x»ÿal. Iugherfer Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
hr St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wöchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗
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51.
»Die sociale Frage — ein Problem
der Culturarbeit.
In den socialen und wirthschaftlichen Kampfen
er Gegenwart spielen der Gelderwerb und die
rapitalbildung die größten Rollen; um diese beiden
inge dreht sich geradezu die ganze sociale Frage.
ie Socialdemokraten nehmen amm Gelderwerb und
er Kapitalbildung den größten Stein des An—
oßes, denn sie schlagen zur Lösung der socialen
rage nicht eine Vermehrung des Gelderwerbes vor,
ondern wollen dieselbe durch Aufhebung alles
zeldes und Privatbesitzes durch eine phantastische
gütergemeinschaft lösen. Was ist aber überhaupt
held, Kapital oder Vermögen? — Weiter nichis
ls Arbeit, Culturarbeit der Menschen; denn sind
oir nicht in der Lage für jene drei Dinge im
aschen Umsatz Arbeitsleistungen irgend welcher Art,
tien es um persönliche Dienste, Waaren, Rerkehrs
ienste u. s. w., einzutauschen, so sinken dieselben
norm in ihrem Werthe oder werden geradezu werth—
os. Nur die Vermehrung der Arbeitsleistungen
ind der damit verbundene größere Gelderwerb ver—
adgen daher allein die sociale Frage nach und
ach ihrer Lösung näher zu bringen.
Aber da werden uns die Menschenfreunde er—
idern: „Also die schwieligen Hände der Arbeiter
nnd die geplagten Köpfe der Kaufleute, Industriel—
en. Gelehrten und Forscher sollen noch mehr, von
ahr zu Jahr mehr leisten, noch meht leisten ohne
srenzen?“ — Ja, dies sollen sie allerdings, aber
hne Vermehrung ihrer Arbeitsplage; denn in den
zten hundert Jahren hat die Cultuͤr Arbeilslei—
ungen gewonnen, welche Millionen und abermals
dillionen von Menschenkräften ersetzen und die
h daraus ergebende Vermehrung der Produktion
qallen Gütern muß allmälig in einem allgemei⸗
en und großen Maßstabe allen Menschen zu Gute
mmen, hat auch schon bedeutend dem gegenwärti⸗
n Geschlechte zum Vorthrile gereicht. Sind doch
le Männer der Gegenwaͤrt, welche die allgemeine
utzbarmachung der Dampfmaschine und den Bau
er Eisenbahnen sahen, schon Zeugen eines gewal⸗
en wirthschaftlichen Aufschwunges und eines sich
orbereitenden gesellschaftlichen Umwandlungspro⸗
sses gewesen. Sind nun auch seit der Erfindung
er Dampfmaschine im Zeitalter des Dampfes be—
eils die riesigsten Fortschritte in der Kräfteerzeug⸗
g und Kräfteersparung gemacht worden, so be⸗
uden wir uns doch noch lange nicht an der Grenze
etselben, ja es ist für diese Produktion und Er—⸗
Aurniß angesichts der sich von Jahr zu Jahr meh—
enden Erfindungen und dem Vorhandensein unge⸗
euerer für die Culturzwecke noch nicht nutzbar ge⸗
achter Nauurkräfte von einer Grenze überhaupt
icht zu reden. Hat nun aber beceus di Dampf⸗
naschine durch ihre Kräfteproduktion bereits in we⸗
ugen Jahrzehnten die ganze Weli umgestaltet, so
nüsen wir an den einma gewedten Erfindungs⸗
eist, an die gehobene Intelligenz der Volker und
eweitere Verbreitung wissenschaftlicher und tech⸗
ischer Kenntnisse noch viel größere Hoffnungen
Abhen, zumal wir bereits in einer neuen großen
indungsepoche leben, in welcher der electrische
8 berufen erscheint, in vorlheilhafterer Weise
— der Dampf Krätte zu erzeugen und vor allen
8 weiter zu leiten. Daraus wird sich aber
e auch ein leichterer Gelderwerb und größere
* albildung ergeben und da mit diesen Errungen⸗
eRauch die Fortschritte auf dem Gebiete der
landwirthschaft, fuͤr die überdies mn ent
Dienstag, 13. März 1883.
