Full text: St. Ingberter Anzeiger

einigermaßen erhebliche Beträge auf einmal zu 
entrichten, durch Vereinbarung über Abzahlung ꝛc. 
entgegenzukommen, welche zur Folge haben, daß 
der CEinirag in die Liste der säumigen Zahler nicht 
erfolgt, so lange die Zahltermine pünktlich einge⸗ 
halten werden. Die stetige Ausdehnung des Ver⸗ 
handes der auf genau gleichen Statuten basirenden 
Vereine Kreditreform“ wird rastlos durch speziell 
aufgestellite Organisatoren betrieben, um thunlichst 
bald ein dichtes Netz derselben über ganz Deutsch- 
land auszubreiten. Es ist dies zur Durchführung 
eines erfolgreichen Mahnverfahrens bei ausgebreiteter 
Kuudschaft von größter Wichtigkeit, da nur lokale 
Mahnlisten erfahrungsmäßig wirklich wirksam 
find. Es bedarf wohl nicht erst eines Hinweises 
darauf, daß die bereits jetzt für ganz Deutschland 
durch die Vereine ertheilte Auskunft mit der Zu⸗ 
nahme des Verbandes gegenüber den privaten Aus⸗ 
kunftsbureaux durch ihr großartiges Material einen 
unendlich hoͤheren Werth erhält. — Schließlich 
wollen wir die Mittheilung anfügen, daß es beab⸗ 
sichtigt ist, jedem Mitgliede eine nach Vereinen ge⸗ 
orbnete Zusammenstellung aller Listen sämmilicher 
Vereine zuzustellen, über deren großer Werth es 
keiner Auseinandersetzung bedarf. 
— Das Hilfskomite für die Wasserbeschädigten 
des Kantons Kandel hat sich aufgelöst, weil das 
Zentralkomite in Speier und das Bezirksamt Ger⸗ 
mersheim ihm nicht zu Willen gewesen sind und 
seine Forderungen nicht erfüllt haben. 
— Vom untern Gebirg schreibt das „Pf. 
J.“: Die Neuen sind jetzt abgestochen und liegen 
da wie Blei, denn Niemand fragt danach. Gleich 
nach dem Herdste hatten wir starke Nachfrage vom 
Oberland und Mannheim, wozu sich dann auch 
mehrere Weinhändler von der Mosel gesellten. Wer 
—V— gethan, denn in 
Folge der großen Stille gehen die Preise der 82er 
auf“ der ganzen Linie zurück. In Weisenheim, 
Kirchheim, Bockenheim, Gerolsheim u. s. w. können 
heute um M. 200 - 250 sehr brauchbare 82er ge⸗ 
kauft werden, wofür man kürzlich noch 300 Mark 
per 1000 Liter verlangte, die gleiche Ruhe kann 
auch vom Fruchtgeschäft gesagt werden, denn über⸗ 
all ist Angebot aber keine Nachfrage. 
Kirchheimbolanden, 17. März. Heute 
wurde die gegen die letzten 2 im Verdachte der 
Sozialdemokratie stehenden hiesigen Personen seit 
längerer Zeit ausgeübte Briefsperre aufgehoben, 
nachdem einem Dritten gegenüber die, wie es heißt, 
erfolglos getroffene Maßregel im Laufe der Woche 
zurückgenommen worden war. 
Murtterstadt, 16, März. Eiunem hier 
kursirenden Gerüchie nach soll sich die bekannte 
Militär⸗Befreiungs-⸗Affaire auch auf die hiesige Ge⸗ 
meinde erstrecken. Der Sohn eines hiesigen Han⸗ 
delsmannes soll nämlich bei der ersten Musterung 
in Speyer als tauglich — in der Hauptmusterung 
dagegen, der er sich nach seiner Angabe im Thüriug⸗ 
ischen unterzog — als untauglich befunden worden 
sein. Ob etwas Wahres an diesen Gerüchten ist, 
bermag Einsender nicht zu behaupten, könnte aber 
nach den Vorkommnissen, welche in letzter Zeit aus 
verschiedenen norddeutschen Städten berichtet wurden, 
schon möglich sein. (Sp. 3.) 
— LCudwigshafen, 19. März. Gestern 
Morgen flatterte von der höchsten Spitze des Thurm⸗ 
gerüsies der katholischen Kirche eine etwa 1 Meter 
unge rothe Fahne, die in der Nacht von einem 
berwegenen Burschen hinaufgeschafft worden war. 
