Full text: St. Ingberter Anzeiger

stiche auf der Straße zusammengestochen, wovon 
bier Stiche bis auf die Hirnschale gehen, die anderen 
erhielt er in die Seite und in den Unterleib. Beide 
Schuldigen wurden sosort von der Gendarmerie 
verhaftet. 
— Ludwigshafen, 18. April. Die Eu— 
ropamüden scheinen die bei denselben durch die 
großen Schiffsunglücke der letzten Zeit hervorgerufene 
Scheu vor dem großen Wasser bereits überwunden 
zu haben, nach dem stärkeren Andrang der Aus— 
wanderer in den letzten Wochen zu schließen, der 
sich namentlich aus Württemberg und jenseitigem 
Bayern bemerkbar machte. Heute mußte die Cdin— 
Düsseldorfer Gesellschaft bereits wieder einen Extra⸗ 
Dampfer einstellen, der ab Mannheim-Ludwigshafen 
allein gegen 300 Leute rheinabwärts und der neuen 
Heimath zuführte. (Pf. J.) 
— Aus der Pfalz, 18. April. Der be— 
kannte Mäcen der Pfalz, Henry Villard-Hilgard zu 
New⸗York, hat sich ein neues Verdienst um die 
Beförderung idealer Bestrebungen in der Pfalz er— 
worben. Zur Herausgabe der „Prähistorischen 
Karte der Pfalz“ hat derselbe in freigebigster Weise 
die Mittel gewährt, nachdem an den Landesstellen 
hiefür keine Gelder flüssig zu machen waren. Die— 
selbe wird vom Historischen Verein der Pfalz her— 
ausgegeben und in dessen Auftrag von Dr. C. 
Mehlis, Prof. zu Dürkheim bearbeitet werden, der 
hiefür seit fast zehn Jahren das Material gesammelt 
hat. Die Einträge beziehen sich auf die neolithische 
Periode, die Bronzezeit, die la Tèône- Periode, so⸗ 
wie auf die römische Occupation und die Besitz— 
nahme der Pfalz durch fränkische und alemannische 
Colonisation. Die Zahl der Einträge wird sich 
mit den neuesten Funden auf etwa 600 belaufen. 
Die Karte, hergestestellt auf Grund der bayerischen 
Uebersichtskarte von Südwestdeutschland (1: 250, 000), 
mit dem dazu gehörigen Reperiorium soll womöglich 
noch im Laufe dieses Jahres als Vereinsgabe er— 
scheinen. 
— GPrüfungsordnung für den nie— 
deren Finanzdienst.) Zufolge allerhöchster 
Verfügung tritt an die Stelle der Ziffer II Absatz 
1 der allerhöchsten Verordnung vom 5. Febr. 1875 
folgende Bestimmung: „An der Prüfung der J. 
Abtheilung können nur solche Kandidaten theil— 
nehmen, welche die Vollendung des Studiums an 
einem humanistischen oder Realgymnasium durch ein 
Absolutorium, sowie eine mindestens dreijährige, 
mit gautem Erfolg bestandene Praxis bei einem 
Rentamte oder bei der Gerichtsschreiberei eines 
Amtsgerichtes nachweisen. Die Praxis bei letzterer 
hat in der Weise zu erfolgen, daß die Kandidaten 
ununterbrochen entweder drei Monate den ganzen 
Arbeitstag, oder sechs Monate den halben Arbeits— 
tag, und zwar vorzugsweise mit der Behandlunug 
des Gerichtskostenwesens, beschäftigt werden.“ 
— — — 
Vermischtes. 
München, 16. April. Auf ein Gesuch 
der Gemeinde Burglengenfeld um Bewilligung einer 
Kirchenbaulotterie erhielt dieselbe den Bescheid, daß 
nicht weniger als 688 derartige Gesuche vorlägen 
und daß erst nach deren Erledigung die Bitte ge— 
hzrüft werden könnte. Unter diesen Umständen dür⸗ 
fen die guten Burglengenfelder sich noch einige Zeif 
in der christlichen Tugend der Geduld üben. 
