p Bexlin. Ein Kranz aus Kirschenzweigen
mit daransitzenden reifen Früchten als Sargschmuck,
ie er bei einem dieser Tage die Neue Königsstraße
assirenden Leichenzug zu sehen war, konnte zu der
germuthung Veranlassung geben, daß der Todte
Felleicht einst als Obstplantagenbesitzer dem Kirschen⸗
sandel seinen Reichthum verdankt hätte. Dem selt⸗
samen Schmuck lagen indessen ganz andere Ursachen
ñ Grunde. Der Verewigte, wie berichtet wird
in Rentner, war im Juni 1849 in Rastatt, als
iese Stadt in den Besitz der badischen Freischärler
bergegangen war, Inhaber eines Spezereigeschäftes.
jils Sohn eines altpreußischen Beamten wenig mit
Fen rebolutionären Tendenzen harmonirend, gab er
nes Tages seiner Ueberzeugung offenen Ansdrud
ind gerieth in Folge dessen mit einem aus Bayern
jammenden Freischärler in Wortwechsel, welcher
ald in ein Handgemenge überging. Der Bayer
og dabei eine Pistole hervor, um dem „verhaßten
Fuͤrstenknecht“ das Lebenslicht auszublasen. Der
Füdte sie aber, während sie losging, seitwärts
iud die Kugel ging dem Angreifer durch die Brust
azn furchtbarer Wuth stürzten die Kameraden des
dewundeten sogleich auf den Kaufmann, der sich
—
daufe dem Stadtthor zueilte. Dieses war geschlossen
zt mußte in eine Seitenstraße einbiegen, während
ie Verfolger ihm auf den Fersen waren und Kugeln
uu Dutzenden nachsandten. Um die nächste Ecke
jiegend, stieß er auf eine Obsthändlerin, welche mit
—
aufstellte. Hastig theilte er ihnen seine Lage mit
und bat um Rath, wohin er sich wenden sollte.
Bährend die Alte noch überlegte, riß ihn die Tochter
zuitschnell nieder, in die größte Obstkiepe hinein,
hesahl ihm, sich möglichst zusammenzukauern und
ill zu verhalten, und leerte über ihn ihre ge—
sammten Kirschvorräthe aus, die ihn vollständig
verhüllten. Als die Aufständischen heranstürmten
und nach seinem Verbleib fragten, zeigte das junge
Mädchen auf eins der nächsten Häuser, welches
einen Durchgang nach der Parallelstcaße hatte und
die wilde Meute verschwand. Sechs lange Stunden
iß zum Einbruch der Nacht hat der Verfolgte unter
der süßen Decke zubringen müssen. Dann erst
hdrachten ihn die Frauen in ihre Wohnung, von wo
er die Stadt sobald als möglich verließ. Die junge
kdastätterin war sehr schön. Zur Dankbarkeit kam
die Liebe, und nach Wiederkehr friedlicher Zeiten
vurde sie seine Braut. Im Jahre 1851, ebenfalls
in der Kirschenzeit, fand ihre Hochzeit statt. Selt⸗
umer Weise sind alle freudigen Ereignisse in ihrer
damilie, wie Geburten und später die Verheirathung
her Kinder in die Kirschenzeit gefallen. Und jetzt
it der alte Herr entschlummert, wo die Kirschen
hen das saftige Roth der Reife annahmen. Keinen
höneren Ausdruck konnten seine Kinder ihrer
hiefät verleihen, als durch jenen Kirschenkranz.
