Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs- 
Aatt und Sonntags mit Sseititgger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1/6 40 einschließlich Traͤgerlohn; durch die Post bezogen 16 60 H, einschließlich 
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M 52. I Donnerstag, 15. März 1883. 
—18. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
München, 18. Marz. Den bezüglich einer 
deorganisation der General⸗Bergwerks⸗ und Sa— 
inen⸗Administration in der Abgeordnetenkammer 
jehrfach ausgesprochenen Wünschen scheint nun 
venigstens theilweise entsprochen zu werden, denn 
ufolge den heute publizirten Dienstesnachrichten 
purden auf Grund organischer Verfügung zwei 
däthe dieser General-Administration in den Ruͤhe— 
and versetzt und derselben ein Regierungsrath und 
wvar aus der Finanzverwaltung beigegeben; dem 
egteren dürfte wohl auch bei den kuͤnftigen Bud⸗ 
eiberathungen die Vertretung des Etats genannter 
entralstelle in finanzieller Beziehung übertragen 
ind dadurch Irrungen, wie sie wahrend des letzien 
andtags bekanntlich vorkamen, vorgebeugt wer⸗ 
en (Pf. K.) 
Wie verlautet, beabsichtiut der bayerische Ge— 
mdte in Petersburg, von Rudhard, in Ruͤck⸗ 
qt auf seine schon lange angegriffene Gesundheit 
den Ruhestand zu treten. 
Aus Berlin wird der „K. 3.“ telegraphisch 
emeldet: In sonst gut unterrichteten Kreifen heißi 
ganz bestimmt: daß der Kaiser das Entlassungs 
esuch des Marineministers v. Stosch annehmen 
ierde, falls er es nicht bereits angenommen haben 
llte. Das Abschiedsgesuch soll nach langer Er— 
ägung und in Uebereinstimmung mit den nächsten 
reunden und Gönnern des Herrn v. Stosch, an 
eten Vorstellungen frühere ähnliche Absfichten ge⸗ 
heitert waren, vom Minister eingereicht worden 
ein. Ueber die Gründe dieses auffallenden Schrit⸗ 
sʒ sind hier die verschiedensten Angaben verbreitet, 
vch ist es bis jetzt nicht moͤglich, dieselben auf ihre 
tichtigkeit hin zu prüfen. Sicher und bekannt ist, 
aß seit längerer Zeit Reibungen zwischen dem 
hef der Admiralitaͤt und dem — 
efunden haben, und wahrscheinlich bleibt, daß man 
inen derartigen neueren Anlaß benutzt hat, die 
dinge endlich zum Bruch zu bringen. Der Chef 
er Admiralität soll selber, wie es üblich ist, seinen 
agegriffenen Gesundheitszustand als Grund des 
dückfrittes bezeichnet haben. — Als eventueller 
lachfolger des Herrn b. Stosch werden der Com 
nandeur des Nordseegeschwaders, Admiral Batsch. 
ind General v. Caprivi genannt. 
In dem Befinden des Reichskanzlers soll 
n den letzten Tagen zwar eine Besserung eingetre⸗ 
in sein, doch ist die Venengeschwulst nur im lang⸗ 
men Weichen begriffen und der Zustand des 
iürsten überhaupt noch keineswegs schmetzsrei Mel. 
ngen, welche auf einen eiwa um Oftern beab— 
quügten Domicilwechfel des Reichskanzlers hindeu⸗ 
n hegegnen deshalb begrundetem Zweifel. 
Ueber das „Kommissorium im Kriegsminister⸗ 
— LDelches dem neuen preuß. Kriegsminister, 
eneral Bronsart v. Schellendorf, nach 1866 
welcher Zeit er beim großen Generalstab war, über— 
agen worden, wird der „Magdeb. Zig.“ eine Er⸗ 
— mitgetheilt, die angethan erscheint, die 
dienste des neuen Kriegsministers und feinen 
uthel an den Erfolgen des Krieges 187071 
Richtigem Lichte zu zeigen Der Major Bron⸗ 
b. Schellendorff ist es in jener Zeit 1867 — 
— nämlich gewesen, der fast ganz allein und selbst⸗ 
ndig mit eigener Hand den Entwurf für den 
marsch der ganzen deutschen Armee gegen 
—5 angefertigt hat. Zur Beurtheilung der 
wierigkeit dieser Aufaabe maag daran erinnert 
— 1 
verden, daß in jener Zeit erst der Norddeutsche Bund 
jeschaffen worden war, daß mehrere neue Armee— 
orps formirt wurden und daß der Einfluß der 
reußischen Herresverwaltung auf die süddeutschen, 
»urch Konventionen verbundenen Staaten nur ein 
Jeringer war. Bronsart v. Schellendorff ist es ge⸗ 
vesen, der die gesammten Marschrouten entwarf 
alle Vorschriften für sämmtliche Eisenbahnverwal— 
tungen aufstellte. Ihm ist es mithin zum großen Theile 
zu verdanken, daß der Vormarsch in so überaus 
Jlücklicher, schneller und vor Allem ungesiörter Weise 
gelungen ist. 
