also „lieb' Vaterland magst 
ruhig sein“s: was die deutsche Sprache in der 
Schweiz und anderswo an Terrain verliert, das 
gewinnt sie jetzt im Orient und mit der Zeit wohl 
doppelt wieder. 
Aufruf zur Konkurrenz. 
Die unterzeichnete Verlagshandlung fordert auf zu 
einer Konkurrenz für Malereien auf Porzellan, 
Majolika und ähnliche glasierte Irdenwaare. 
Weder die Wahl des Geräthes, noch der Technik, 
noch der Darstellung soll beschränkt werden, gefor— 
dert wird nur, daß die Malereien wirklich einge— 
»rannt sind. Das Gewicht wird bei der Beur—⸗ 
cheilung nicht auf etwaige plastische Ausbildung 
des Geräthes, auf elegante Fassung oder ähnliches 
Zubehör gelegt werden, sondern lediglich auf die 
virkliche Malerei; es empfiehlt sich daher die 
Wahl einfacher Formen, wie Teller, Nöäpfe, 
glatte Vasen. 
Die Konkurrenz hat den Zweck, künstlerische 
Fräfte, sowohl Fachleute als Dilettanten, zur Ver⸗ 
vendung ihrer Geschicklichkeit für die dekorative Kunst 
inzuregen und durch Zusammenstellung und Ver—⸗ 
zleichung der verschiedenartigen Leistungen aus ganz 
deutschland und den benachbarten Ländern deutscher 
Zunge die Kunstfertigkeit zu fördern. Vor allem 
hofft die Verlagshandlung den Frauen durch Be— 
örderung der Liebhaberei auf diesem Gebiet in 
Deutschland einen neuen Erwerbszweig eröffnen 
zu können. 
Auf Wunsch der Verlagshandlung haben das 
Amt der Preisrichter freundlichst übernommen die 
Herren: 
Grunow, erster Direktor des Kunstgewerbe— 
Museums, 
Professosr Ernst Ewald, Direktor der 
Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbe-Museums, 
Professor Dr. Lesssinng, Direktor der Samm— 
lung des Kunstgewerbe-Museums, 
Geheimer Regierungsrath Professor Reuleaur, 
Vorsitzender des Vereins für deutsches Kunst⸗ 
gewerbe. 
Zur Vertheilung von fünf Preisen sind 
fünfhundert Mark ausgesetzt. 
Die fertigen Arbeiten sind bis zum 28. April 
cr. an die Expedition des „Familienblatts“ in 
Berlin, 8W., Dessauerstraße 12, einzuliefern. 
Dieselben sollen nach einer Vorprüfung durch die 
Juri öffentlich in der Art in Berlin ausgestellt 
werden, daß auch ein Verkauf derselben nach Be—⸗ 
timmung des Einsenders stattfinden kann. 
Wir verweisen auf den in Nummer 4 des 
Familienblatts enthaltenen Aufsatz, mit welchem 
auf unsern Wunsch Professor Dr. Julius Les—⸗ 
ing die Konkurrenz einleitet. 
die Verlagshandlung von Schorers Familienblatt. 
Für die Redaktion verantwortlich F. X. Deme tz.