Full text: St. Ingberter Anzeiger

und folgte seinem Vater, dem Großherzog Paul 
Friedrich im Jahre 1842 in der Regierung. 
Er war konigl. preuß. General⸗Oberst und kaiserl. 
russ. General-Feldmarschall. In der dritten Ehe 
war er vermählt mit der Großherzogin Marie, 
einer Tochter des Prinzen Adolf von Schwarzburg⸗ 
Rudolstadt. Es überlebt ihn seine Mutter Alexan⸗ 
drine, die einzig noch lebende Schwester unseres 
Kaisers. In der Regierung folgt ihm der Sohn 
erster Ehe, Erb-Großherzog Friedrich Franz 
der mit einer russischen Großfürstin verheirathet ist. 
Der Gesundheitszustand desselben ist ein sehr schwäch⸗ 
licher, weshalb er den groͤßten Theil des Jahres in 
Ilalien sich aufhält. — Der verstorbene Groß⸗ 
herzog war vor allen Dingen Soldat. 
Daß er zugleich ein tüchtiger Führer, beweist der 
französische Feldzug. In seinem Lande war er 
gleich fseinem Vater sehr beliebt und dürften die 
Meglenburger den Tod des Großherzogs deshalb 
ichwer empfinden.) 
London, 16. April. Einer der Leiter der 
irischen Verschwörung, die mit der Ermordung von 
Burke und Cavendish begann, ist bekanntlich jene, 
jetzt sich in Mexiko aufhaltende mystische Persönlichkeit 
Hummero Eins.“ Die Regierung hat jetzt vier 
Geheimpolizisten nach Mexiko gesendet, die den Auf⸗ 
trag haben sollen, mit dem Genannten in Unter⸗ 
handlung zu treten, um ihn zur Zeugnißabgabe 
gegen die wirklichen Häupter des Complotts zu 
bringen. — — 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
“St. Ingbert, 17. April. Wie uns von 
kompetenter Seite berichtigend mitgetheilt wird, 
ist die von uns in vor. Nr. nach einem umlaufen⸗ 
zen Gerüchte gebrachte Notiz, Herr Stadtpfarrer 
Dengel dahier beabsichtige die Distriktsschulin 
spektion niederzulegen vöhlig unbegründet. 
*Sit. Ingbert, 17. April. Um Mißber- 
ständnissen vorzubeugen theilen wir wiederholt mit, 
daß nach den bisherigen Bestimmungen des hochwür⸗ 
diesten Herrn Bischofs von Speher die Fir⸗ 
mung im Dekanate Zweibrücken stattfinden wird: 
am 26. ds. Mts. in St. Ingbert, am 27. in 
FEnsheim, am 28. in Bebelsheim, am 29. 
in Gershéeim, am 830. in Medelsheim, am 
1. Mai in Lautzkirchen, am 2. Mai in Maß— 
weiler und am 3. in Zweibrücken. 
— Morgen (Mittwoch) findet für das Lehrper⸗ 
sonal an den Volksschulen des Bezirks Zweibrücken 
im Fruchthallsaale zu Zweibrückeu die erste diesjährige 
allgemeine Konferenz katt. Zur Verhand⸗ 
lung haben zu kommen die bei den Thematas Der Göt⸗ 
tinger Dichterbund“ und „Wie wird die Aufmerksam— 
keit des Schülers geweckt und erhalten.“ 
S Niederwürzbach, 16. April. Am 14. 
d. Mis. machte sich das ohne Aufsicht im Hause 
gelassene 5jährige Töchterchen eines hiesigen Dienst⸗ 
knechtes am Ofen zu thun, um Feuer anzuzünden. 
Dabei geriethen seine Kleider in Brand, und wurde 
das Kiud vom Feuer so verletzt, daß es aestern 
terben mußte. 
S Niederwürzbach, 16. April. Die bei⸗ 
den Seilenaltäre für die hiesige Kirche sind einge— 
troffen und bilden eine neue Zierde des prachtvollen 
Gotleshauses. Im reinsten gothischen Siyle wurden 
sie in Munster in Westphalen erbaut und kosten 
zusammen nahezu 1500 Mk. Wer diese Summe 
hezahlte, weiß nur, da die Kirchenverwaltung un⸗ 
behelligt blieb, der opferwillige, gesinnungstüchtige 
hiesige Geistliche. 
