Full text: St. Ingberter Anzeiger

der Firma Leyden in Köln um 12,000 Mark ge⸗ 
auft. 
s (In Amerika gestorben.) Die Zeit⸗ 
ichrift „Amerika“ berichtet: In einer Vorstadt 
Chicagos starb dieser Tage der alte Pfälzer 
Nicolaus Berdel im Alter von 81 Jahren. Im 
Jahre 1832 zog er mit einer jugendlichen Schaar 
als Spielmann über die Gebirge zum Hambacher 
Feste, half auf dem höchsten Bergesgipfel seiner 
Heimath einen Freiheitsbaum errichten und mußte 
dann als Anrüchiger, von der Regierung dazu 
gedrängt, das Weite suchen. Er zog nach Amerika 
und langte endlich im Jahre 1836 als fahrender 
Musiker mit einem reisenden Circus in Chicago an, 
das damals nur 4000 Einwohner (1880 waren 
»s schon 503,298) hatte. Er war einer der Ersten, 
der sich dann mit einer „Bande“ dort häuslich 
naiederließ und so die alte, gute vaterländische Volks— 
nusik im „fernen Westen“, noch fast in der Wild⸗ 
niß einführte. Später wurde er zum Friedens⸗ 
cichter erwählt, nahm an allen politischen Ereignissen 
lebhaften Antheil und konnte Vieles über das aller⸗ 
früheste deutsche Leben in der Stadt und Umgegend 
yon Chicago mittheilen. 
S 
Vermischtes. 
F Aus Bayern. Unsere Bier⸗Metropole 
—XXXVD 
fungen für die Moskauer Festlichkeiten betheiligt, 
indem vorgestern eine ganze Waggonladung helles 
Lagerbier nach der Kremlstadt abging. Mögen die 
Russen sich solchergestalt nur immer intimer an 
Bayern anlehnen! 
F Grünberg, 20. April. (Synagogenfeier.) 
Bei der am 19. d. hier erfolgten Einweihung der 
neuen Synagoge hatten — nach dem Bericht des 
hiesigen „Wochenblattes“ — zur Linken des Altars 
‚die beiden ersten Geistlichen der evangelischen Ge— 
meinde“ Platz genommen. Das genannte Blatt 
bezeichnet dies als einen Alt, „der mehr als Worte 
zeige, daß unter uns (den Bekennern verschiedenen 
Blaubens) Frieden herrsche.“ 
F Im Thüringer Walde liegt bei Groß⸗ 
breitenbach der Schnee noch immer gegen zwei 
Fuß hoch. 
F Eine große Feuersbrunst suchte am 
20. April den in der Nähe von Hildburghausen 
gelegenen Marktflecken Veilsdorf heim. Die Hälfte 
des 749 Einwohner zählenden Ortes ist niederge⸗ 
brannt; über 50 Wohnhäuser mit allen Nebenge— 
bäuden und Scheunen liegen in Asche. Das Feuer 
joll durch Kinder, die mit Streichhölzern gespielt, 
verursacht sein; die Bewohner waren zum großen 
Theil grade bei einem Holzverftrich beschäftigt und 
fehlte dadurch die erste Hilfe. Menschenleben sind 
nicht zu beklagen, auch das Vieh wurde gerettet; 
irche und Schule blieben verschont. Von Hild⸗ 
burghausen aus war auch ein Theil der Garnison 
zur Hilfe herbeigeeilt. 
F(Eine Ehe mit Hindernissen.) Das 
19jährige Toöͤchterlein eines ehrsamen Handwerks⸗ 
meisters in Berlin hatte mit einem Handlungsdiener 
ein Liebesverhältniß angeknüpft, welches dem Vater 
der jungen Dame nicht angenehm war. Als schließ⸗ 
lich der junge Mann, ohne eine gesicherte Existenz 
zu besitzen, die Hand seiner Angebeteten bei deren 
Vater erbat, wies dieser ihm kurzweg die Thür. 
Das junge Mädchen wußte aber dennoch Verkehr 
mit dem abgewiesenen Liebhaber zu unterhalten und 
derließ, als auch hier der gestrenge Papa wieder 
törend eingriff, heimlich das elterliche Haus. Vier 
Wochen später stellte sich die Tochter dem Vater 
als die Gattin des Handlungsdieners wieder vor. 