F St. Wendel, 18. April. Gestern Morgen 
verunglückte beim Frühzuge Bingerbrück-⸗Saarbrücken 
in der Nähe von Langenlonsheim ein Schaffner, 
indem derselbe so unglücklich vom Zuge fiel, daß er 
alsbald starb. (S.⸗u. Bl.3.) 
7 Die Kosten des Prozesses wegen des „Eisen⸗ 
bahnunglücks bei Hugstätten“ sollen ca. 20,000 M. 
betragen; das Sparsystem der Generaldirektion wird 
wohl hiefür von Seiten der Staatsasse, welche diese 
Kosten zu tragen hat, den gebührenden Dank er⸗ 
halten. 
f Dem badischen Eisenbahnfahrper— 
sonal wurde ein Erlaß der Generaldirection zur 
Kenntniß gebracht, wonach es ihnen in Zukunft 
auf das bestimmteste untersagt wird, auszufahren, 
wenn nicht die nöthige Anzahl Bremser vorhan— 
den ist. 
Der Gesammterlös aus dem badischen Ta⸗ 
baksbau wird für jedes der beiden Jahre 1880 und 
81 amtlich auf 7,000,000 Mark geschätzt. 
Köln, 16. April. In unserer Vorstadt 
Ehrenfeld wurde ein Herr, angeblich aus Hannover, 
verhaftet, welcher versuchte, einer doctigen Person 
ein 12jähriges Mädchen zur Erziehung zu über— 
geben, bei Besprechung der geschäftlichen Angelegen- 
heiten aber deutlich zu verstehen gab, daß das Kind 
schwer mißhandelt werden müsse — daß er aber 
eigentlich nur beabsichtige, dasselbe auf irgend eine 
Weise unbemerkt aus der Welt zu schaffen. Kaum 
waren diese Worte den Lippen des sauberen Pa— 
krons entflohen, als sich die Nebenthüre oöffnete und 
ein Polizeicommisfar die Verhaftung vornahm. Die 
Erzieherin in Ehrenfeld war nämlich durch die, der 
—VV 
spondenzen stutzig geworden und hatte den Com— 
missar gebeten, ungesehener Zeuge der Besprechung 
sein zu wollen. Welches weitere Verörechen dadurch 
Jeplant war, daß man ein schon ziemlich erwachsenes 
dind auf so bestialische Art aus der Welt zu 
chaffen suchte, wird wohl die Untersuchung zu Tage 
ördern. 
4 Einen gar wundersamen Steckbrief erläßt die 
Herzoglich Meiningen'sche Amtsanwaltschaft in 
GBräfenthal. Wir finden den Steckbrief iu der Hild⸗ 
hurghausen'schen Dorfzeitung abgedruckt, und zwar 
lausete derselbe wie folgt: 
Steckbrief. 
Gegen den unten beschriebenen Mausefallenhänd⸗ 
ler Adreas N. N., welcher sich verborgen hält, ist 
die Untersuchunghaft wegen Unterschlagung ti. Haft⸗ 
befehl des Herzogl. Amtsgerichts, Abtheilungl hier, 
dom 7. d. M. verhängt. 
Es wird ersucht, denselben zu verhaften und in 
das Amtsgerichtsgefängniß hier abzuliefern. 
Gräfenthal, den 8. April 1883. 
Der Herzogl. Amtsanwalt. 
Ronmel. 
Beschreibung. 
Derselbe war von mittlerer Größe (1,66 M.) 
satte schwarze Haare und schwarzen Vollbart von 
nittlerer Länge und frische Gesichtsfarbe. Er war 
zekleidet mit niedrigem, schwarzen, gewöhnlichen 
Filzhut, blauen Kittel und bief im Augustv. 
J. barfuß.— 
4 Die traurige Affaire des verstorbenen Reichs— 
ags-⸗Abgeordneten Sandtmann nimmt, wie der 
„Voss. Ztg.“ aus Hamburg geschrieben wird, 
eine Wendung, die mehr als erschütternd wirken 
nuß. Der brave, in allen Kreisen hochgeachtete 
Mann ist aus falschem Ehrgefühl in den Tod ge— 
Jjangen, weil er für eine Lissaboner Firma in Höhe 
bon ca. 800,000 Mt. ins Obligo gegangen war 
und die Firma die Wechsel nicht honorirte. Nun 
sst an den Hamburger Agenten des Lissaboner 
Zauses die telegraphische Nachricht eingegangen: 
Wir halten uns, seuden Rimessen.“ Noch hat 
ich der Grabeshügel über Julius Sandtmann nich 
Jewölbt, und die Ursache die ihn in den Tod trieb 
st beseitigt. 