18. Jahrg.
Strecken gewonnen werden können, Hand in Hand
—
äefeinschneidende Verbesserungen unserer socialen
Berhältnisse ergeben und die Hebung derselben ist
ediglich die Aufgabe der fortschreitenden Culturar—
eit und kann nicht durch schöne Phrasen und
Nolksbealückunasideen erreicht werden.
wurde zum Minister des Auswärtigen ernannt.
Diese Ernennung war nach den Skbobeleff'schen
Brandreden wohl die beste Genugthuung, weiche
der Kaiser Deutschland und dem friedeliebenden und
rriedebedürftigen Europa geben konnte. — Seit
Bortschakoffs Ernennung im Jahre 1857 ist es
Jauptsächlich seinem Einflusse zuzuschreiben, daß sich
Alexanders II. Regierung von der früheren tradi—
tionellen Politik losmachte und neue politische Ver—
bindungen suchte. Es sei darüber im Allgemeinen
nur gesagt, daß seine Tendenzen rein punslawistische
varen und daß seine Handlungen aus dem Pansla—
pismus entsprangen. Nach dem deutsch⸗franzosischen
riege konnte Fuͤrst Gortschakoff die Konzessionen
nicht verschmerzen, welche Fürst Bismarck als Vor—
itzender des Berliner Kongresses der russischen Politik
m Interesse Oesterreichs und des europäischen
Friedens abgerungen hatte. Schon seit unseren
Siegen über Frankreich von einem gewissen Neide
jegen Deutschland erfüllt und zuweilen geneigt, in
den Ton der früheren Oberherrlichkeit zurückzufallen,
dürfte er seit dem Berliner Kongreß als der ent—
chiedenste Gegner Deutschlands und als der Pro—
ektor aller panslawistischen Bestrebungen gelten.
von ihm war denn auch der von vornherein ge—
cheiterte Versuch ausgegangen, Frankreich für eine
zegen Deutschland gerichtete Allianz mit Rußland
zu gewinnen. Seit diesem Fiasko hatte sich der
hochbetagte Staatsmann gänzlich von den Geschäften
zurückgezogen; war es doch die größte Niederlage,
die seine Politik je erlitten! Die Ereignisse sind
noch in Aller Gedächtniß, sie führten zum Abschlusse
des deutscheösterreichischen Bündnisses, das Rußland
zum diplomatischen Rückzug zwang und der poli—
tischen Lage unserer Zeit ein durchaus verändertes
Ansehen gab.
Mainz, 12. März. Gestern Nachmittag fand
bei einer ganzen Reihe von Personen, von welchen
man wußte, daß sie früher der socialdemokratischen
Arbeiterpartei angehörten, Haussuchungen nach ver—
botenen Schriften, socialistischen Inhaltes stati; ein
in der Neustadt wohnender Schuhmacher, der im
Verdacht steht, diese Schriften vertheilt zu haben,
wurde noch gestern Abend auf Antrag der Staats-
anwaltschaft verhaftet. Wie wir hören, geschah die
Haussuchung auf Antrag von auswärtigen Staats⸗
behörden.
Berlin, 11. März. Mit dem Fürsten Gort⸗
schakoff ist der fünfte von den Unterzeichnern des
Berliner Vertrags aus dem Leben geschieden. Be—
reits vorangegangen sind ihm Mahmud Ali. Bülow.
Beaconsfield und Haymerle.
Berlin, 12. März. General Verdy du
Vernois ist aus dem Kriegsministerium ausgeschieden
und zur anderweitigen Verwendung gestellt worden.
Berlin, 12. März. Die National⸗Zeitung
vill wissen, daß dem Kaiser seit acht Tagen ein
Demissionsgesuch des Generals von
Stosch vorlicge; ob eine und welche Entschließ⸗
ung darauf erfolgt sei, ist ihr unbekannt.
