Full text: St. Ingberter Anzeiger

angebliche Bedrohung des englischen Parlament es 
durch irische Dynamitbomben ist, nicht ohne Weiteres 
in das Gebiet der Ammenmärchen verweisen. Je—⸗ 
denfalls ist die von der Regierung beschlossene Ver— 
mehrung der Londoner Polizei um vorläufig 500 
Mann eine durch die Umstände entschieden gerecht⸗ 
fertigte Maßregel. 
Ddie Polizei hat einen Menschen in Handen, 
welcher der von Augenzeugen gegebenen Beschreibung 
zufoige für den Urheber der Explosion in der 
Parlamentsstraße gehalten wird. 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
e. Ensheim, 22. März. Viktualienmarkt: 
Butter per Kilo 1,20 Mk. Eier per Dutzend 
85 Pfg., Kartoffeln —. 
—gür die pro 1882/88 zur Vergebung ge⸗ 
langenden Stipendien aus dem Heinrich Hilgard'⸗ 
schen Kreisstipendienfonde waren 48 Gesuche einge⸗ 
iaufen; es konnten nur 5 Gesuchsteller mit je 600 
Mark, dem nach dem Willen des Stifters festge⸗ 
setzten Minimalbetrage, berücksichtigt werden und 
zwar: 1. Johannes Hall, stud. math. aus Fran⸗ 
kenthal, 2. Georg Berthold, stud. jur. aus Speyer 
3. Heinrich Dohm, stud. philol. aus Marienthal, 
Bez.Amts Kirchheimbolanden, 4. Konrad Setzler, 
ztud. jur. aus Ungstein, k. Bez.-Amt Neustadt und 
5. Ludwig Gyßling, stud. jur. aus Neustadt. 
— Die nächste auf Ostermontag anberaumte 
Sitzung des Bezirks-Vereins pfälzischer Poste und 
Telegraphenbeamlen findet nicht an diesem Tage, 
sondern Hindernisse halber erst Sonntag, 15. April 
ds. Is. im Saale der Theaterrestauration in 
Kaiserslautern statt. 
Am Mittwoch, 28. März. findet in Lu d— 
wigshafen eine Sitzung der Pfälzischen Handels- 
und Gewerbekammer siatt mit folgender Tagesord- 
nung: 1) Das Kanalprojekt Ludwigshafen⸗Straß⸗ 
burg vom Standpunkt des allgemeinen Interesses 
von Handel, Industrie und Gewerbe des Regier— 
ungsbezirks, M) Schaffung eines bayerischen Han⸗ 
dels- und Gewerbekammer-Tages auf Anregung 
der Münchener Handels- und Gewerbekammer. 
— Ludwigshafen, 18. März. Man ver⸗ 
muthet, daß die in der Nacht von Samstag auf 
Sonntag auf die höchste Spitze des Thurmgerüstes 
der kathol. Kirche dahier aufgepflanzte blutrothe 
Fahne von einem Sozialdemokraten, welcher den 
Weg zur Thurmspitze auch in der Nacht zu finden 
wußte, und vielleicht als Maurer⸗ oder Zimmer— 
geselle an dem Thurmbau arbeitet, aufgehißt wor⸗ 
den ist. Es dürfte nicht belanglos sein, in Be— 
tracht zu ziehen, daß gerade der 18. März der 
Erinnerungstag an die Gründung der „Rothen 
Republik“ und der Pariser Commune ist. — Im 
Laufe des gestrigen Vormittags hielten sich sozial⸗ 
demokratische Arbeiter massenhaft in der Nähe des 
heflaggten Kirchthurmes auf. (Fr. T.) 
SDie Pfälzischen Eisenbahnen ver— 
einnahmten im Februar dieses Jahres 106,181 M. 
34 Pfg. mehr als in dem agleichen Monate des 
Voriahres. 
— Die Retour-Billete erhielten für die 
Osterfeiertage theilweise verlängerte Giltigkeitsdauer, 
so daß die am Samstag den 24. 1l. M. gelösten 
Billete zur Rückfahrt, bis einschließlich Dienstag 
den 27.5 März berechtigen. Das hat Wirksamkeit: 
1) im Lokalverkehr. 2) im Verkehr mit den Stati⸗ 
onen: a. der Rhein-⸗Rahe- und Saarbrücker Bahn, 
b. der Hessischen Ludwigsbahn, e. der Main⸗Neckar 
Bahn, d. der Eisenbahnen in Elsaß-Lothringen und 
o. der badischen Bahn. 