Die Liebenden hatten sich zu helfen gewußt. Das 
junge Mädchen hatte die Bekanntschaft ihres Vaters 
mit einem dortigen Kommunalbeamten, welcher ein 
Dienstsiegel führt, benutzt und diesen Beamten be—⸗ 
ttimmt,, die Unterschrift ihres angeblich erkrankten 
Vater auf einem Schriftstück zu beglaubigen, welches 
zie Erlaubniß zur Heirath mit dem Kommis ent⸗ 
hielt. Diesen Erlaubnißschein präsentirten die Lie— 
henden dem Standesbeamten, welcher darauf hin, 
nach Erledigung der üblichen Formalitäten, die 
standesamtliche Eintragung in das Heirathsregister 
Hewirkte. In seinem Zorn machte der auf so un⸗ 
erwartete Weise zu einem Schwiegersohn gekommene 
dandwerksmeister Anzeige von dem Vorfall, was 
zunächst zur Folge gehabt, daß der gutmüthige 
Zommunalbeamte disciplinarisch in eine Geldbuße 
genommen worden ist. Nunmehr verlangt der hinter⸗ 
Jjangene Vater die Ungiltigkeits-Erklärung der ge⸗ 
chlossenen Ehe, und wenn nicht noch in lezßzter 
Stunde eine Versöhnung zu Stande kommt, dann 
)ürfte das junge Ehepaar wahrscheinlich noch mit 
dem Strafgesetz in Konflikt gerathen. 
F Aus Strehlen berichtet die „Schles 
Volksztg.“, daß sich unter der dortigen Garnison 
»ie Selbstmorde in erschreckender Weise mehren 
luch in anderen schlesischen Garnisonen sind in 
neuester Zeit zahlreiche Selbstmorde vorgekommen 
— In Liegniztz hat dieser Tage die Vernehmung 
von Civileinwohnern durch den Dipvisionsauditeur 
jus Glogau über Mißhandlungen von Soldaten im 
Ddienste staltgefunden. Auch die Mutter des Fü— 
iliers Prenzel, welcher sich nach seinen Briefen 
vegen der ihm im Militärdienste widerfahrenen 
zehandlungen das Leben genommen hat, ist ver— 
ommen worden. Nach der Mittheilung eines Lieg⸗ 
unitzer Blattes haben sich die Vernehmungen nicht 
nur auf den Prenzelschen Fall, sondern auch auf 
eine neuerlich zur Anzeige gebrachte Mißhandlung 
eines Soldaten im Dienste bezogen. Man darf 
vohl erwarten, daß die Militärbehörde nach Be⸗ 
ndigung des Verfahrens einen Weg findet, das 
Ergebniß zur Kenntniß des Publikums zu bringen. 
FPosen. Zwei Militärsträflinge von der 
auf der Eichwaldstraße seit einiger Zeit beschäftigten 
Arbeiterkolonne versuchten gestern Vormittags zu 
»esertiren und liefen, nachdem sie an die Warthe 
zelangt waren, an dieser entlang. Zwei Gefreite 
velche die Aufsicht über die Sträflinge führten, 
jaben mehrere Schüsse auf die beiden Deserteure 
ib, ohne jedoch dieselben zu treffen. Erst zwei 
MNilitär-Ordonnanzen, welche auf der Eichwaldstraße 
bferde zuritten und die Flüchtlinge alsbald ver— 
olgten, gelang es, wie die Posener Ztg. mittheilt, 
ieselben an der Freibadestelle einzuholen und dort 
u verhaften; durch eine Militärpatrouille wurden 
zie Deserteure alsdann nach der Hauptwache ge— 
chafft. 
— Zu den Frühjahrs-Exerzitien des preußischen 
Bardekorps wurden aus der baher. Armee nach— 
tehende Regiments⸗, bezw. Bataillons-Kommandeure 
iach Berlin beordert, nämlich: a) vom 25. April 
nit 31. Mai die Obersten Straub des 7. und 
horn des 15. Inf.-Reg., dann die Oberstlieute⸗ 
tants v. Ziegler des 2. und Berg des 4. Jäger- 
Bat., sowie Frhr. von Zu⸗Rhein des 2. Fuß⸗Art 
Reg.; b) vom 18. Mai mit 17. Juni der Obersl 
Frhr. v. Horn des 2. Chev.⸗, die Oberstlieutenantt 
5rhr. v. Steinling des 2. schweren Reiter⸗ und 
Passavant des 1. Chev.Reg., und c) vom 10. 