Die n,„pf. Pr.“ schreibt: In der größten 
Stadt der Pfalz war kürzlich Musterung. Der 
Stabsarzt war soeben damit beschäftigt, die Körper⸗ 
konstitution eines jungen Burschen zu prüfen, als 
er plötzlich den Oberarm desselben aufmerksam be⸗ 
frachtete. Ein eingebranntes Mal licß in ziem⸗ 
lich großen Buchstaben deutlich die Worte erkennen: 
„Tod den Reigen“. Auf Befragen, was dies zu 
bedeuten habe, erklärte der Jüngling prätentios 
„er sei Sozialdemokrat und das seine Devise.“ 
Bekanntlich sind nun aber „Sozialdemokraten“ 
ebensogut zum Heeresdienste verpflichtet wie andere 
Leute und es soll nicht unwahrscheinlich sein, daß 
dem Betreffenden beim „langsamen Schritt“ die 
unreifen Gedanken aus dem Kopfe getrieben wer—⸗ 
den; denn wir haben häufig die Erfahrung gemacht, 
daß die Milikärjahre gerade in dieser Hinsicht einen 
sehr heilsamen Einfluß ausüben. 
Vermischtes. 
München, 14. April. In die heute statt 
dwehahbte Vermählunasfeier der Vrinzessin Jjsabell' 
mit dem Herzog Thomas von Savoyen hat ein 
olutiges Ereigniß, von dem wir schon in voriger Nr. 
turz Mittheilung gemacht haben, einen um so em⸗ 
vsindlicheren Schalten geworfen, als die Stimmung 
am hiefigen Hofe in jüngster Zeit ohnehin aus be⸗ 
saunien Grüßden nicht die rosigste gewesen ist 
Heute Vormittag hat sich in dem Saale des Nym— 
henburger Schlosses, in welchem das Hochzeitsfest 
begangen werden sollte, der Lehner der jüngeren 
Kunder der Prinzessin Adalbert, Mutter, der heute 
vermählten Prinzessin Isabella, erschossen. Als 
Motiv wird unglückliche Liebe angegeben. So weit 
die Meldungen der ausgegebenen Extrabiätter. Der 
Imstand, daß sich der Selbstmörder gerade in dem 
Hochzeitssaale entleibte, giebt aus naheliegenden 
Fründen zu allerlei Gerüchten Anlaß, welche sich 
zunächst der Discussion entziehen. 
F GEin liebender Bruder.) Folgende 
östliche „Bekanntmachung, finden wir in dem In⸗ 
eratentheil eines Würzburger Blattes: „Um dem 
dielfach laut gewordenen Gerüchte und den Irrungen, 
veiche etwa dadurch entstehen könnten, vorzubeugen, 
rlauͤbe ich mir an dieser Stelle der geehrten Ein⸗ 
vohnerschaft Würzburgs sowie auswärts, insbesondere 
iber meinen werihen Titl. Kunden die vielleicht 
erf reuliche Mittheilung zu machen, daß nicht ich, 
wohl aber mein lieber Bruder,Marcus Baumann,“ 
velcher ebenfalls dahier Bildhauer war, nach Gottes 
Il. ünerforschlichen Rathschlusse das Zeitliche segnen 
nußte. Anknüpfend an obige Berichtigung zeige 
ch dem geehrten Publikum ergebenst an, daß ich 
Is von mir betriebene Bildhauergeschäft am unteren 
Mainquai Nr. 2 (Krahnenplatz) in der bisherigen 
Art und Weise fortführe und bemüht sein werde, 
as mir bis jetzt in so reichlichem Maße geschenkte 
Vertrauen auch ferner zu bewahren. 
Burbach, 15. April. Heute Nacht ist 
chon wieder ein Arbeiter (seit kurzem der zweite) 
der Kohlenwäsche-Maschine des hiesigen Hütten⸗ 
verkes verunglückt, den das Riemenwerk erfaßte und 
TDdrückte. Der Verunglückte hinterläßt Frau und 
3 Kinder. 
F Herr Nicolaus Stollwerk aus Köln 
Theilhaber der weit und breit bekannten Chocola 
deufabrik Gebrüder Stollwerk, welcher vor einigen 
Wochen eine Reise nach dem Orient angetreten, 
zel auf einer Fahrt vor den Thoren von Jerusalem 
»om Wagen und brach das Genick. Nicolaus 
Slollwerk' war ein erst in den vierziger Jahren 
tehender, äußerst rüstiger Mann von herzgewinnen⸗ 
—VD Seine 
gleichfalls noch junge Fran ging ihm bereits im 
horigen Jahre im Tode voran. 