— Aus Veranlassung eines besonderen Falles, 
wonach ein Rentamt von einem Bahnhofpvorstand 
der Pfälzischen Eisenbahnen Auskunft über den 
Umfang des Güterverkehrs eines Gewerbe— 
treibenden verlangt hatte, zum Zweck der Besteuer⸗ 
ung, hat die kgl. Regierung sich mit der Direktion 
der Pfälzischen Eisenbahnen in's Benehmen gesetzt 
und letztere ein Verfügung erlassen, daß die Ein— 
sichtnahme von Expeditionspapieren und die Er—⸗ 
theilung von Auszügen aus denselben nicht geschieht, 
solche Aufschlüsse sich vielmehr auf allgemeine An⸗— 
deutungen über die Natur und Gattung der Waaren, 
über Groß⸗ und Kleinbetrieb ꝛtc. beschränken müssen. 
VBermißschte« 
F Ein des Raubmordes an der Oberconduc⸗ 
teurswittwe Zirkelbach in München dringend 
verdächtiges Individuum (Tischler Echter) wurde 
am Mittwoch verhaftet und in die Angerfrohnfeste 
ainnoliefert 
(Auswanderung aus Bayern.) An 
der Hand offizieller statistischer Mittheilungen ergibt 
ich, daß im Jahre 1882 aus Bayern 17,640 
Personen (10,480 männliche und 7160 weibliche) 
iusgewandert sind und zwar 9955 über Bremen, 
2999 über Hamburg, 8 über Stettin, 4678 über 
Antwerpen. Hievon begeben sich 17,439 nach den 
Vereinigten Staaten von Amerika, 12 nach Britisch⸗ 
Nordamerika, 2 nach Mexiko und Central⸗Amerika, 
22 nach Brasilien, 12 nach den argentinischen 
Staaten, 24 nach Chile, 5 nach den südameeikani— 
chen Staaten, 9 nach Afrika, 2 nach Asien, 18 
aach Australien. 
In Karlsruhe wurde die bekannte Adele 
Spitzeder von der Strafkammer wegen Betrugs 
u 8 Monaten Gefängniß und in die Kosten ver⸗ 
urtheilt. 
— Folgende kuriose Geschichte wird aus Lindau 
nitgetheilt? Am Montag Mittag kurz vor Abgang 
des Courierzuges 2 Uhr 15 Minuten München⸗ 
Berlin wurde eine elegante Dame durch die hiesige 
Polizei verhaftet, welche soeben mit dem Dampf-— 
»oot von Romanshorn angekommen war und den 
Tourierzug zur Weiterreise benutzen wollte. Be— 
agte Dame erregte durch die Art ihrer Kleidung 
Herrenpelzmantel, Barett bis an die Augen gezo— 
Jen und dichten dunkelblauen Schleier), sowie durch 
hr eigenthümliches Benehmen die Aufmerksamkeit 
»es gerade anwesenden Polizeibeamten, welcher sich 
erlaubte, den Schleier der Dame etwas zu lüften. 
And siehe da — ein über und über weiß bepudertes 
chnurrbärtiges Männer⸗-Antlitz lächelte dem er—⸗ 
taunten Polizeimann unverfroren entgegen. Letz⸗ 
erer wußte natürlich nichts Eiligeres zu thun, als 
diese mysteriöse Persönlichkeit ins Schlepptau zu 
nehmen und zum gestrengen Herrn Bürgermeister 
u bugsiren. Dort wurde der Geheimnißvolle in 
trenges Verhör genommen, man vermuthete so etwas 
»on einem Spion, zudem dieser vorgab, nicht gut 
eutsch sprechen zu können und sich als Franzosen 
jerirte. Das Resultat des hochnothpeinlichen Ver— 
jörs war jedoch ein den bereits hochgespannten Er— 
vartungen wenig entsprechendes. Die ganze geheim⸗ 
nißvolle Affaire lief auf eine Wette hinaus, welche 
zer Verhaftete in einer animirten Gesellschaft in 
inem Hotel in Zürich proponirte: „daß er als 
dame gekleidet unerkannt und unangefochten die 
Reise nach Berlin mache!“ Der Einsatz war 1000 
Francs, welche nun die „Dame“ zu zahlen hat, 
iachdem das scharfe Auge eines Dieners der hei⸗ 
igen Hermandad dem Spaß bereits in Lindau ein 
—— 
In ganz Europa nimmt Sachsen in 
Bezug auf die Dichtigkeit der Bewohner und der 
der Eisenbahnen die zweite, Belgien die erste Stelle 
ein. In Belgien entfallen auf jedes Quadratkilo— 
meter Flächeninhalt 1835,5 Einwohner und 0,1270 
m Eisenbahnen, in Sachsen 184,1 Einwohner 
ind O, 1253 kmm Eisenbahnen, in Preußen 74,1 Einw. 
