Full text: St. Ingberter Anzeiger

die Fastenzeit zu verbringen. Der Kaiser wurde 
uͤberall enthusiastisch begrüßt. Heute Vormittag 
findet die Weihe der Reichsfahne statt. 
Der Kaißerkrönung in Moskau, deren 
erster Haupitheil, der Einzug, sich ohne Unfall voll⸗ 
zogen hat, kann ein freisinniger Nichtrusse nur in 
ialter Hoflichkeit gegenüberstehen. Alle Pracht kann 
nicht über die Faulniß der russischen Zustände hin⸗ 
vegtäuschen, ja die Herrlichkeit dient nur dazu, um 
den Gegensatz desto greller hervorzuheben und der 
Wirklichteit des Elends den glänzenden Schein erst 
recht als hohlen Prunk aufzuzeigen. Es mag ja 
Maͤnches aus Gründen der Pietät, der Tradition 
und vielleicht auch der inneren Politik zu Gunsten 
dieser großartigen Feier und für die Entfaltung 
dieser ungeheueren, ächt orientalischen Pracht sprechen; 
aber es lassen sich die immer wiederlehrenden Ge⸗ 
—X 
die Zeit des absoluten und selbstherrlichen Niko— 
aus J. erinnern. Der Despotismus des nikolaischen 
Regiments hatte das ungeheure Reich in ein ge— 
weißtes Grab umgewandelt, in welchem nur noch 
die Polizei lebte. Auch damals erstickte die Aristo⸗ 
ratie das Gefühl ihres Nichts in wahnwizßigen 
Orgien, und die Nichtigkeit des Petersburger und 
Moskauer Lebens war sprüchwörtlich. Heute steht 
ein Zar an der Spitze des Reiches, der mit dem 
Muth der Jugend und mit dem reinsten Willen 
die uͤngeheure Aufgabe vor Gott und vor seinem 
Volke auf sein Gewissen genommen hat, sein Land 
nus der rohen Natur der Halbbarberei zum Geiste 
und aus der Unnatur, der Lüge und dem Gebun⸗ 
densein der Verfeinerung zur Wahrheit und zur 
Freiheit zu führen. Er steht im Begriff, diese ge⸗ 
waltige Last seinen Schultern allein aufzubürden. 
Es kann ihm gelingen, und wie sollten wir nicht 
wünschen, da ß es ihm gelingen möchte! Aber wird 
r das Widerstreben der herrsche und raubsüchtigen 
Aristokratie zu brechen vermögen? 
Die Rebellen von Hanti haben die Re— 
zierungstruppen in mehreren bedeutenden Gefechten 
zesiegt. In Miragoane brachten die Aufständischen 
wei kleine Regierungsschiffe zum Sinken. Der 
Aufstand greift dem Vernehmen nach um sich. 
— 
Lokale und pfälzische Nachrichten. 
*Sit. Ingbert, 258. Mai. Das gestrige 
Frohnleschnamsfest wurde dahier in der her⸗ 
vmmlich feierlichen Weise durch Zapfenstreich, Tag⸗ 
ebeille, Bollerschüsse, Gottesdienst vnd Prozession, 
mn der sich eine nach Tausenden zählende Menschen⸗ 
nenge betheiligte, gefeiert. Die Straßen, durch 
velche sich die Prozession nach den 4 auf's Präch⸗ 
igste ausgestatteten Altären bewegte, waren mit 
rischem Grun bestreut. Die Häuser, geziert mit 
Fahnen, Guirlanden und Kränzen, prangten im 
Fesikleide. Dazu kam das schönste Festwetter, das 
nan sich nur wünschen mochte. Sehr groß war 
die Zahl der Gäste von Auswärts, welche sich ein⸗ 
gefunden hatte, und unsere Geschäftsleute, vor allem 
unsere Wirthe. hatten in Folge dessen einen guten 
Tag. 
*St. Ingbert, 25. Mai. Am verflossenen 
Mittwoch Nachmittag unterzog Herr Regierungsrath 
Freiherr v. Feili hzsch, der Bruder des Herrn 
Ministers des Innern, gegenwärtig Referent über 
zas höhere Schulwesen der Pfalz, die hiesige k. 
dateinschule einer eingehenden Inspektion. 
