St. Jugherter Anzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
T „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗
alatt und Sonntags mit Sfeitiger illustrirter Beilage. Das Blati kostet vierteljahrlich 1 A 40 A einschließlich Tragerlohn; durch die Post bezogen 14 75 , einschließlich
O ⸗Zuftellunasgebühr. Die Einrückungsgebühr fur die 4gespaltene Garmondzeile oder deren Raum betragt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, I5 , bei Neclamen 80 4. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet
—X 106. Montag, 4. Juni 1883.
18. Jahrg.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Die jetzt erschienene Anlage XIX. zum Etat
ziht die Berechnung der nach dem Etat 1884 —85
ufzubringenden Matrikularbeiträge. Die Gesammt⸗
usgabe des deutschen Reiches pro 1884 — 85
etraͤgt 600, 256,000 M. Darunter sind enthalten
in Ausgaben, welche nicht für Rechnung der Ge⸗
ammtheit zu bestreiten find und an denen Bayhern,
Bürttemberg, Baden und Reichsland verschiedentlich
aicht betheiligt sind: 19,716,000 M. Es verbleiben
lso von der Gesammtausgabe 580,540, 000 M.
das Reich nimmt ein für Rechnung der Gesammt⸗
eit 405, 471,000 M. Es bleiben somit von der
bigen gemeinschaftlichen Ausgabe nach anderweit
zufzubringen 175,069,000 M. Hierzu hat Bayern
inen Matrikularbeitrag von 20,382,000 M. zu
eisten. Es bleiben demnach von der Gesammtheit
zer übrigen Bundesstaaten noch 154,700,000 M.
uufzufbringen.
Der „Moniteur de Rom“ dementirt die Nach⸗
icht, daß die Verhandlungen zwischen Preußen
ind dem Vatican abgebrochen seien. Er glaubt
adeß, daß es für die preußische Regierung schwierig
ei, auf die letzte Note Jakobini's zu antworten.
Moskau, 2. Juni. Der Ball bei dem
deutschen Botschafter war sehr glänzend. Das kaiser⸗
iche Paar erschien um 11 Uhr. Der Kaiser uͤnd
ie Großfürsten trugen preußische Uniformen und
Irden. Die Kaiserin betrat am Arme des Bot—
chafters den Saal, während der Kaiser, Frau v.
Schleinitz führend, folgte. Der Kaiser tanzte eine
Zuardrille init der Koͤnigin von Griechenland, die
daiserin mit dem Fürsten von Bulgarien. Die
Majestäten nahmen am Souper Theil und verließen
»en Ball um 1 Uhr. Die Großfürsten blieben bis
uum Ende.
können. Alle Ehre einem solchen hochherzigen
Manne, der auch im Glücke der armen Arbeiter
nicht vergißt, die, wenn auch unbewnßt, seinen
Wohlstand begründen halfen! (Zw. 3.)
—. Aus Zweibrücken wird der „Pf. Post“
jeschrieben: Wie neulich gemeldet wurde, ist der
Bureaudiener beim Oberlandesgericht durchgebrannt;
»erselbe stellte sich mit seinem jährlichen Einkommen,
Alles in Allem, gegen 2000 M. und hatte außer⸗
»em Licht. Brand und Wohnung frei. Und doch
eichte das nicht, obgleich seine Familie nur fünf
döpfe zählte. Wie ist das möglich? Abgesehen
davon, daß der Mann nie auf der Straße ohne
rennende Cigarre zu sehen war, auch täglich den
Früh⸗, Mittag⸗, Abend⸗ und Nachtschoppen sorglich
oflegte, zeigte sich bei der Zwangsversteigerung
eines Mobiliars, daß er sich auf „großen Fuß“
eingerichtet hatte. Da wurde eine ganze Salon⸗
einrichtung unter den Hammer gebracht, Blumen⸗
lisch, Rauchtisch, Tabaksständer, Sopha ec. Und
der Mann war früher Taglöhner in einer Gerberei
und trat Lohkäse! Wie viele „kleine Leute“ wären
froh, wenn sie eine solche Stelle hätten, möchte sie
nuch noch etwas weniger eintragen? Und wem
nag es der Genannte wohl abgeguckt haben?
