Full text: St. Ingberter Anzeiger

Ausalieferungsfrage im Sinn eines wirksameren 
Schutzes gegen die Zettelungen verbrecherischer Sub⸗ 
elte aus fremden Ländern bildete, gegenwärtig ge⸗ 
aöthigt ist, diejenigen Ideen, die kurz vorher selbst 
von der Hand wies, bei anderen zu verfechten. Die 
mmerikanische Presse scheint nachgerade zu der Er⸗ 
lenntniß der Schmach gekommen zu sein, welche das 
zerbrecherische Treiben der zahlreichen, nach Amerika 
geflüchieten Bösewichter der Würde der republikani⸗ 
schen Freiheit anthut, denn sie bespricht in starken 
Ausdrucken der Entrüstung das Uebel und tritt 
mit Energie für eine Beseitigung desselben ein. 
Hält diese heilsame Reaktion an, so wird sich die 
Kegierung der Vereinigten Staaten vielleicht doch 
noch dazu verstehen, dem Zufluß der Uebelthäter 
zus aller Herren Länder einen gesetzlichen Damm 
entgegen zu setzen oder mindestens doch die Mög⸗ 
lichteit ihrer Ausweisung herzustellen, wofern fie 
das Asylrecht zu mißbrauchen fortfahren. 
— —— 
Lokale und pfaälzische Lachrichten. 
⸗St. Ingbert, 27. April. Der Stadtrath 
vewilligte in seiner letzten Sizung dem früheren 
Fortbildungsschüler Jakob Stol z. von hier zum 
Zesuche. der Kunstgewerbeschule ein Stipendium 
hon 150 Mark. Stolz besitzt nicht gewöhnliche 
Anlagen zum Zeichnen und Modellieren in Thon. 
—AVVV Seiten der kgl. 
Kreisregierung und des Distriktes demselben Mittel 
zur weileren Ausbildung zugewiesen werden. 
e. Ensheim, 26. April. Viktualienmarkt. 
Eier per Dutzend 70 Pfg., Butter per 22 Kilo 
1,30 Mk. Kartoffeln per 80 Kilo 4 Mk. 
— Blieskastel, 20. April. Heute Morgen 
juchte sich, wie die „Pf. Pr.“ berichtet, der Schlosser 
We von hier mittelst scharf geladenen Revolvers zu 
entleiben, was ihm jedoch mißlang, da er sich nur 
eine mindergefährliche Wunde beizubringen ver⸗ 
nochte. W. leidet seit einiger Zeit an Geistes⸗ 
störung. 
Einöd, 26. April. Gestern Nachmittag 
hrannken die Oekonomiegebäude des Ackerers 
Krumbach und der Wittwen Bächle und Kiefer 
dahier total nieder. Der angestrengten Thätigkeit 
unsrer von der übrigen Einwohnerschaft wacker 
unterstützten Feuerwehr, welche später von der 
Zweibrücker und Ernstweiler Lös chmannschaft Sukkurs 
von drei Spritzen erhielt, gelang es, einer weiteren 
Verbreitung des Feuers vorzubeugen. (Zw. Ztg.) 
— Zweibrücken, 26. April. Die Ver⸗ 
etzungen, welche Herr Postkondulteur Wachter 
zestern früh bei der Explosion im Postwaggon des 
dandauer Zuges davontrug, find folgende: Das 
cechte Auge ist leider ganz zerstoͤrt, am Zeigefinger 
der linken Hand sowie am Daumen der rechten 
dand sind die ersten Glieder weggerissen, und die 
Zrust zeigt mehrere kleine Locher. Der Zustand 
des beklagenswerthen Mannes, dessen Gesundheit 
einem Akt“des unberantwortlichsten Leichtsinns eines 
Dritten in so gräßlicher Weise zum Opfer gefallen, 
joll bedenklich sein. Hr. Wachter ist verheirathet 
ind Vater dreier Kinder, wovon das jüngste neun 
Jahre zählt; heute Morgen klagt er über große 
Schwäche. — Die explodirte Sendung, welche, wie 
schon gestern erwähnt, der Feuerwerker Kilian in 
Speyer aufgegeben hatte, war für einen Schieß⸗ 
hudenbesitzer un nahen Contwig bestimmt und be⸗ 
ftand in Pistons, wie sie in wandernden Schieß⸗ 
huden beim Herausschießen von Gegenständen ver⸗ 
wendet zu werden pflegen. Der Absender wird 
weifelsohne strafrechtlich und dann, sofern er Eigen⸗ 
hum besitzt, von dem Verletzten hinsichtlich der 
kntschadigungspflicht auch zivilrechtlich zu fassen sein. 