Man soll dem Thäter auf der Spur sein. (Pf. K.) 
— Aus der Pfalz, 17. März. Die Ver⸗ 
eine gegen den verderblichen Hausbettel haben überall, 
wo sie bestehen, bereits Früchte gezeitigt. In der 
Pfalz haben sie aber noch lange nicht die Ausdehn⸗ 
ung gewonnen, wie z. B. in Württemberg, wo das 
ganze Land mit einem Nezz solcher Vereine über⸗ 
sogen ist. So kräftig dieselben aber auch der Va— 
zabondage entgegenzuarbeiten bemüht sind, die Va⸗ 
jabunden werden und können sie nicht aus der 
Welt schaffen. Ist diesen in der einen Gegend der 
Zugang verschlossen, so wenden sie sich der andern 
—00 Dieb⸗ 
stahl, wenn alle Stränge zerreißen, und finden 
dann den Weg zum Gefängniß. Fur arme, wür— 
dige, auf der Wanderschaft befindliche Handwerker 
haben die Antibettelvereine unstreitig viel Gutes, 
fie bieten ihnen in der Noth einen Zehrpfennig, 
bewahren sie vor dem Bettel und vor dem morali⸗ 
schen Ruin und mögen darum in ihrem humanen 
Bestreben von der gesammten Bevölkerung gepflegt 
und getragen werden. Schon in Rücksicht auf den 
zraven Handwerker, damit dieser nicht auf Abwege 
jeräth, denn er lange wandern muß, um Arbeit 
u suchen, und an jedem Ort cinen Zehrpfennig 
ind eine stärkende Mahlzeit finde, sollte es im 
janzen Land kein Dorf mehr geben, in dem nicht 
ine Organisation zu seiner Unterstützung vorhanden 
wäre. Die schlimmen Elemente unter der wandern⸗ 
den Bevölkerung sollte man sich aber nicht begnügen, 
iich nur allein vom Hals zu schaffen, sondern viel⸗ 
nehr deren Besserung anstreben. Was für Ver⸗ 
uche in dieser Hinsicht hin und wieder in der aller⸗ 
neuesten Zeit gemacht werden, dürfte auch für die 
Leser dieses Blattes von Interesse sein. Herr von 
Bodelschwingh, der bekannte Gründer und Vorsteher 
er großartigen Anstalt für Epileptische in Biele⸗ 
eld, hat mu einem Verein in der Nähe dieser 
5tadt am Teutoburgerwald eine Arbeiterkolonie 
Wilhelmsdorf“ angelegt, welche arbeitslosen, aber 
irbeitfuchenden Männern eine zeitweilige Zuflucht 
tätte bietet. Die Anstalt, im Jahre 1881 eröffnet, 
jat alsbald eine Menge arbeitsloser Leute ange— 
jogen und mit denselben erfreuliche Wahrnehmungen 
Jemacht. Die meisten hat sie zu einem ordentlichen 
Zeben zurückgeführt. Man sieht dort Leute aller 
Art, Maler, Kammmacher, Kellner, bebrillte Jüng⸗ 
inge, jeden rüstig das ihm zugewiesene Stück öden 
dandes rajolieren. Der Arbeiter empfängt in der 
Anstalt Wohnung, Verpflegung und außerdem einen 
ingemessenen Lohn. Eben ist man mit der Er— 
ichtung einer zweiten Arbeiterkolonie im Hannover— 
chen beschäftigt. Sollte es nicht möglich sein, ähn⸗ 
iche Kolonien auch anderweitig zu gründen? Die 
Noth, welche uns die vagabondirende Bevölkerung 
nacht, treibt dazu. In der Pfalz wären die gro— 
zen Gehöfte zwischen Zweibrücken, Hornbach und 
Pirmasens zur Anlegung solcher Kolonien vorzüg— 
ich geeignet. Mit der Halfte dessen, was von 
uns an die Vagabunden hinausgegeben und von 
diesen in Schnaps vertrunken wird, könnten mehrere 
olcher unterhalten werden. Haben die bei Biele— 
eld und im Hannover'schen gemachten Versuche eine 
zukunft, so werden sie über kurz oder lang zwei— 
elsohne auch in der Pfalz Nachahmung finden. 
Vermischtes. 