— Die zweite allgemeine Fortbildungs—
konferenz der pfälzischen Volksschullehrer
indet für das Bezirksamt Zweibrücken am 18. Juni
m Fruchthallsaale zu Zweibrücken siatt. Folgende
Themata kommen zur Behandlung: 1) Die Fabel—
dichtung des 18. Jahrhunderts, insbesondere die
Lessing'sche; 2) Was hat die Schule bezüglich der
Besundheitspflege der Schüler zu beachten?
— Die „Kais. Ztg.“ schreibt: Wie in den
ibrigen Deutschen Armee⸗Corps soll auch in Bayer n
für die Folge jedem bayerischen Armee⸗Corps u ur
e ein Jager-Bataillon zugetheilt werden.
Die dadurch frei werdenden zwei bayerischen Jäger⸗
Zataillone sollten alsdann unter Zuziehung eines
veiteren combinirten Bataillons zu einem In-⸗
anterie-Regiment vereinigt werden, dessen
Stabh nebst zwei Bataillonen nach Kaisers—
Autern verlegt werden soll, um dem berechtigten
Berlangen unserer Stadt nach einer Garnison zu
ntsprechen, während das dritte Bataillon wahrschein⸗
lich in Ludwigshafen seinen Sitz erhalten soll.
Nach den uns in sehr glaubwürdiger Weise zu⸗
jegangenen Mittheilungen hat die Sache ihren
ßrund; doch theilen wir dies vorerst umer allem
Borbehalt mit.
K.T. F. Neustadt, 1. Juni. In den
etzten Tagen sandte der Festausschuß des 2. ober-
heinischen Kreisturnfestes die erste herzliche Ein⸗
adung zum genannten Feste hinaus an die Kreis—
ereine, Kreis⸗ und Gaubvertreier. Dieselbe lautet:
Turner! Des Jünglings Muth und Kraft im
Wettkampf zu erproben, den Samen weiler aus—
ustreuen, den deutsche Männer einst in ernster Zeit
ns Herz der Jugend tief gesenkt, die Gleich⸗
—O Streben, die Zagen⸗
»en neu zu entflammen, sell dieses Fest Euch hier
ereinen. Drum rüstet euch, ihr deutschen Turnec⸗
chaaren, vom Bodensee bis weit hinab, wo einst
ein Felswall unseres Rheines Fluthen däͤnmmte und
bald Germaniens Bild als Hochwacht sich erheben
vird, und weit hinab noch über Rheingaus Grenzen,
»om düstern Urwald der Vogesen bis hinüber zu
»es Schwarzwalds schlanken Tannen, und all das
rand, das unsers Donnersberges breiter Rücken
rüßt, bis zu der Mosel vielzerklüftet Ufer, des
Faunus sanften Linien und den Odeuwaldes hurd-
Losle und pfälzische Nachrichten.
*St. Ingbert, 4. Juni. Eingesandt.)
In der vorigen Nr. ds. Bl. fand fich ein „Einge⸗
andt“, in dem die Bürgerschaft aufgefordert
vird, in einer Petition bei der Direktion
»er pfälz. Eisenbahnen um eine kleine
Uenderung des Sommerfahrplans einzukommen, so
aß wir den schon längst ersehnten und auch neuer⸗
iings in Aussicht gestellten Anschluß an den
etzten Zug aus der Pfalz erhalten. Daß
dir diesen Anschluß nicht haben, ist für unsere
S„tadt ein schwer gefühlter Mißstand und laute
dlagen darüber wurden schon oft genug ausge⸗
prochen. Einsender dieses ist darum auch mit
oer erwähnten Aufforderung ganz einversianden
und wünscht, daß die betr. Peltion recht bald
n Umlauf gesetzt werde. An zahlreichen Unter—
chriften wird es sicher nicht fehlen. Und je mehr
es solcher gibt, desto besser ist es. Um der Bitte
aber mehr Nachdruck zu verleihen, wäre es gewiß
zut, wenn auch von Seiten der städt—
schen VRerwaltungetwasgethanwürde.
hehört es ja doch auch zu den wesentlichen Auf-
aben des Stadtrathes, die Verkehrs-Interessen der
„tadt zu vertreten. Es wäre daher wünschens⸗
verth, wenn der Stadtrath in einer besonderen
kingabe bei der hohen Direktion das Gesuch der
zürgerschaft unterstützen würde. Einem solch' ge—
neinsamen Vorgehen dürfte wohl von Seiten der
gl. Direktion eine günstige Verbescheidung nicht
ehlen, um so mehr, als dieselbe sich an andern
Orten berechtigten-Wünschen gegenüber noch immer
nigegenkommend gezeigt hat.