Ob aber auch die kgl. Post, welche die verhäng⸗ 
nißvolle Kiste, deren Inhalt nicht deklarirt war, 
von Kilian angenommen, also der Staat auf Ent⸗ 
schädigung belangt werden kann, steht dahin. 
Zw. Zig 
— Kaiserslautern, 26. April. Neue 
Kartoffeln.) Während man in unserer Gegend die 
—X Ver⸗ 
mehrung anvertraut, werden am hiesigen Platze 
hereits neuce verkauft. Bei Herrn Kaufmann 
Philipp Stockmar sind neue mehlige Kartoffeln, aus 
Malta bezogen, um 30 Pfg. das Pfund zu be— 
ommen. (K. 3.) 
—In Neustadt war am Sonntag im Hause 
des Herrn Weinhaͤndler Merckel ein 6500 Liter 
Jalteudes Faß ausgestellt, dessen kunstvoll geschnitzter 
Boden zahlreiche Schaulustige anzog. Die Zeich— 
nung zu dem Kunstwerke, welches den Spruch 
Osb Rittersmann, ob Lanzenknecht, ein jeder gern 
sein Schoppen stecht“ illustrirte, war von Herrn 
d. Kramer, der in ebenso verständnißvoller als 
»ühriger Weise das Kunstgewerbe hier einzubürgern 
rucht. Herrn Bildhauer Menges in Kaiserslautern 
par die Modellirung dieser Zeichnung anvertraut 
vorden, und nach dessen wohlgelungenem Modelle 
hat Herr Bildhauer C. Henrich in Neustadt die 
‚ortreffliche Schnitzarbeit ausgeführt. Das Faß ge⸗ 
sört den Herren Eber und V. W. Labroisse und 
st für die demnächst in Amsterdam zur Eröffnung 
ommende Internationale Export⸗ und Kolonial⸗ 
Ausstellung bestimmt, für welche, der „Neust. Ztg.“ 
ufolge, diese Herren mit der Lieferung sämmtlicher 
Weine ec. in die Hauptrestauration, sowie mit der 
illeinigen Repräsentation der Rheinpfalzweine in 
»em daselbst errichteten Internationalen Weinhaus 
Fetraut sind. Es ist dies um so erfreulicher, als 
zurch diese ausgedehnte Lieferung das Renomee der 
pfälzer Weine auch im Auslande gewinnen kann, 
jenn auf der Weinkarte werden dieselhen unter ihren 
virklichen Benennungen, wie Neustadter Vogelsang, 
daardier Schloßberg u. s. w. einschließlich der 
delsten Gewächse (Perle der Pfalz aus der Kelle⸗ 
ei der Herren Buhl in Deidesheim) aufgeführt 
verden. 
Wie die „Südd. Presse“ erfährt, findet die 
steuwahl des Reichstags-Abgeordneten für den 
Vahlkreis Landau-Reustadt (an Petersens 
Stelle) am 17. Mai Statt. (Nach dem „Land. 
tgbl.“ wäre der Wahltag noch nicht bestimmt.) 
— Dürkheim, 23. April. Das dem ver⸗ 
torbenen Gründer des Drachenfels-Clubs, Landge— 
ichtsdirettor Karl Koch, gesetzt Denkmal, gelegen 
nuf einem Vorsprung des Ringmauerhanges mit 
Jerrlicher Aussicht auf die Rheinebene, wird am 
Zonntag, 20. Mai, enthüllt werden. Der hiesige 
Berschönerungsverein wird damit ein Waldfest ver⸗ 
sinden, das auf dem oberhalb jener Stelle gelege⸗ 
nen „Brunhildisstuhl abgehalten wird. 
Der Verein der pfälzischen Aerzte hat seine 
dollegen auf Dienstag den 15. Mai zu einer Ver⸗ 
ammlung mittelrheinischer Aerzte nach Dürk he im 
ingeladen. Die Verhandlungen beginnen Mittags 
ühr. Anmeldungen haben bei Hrn. Dr. Kauf— 
mann in Dürkheim zu geschehen. 