F München, 17. März. Am Samstag, den 
17. März, Nachmittags zwischen 4 und 5 Uhr 
vurde die 55jährige Oberkondukteurswittwe Therese 
Zirkel bach in ihrer Wohnung Amalienstraße 50b, 
»rmordet. Der Sachverhalt ist folgender: Vor 
)zrei Tagen mietheten sich zwei junge, anständig 
nussehende Männer bei der genannten Wittwe ein, 
ind der Eine gab sich als Kunstmaler, der Andere 
us Bildhauer aus. Trotzdem dieselben nicht einen 
vedanken von Handgepäck bei sich führten, behielt 
ie die Frau doch und schenkte der Angabe Glauben, 
»aß sie von Nürnberg kämen und ihre Studien 
ortsetzen wollten. Sie verlangten von ihrer Wirthin, 
ie solle das Zimmer schön tapezieren lassen, und 
za in ein feines Zimmer auch ein schöner Teppid 
gehört, ließ sich die Frau zu der Aeßerung hin, 
zaß ihr 80 Mt. für einen Teppich etwas zu viel 
eien, um 60 Mk. würde sie einen nehmen; nun 
vußten die Mörder, denn nur diese Herren sind 
s gewesen, daß ihr Vorhaben nicht ohne Erfolg 
ei. Samstag Nachmittags 4 Uhr schickten sie die 
Gjährige Tochter der Ermordeten in die Altstadt, 
im einen angeblich von ihnen ausgesuchten Skiefel⸗ 
ieher zu holen. Nach erfolgtem Weggange der⸗ 
elben lockten sie die alte Frau in ihr Zimmer, 
zerstopften ihr den Mund, banden sie an Händen 
ind Füßen und versetzten ihr mit einem Instrumente 
einen Schlag an die Schläfe. Hierauf nahmen sie 
hr aus der Tasche das Portemonnai, das 60 Mk. 
in Gold enthielt, durchsuchten alles und verließen 
am hellen Tage das Haus, ohne daß jemand etwas 
don dem Vorfalle bemerkte. Als die Tochter Abends 
512 Uhr nach Hause kam und die Mutter nicht 
zand, glaubte sie, dieselbe sei, wie schon öfters, 
rusgegangen und wartete bei den Hausleuten bis 
3 Uhr; endlich entschloß sie sich, hinauf zu gehen, 
und fand die Mutter im Zimmer der beiden Raub⸗ 
mörder in dem oben beschriebenen Zustande am 
Boden liegend. Ob und wie viel an vorhandenem 
Baarvermoͤgen gestohlen wurde, kann vielleicht die 
gegenwärtig in Ungarn als Erzieherin lebende älteste 
Tochter, welche gestern telegraphisch gerufen wurde, 
nittheilen, da die jüngere Tochter nicht so in die 
Familienverhältnisse eingeweiht ist. Die Recherchen 
iach den Thätern sind in vollem Gange. Es liegt 
zie Vermuthung nahe, daß die beiden Mörder, 
der wenigstens einer von ihnen bei dem vergangene 
Woche in Berlin vollbrachten Morde an dem Brie 
räger Cossaeth betheiligt waren, da sie ihrem Dip 
ekie nach von den Inwohnern für Norddeutsq— 
zehalten wurden. 
4 (1883 — eine Lüge.) Unter den 
Titel: „Das Jahr 749 nach Erbauung Roms— 
zas wahre Geburtsjahr Jesu“ veröffentlich Professu 
Zattler in München in der Münchener „Allg. Ztig 
inen Artikel, in welchem er den Nachweis liefeth 
daß das Geburtsjahr Jesu zu spät angenomme 
vird. Drei mit Palmen geschmückte Kupfermünzen 
ius der Herodianischen Periode machen es dewn 
jenannten Professor möglich, den Beweis für seine 
Zehauptung herzustellen. Der Irrthum beträgt 
senau fünf Jahre. Jesus wurde am 7. April 78 
qach Erbauung Roms gekreuzigt und ist 40 Tage 
päier, am 18. Mai 783, in den Himmel aufge 
sahren. Demnach fällt das öffentliche Leben dJiesr 
in die Zeit vom 17. November 780 bis zum 18 
Mai 783, dem Tage seiner Hirmmelfahrt, und füllt 
veil das Jahr 783 ein jüdiges Schaltjahr von 1e 
Monaten war, die Zeit von 23 Jahren, oder 
sanz nenau berechnet, die Zeit von 2 Jahren und 
Monaten aus. In die Zeit vom 17. Novembe 
780 bis zum 18. Mai 788 fallen drei Pascht 
este, 781;) 782 und 783, an welchem Jesus starb 
Den Jahren 780, 781, 782, und 783 nach da 
ẽkrbauung Roms entsprechen die Jahre 27, 28, 20 
ind 30 der christlichen Zeitrechnuung. Würde dieß 
cichtig gestellt werden, so daß das Geburtsjahr Jesu 
das Jahr 749 nach Erbauung Roms, als das erst 
Jahr derselben gezählt würde, so fiele das öffent 
iche Leben Jesu in die Jahre 31, 32, 33 und 
34. Demnach steht fest. daß die christliche Zeit 
rechnung um fünf Jahre zu spät beginnt und deß 
wit stait 1888 das Jahr 1888 schreiben sollten. 