*St. Ingberfi, 25. Mai. In der letzten 
Zeit war unsere Stadt des öfteren von Schülern 
zuswärtiger höherer Lehranstalten besucht. Dieselben 
—X Lehrer die ver⸗ 
chiedenen industriellen Etablissements (Eisenwerk und 
Blashütten), oder machten Excursionen in die preußische 
Nachbarschaft, sam häufigsten zum sogenannten 
brennenden Berg.“ 
* St. Ingbert, 28. Mai. Als Seltenheit 
vird uns mitgetheilt, daß gestern eine Ziege des 
dens. Schmelzarbeiters W. 4 sehr kräftige Jungen 
Jeworfen hat. 
R.— Reuhausel, 23. Mai. Nachdem schon 
eit einiger Zeit in hiesigem Reviere Wildschweine 
ʒerspürt wurden, indem dieselben mehrere Kartoffel⸗ 
icker umbrachen, machte das k. Forstpersonal gestern 
Jagd auf solche und wurde auch ein Stück im Ge⸗ 
wichte von einem Zentner von dem k. Forstgehilfen 
Herrn Diepold durch einen wahren Meisterschuß 
nit einer Kugel erlegt. Es sollen sich noch 4 solcher 
Thiere mit einer Bache in der Nähe aufhalten und 
pare es daher sehr zu wünschen, daß mit aller 
Energie Jagd auf diese den Bauern unwillkommenen 
Fäste gemacht würde 
— Auch nach Blieskastel kommt, dem 
„L. A.“ zufolge, ein Theil der Ott'schen Millionen⸗ 
erbschaft, und zwar sind die Glücklichen die Familie 
Bernsheim, deren Groß bezw. Urgroßmutter 
eine geborene Ott aus Flemlingen war. 
Der bisherige Reichstagsabgeordnete für 
Neustadt-Landan, Herr Reichsgerichtsrath 
Petersen, ist, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, 
zon der juristischen Fakultät der Universität Er— 
angen, an welcher Herr Petersen seiner Zeit das 
etzie Studienjahr zugebracht und die erste juristische 
Zrüfung glänzend bestanden, änläßlich seiner Er— 
jennung zum Mitglied des Reichsgerichtes durch 
ie Verieihung des Doktorgrades honoris causa 
ausgezeichnet worden — eine Anerkennung, welche 
in juristischen wie politischen Kreisen gewiß allge⸗ 
neine Zustimmung finden wird. 
P.O. Edenkoben, 22. Mai. (VII. Mittel— 
ind Ober-Rheinisches Bundesschießen. S. M. 
dönig Ludwig von Bayern wurde von der hie— 
igen Schützengesellschaft zum Feste eingeladen und 
jat derselbe die Einladung sehr huldvoll unter Aus— 
zruck seines königlichen Dankes entgegengenommen 
ind sandte eine Ehrengabe von 300 Mk. Diese 
Nachticht hat hier die freudigste Bewegung hervor⸗ 
Jebracht nicht blos in Schüßenkreisen, sondern in 
der ganzen Bevölkerung und werden die Schutzen 
im ganzen Gebiete des Mittel- und Ober⸗Rheines 
zurch diese Gabe unseres koöniglichen Pfalzgrafen 
im Rhein, der im Jahre 1870 durch sein Königs⸗ 
vort unsere gesegneten Gaue vor namenlosem Unglück 
zewahrte, sich hochgeehrt fühlen. Die Bestrebungen 
der Schützen, den echt deutschen Mannessinn und 
die Wehrhaftigkeit des Volkes zu pflegen und zu 
ordern, werden durch diese Auszeichnung vom Ober— 
aupte des zweiten deutschen Bundesstaates geadelt 
die Bayern sind stolz auf ihren König, der alle 
holksthümlichen Bestrebungen unter seinen Schutz 
rniimmt und das wahre Wohl des engeren nund 
veiteren Vaterlandes seit Beginn seiner Regierung 
nit hoher Herrscherweisheit stets wahrgenommen 
jat. Beim VII. Bundesschießen wird diese Gesinn⸗ 
ing ihren Ausdruck finden. — Auch an den Prin— 
en Ludwig von Bayern, den Präsidenten des 
etzten deutschen Bundesschießens in München, if 
ine Einladung zum Feste ergangen und würde es 
uns Pfälzer sehr freuen, menn ein Mitglied unseres 
sohen Regentenhauses für einige Zeit in unserer 
Nitte weilte. — Die Arbeiten für das Bundes, 
chießen nehmen ihren ungestörten Fortgang; bereitẽ 
rheben sich auf dem Festplatze 3 gewaltige Hallen, 
»ie Raum für Hunderte von Menschen bieten. Das 
Festprogramm ist schon in der Hauptsache festgestellt 
ind werden wir mit Nächstem auf Einzelnes ein⸗ 
Jehen. Für heute wollen wir nur Folgendes her⸗ 
orheben: Der Festplatz wird jeden Abend elektrisch 
zeleuchtet werden, die Beleuchtung wird die Stärke 
»on 1000 Gasflammen haben; diese Einrichtung 
vird für weite Kreise das größte Interesse bieten 
denn nicht viele werden bisher die Gelegenheit gehabt 
haben, ein solches Schauspiel zu sehen. Ebenso werden 
in den Schieß-und Scheibenständen elektrische Klingel⸗ 
äutewerke angebracht, was gleichfalls für viele neu ist. 