— Bei der am Mitwoch den 258. ds. zu 
Forst abgehaltenen Weinversteigerung des Hrn. 
hr. Biebel Witwe und Erben wurden folgende. hoh⸗ 
ßieise erzielt: 1880er Deidesheimer 1820, 1360, 
(490, 2230, Forster 1340, 1580, 2000, aus den 
desten Lagen als: Fleckinger 2050, 3860, Berg 
2210, 3380, Langenböhl 8450, Langenacker und 
dangenmorgen 2300, Freundstück und Hofstück 3410 
I88ler Deidesheimer 870, 880, 1010, 1100, 1280. 
Straße und Hasenböhl 1590, Erdner und Lauters⸗ 
oͤhe 2250, Forster 1010, 1160, 1200, 1230 
1370, 1420, Berg 1660, 1690, 3540, Elster 
1710 ditto Auslese 4030, Langenböhl 1730, 
3410, Fleckinger 2090, 2380, ditto Auslese 4120 
Jechstein und Mühlweg 2610, Langenacker 2630 
zreundstück und Hofstück 3370, Ungeheuer 3850, 
angenmorgen und Boländer Auslese 4000. Aus— 
ruch 5026 Mark pro 1000 Liter. 
Vermischtes. 
4 Würzburg, 23. April. Beim kgl. Land 
ericht (Straskammer) wurde heute ein Zweikampf · 
all verhandeli. „Rhenanen“ und „Franken“ hatten 
n Kißzingen Bestimmungsmensuren ausgepaukt. 
zind. med. Fr. Glaser von Frankenthal (Rhenane 
ind stud. chem. Karl Fuß von Kissingen wurden 
abei abgefaßt. Da sie mit den üblichen Schutz 
orrichtungen gepaukt hatten, erhielten sie heute drei 
Monate Festungshaft. Ebenso viel erhielt der 
tud. med. Ernst Kromeyer von hier GBurschen⸗ 
hafter der Straßburger Universität), der mit einem 
iesigen „Arminen“ eine Säbelmensur gehabt hatte 
ind unmittelbar nach deren Beendigung abgefaßt 
porden war. Sein Gegner ist schon früher ver⸗ 
jandelt und verurtheilt worden. 
Daß das Velociped nicht nur dem Sport, 
ondern auch praktischen Zwecken dient, dafür so⸗ 
vohl wie fuͤr die Ausdauer des betreffenden Velo⸗ 
ipedisten liefert die Reise eines von Baͤyreuth 
zach einem pfäl zischen Stadtchen versetzten 
geamten, Mitglied des Bayreuther Velocipedklubs, 
geweis. Derselbe legte den 350 Kilometer langen 
Weg — Hollfeld-Bamberg Schweinfurt Gmünden 
iber den Spessart nach Aschaffenburg-Frankfurt⸗ 
Mainz — mittelst genannten Beförderungsmittels 
n 315 Tagen, resp. 28 Fahrstunden zurück, büßtte 
sabei aber auch 10 Pfund seines Körpergewichté 
ein. Die Strecke von Frankfurt a. M. bis pP 
seinem Bestimmungsorte — ca. 20 Stunden 
wurde von 1 Uhr Nachmittags bis 7 Uhr Abend— 
zurückgelegt. 
Die Ot t'sche Erbschaft hat im Tauber 
grund manche Verhältnisse völlig in ihr Gegenthei 
derkehrt. Arme Taglöhner sind plötzlich wohlhabend 
deute geworden, die weit mehr besitzen, als ihr⸗ 
früheren Dienstherren, Dienstmädchen sind nuͤn 
reiche Partieen, um die sich die Burschen eifrig 
bewerben werden. Ein armer alter Mann, da 
sich bis jetzt im Taglohn kümmerlich durchbracht— 
iimd drei Kinder hat, erbte 220,000 Mk. und iff 
Rentner geworden. 
In Mainz stürzte am Samstag ein Ar 
beiter, dem der Wind den Hut vom Kopfe geweh 
hatte, in den Rhein, worin er trotz vielfacher Hilf⸗ 
ertrank. 