4 Zu dem bekannilich vom 1. bis 3. Juli in 
damburg abzuhaltenden ersten allgemeinen deut— 
chen Kriegerfeste werden die umfassendsten Vorbe— 
reitungen getroffen. Aus die Tages-⸗Ordnung der 
Verhandlungen sind u. a. folgende Punkte gestellt: 
fxinigung der gesammten Landesverbände zu einem 
illgemeinen deutschen Verbande unter dem Protek⸗ 
orate Sr. Majestät unseres Kaisers; Anschluß der 
Hesammtheit oder der Landesberbände an den Cen— 
ralverband zur Pflege im Felde verwundeter oder 
rkrankter Krieger zum gemeinschaftlichen, einheitlichen 
Wirken mit demselben; Errichtung von Unter— 
tützungskassen für Wittwen und Waisen verstorbener 
dameraden. 
7 CEine „kluge Frau'“), die verehelichte 
Taroline Wilhelmine Brandt, geb. Brindermann 
tand am letzten Dienstag wegen 36 Betrugsfälle 
»or der II. Strafkammer des Berliner Land— 
zerichts 1, nachdem sie wegen Betrugs, Diebstahls 
Verleitung zum Meineide xc. wiederholt vorbestraft 
st. Die Angeklagte versteht es, die Dummheit der 
Menschen in einer kaum glaublichen Weise auszu— 
zeuten. So lernte sie ein Fräulein Gl. kennen, 
welche einen Bräutigam hatte, über dessen Zuver⸗ 
iässigkeit sie in einigen Zweifel gerathen war. Die 
Angeklagte legte ihr die Karten und konstatirte aus 
der Lage der ‚Damen“ und „Könige“, daß der 
Bräutigam mit einer Anderen „gehe“. Darob 
zroße Verzweiflung von Seiten des Fräulein Gl. 
uind die Zusicherung der Angeklagten, daß es ihr 
zegen Enigelt von 9 Mark gelingen würde den 
Slandesbeamten und den Pfarrer dazu zu bewegen, 
eine Trauung jener Beiden nicht vorzunehmen. 
Das Geld wurde bewilligt, ebenso erhielt die Ho— 
tuspokus-Dame eine Schürze und ein Tuch, welche 
die Angeklagte kochen und am Kreuzwege vergraben 
vollte, um damit den Bräutigam zu dem liebe— 
dürstenden Mädchen zurückzuführen. Das Mitten 
nützte aber nichts; der „Schatz“ heirathete vielmen 
ein anderes Mädchen, das nicht so thöricht wa 
Held und Kleidungsstücke für einen krassen Schwip 
del herzugeben. Die Betrogene war über — 
Lösung um so untröstlicher, als sie der Angeklagten 
die ihr mit den schönsten Redensarten um de 
Mund gegangen war, schließlich auch ihr Spatl⸗ 
senbuch über 138 Mark hingegeben hatte. — Ebenst 
hatte die kluge Frau einem anderen Mädchen 296 
Mark für ein Sympathiemittel abgeschwindelt, wel. 