2 Festzüge werden stattfinden und besonders der 
im 2. Sonntag projektirte Winzerzug das allge⸗ 
neinste Interesse in Anspruch nehmen; denn so etwas 
zekommt man so schnell nicht wieder zu sehen; es 
st dies ein origineller und glücklicher Gedanke. Das 
anze Leben der Weinbergsgegend soll mit diesem 
zuge dargestellt werden, der Winzer mit seinen 
Jeiden und Freuden, das Volk wie es leibt und 
ebt. Die zu überwindenden Schwierigkeiten sind 
ehr groß, aber das Werk wird gelingen, da ein 
Hann von unverdrossenem Geiste die Sache in die 
dand genommen hat. Noch nach Jahrzehnten wird 
nan von diesem Zuge sprechen, dessen sind wir 
Jewiß. Während des Festes werden zugleich 8 
Zerbandstage stattfinden, zuerst der des badischen, 
Jann des mittelrheinischen und dann der des ge— 
ammten mittel⸗ und oberrheinischen Schützenhundes 
luch 2 Bankette finden sich auf dem Programm. 
engogirt ist die ganze Kapelle des 17. bayerischen 
zunfanterie-Regiments. Der Turnverein wird einige— 
nale mit seinen Mitgliedern und Zöglingen Leibes⸗ 
ibungen vorführen. 5 Eisenbahndirektionen haben 
ereits Fahrpreis-Ermäßigungen gewährt. Ehren— 
Jaben sind schon viele angemeldet; außer der Gabe 
5. M. des Königs hat uns eine Gabe aus der 
ilten Reichzstadt und Reichsfestung Metz au der 
Mosel auf's Freudigste berührt. Wer hätte noch 
or 2 Jahrzehnten so etwas für möglich gehalten 
Froß ist der Aufschwung unserer Zeit. um so größer 
1 
aber ist auch unsere Verantwortlichkeit, un— 
einer so großen Zeit würdig zu zeigen 
Unsere Pflicht ist es, die hohen Errungenschaften 
hoch in Ehren zu halten und treu zu halten di— 
Wacht am Rhein zum Heile des gesammten Vater— 
landes. Nicht darf uns jene Moselfestung, die mit 
hrer Gabe unserer zu unserem Feste gedachte, ᷣ 
wieder verloren gehen; der ganze Zorn deutsche 
Männer müßte sich gegen die frechen Angreife— 
richten; deutschen Sinn und deutsche Manneskraß 
zu erhalten und zu fördern, das ist deutscher Schützen 
vürdig, und so hoffen wir, daß auch unser deß 
nitbeitrage, die deutschen Bewohner am Mittel- und 
Ober⸗Rheine in der Begeisterung für die hohen 
iationationalen Güter unseres Volkes zusammenzu— 
chließen, auf daß sie stark erfunden werden in den 
Tagen der Gefahr und feindlicher Bedrohung unser⸗— 
theueren Vaterlandes. 
— Ackerer Mich. Flecksten von Vollmers,— 
weiler nahm einen fremden zugereisten Knech 
in Diensten, ohne daß derselbe ihm Legitimations 
papiere aushändigte. Als nun Fleckstein mit seinen 
Angehörigen von zu Hause abwesend war, schreibt 
das S. W., brach der Knecht einen Schrank inm 
Zimmer auf, entwendete 500 M. in Popiergeld 
ind suchte das Weite, ohne vorher seinem Herrn 
seine genaue Adresse zurückgelassen zu haben. 