ind O,0501 km Bahn, in Bayern 66,2 Einwohner 
ind 0,0586 kme Bahn, in Württemberg 95,5 Be— 
vohner und 0,0719 km Bahn, in Elsaß-Lothringen 
105,6 Bewohner und 0,0762 kmm Bahn, in Baden 
39,9 Bewohner und 0,0796 km Bahn, in Hessen 
115,1 Einw. und 0, 1009 km Bahn, in Braun⸗ 
chweig 88,7 Einwohner und 0, 0919 km Bahn, 
n Deutschland überhaupt 79,2 Einwohner und 
),0581 xm Bahn, in Frankreich 69,8 Einwohner 
und 0,0455 km Bahn, in Großbritannien und 
Irland 109,4 Einwohner und 0,0884 km Bahn, in 
Desterreich. Ungarn 59 Bewohner und 0,0298 km 
Zahn, in der Schweiz 67,4 Einw. und 0,0625 
im Bahn, in den Niederlanden und Luxemburg 
118 Einwohner und 0,0632 km Bahn. 
4 Gotha, 20. März. Staatsrath v. Wangen⸗ 
heim ist von einem Manne, welcher sich vergeblich 
um eine Stelle bewarb, erschossen worden. Der 
Mörder entleibte sich. 
.Berhin, 22. März. Der Mörder des 
heldbriefträgers Cossäth ist eben in Magdeburg 
Jjefaßt worden. Er heißt Sobbe und ist identisch 
mit der durch Photographie der Polizei bekannten 
ßersönlichkeit. 
4 Ein kleiner Schreibfehler in einer Wechsel— 
protest⸗ Urkunde hat für einen Gerichtsvollzieher sehr 
fatale Folgen. Aus Berlin wird darüber ge— 
schrieben: Der Gerichtsvollzieher K. beim hiesigen 
Amtsgericht J hatte von einem hiesigen Kaufmann, 
velcher in „feinen Wechseln“ zu arbeiten pflegt, 
einen über 11,000 Mark lautenden Wechsel, der 
on einem bekannten Lebemann acceptirt und von 
znem wohlhabenden Tahrikanten ausgestellt und 
mit mehreren guten Giros versehen ist, mit den 
Auftrage erhalfen, wegen nicht erfolgter Zahlun 
hei dem Acceptanten Protest zu erheben. Auf on 
»es Wechsels und Protestes hat nun wegen ve 
peigerter Zahlung der Inhaber des Appoints so 
wohl gegen den Acceptanten als auch den Aup 
steller und'den Giranten eine Wechselklage ang. 
trengt. Er ist indeß, soweit es sich um Ausstele 
ind Giranten handelt, mit seinem Klageantrog 
abgewiesen worden, weil sich in die Protesturkum 
ein zwar nur durch ein kleines Strichelchen en 
tandener, aber an sich sehr wesentlicher Schreih. 