März. Die des Kindmords angeklagte ledige Tag⸗ 
ierin Margaretha Winter von Homburg, 24 3. 
1., wurde im Sinne der Anklage unter Ausschluß 
nildernder Umstände schuldig befunden und in ein⸗ 
Zuchthausstrafe von 4 Jahren verurtheili. — Mit 
„ieser Verhandlung fand die Schwurgerichtssession 
ür das J. Quartal ihren Schluß. 
— Kusel, 18. März. In verschiedenen Ort⸗ 
chaften unseres Bezirks ist die Maul. und Klauen— 
euche unter dem Vieh ausgebrochen. In einigen 
Orten ist fie jedoch wieder im Erlöschen begrifsen. 
— Wie beliebt die Actien der Gasanstalt 
saiserslautern sind, konnte man bei einer 
um 12. März daselbst abgehaltenen Versteigerung 
vahrnehmen. Für 4 Gasacltien im Nominalwerthe 
von je 200 M. wurde die hübsche Summe von 
2175 M. erlöst. Der niedrigste Preis war 340 
und der höchste 555 M. pro AÄctie 
— Das S. W. in Bergzabern schreibt: 
Der Nachwinter, welcher uns jetzt so wenig an— 
— Wetterkundigen als ein sehr 
jutes Zeichen berachtet. Forstleute, Gärtner und 
Zauern prophezeien einen zwar späten, aber herr⸗ 
ichen Frühling und einen stetigen, langen Sommer. 
doffentlich erweist sich diese Vorhersage einmal als 
utreffend.“ Der Eilbote erinnert zum Trost für 
)en eingetretenen Winter an das Jahr 1865, wo 
s bis zu Ende des Monats März schneite, dann 
iber sofort der Sommer eintrat, der eines der 
ʒesten Weinjahre unseres Jahrhunderts im Gefolge 
zatte. 
— RVon der Isenach, 18. März. (Jagd⸗ 
zlück.) Ein „Sauweiter“ ift zur Zeit in verschie⸗ 
denem Sinne. Das hat ein Frankenthaler Nim⸗ 
'od, Herr Hergelrat, auch erfahren, als er letzter 
Tage im Höninger Walde mit zwei Treibern ein 
leines Jagen auf Sauen veranflaltete. Mit zwei 
dugeln schoß dieser wackere Jäger nicht weniger 
ils 7 Sauen! Und das ging also zu. Auf den 
ersten Schuß fiel eine Bache don 185 Pfund, die 
zeim Aufbrechen nicht weniger als 5 lebendige 
Jungen irug; beim zweiten Schuß purzelte ein 
unger Keuler von 90 Pfund. In Summa gibt 
es fast 8 Centner Saufieisch auf 2 Schuß, erlegt 
»on einem Mann, und solches hat sich zugetragen 
nicht an Fastnacht oder am 1. April, sondern in 
diesen Tagen und ist wahr bis auf den Tupf! (Pf. K.) 
Tvermic — 
F Freiburg, 183. März. Die Verhand⸗ 
ungen im Hugstettener Eisenbahnprozeß beginnen 
im 9. April und werden vier Tage dauern. Es 
ind über 100 Zeugen und noch weitere acht Sach⸗ 
»erständige zu vernehmen. (Fr J) 
F Ueber die Noth in der Eifel schreibt 
die „Rhein. Westf. Post“: Der Eifler nagt nun 
eit 8 Jahren, die wir fort und fort Mißernten 
jatten, jedes Jahr einige Monate am Hungertuch; 
n so langer Zeit gewöhnt man fich ans Hungern. 
