ðxt. Jugherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint woͤchentlich funfmal: Am Moutag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗
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M 116.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Ems, 16. Juni. Der Kaiser ist mit Gefolge
im halb 5 Uhr über Lahnstein hier eingetroffen und
wurde am Bahnhof von den Spitzen der Lokalbe⸗
jörden, von der Koblenzer Generalität, dem Land⸗
ath Rolshoven, dem Oberpräsidenten der Rhein⸗
grovinz, v. Bardeleben, dem Prinz Nikolaus von
stassau, sowie von dem schwedischen Gesandten
Sibbern empfangen. Der Kriegerverein war am
dahnhofe aufgestellt und die Schulen bildeten Spalier.
der Empfang war ein enthusiastischer.
Berlinn, 16. Juni. Die kirchenpoli—
ische Kommission nahm mit 13 gegen 8
Stimmen die Kirchenvorlage in zweiter Lesung an.
die Majorität bestand aus dem Zentrum, den Kon⸗
erbativen und dem fortschrittlichen Abgeordneten
Jelle. Zu Artikel 8 wurde ein Zusatz angenommen,
wonach die beiden letzten Absätze des Paragraphen
16 des Maigesetzes von 1878 über Vorbildung und
Anstellung der Geistlichen aufgehoben werden. Die⸗
elben bestimmen, daß innerhalb 80 Tagen gegen
ie Einspruchs⸗-Erklärung bei dem Gerichishof für
irchliche Angelegenheiten resp. bei dem Cultusmi-⸗
nister Berufung eingelegt werden könne, dessen Ent⸗
cheidung endgiltig sein könne.
Der Bundesrath beabsichtigt, die neue
sedaction der Gewerbeordnung auf Grund der in
yen letzten Jahren erfolgten Abänderungen so zu
beschleunigen, daß dieselbe gleichzeitig mil dem In⸗
rafttreten der Novelle publicirt werden kann.
Das „Frkf. Journ.“ schreibt: Bei Vergleichung
er Streitkräfte Deutschlands und Frank⸗
reichs ist namentlich schon vielfach der Üümstand
erhorgehoben worden, daß in Deutschland die Be⸗
ihlkerungszunahme in rascher Vermehrung begriffen
fi. während sich in Frankreich eine ständige Abnahme
vdemerklich macht. In diesem unserem Nachbarland,
velches namentlich für die Suprematie ein scharfes
Auge hat, ist dies nicht unbemerkt geblieben, und es
hat dies zu einer von dem Abg. Vacher im Verein
nit mehreren Anderen eingebrachten Gesetzees vo r⸗
age geführt, die sich betitelt: „Gesetzenwwurf im
hinblick auf die Entvölkerung Frankreichs und die
Dittel der Abhilfe.“ Es wird in den Motiven
darauf hingewiesen, daß in Deutschland eine Zu⸗
nahme von 89, in Frankreich dagegen nur von
5 auf 1000 Seelen statifinden und es wird die
Ursache davon für Frankreich namentlich in der lam—
jen militärischen Präsenzzeit, der großen Zahl ille⸗
itimer Berbindungen und der Zerstückelung der
Kründbesitzers gesucht. Charakleristisch int es aber,
aß eine Herabsetzung der Prasenzzeit nicht beantrag
vird. Auch liegt es auf der Hand, daß die ür.
achen jener Ersheinung, die deineswegs aus dem
cuen Conskriptionsgesen datirt, sehr auf der Ober.
lache gesucht sind und'es hanten sich J.B. die in.
ragsteller durch einen Blick auf Deuschland darüber
nren lassen können, daß daselbst gerade diejenigen
Atgenden, in welchen die Zerstückelung des Grundes
ind Bodens am frksten ist, am dichtesten bevölkert
nd. — Als Minel der Libhilfe fordert die Vor
aue daß die Hagestolze stärker mit Steuern heran-
epr werden, daß jeder Familienvater mit sechs
n Kindern befugt sein soll, eins derselben
ofentuchen Erziehungsansialt auf Staatskosten
* erweisen, ferner daß Mütter, die ihre außer⸗
chen Kinder bei sich erziehen wollen, angemessen
erstützt werden und daß Väter mit einer zahl⸗
cen Familie solche aus der Arbeiterclasse, Ehren⸗
Montag, 18. Juni 1883.