*St. Ingbert, 8. Juni. In der letzten
Strafkammersitzung des kgl. Landgerichts Zweibrücken
ourde der 29jährige Schuster Otto Lubitz aus
damburg, z. 3. hier wohnhaft, wegen Beleidig⸗
ing Sr. Majestät des Königs zu einer Gefängniß⸗
trafe von zwei Monaten verurtheilt.
— Die Gemeinde Ensheim wurde dieser
dage zum 4. Male mit einem Geschenk, diesmal
m Betrage von 500 Mark, überrascht, welche ein
kentner Namens Eduard Hen in Newhork über⸗
andte, damit von den Zinsen hieraus hilfsbedürf⸗-
ige und altersschwache Fabrikarbeiter der Firma
hehr. Adt dahier unterstützt werden. Derselbe Herr
at — eingedenk des jedenfalls bedeutenden Ver
nögens, das er sich in früheren Jahren durch den
zerschleiß der hiesigen Artikel in Amerika erworben
- in verschiedenen Zeiträumen nebst andern sofort
inter die würdigsten Arbeiter zu vertheilenden Sum⸗
nen der Gemeinde dahier bereits 1800 Mark über⸗
nittelt, welche als dankbare Anerkennung dieser
vahrhaft edlen Gesinnung unter dem Namen Hen⸗
„tiftung verwaltet werden. Mit obigem Geschenk
ꝛeläuft sich nunmehr der Kapitalstock auf 2300 M.,
» daß jetzt alljährlich etwas über 100 Mark nach
em Wunsche des Schenkgebers verwendet werden
Ausland.
Rom, 2. Juni. Die Kammer genehmigte
mstimmig den Gesetzentwurf, betreffend die Errich⸗
ung eines Nationaldenkmals für Garibaldi auf dem
Nonte Janiculo. Der Staat trägt eine Million bei.
Rom, 83. Juni. Hier und in mehreren
grovinzialstädten wurde der Todestag Gari—
zaldi's mit der Enthüllung von Büsten und
gedenltafeln gefeiert.
Petersburg, 2. Juni. Der Regierungsan⸗
eiger veröffentlich“ die durch den Kaiser sanktionir⸗
en Reichsgutachten bezüglich mehrerer bürgerlichen
ind Cultusrechte. Dieselbe gewähren Freizügigkeit
m Inlande, freien Handelsgewerbebetrieb, beding⸗
ngsweise Ausübung öffentlicher Aemter, Abhaltung
ffentlichen Gottesdienstes, Verrichtung von Cultus⸗
andlungen nach eigenem Ritus, ausgenommen
kreuzfahrten und Vrozessionen. Die Wiedereröff⸗
ung der Bethäuser der Sektirer ist mit besonderer
ctlaubniß des Ministers des Inneren gestattet, aber
Mme Feierlichkeit.
Petersburg, 3. Juni. In Folge der hier
n Krönungstage und während der Ilumimanon
orgekommenen Unordnungen hatte sich das Gerücht
tbreitet, der feierliche Einzug des Kaiserpaares in
etersburg sei vertagt und der Polizeimeister Gresser
bberufen worden Augenzeugen behaupten, die
vlizei. und Militärmannschaften hätten mit Knuten
id Gewehrkolben auf den widerspänstigen Pöbel
ngehauen und mehrere Personen verwundet, da⸗
mun hätte das Voltk auch die Polizisten mißhandelt,
wie auch — so erzahlt manden Polizei⸗
b Der Minister des Innern hat sirengste
eruchung gegen die Aufwiegler angeordnet.
Vorfall⸗ berührten den Kaiser und die Hof—⸗
e peinch, umsomehr, als sie ganz unerwaͤrtet
Moskau, J. Juni. Stadtoberhaupt Cziczerin
e dem gestrigen Empfang der Stadwertret⸗
9 ad den Kaiser, das Volk erhoffe vom neuem
de en. daß er konstitutionelle Reformen einführen
Der Kaiser war von diesen Worten sichtlich
Angenehm berührt, der Hof aber geradezu kon—
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