Berlin, 13. April. Biedermann, der als 
Finanzmacht der Pariser Haussekoalition für Rüböl 
jilt, entleibte sich gestern daselbst. Der Rübölhandel 
n Paris ist dadurch vollständig in's Stocken ge⸗ 
athen. Hier herrscht große Deroute. Der gestrige 
S—chluß von Ruböl per Frühjahr war 80,40, der 
eutige war bei Eröffnung 70 und ist jetzt 67 nach 
5. — Der „Si. P.“ wird über diesen Fall aus 
zaris gemeldet: „Die Affaire Biedermann be— 
chäftigt“ die gesammte Handelsbörse. Biedermann 
var Käufer von acht Millionen in Oel auf seine 
stechnung und hatte unter Anderem 17 Millionen 
n Oel auf Lager, welche verschiedenen Kaufleuten 
zehörten. Biedermann soll sich bei Carlin, einem 
Zroßspekulanten, entleibt haben, der heute nicht an 
der Börse erschien, obgleich Liquidirung war. Die 
Zevollmächtigten, die von der Wittwe Biedermanns 
nannt wurden, versichern, sie würden Montag 
zahlen. Die Handelsbörse bleibt beunruhigt, weil 
man noch über die Folgen des Selbstmordes im 
Unklaren ist. Biedermann, der einen großen Theil 
zer Geschäfte an der Handelsbörse in Paris in 
händen hatte, war ein Pester Israelit; er galt für 
aunen ehrlichen Mann und begann seine Laufbahn 
in Paris ais Kommis mit 1800 Franken Gehalt. 
Er hatte sich in 14 Jahren ein Vermögen von 
Awar 10 Millionen erworben. Dem Vernehmen 
jach wird eine Untersuchung über den Tod Bieder— 
nauns angestellt, da er ohne andere Zeugen als 
Farlin starb. Manche glauben nicht an den Selbst⸗ 
nord Biedermanns, da derselbe sehr reich und er 
ein Leben für seine Familie für 600,000 Franken 
ersichert hatte, die durch Selbstmord verfallen 
vären.“ 
F Berlin, 15. April. Der Reichsetat weist 
in Ausgaben 600,256,660 Mark, davon einmalige 
lusgaben 49,745, 156 Mark auf. Im Etatsge⸗ 
etz ist vorgesehen, daß der Reichskanzler ermächtign 
derde, zur Verstärkung des ordentlichen Betriebs 
fonds der Eisenbahnen Reichsschatzanweisungen bis 
jum Betrage von 70,000,000 Mark auszugeben. 
Die Ausgaben des neuen Etats sind um 14.214, 199 
Mark höher als die laufenden des Etats bei den 
fortdauernden und um 3,514,173 Mark niedriger 
hei den einmaligen Ausgaben, so daß die Gesammt⸗ 
rhöhung 10,700,026 Mark beträgt. In den Er⸗ 
äuterungen wird ausgeführt, daß der neue Etat 
inter Brerücksichtigung des Etats von 1883,84 und 
der inzwischen gemachten Erfahrungen aufgestellt sei, 
vobei neue Forderungen nur insoweit aufgenommen 
vären, als solche unzweifelhaft dringlich erschienen. 
„Von Wiederholung solcher Forderungen, die der 
Reichstag dauernd abgesetzt, sei abgesehen worden“. 
Das Ergebniß sei auf Grund der Februarabschlüsse 
aufgestellt, es seien 6,600,000 M. Ueberschuß ein⸗ 
zerechnet, auf die bestimmt zu hoffen sei. Außer⸗ 
em werden aus dem hierbeiaußer Betracht geblie— 
denen Ertrage der Zölle, Tabaksteuer und Reichs⸗ 
stempelabgabe an die Bundesstaaten für die 
üngst abgelaufene Reichstagsperiode 3,200,000 M. 
mehr als im Etat vorgesehen gewesen, zu über—. 
weisen sein. Die Matrikularbeiträge für 1884/85 
ind auf 103,593,840 Mark, das heißt 11,704,538 
Mark mehr als im laufenden Etat veranschlagt. 