4 Ein ruchloses Eisenbahnattentaten 
nuf der Köln⸗Mindener Bahnstrecke entdeckt worden 
Zwischen Oalcum und Großenbaum sind am Sams 
lag gegen 9 Uhr Abends sieben, mit Draht fef 
derbundene, anscheinend frisch abgeschnittene Baum 
zamme auf die Schienen gelegt worden, und zwar 
aachdem der Köln⸗Mindener Persoaenzug und eh— 
der Courirzug die gefährliche Stelle passirt hätt 
Es war also auf letzteren Zug abgesehen, vielleich 
um einen Raub zu derüben. Der Zug kam natür 
tich in schnellem Tempo an und die Räumer der 
Maschine brachen entzwei, zugleich wurde aber aus 
das Hinderniß beseitigt und der Zug war gerette 
Die uͤntersuchung ist sofort eingeleitet worden um 
wird jedenfalis in die dunkle Augelegenheit Lich 
bringen. 
FEin brillanter Distanceritt, dessen End 
punkt Kassel war, ist von dem Premier-Lieutenan 
m großherzoglich hessischen Dragonerregiment Ne 
27, Freiherrn v. Esch wege, ausgeführt worden 
Derselbe ist am Sonntag Morgen präcise 6 Uh 
von Butzbach, Station der Main⸗Weserbahn vo 
—V—— 
n Kassel wohlbehalten angekommen, hat also ein 
kntfernung von ca. 155 Km. in 134 Stunde 
zurückgelegi, wobei eine dreimalige Rast unterweg 
nit einbegriffen ist. Den Anlaß zu dem gelungene 
Ritt, welcher auf einem Pferde ungarischer Ra 
zurückgelegt worden ist, hat eine Wette gegeben, di 
hon dem Reiter glänzend gewonnen ist, da er 
Stunde früher, als ausgemacht war, eingetroffen if 
f Von der Treue eines Hundes wird au— 
Ellrich bei Nordhausen berichtet. Der Kaufmam 
F. bei Benneckenstein holte vor einigen Tagen m 
inem Fuhrwerk verschiedene Frachtstücke vom Bahn 
hof Ellrich, mußte jedoch hiervon einige Kisten 
wegen des schlechten Weges in einer dortigen Gaß 
wirihschaft stehen lassen. Zu Hause angekommen 
hermißle er seinen ihn steis begleitenden Hund 
Nach turzem erhlelt er die telegraphische Nachrich! 
daß sich derselbe in Ellrich befinde. Fünf Zag 
spaͤter erst war es dem Kaufmann möglich, wiede 
nach Ellrich zu fahren. Dort fand er seinen Hun 
auf den von ihm zurückgelassenen Kisten, und mo 
zrzählte dem Kaufmann, daß der Hund nicht bor 
den Kisten weg zu bringen gewesen sei, so daß mu 
ihm das Futter dort habe verabreichen müssen. 
Bremen, 25. April. Zu dem Gerüch 
von neuerlichem Verlust eines großen Schiffes de 
Rorddeutschen Lloyd gab die bis jetzt nicht erfolgh 
intunft des am 7. April von New ⸗Pork abt 
jangenen Dampfers „Habsburg Veranlassun 
Man meint hier, es läge zu ernsilichen Besorgnist 
lein besonderer Grund vor. 
Berlin, 286. April. Der Droschkenlutscht 
zreit is in Folge Nachgebens der Fuhrherrn 
heendet anzusehen. 
CEine Revolverheldin. Unter y 
Anklage der Bedrohung stand eine Frau Heimit 
hor der ersten Strafkammer des Berliner Landh 
chts J. Ein junger Kaufmann befand sich 
Abend des 23. Dezember in der Wohnung n 
Angeklagten, um an dieselbe eine kleine Schuld 
ezahlen. Kaum hatte er sein wohlgefülltes Por 
nonnaie in die Hand genommen, als die ,Dan 
inen Rebolver unter ihrer Schürze hervorholte 
Mündung desselben dem jungen Manne auf 
grust sehte und denselben sofort zu aschiehen droh 
falls er sich nicht dazu bequemen würde, ihr d 
janzen Inhalt feines Portemonnaies zu ubernn 
Feden.“ Die Drohung kam so plötzlich, daß 
junge Mann wirklich ängstlich wurde und der schu 
ertigen Frau sein Portemonnai hinreichte. 
Jemselben Augenblick schlug er aber auch der An