— Frankenthal, 28. Mai. Am 2. Juli 
nächsthin beginnt dahier für die Pfalz die Prüfung 
der Bewerber um das Gerichtsschreiberami 
An derselben werden sich etwa zwanzig Kandidaten 
hetheiligen. Die Prüfungskommission besteht aus 
den Herren Landgerichtspräsident Uebel, Oberantis— 
richter Kieffer und Regierungsassessor Kammerer. 
— Mörsch, 21. Mai. Heute Morgen spieltt 
der 21jährige Sohn Adam des Wirthes Adam 
Frenusel dahier auf dem Hofe in der Nähe der zu 
zedeckten Dunggrube, trat jedenfalls auf ein nich 
jenügend befestigtes Brett, stürzte hinein und er— 
trank. Das Kind war nur einen ganz kurzen 
Augenblick ohne Aufsicht. Als der Vater, der Dung 
ruf seinen Acker fuhr, zurückkehrte, vermißte er sein 
Söhnchen und sah auch, daß das Pfuhlloch durch 
die Holzborde nicht mehr ordentlich verschlossen sei 
vorauf er, das schlimmste ahnend, sofort die Dung 
zrube untersuchte, um nach wenigen Minuten leider 
die Leiche seines Kindes aus derselben herauszufördern. 
— Der am Mittwoch in Speyer unter dem 
Präsidium S. Erz. des Hetrn Regierungspräsidenten 
d. Braun versammelt gewesene Vertheilungs— 
Nusschuß beschloß, von den für die Wasserbe— 
schädigten der Pfalz eingegangenen Privatsammel⸗ 
zeldern der Stadt Zweibrücken 35,000 Mark und 
dem Bezirk Zweibrücken mit (Ausschluß der Stadt 
10,000 Mark zuzuweisen. 
— Auf dem diesjährigen allgemeinen pfälz 
ischen Missionsfest, welches, wie bereits mit⸗ 
geiheilt, Mitiwoch, den 6. Juni in Spey er statt 
findet, wird, wie die „Pf. Post“ hört, auch Oberhof⸗ 
vrediger Stöcker aus Berlin als Redner auftreten. 
— Wie die Zw. Z. schreibt, hat der Aus⸗ 
schuß des evangelischen Kirchengesangvereins für die 
Pfalz wegen der Räumlichkeiten der Kirche in Neu⸗ 
fsladt, wo die Aufstellung eines größeren Choret 
nicht thunlich ist, beschlossen, das Kirchengesangfe 
un 17. Juni in Ludemi 6ten abzuhalten 
XR 
Vermischtes. 
Wiebelskirchen, 22. Mai. Beim Kegeln 
in einem hiesigen Wirthschaftsgarten traf ein junger 
Bursche ein am Kegelsiande siehendes und während 
des Wurfes sich plötzlich vorbeugendes Kind, von 
ß Jahren so unglücküch mit der schweren Kugtl 
an den Kobf. daß dasselbe kurz darauf gestorben 
st. S. u. Bl.-Ztg. 
In Baumholder brach am 17. d. NR 
wieder ein Brand aus, bei welchem 3 Wohnhaufe 
ind 3 Scheunen den Flammen zum Opfer fielen. 
Es waren bei dem großen Brande stehen gebliebent 
HZauser, welcher vor gerade zwei Jahren beingbe di 
Janze Stadt einäscherte. J 
F Metz. Nach der für die 30. preußisch 
Divifion (welcher die bayer. Besatzungsbrigade— 
ind 8. Inf. Regt. zugetheilt ist) aufgestellten Zeir 
eintheilung für die Herbstübungen 1883 hahben die 
heiden bayerischen Regimenter ihre Regimentsühnngen 
in der Zeit vom 20. mit 25. August bei Meh 
dorzunehmen, ebendort auch unter Generalmajet 
on Safferling vom 27. mit 81. August du 
Brigadeübungen, welchen vom 4. mit 10. Siplemd 
ie Deiachemenisuͤbungen zwischen Bensdorf un, 
Fhataun Sasine l wei Brdaiats der Vorvofte