kehler eingeschlichen hat. Dort ist der Name dez 
Auͤsstellers, der richtig T. Sch. ... lautet, mi 
F. Sch. ... angegeben; ein kleiner Querftrih 
zurch das lateinische T. hat die für den * 
oollzieher sich verhängnißvoll gestaltende Wandlaung 
herbeigeführt, die in dem Prozesse von dem Ver 
lagten als Einwand geltend gemacht und auch her 
rücksichtigt worden ist. Der Kläger mußte sich du 
her mit der wechselmäßigen Verurtheilung des Ab 
eptanten allein begnügen. Dieser Acceptant, wie 
rwähnt ein lebenslustiger Kavalier hat jedoch seine 
Sach' längst auf Nichts gestellt“, so daß an eine 
Bezahlung der Wechselsumme von seiner Seite nich— 
zu denken ist. Deßhalb will der Inhaber de 
Wechsels den Gerichtsvollzieher K., welcher der 
Protest aufgenommen hat, zum Ersatz des Schadenz 
Jeranzichen. In Folge dessen fieht der Gerichts 
„ollzieher K., ein früherer Exekutor des verflossenen 
Ztadtgerichts, ein sonst durchaus pflichtgetreuer und 
allgemein beliebter Beamter, sich genöthigt, sein 
Stellung aufzugeben, weil er jene Summe nich 
rufzubringen vermag, zumal er eine zahlreich 
Familie zu ernähren hat. Dem bedauernswerthe 
Beamten ist auch bereits ein Stellvertreter vom zu 
tändigen Amtsgericht zugeordnet worden. 
Gukunftsheizung.) Es ist schon er 
Projekt aufgetaucht, — so schreibt die „Bresl. Zig 
— welches allen Kohlenstaub aus unseren Wohr— 
ingen zu entfernen, welches alle Oefen in unsern 
Zimmern erübrigen, welches das Einführen do 
holz und Kohlen in unsere Häuser unnöthig maqe 
ll. Die Gasanstalten sollen uns nämlich stat 
des Leuchtgases in Zukunft billiges Heizgas zu 
ühren. Friedrich Siemens sagt in einem Berichn, 
den er an die sächsische Regierung erstattet het: 
„Die Bedingungen einer guten Verbrennung — 
biel leichter bei gasförmigem Heizmaterial zu er 
reichen, als bei festem, und es werden alle bei ley 
eret Feuerungsart angewandten Kunstgriffe unndihi 
weil Gas leichter regulierbar und auf die passendr 
Weise mit der Luft gemischt, absolut gleichmäi 
ind rauchlos verbrennen kann. Gleiches lasse sih 
allerdings auch vom Petroleum sagen, füßn 
Brennstoff sei aber zu teuer und könne weder ni 
dem gewöhnlichen Leuchtgas noch mit Wasserg 
onkurrieren. Will man den Rauch wirksam be 
kämpfen und zugleich den Gasanstalten ein une 
meßliches Absahgebiet aufschließen, so ist es erfu 
derlich, daß in den Städten, wo man dies ansttehn 
ein Heizgas-Rohrnetz gelegt wird.“ Man hat em 
jewendet, daß das unreine Gas die Leitungn 
chnell zerstören werde. Fr. Siemens meint, di 
Frsetzung des festen Brennmaterials durch Gu 
vürde eine so bedeutende Ersparnis zur Folge haben 
daß die Anlage des neuen Rohrnetzes in kurze 
Zeit amortisierr wäre. Er habe die feste Leha 
eugung, daß die Anwendungen der direkten Feuer 
ingen in größeren Städten unzulässig sei, d 
Hiese allgemeine Erkenntnis sich bald Bahn brehh 
verde, daß man in Zukunft alle Feuerungenen 
jnem besonders hergestellten Brenngas, durch 
gemeines Rohltensystem zugeleitet, unterheh 
verde. Ein solches System beseitige außer “ 
Rkauch die Unannehmlichkeit der Hantierung 
dohle, Asche und RKuß erspare viel Arbeit 
berdruß. 
(Die Eltern Gortschakoff's — 
zekunnth Am Tage nach‘ dem Ableben“ 
Fuͤrsten begab sich der Leichenschauer Bickel zun 
Fürsten Michael, dem Sohn des Verstorbenen 
ich die zum vorschriftsmäßigen Ausfüllen des — 
vescheins nöthigen Angaben machen zu lassen. d 
russischen Fursten schien indeß die Reugierde 
unschen Vehorde doch zu weit zu gehen. Ton 
tag, Zahl der Kinder — war angegeben. ẽ 
Disen Sie genug, Adien ! Durchlut 
ch muß Sie noch diden den Namen der El 
des verstorbenen Herrn Vaters anzugeben. 
Mein Vater war russischer Reichskanzler und 
i Gesgudler. schreiben Si⸗ das weiter brann