medaillen erhalten. — Dieser letzte Vorschlag ist
vorzugsweise acht französisch. — Es ist nicht zu
bestreiten, daß jene ominöse Erscheinung in Frank⸗
ceich an die Zeiten der sinkenden römischen Welt⸗
herrschaft und die im damaligen römischen Rechl
zegen Ehelosigkeit und Kinderlosigkeit vorgesehenen
Bermögensstrafen erinnert. Es häiten aber die An—
ragsteller nur einen Blick in ihres J. J. Rousseau's
„Emil“ zu werfen brauchen, um zu sehen, daß die
Ursache jener Erscheinung in ihrem genußsüchtigen
dand, in welchem sich selbst die obersien Classen der
Besellschaft der Erziehung ihrer Kinder, als einen
dast, entschlagen, weit tiefer liegen, und einen wei⸗
teren Blick in Montesquieu's Geist der Gesetze“,
um sich davon zu überzeugen, daß man schlechte
Sitten nicht durch derartige Gesetze zu heilen ver—
mnag. — Fordert es aber nicht einigermaßen zum
Spott heraus, wenn wir sehen, daß ein Land uͤber
die zunehmende Entvölkerung klagt und rathschlagt
und sich doch in seiner Spionenfurcht der Einwan⸗
derung rüstiger germanischer Armee entgegenstemmt?
Ausland.
Paris, 16. Juni. Nach einem Bericht des
Marquis Tseng im Herald wird China durch⸗
aus keine Concessionen machen und rüstet. Die
Meldung machte Sensation. In der Kammer stehi
eine Interpellation bevor.
Die Engländer sind seit einiger Zeit vom
„Anektirungs⸗Fieber“ befallen. Noch haben sie
Cypern nicht ganz verschluckt, noch würgen sie an
Eghpten; einen Theil Borneos, das Transvaal⸗
Land, die Fidji⸗Inseln und Neu⸗Guineag stecken ihnen
ebenfalls noch im Schlund — anderer „Kleinig⸗
keiten“ gar nicht zu gedenken — und bereits nehmen
fie wieder Etwas vor die mächtige Gabel. Das
„Reuter'sche Bureau“ meldet nehmlich aus Mel⸗
bourne, die britisch⸗australischen Kolonialregierungen
zätten der englischen Regierung in an dieselbe ge—
richteten Depeschen die Annexion der neuen Hebriden,
der Salomonsinseln, sowie noch anderer Inselgruppen
im stillen Ozean anempfohlen.
Die Kämpfe an der albanesischen Grenze
dauern fort. Montenearo hält sich vollständig passiv.
Eol le und prrre eche Nachrichten.
*St. Ingbert, 18. Juni. Gestern Mittag
bertrieben sich in der Ehrhardt'schen Glashütte einige
Burschen die Zeit durch Schießen mit einem Ter⸗
jerol. Diesen gefährlichen Spaß trieben sie so lange,
dis eine an dem Fenster ihrer Wohnung sitzende
Frau durch einen Schuß auf die Brust getroffen
wurde. Vor Schredk und Schmerz fiel die Frau
in Ohnmacht, aus der sie sich erst nach längerer
Zeit wieder erholte. Gegen den Burschen, dessen
Zandlung leicht verhängnißvollere Folgen hätte nach
ich ziehen können, ist Protokoll errichtet.
*St. Ingbert, 18. Juni. Das gestrige
Waldfest unseres Kriegervereins hatte sich
nicht in dem gewünschten Maße der Gunst der
Witterung zu erfreuen. Die in Folge der Nieder⸗
chläge herrschende kühle Temperatur beeinträchtigte
owohl den Besuch wie auch die Entwickelung eines
außerordentlichen Durstes. Trotzdem hielten die
crieger in animirter Stimmung bei gutem Stoff“
und heiterer Musik bis zum Abend im Walde aus.