Mai mit 9. Juni der Oberst v. Hellingrath des 
3. Feld⸗Art.⸗Regts. 
F Elektrische Beleuchtung in der 
Wiener Hofburg.) Zu Beginn des Sommers, 
vährend der Abwesenheit des Hofes, soll in der 
dofburg sowohl in den inneren wie auch äußeren 
stäumlichkeiten die elektrische Beleuchtung eingeführt 
verden. 
fGazaines Buch.) Dem von uns bereits 
nehrfach erwähnten, jetzt ehen erschienenen Werke 
es Ex⸗Marschalls Bazaine: „Episoden aus dem 
driege 1870 und die Belagerung von Metg“ ent⸗ 
iehmen wir noch folgenden Bericht über eine Unter 
edung, welche der Befehlshaber der Festung Met 
»m 10. August 1870 zu Longeville mit Napo— 
eon III. hatte: 
„Obwohl Se. Majestät leidend war und das 
Zett hütete, wurde ich sofort eingeführt. Der Kaiser 
mpfing mich mit gewohntem Wohlwollen. Ich er— 
ählte ihm, wie das Gefecht bei Borny abgelaufen 
var, und drückte ihm meine Besorgniß für die 
nächsten Tage aus, da die Deutschen die Wege 
offen gefunden hatten, um zwischen Meuse und 
Mosel und folglich auf unserer Rückzugslinie Stel⸗ 
ung zu nehmen. Ich theilte dem Kaiser mit, daß 
in Leiden mir das Reiten sehr beschwerlich machte, 
und bat ihn, mich zu ersezen. Se. Majestät be— 
rührte meine Schulter und meine zerbrochene Epau⸗ 
lette und entgegnete mit jener Güte, welche alle 
diejenigen bezauberte, die ihm naher kamen: „In 
einigen Tagen wird das wieder gut sein und Sie 
jaben den Zauber gebrochen ....“ (Wörilich.) 
Während dieser Unterredung sprach man nicht von 
zer Abreise des Kaisers, der in jenem Augenblick 
»en Bewegungen der Armee zu folgen beabsichtigte. 
Ze Majestät befahl mir die größte Vorsicht in den 
Iperationen, auf daß nichts dem Zufall überlassen 
liebe und die Mächte, welche beim Ausbruch der 
Feindseligkeiten sich uns zuzuwenden zu wollen 
hienen, keinen Grund zum Rückzug hätten. Ich 
rwarte eine Antnort von dem Kaiser von Oester⸗ 
eich und dem König von Italien; wirfen dür 
nichts übereilen und müssen vor Allem neuen Mi— 
derlagen vorbeugen.“ Dann verabschiedete Nap. 
leon III. mich mit den Worten: „Ich zähle auf Sit 
Genau einen Monat später, am 15. Augus 
fand eine neue Unterredung zwischen Napoleon i 
und dem Marschall Bazaine, diesmal in Graveloth 
statt. Der Marschall hatte seinem Monarchen einen 
kleinen Blumenstrauß aus seinem eigenen Garte— 
mitgebracht und gratulirte ihm zum Namenstag. 