(Sterbekasse-Verein der Kanzli— 
sten Bayerns.) Der Drang der Zusammen 
eöbrigkeit hat auch die Kanzlisten Bay— 
erns geeinigt; sie haben unter sich am 2. Nopbt 
878 einen Sterbekasse-Verein ge— 
zründet. Die Statuten desselben, welche mit große 
Sorgfalt und Genauigkeit bearbeitet sind, und über 
all freudigen Anklang finden, sind staatspolizeilih 
Jjenehmigi. Die Einlagen bestehen in ganz ge⸗ 
ingen, in den Statuten näher bezeichneten Ve— 
rägen, die es Jedem leicht ermöglichen, seinen 
Angehörigen eine einmalige Unterstützung zu 
ichern, welche sie nicht blos der ersten und dringendfsten 
Zorge nach dem Tode ihres Ernährers überhebt 
ondern ihnen auch die Möglichkeit zur Gründuns 
iner beschiedenen Existenz bieten soll. Dieser Ver 
in zählt übrigens auch schon Beamte zu seinen 
Mitgliedern, gewiß ein Zeichen, daß die Statuten 
derfällige Anerkennung finden. Anfragen und 
Anträge sind an die Vorstandschaft des Sterbelass 
gereines der Kanzlisten Baherns in Schwein⸗ 
urt (wohin der Sitz des Vereines gemäß Ge 
ieralbersamlungs⸗Beschlusses vom 9. Februar a. 
„on München aus verlegt wurde) zu richten. Von 
dieser werden auch Statuten gratis abgegeben. 
Freiburg, 19. März. Dem Vernehmen 
nach hat sich in den von Professor v. Hahn unten 
uchten Eingeweiden des Fürsten Gortschakoff kein 
Anthaltspuntt für die Annahme einer Veraiftum 
ergeben. 
p Kine schon längere Zeit geistesgestörte Fru 
on der Ziegelhütte bei Neckargemünd verütt 
hor einigen Tagen morgens an ihren Angehdörigen 
ne schredliche und bedauernswerthe Thar, Wih 
rend ihr Mann, der sie die Nacht über bewacht 
sich auf einige Augenblicke dem Schlaf überlaßtn 
halte, überfiel sie, wohl in der sicheren Abfich 
ziesen und die Kinder zu töten, mit einem — 
deile zunächst ihre beiden Mädchen 12 und l⸗ 
Jahre alt, uͤnd brachte mit der Schneidseite dessel 
An der Jüngeren am Gesichts⸗, der Aelteren aht 
n Schadelknochen sehr erhebliche Verletzungen be 
Im Begriffe, eines Gleiches auch an ihrem Mann 
vollbriugen halle sie denseiben schon mit m 
inen Hand erfaßt um mit der andern den tid 
lichen Schlag auszuführen, als derselbe jedoch J 
im richtigen Momente erwachte und den Hieb ch 
wehrte Doch gelang es dem Manne zuerst m 
dilfe herbeigerufener Nachbarn, die Wülhende 
„ändigen. Gestern wurde sie in die Irrenanste 
ach Heidelberg verbracht. Die Verleßungen d 
ilteren Mädchens werden als bedenklich — 
Bochum. „Du sollst nicht lachen!“7 
venigstens nicht während einer Herichtsverhardin 
den Ernst diefes Gebotes erfuhr am 9. dä. 
mm hiesigen Schöffengerichte ein Zuschauer,