hes den Bräutigam mit unzerreißbaren Ketten gr 
ihre Person fesseln sollte. Einer Frau, deren Manß 
iich in schlechten Vermögensverhältnissen befand, der 
schrieb sie ein lakritzenartiges Pulver gegen gutes 
Geld mit dem Versprechen, daß, wenn das Pulbe 
in einer Vollmonds⸗Mitternacht gestreut werden 
würde, der Frau das große wie das kleine Gehd 
nie ausgehen sollte. Ganz ähnliche Prozeduren 
nahm sie auch mit anderen „sympathisch“ ange— 
hauchten Damen vor. Eine junge Frau, welche 
nit ihrem Manne unglücklich lebte, bewog sie zur 
Hergabe einiger Markstücke, sowie eines Glases und 
einer Tasse, indem sie ihr vorschwindelte, daß, wenn 
sie die heiden letzteren Gegenstände zu Pulver mache 
und das Pulver am Kreuzwege nach Osten und 
nach Westen hin ausstreue, dies den Erfolg habe 
würde, daß der widerhaarige Ehemann in den lamm 
frommsten Pantoffelhelden umgewandelt werde 
pürde. Etwas realistischer lag die Sache bei ein 
jungen Dame, deren Schatz so ungalant war, da 
er der Flasche öfter seine Liebeserklärungen macht⸗ 
als seiner Auserkorenen. Dieser verkaufte sie e 
übelriechendes Pulver — „Freßpulver“ nannte * 
die Angeklagte — unter der Versicherung, daß de 
heklagenswerthe junge Mann fortab nur noch da⸗ 
Wasser als das gesundeste aller Getränke preise 
werde. Staatsanwalt Hübschmann beklagte es zwm 
tief, daß es im neunzehuten Jahrhundert noch Leut 
gibt, die an solche Dinge glauben, hielt aber dafür 
daß den Personen, die in so frivoler Weise auf d 
Dummheit der großen Menge spekuliren, das Hand 
werk ganz energisch gelegt werden müsse, und be 
intragte deshalb 5 Jahre Zuchthaus und 300 Mt 
Geldbuße. Der Gerichtshof erkannte jedoch auf! 
Jahre Zuchthaus und 4350 Mark Geldbuße even 
tuell noch entsprechende Zuchthausstrafe. 
Der Brestauer landw. Verein ha 
für die Ersindung eines billigen, leicht anwendbaten 
und wirksamen Verfahrens zur Vertilgung der Feld⸗ 
mäuse einen Preis von 1000 Mark ausgeseßt 
Die Prüfung und Entscheidung über die Preis 
würdigkeit der eingehenden Vorschläge, sowie eben 
tuell die Zuerkennung des Preises erfolgen end— 
gültig durch eine Fachkommission. 
F(GIrtkhum in der Apotheken), An 
Königsberg schreibt man: Ein unendlich trau 
riger Fall hat sich jüngst hier zugetragen, der fu 
eine ganze Reihe der Betheiligten die bösesten dol 
gen haben wird. Für ein krankes Kind von fünf 
Jahren wurde ein Recept verschrieben und dieses 
nach einer Apotheke gebracht, in welcher ein junge 
Mann als Gehiife servirte, der daselbst seine Lehr⸗ 
zeit durchgemacht und vor Kurzem sein Eramen 
denn auch nur mit mäßiger Censur, bestanden hatr 
Weil sein Prinzipal ihn noch nicht selbstständig ar 
beiten lassen wollte, hatte er seine Anordnungen g 
troffen, daß er zwar receptiren. aber nicht signirt 
konne, und ein anderer Gehilfe hatte eins für ab 
mal den Austrag bekommen, die von jenem rect 
sirten Medicamente zu signiren, gewissermaßen * 
Controle. Nun will ein unseliger Zufall, daß 
rwähnte junge Gehilfe die in den üblichen Abbür. 
ingen gegebene Vorschrift: Magnesia usta 
Morphium acidum verwechselt und danach recepur— 
Der zweite Gehilfe hatte keine Ahnung von 
Verwechslung und signirte ganz correct nach 
Vorschrift: Magnesia usta. Von dem aus mehn 
cen Ingredienzien bestehenden Medicamente wurde 
drei Pulver fertiggestellt und verabfolgt. Balde 
rauf erschien der Vater des kranken Kindes 
weifelnd in der Apotheke und theilte mit, dabß 
tranke Kind nach Genuß des ersten Pulvers 
—VDD—— Rezeht. 
eicht es mit der Signatur, und da er keine Ken— 
iß von der Verwechslung hat, wußte er. keir 
besseren Rath zu ertheilen, als dem Kind das zw 
Pulver zu geben, und als dies geschehen, war 
Zind in wenigen Minuten todt. Die gericht. 
Schritte wegen dieses Vorfalles sind eingeleitet 
Goheisen⸗Erzeugung in Deu 
land.) Nach den ftatistischen Ermittelungen 
Vereins deutscher Eisen⸗ und Stahlindustrn