— Landau, 16. Juni. Zwei junge Leute
drobirten gestern Abend in den Festungswerken einen
RKevolver, verfuhren aber dabei in so unvorsichtiger
Weise, daß dem einen von ihnen, dem 19 Jahre
ilten Kaufmannslehrling Peter Siegriest von Diedes⸗
eld, eine Kugel in den Oberarm drang. Der jung
18. Jahrg.
Mann wurde iu's Spital verbracht. Er ist an dem
Unfall, wie wir hören, selbst Schuld, da er, um
nachzusehen, warum ein Schuß nicht losgehen wollte,
die Mündung der geladenen Waffe gegen sich
richtete.
— Edenkoben, 16. Juni. Der große Fest⸗
zug gelegentlich des VII. Verbandsschießens findet
Sonntag den 1. Juli, die Beleuchtung der Gebirgs⸗
kette Mitiwoch den 4. Juli und der große Winier⸗
zug Sonntag den 8. Juli statt.
— Sehr erfreulich lauten die Nachrichten aus
den überschwemmt gewesenen Gemarkungen der
Vorderpfalz. Die Ernte soll nach dem „L.
Anz.“ sehr schoͤn stehen, nur brauchen die Felber
noch reichlichen Regen.
Vermischtes.
f,König Ludwig von Bayern hat der
Münchener Kuͤnstlerschaft zur Errichtung des längst
zeplanten Künstlerhauses einen sehr vortheilhaft ge⸗
legenen Platz nahe dem bekannten Hotel Leinfelder
unter den denkbar günstigsten Bedingungen zur Ver⸗
fügung gestellt, jedoch nur unter der ausdrücklichen
Voraussetzung, daß innerhalb 5 Jahren nach Kauf⸗
abschluß mit dem Ban begonnen werde. Einstimmig
wurde nun in der Generalversammlung vom 11.
Juni beschlossen, der Vorstandschaft Generalvollmacht
zur Grunderwerbung für das Kunstlerhaus zu er⸗
theilen.
F. Rach den in München eingetroffenen Pri⸗
vatnachrichten hatten sich die zu den Krönungsfeier⸗
lichkeiten nach Moskau abgereisten Offiziere der
Münchener Garnison dortselbst der schmeichelhaftesten
Aufnahme zu erfreuen. Dieselben wurden, obwohl
nur als Privatpersonen in Moskau anwesend, vom
Zaren in Audienz empfangen, zu dem großen Ball-
feste im Kreml, sowie zu der Galavorstellung im
Theater beigezogen und außerdem vom Generalgou⸗
verneur von Moskau, Fürsten Dolgorucki, zu einem
von ihm gegebenen Feste geladen.
T. In Würzburg erwiesen sich sämmiliche
aus einigen dortigen Kaufläden vom Magistrat zu
chemischer Untersuchung entnommenen Brautkränze
als arsenidhaltig. Der Magistrat hat die Akten
der Staatsanwaltschaft zur weiteren Behandlung
übergeben.
p Das bayerische Staatsministerium des
Innern hat eine Entschließung bezüglich des Ver—
kehrs mit Petroleum erlassen, nach welcher die Po⸗
lizeibehörden verpflichtet sind, bei den periodischen
Bisitationen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegen⸗
ständen auch auf die Aufbewahrung und Beschaffen⸗
heit des Petroleums ihr Augenmerk zu richten. Sie
iind befugt, Petroleu mproben zu entnehmen, um fie
einer vorschrift sgemä ßen Untersuchung unterstellen
zu lassen. In welchen Fällen von dieser Befugniß
Bebrauch zu machen ist, muß im Allgemeinen ihrem
oflichtgemäßen Ermessen anheimgestellt werden; jeden⸗
jalls hat Solches dann zu geschehen, wenn besondere
Bründe, z. B. Beschwerden des Publikums, erfolgte
Explosionen oder dergl. eine Uebertretung der kaiserl.
Verordnung vom 24. Februar 1882 vermuthen
lassen. Die Probe⸗Entnahme hat sich in der Regel
auf ein Quantum von s Liter zu erstrecken. da
die Vornahme der polizeilichen Visitation in Bezug
auf das Petroleum zunächst den Or tspolizeibehörden
obliegt, so haben dieselben auch die Untersuchung
der von ihnen entnommenen Petroleumproben zu
»eranlassen. Den Betheiligten steht es frei, solche
BPrüfungen durch öffentliche Untersuchungsanstalten
der auch durch eigene, hiezu geeignete Bedienstete