Nicht nur mit einem Feldmarschallstab beschenkt,
sondern zum wirklichen Feldmarschall hat der
deutsche Kaiser den Prinzen von Wales
ernannt. Die betreffende Rektifikation der „Nati—
onalzeitung“ war unklar; einem nicht zum Mit—
gliede seiner Armee ernannten Prinzen hätte doch
der Kaiser wohl auch keinen Marschallstab schenken
önnen. Die „Südd. Pr.“ bemerkt zu dieser auf⸗
'allenden Verleihung: „Jene einem ganz unmili⸗
ärischen Prinzen von einem so kriegerischen Regen⸗
en wie dem Oberfeldherrn der deutschen Nosion
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Aus der Rheinpfalz, 10. März, wird
em „Fr. J.“ u. A. geschrieben: „In Betreff
inseres Volksschulwesens steht eine Regierungsver⸗
rdnung bevor, die wohl schon mit Beginn des
nächsten Sommersemesters in Kraft treten dürfte.
Neben einer neuen Regulirung des Ferienwesens
ind der Zeit der Schulaufaahme und Schulentlas—
ung sind es hauptsächlich die Bestimmungen über
die Behandlung der Schulversäumnisse, die einer
Abänderung respektive schärferen Fexirung bedürfen.
Die Vorschriften der seit dem 10. August 1872
in Kraft bestehenden diesbezüglichen Regierungs—
entschließung über die Behandlung der Schul—
hersäumnisse haben sich theilweise als zu unbe—
timmt oder als undurchführbar erwiesen. In
zeiderlei Hinsicht war der subjektiven Anschau—
ung der mittleren Schulaufsichtsorgane, der
aistriktiben Schulbehörden, ein zu großer Spiel⸗
aum gegeben, in Folge dessen dann in den
inzelnen Bezirksämtern gar sehr verschieden in der
Verhängung von Schulstrafen verfahren worden ist.
ẽs soll nun beabsichtigt sein, die Fälle der Ent—
chuldbarkeit ganz im einzelnen genau und für ein⸗
jeitliche Behandlung zu präzisiren und insbesondere
nuch den Ortsschulkommissionen mit Rücksicht auf
hre genaue Kenntniß der lokalen Verhältnisse und
Personen gegen bisher erweiterte Competenzen zu
gestatten.
München, 11. März. Zu der Nachricht,
daß unser König durch Handschreiben an Kaiser
Alexander III. von Rußland das 1. baherische
Thevaurlegers-Regiment verliehen hat, dürfte —
zamit derselben nicht etwa eine größere oder gar
olitische Bedeutung beigelegt wird — zu bemerken
ein, daß dasselbe Regiment auch dem Vater des
kaisers, Alexander I., verliehen war, und zwar
chon am 80. Juli 1857; seit dem Ableben
llexander II. im März 1881 war das Regiment
acant. Unser Koönig ist seit circa 18 Jahren
Iberst⸗Inhaber des kaiserlich russischen Petersbur⸗
lischen Ulanen-Regiments Nr. 1und erscheint es
och nur als Akt der Courtoisie, wenn auch dem
etzigen Kaiser von Rußland das 1. baherische Che—
aurlegers-Regiment verliehen wird.
Bereits in voriger Nr. haben wir in Kürze
yon dem in Baden-Baden erfolgten Ableben
)es russischen Reichskanzlers Fürsten Gortschakoff
Mittheilung gemacht. Fürst Gortschakoff war ge—
„joren am 16. Juli 17988 und erreichte ein Alier
»on 84 Jahren. Am 3. April 1882 war es, als
ein kaiserliches Reskript den Fürsten Alexander
Bortschaloff von seinen Funktionen als Minister
»es Aeußeren enthob, indem es ihm gleichzeitig die
Würde eines Reichskanzlers beließ. Das Reskripi
ührte zwar als Grund der kaiserlichen Entschließ
ing lediglich den Gesundtheitszustand des Fürsten
m, aber es war von vornherein klar und hat sich
»ewahrheitet, daß unter dieser Hülle sich tiefere
Motive verbargen; denn der dermalige Staatssek—
etär im Auswärtigen Amte. Geheimerathey. Giers