„Der Kaiser dankte und fragte dann ploßlid 
laui: „Soll ich mich entfernen?“ Von dieser Ftag 
überrascht, erwiderte ich, ich wisse nicht, was sis 
vor uns zutrage, und forderte Se. Majestät zum 
Bleiben auf. Diese Antwort schien ihm zu gefallen 
Er wandie sich gegen den Offizier seines Hause 
und sagte, so daß Alle ihn hören könnten: „Mein— 
Herren, wir bleiben, aber das Gepäck bleibt au 
dem Wagen.“ Die Truppen zogen unablässig qu 
dem Wirthshause vorüber; der Anblick des Sou— 
deräns und seines Sohnes, die man noch vo— 
wenigen Tagen freudig begrüßt hatte, vermocht 
hnen kein Vivat, keinen Zuruf zu entlocken; schor 
machte sich die Rückzugsstimme geltend. Der Kaise 
zdieß mich in sein Zimmer treten und fragte, wel— 
hen Weg er einzuschlagen hätte, falls er sich zun 
Weggange entschließen würde..... Waähren 
ich bei dem Monurchen weilte, trat der Marschal 
de Boeuf ein, um seine Ernennung zum Befehls 
haber des dritten Korps unterzeichnen zu lassen 
und überreichte mir einen Bericht über die Ursachen 
der jüngsten Niederlagen. Dieselben sind: die 
Ueberrumpelung, die Zersplitterung der Kräfte und 
die zu geringe Truppenzahl. Das Schriftstüe 
lautet dann, wie folgt: 
„Die Ueberrumpelung. 1) Müßten die Trup— 
penführer sich weniger gehen lassen, 2) wäre ein 
strengere Wachsamkeit an den Vorposten, 3) ei 
vollständig gut bezahltes, kontrolirtes, rastlost! 
Spioniersystem nöthig. Die Preußen spioniren 
überall, unaufhörlich; wir müssen es ihnen gleich— 
thun und womöglich die Sache noch besser machen 
Die Zersplitterung der Kräfte. Weißenburg 
Reichshofen, Forbach beweisen sie zur Genüge 
Napoleon J. operirte massenweise. Bei Sadowe 
thaten die Preußen desgleichen; jetzt bedienen ir 
sich dieser Taktik gegen uns. 
Die Inferiorität der Truppenzahl. Sie is 
augenfällig. 8000 Mann gegen 250,000. J 
der nächsten Schlacht (denn wenn wir uns konzen 
triren, so konzentriren sie sich auch) werden sie mi 
300,000, ja mit 400,000 Mann ins Treffen 
rücken. Unsere Tapferkeit läßt sich dadurch nich 
abschrecken; aber wir müssen dem Mißverhältniß 
zurch die Kriegskunst abhelfen. Wir müssen: 1 
io viel Mannschaft, als nur immer möglich, zu 
ammenziehen; 2) dem ersten Anprall nur einer 
Theil unserer Kraft entgegensetzten (denn die Deut 
scchen werden dasselbe thun) und die zweite Hälftt 
für den zweiten Gang auf dem Schlachtfelde auf⸗ 
paren. Aber die beiden Hälften müssen sich be⸗ 
rühren und so zu sagen ein ganzes bilden, um au 
den ersten Wink in geordneten Reihen vorrücken pu 
können. Wenn es möglich wäre, den Feind zr 
zwingen, daß er seine Massen ins Treffen schichte 
und ihn mit der ersten Hälfte unseres Heeres im 
Zaum zu halten, ihn aufzureiben, so koͤnnte die 
weite im Augenblick der Erschöpfung der zweiten 
preußischen Masse losschlagen und den Sied 
entscheiden. 
Die Worte: „ihn aufzureiben“ (, pour les user 
waren von der Hand Napoleons III. geschrieben. 
Das Schriftstück, welches von ihm diktirt oder 
venigstens inspirirt war, enthieli überdies nod 
folgende Betrachtungen: „Wenn Frankreich künftit 
unicht auf den Rang einer untergeordneten Mach' 
zerabsinken und ein Vasalle Deutschlands werder 
vill, so muß es zur siebenjährigen Dienftzeit zurüd 
tehren, ein Jahreskontingeni von mindestens 200, oo 
Mann und eine Landwehr von einer Million haben. 
Ein merkwürdiger Unfall ereigneh 
ich am 15. April, Abends, bei der Eisenbahnstatior 
Briethausen. Von einem für Holland bestimmter 
Büterzuge trennten fich funf Waggons, die, einma 
in's Laufen gerathen, nicht mehr zum Halten ge 
hracht werden konnten, dem Rheine entgegeneilten 
und mit gewaltigem Aufschlagen der Fluthen in 
demselben verschwanden. Valer Rhein war einen 
Augenblick ganz erregt ob dieser Ueberraschung 
Zin Menschenleben ist glücklicherweise nicht in Ver 
ust gerathen. 
FDelhi, 20. April. Gestern hat eine großt 
Feuersbrunst 2000 Häuser dernichtet.