Mittels beson deren Anleihegesetzes sollen 20,280, 734 
Mark beschafft werden und zwar für die Armee 
11 838,834 Mark, für die Marine 8,197, 900 M. 
und für die Eisenbahnverwaltung 250,000 Mark. 
— Das Problem der Lenkbarkeit des —A 
hat wieder einmal ein Opfer gefordert. Der Ober⸗ 
örster Baumgarten, welcher im Vorjahre in ver⸗ 
chiedenen Berliner Lokalen stets mißlingende Pro⸗ 
en mit einem lenkbaren Luftschiffe seiner Erfindung 
anstellte, ist in diesen Tagen im Irrenhause ge⸗ 
rorben. Vermögen, Kraft des Geistes und des 
Körpers hatte er eingesetzt, um das große Problem 
‚u lösen, und Wahnsinn und sein frühzeitiger Tod 
haren, was er errang. Fin gleiches Loos aber, 
vie er, haben Hunderte vor ihm erlitten, welche 
Hesundheii, Vermögen und Leben verloren, um das 
Keich der Lüfte der Menschheit zu erobern. 
Durch das Verdrechen eines bisher sehr an⸗ 
zesehenen Mannes ist in der Landschaft Angeln in 
—„Schleswig eine Reihe kleiner Grundeigenthümer 
»ollkommen zu grunde gerichtet worden. Der Pro⸗ 
vinzial⸗Landtagsabgeordnete Johannsen⸗Grimsbyhe hat 
als Kassirer der Roester Sparkasse über 184,000 
Mart veruntreut. Der Verbrecher hat sich erschossen. 
Ftwa 30 der solidarisch haftenden Mitglieder der 
Kasse werden nun ihrc Besitzungen verkaufen müssen 
und sehen so ihrem vollständigen Ruin entgegen. 
Die geographische Vorstellungüber 
Deutschland, welche noch heute im Büreau der 
Wiener Universität herrscht, verdient als ein Kuri⸗ 
»sum erwähnt zu werden. Das vor Kurzem aus⸗ 
Jegebene Lektionsverzeichniß dieser Universität für 
a3 bevorstehende Sommersemester enthält ein stati⸗ 
tische Zusammenstellung über den Besuch der Hoch— 
schule im vergangenen Wintersemester. Neben der 
zuͤländern bilden die Ausländer eine stattliche Reihe 
benan figurirt Deutschland mit den Staaten Preu⸗ 
zen, Sachsen, Bayern, Hannober, Hessen und 
Zuremburg; auf Deutschland folgt Hamburg als 
desondere Rubrik. Von den Ereignissen der letzien 
Fahrzehnte in Deutschland scheint sonach dorthin 
noch keine Kunde gedrungen zu sein. 
(Gtandesgemäße Variationen. 
In der „Dorfzeitung“ finden wir die folgenden 
Variationen eines allerdings nicht neuen Scherʒ 
notips: Die deutsche Sprache ist in ihren Reden⸗ 
arten so mannigfaltig, daß sie jedem Menschen er⸗ 
laubt, seinen Tod seinem Lebenslauf gemäß 5 
vählen. So z. B. erbleicht der Färber, dem Feld⸗ 
ager entflieht die Seele, der Schlosser schließt di 
Augen, der Pfarrer segnet das Zeitliche, ins Gros 
heißt der Botaniker, dem Uhrmacher läuft die Lebenb 
zeii ab, dem Thürmer schlägt die letzte Stunde 
der Musikant pfeift auf dem letzten Lochen in di 
Zrube fährt der Bergmann, das Leben schließt der 
Buchhalter ab, das Zeitige mit dem Ewigen wech 
elt der Bankier, die Lebenswaage sinkt dem Kauf 
mann, das Auge bricht dem Glaser, die —XR 
udet der Briefiräger, der Athem geht dem Trom⸗ 
peter aus, heim geht endlich der Wuths haus hogen 
abgerutscht ist der Schieferdecker, zur Asche witd 
Kohlenbrenner, der Lebensfaden reißt den 
Schneider, den Geist giebt der Branntweinbrenn 
auf, zur Neige geht dem Wirth das Leben, * 
edijche Hülle streift ab der Schinder, das Tode 
os Peimmt der Lotteriekollekteur, abgefahren 
gaͤlscher das Leben erlischt dem Lampenpn