Der Eifler, welchem das Knurren des Magens 
eme unbekannte Mnsik mehr ist, verspeist schon 
eit einige Wochen seine wenigen Saatkartoffeln 
ind denkt gar nicht daran, daß auch diese in den 
neisten Orten im nächsten Monai zu Ende gehen. 
kr ißt, weil er augenblicklich noch etwos hat, und 
venn's alle ist, hört er auf. Auf dem Felde ist 
nichts, Arbeit gibt's nicht, hat's nie gegeben, und 
wenn's nun naͤchstens vollends auch nichts mehr 
zu essen gibt, weil alles angefault ist, dann legt 
der Eifler sich hin und — verhungert; ändern 
aßt sich das doch nicht. Und daß er so grausam 
lethargisch ist dark man ihm nicht eiima h⸗erdoufon 
Ausland. 
Paris, 13. März. Louise Michel ist in 
Lyon und hält dortselbst Brandreden im Gymnasium 
zouis le Grand. In Paris ist heute eine Schüler⸗ 
evolte ausgebrochen, die noch tobt. Die Polizei 
st mit den Schülern handgemein geworden. (Eine 
pätere Nachricht meldet: Die Revolte im Gymna⸗ 
ium Louis-le⸗grand war sehr ernst. 270 Primaner 
ind relegirt worden. Das Gymnasium wird von 
er Polizei überwacht.) 
Paris, 14. März. Agence Havas dementirt 
das von der Times erwähnte Gerücht einer even⸗ 
uellen Demission Grevy's. 
Bukarest, 18. März. Die Journale kün⸗ 
»igen die Reise des Königspaars nach Wien und 
Berlin an und conjecturiren über den Zusammen⸗ 
ang derselben mit der Donaufrage. 
Lotale und pflzische achrimen. 
*St. Ingbert, 15. März. Der Nota— 
iatspraktikant Hert Ernst Wiest von Blieskastel 
vurde als Amtsverweser des kgl. Notars Herrn 
Zauer dahier ernannt. 
*St. Ingbert, 15. März. Die H.H. 
Ober⸗Berge und SalinenrätheF Sickenberger 
ind E. Müller in München wurden auf Grund 
erganischer Verfügung unter Anerkennung ihrer 
angjährigen treuen Dienstleistungen in den Ruͤhe— 
tand versetzt. (Siehe Artikel unter München.) 
() Blieskastel, 14. März. Es wird immer 
chöner hier! Nachdem erst kurz, wie ich Ihnen 
erichtet, eine Gesellschaft hoffnungsvoller Knaben 
‚iesiger Stadt die Kost des hiesigen Gefängnisses 
iuf einige Tage versucht hatten, hat wieder eine 
ihnliche Gesellschaft, bestehend aus Werktagsschülern, 
die Reise hinter die gefürchteten vier Mauern an— 
jetreten, um eine mehrtägige Haft abzubüßen, 
velche sich diese Jungen durch grobe Mißhandlung 
ines Schülers der hiesigen Präparandenschule zu— 
gezogen haben. 
— Von der Blies wird der „Zw. Zig.“ 
rerichtet: Am letzten Sonntag wohnten wir einem 
donzerte des Gesangvereins Webenheim an. Ein 
zöchst erbaulicher Genuß wurde uns dabei durch die 
lassischen und humoristischen Vorträge eines Mit- 
liedes dieses Vereins, des Ackerers Ludwig Konrad 
Schwarz, — wie uns sein Name genannt wurde 
— bereitet. Hatten wir zwar schon Rühmliches 
von den Leistungen dieses Deklamators vom Pfluge 
rzählen hören, so wurden mmsere Erwartungen doch weit 
ibertoffen und wir geradezu zur Bewunderung hin⸗ 
zerissen, namentlich durch die von ihm selbst ver— 
aßten, humoristischen, den Lolalverhältnissen ange⸗ 
aßten Gedichte. Es herrschte auch unter den Be— 
annten desselben nur eine Stimme: es sei Schade, 
aß dieses Talent an den Pflug gebannt blieb. 
Bir wünschen, derselbe möge den betretenen Weg 
iicht verlassen und bei derartigen Gelegenheiten uns 
och öfter erfreuen und ergötzen.“ 
MflLzisches Ghmira⸗3448 19