fDer Verwaltungsgerichtshof hat
olgende wichtige Entscheidung publicitt: Wenn der
bestzer eines Thieres die ihm nach 8 9 des Reichs⸗
gseßes vom 23. Juni 1880, die Abwehr und Un—⸗
bdrüdung von Viehseuchen betreffend, obliegende
snzeige uͤnterläßt, oder über die gejetzliche Frist
vetzögert, verliert er nicht nur den Anspruch auf
kahschadigung hinfichtlich aller von die en Thieren
ungestekten oder aus Anlaß der Seuche überhaupt
plödteten Thiere. Die Beschlußfassung der Kreis⸗
rgierungen, Kammern des Innern, uber die Ent—
tdigungspflicht des Staates auf grund des ange⸗
ihrten Reichsgesetzes hat gebührenfrei zu erfolgen
Die Zahl der Turnvereine in Deutfch—
nd beträgt gegenwärtig 2451 mit 221417
diigliedern, darunter circa 120,000 active Turner
Der Weltpostverein umfaßt nunmehr
n Gebiet von 80,201, 120 q4km mit über 831
Nillionen Einwohnern, während bei der Gründung
nduhre 1874 das betreffende Gebiet nur etwẽ
oαοο qkm mit etwa 350 Millionen Ein⸗
nhnern betrug. Die dänischen Antillen (St. Croir
Jean, St Thomas), welche schon sen dem i
emter 1877 dem Weltpostverein angehören
duf den 1. Januar 1882 dem Uebereinkommen
* 4. Juli 1878, betreffend die Geldanweisungen,
en hahen nun auch ihren Anschluß an den
nn. betreffend die Poststücke, erklärt und diesen
Jdereits vom 1. d. M. an begonnen. Ferner
anen der Uebereinkunft, betreffend den Aus⸗
n don Briefen mit declarirtem Werth, datirt
8* Juni 1878, bei, und wurde die Ueber⸗
nft. cuch auf die framzösische Colome NeuCale-
n ausgedehnt. Die Kosten des internauonalen
Postbureaus in Bern beliefen sich im Jahre 1882
auf 77,315,80 Frs. gegen 74 836,24 Irs. im
Jahre 1881. Für den nunmehr auf den 1. Okt.
1885 festgesetzten nächsten internationalen Postcon⸗
zreß, welcher bekanntlich in Lissabon zusammenireten
wird, sind schon jetzt sehr ausgedehnte Vorarbeiten
im Gange. Fermner sind beigelreten Hawaii (Sand⸗
wich⸗Inseln) am 1. Januar, Nicaragua am 1. Mai
1882 und Costa Rica am 1. Janmuar ds. J.
GEin Kind auf Reisen.) Vorigen
Montag früh reiste, wie das „Prager Tagblait“
berichtet, die siebenjährige Tochter des Herrn Kapell
meisters Starcke allein von Prag nach Konstanz am
Bodensee. Um den Hals, an einem rothseidenen
Bande, trug das Kind, in deutscher und französischer
Sprache verfaßt, seine Reiseroute: Prag⸗Pilsen—
Fürth -Schwandorf- Regensburg-Augsburg⸗Buchloe⸗
Lindau⸗Konstanz. Laut einer Depesche war die
leine nach 32stündiger Fahrt glücklich in Konstanz
eingetroffen. Sie hatte nichts bei sich, als einen
Plaid, einen Reisemantel und eine Umhängetasche
in letßzterer befand sich das direkte Billet zweiter
Klasse und etwas Geld. Für die Bedürfnisse des
Magens sorgte sie unterwegs selbst.
Eine polyglotte Trauung.) Der
„Tagesbote aus Mähren“ meldet: „Dieser Woche
jand in der Kirche einer deutschen Stadt unseres
stronlandes eine Trauung statt, die der als Ultrac—
seche bekannte Pfarrer vornahm. Wiewohl das
Brautpaar der deutschen Nationalität angehörte,
prach der Pfarrer der Braut dennoch die übliche
Formel in czechischer Sprache vor. Schüchtern
antwortete die Braut, „fie sei eine Deutsche und
des Czechischen nicht mächtig.“ Da rief der Pfarrer
„Kdyz neumite cesksy, baß mluvte — fran-
ousky!“ (Wenn Sie nicht czechisch verstehen, so
prechen Sie — französisch!) Nachdem jedoch die
Braut thatsächlich außer Stande war, die czechische
Formel nachzusprechen, mußte sich S. Hochwürden
»equemen, dieselbe in der ihm so sehr verhaßten
)eutschen Sprache vorzulesen. Und das geschieht
n einer deutschen Gemeinde!“
F Fräulein d'Erlincourt, die haß—
erfüllte Pariser Anarchistin, welche am 11. März
vegen Mißhandlung des Bourgeois Yves Guyoi
verhaftet wurde, hat sich mit einem reichen Bojaren
aus Rumänien verlobt. Im Ehekontrakt sichert
der Bräutigäm seiner Zukünftigen 4 Millionen zu
Wie eigentlich das Schicksal waltet: Die Freun⸗
dinnen Michel und d'Erlincourt manifestirien beide
in den Märztagen für die Anarchie. Die eine
hat acht Jahre Zuchthaus dafür erhalten und die
andere aus leichter Gefängnißhaft entlassen, haf
das Herz eines Millionärs durch ihr Auftreten vor
Bericht gewonnen!
F Ein Dialog auf See.) Zwei Schiffe
begegnen sich in der Nordsee auf Hörweite und
reden sich durchs Sprachrohr folgendermaßen an:
„Wo kommst Du her?“
.„Von Hull.“
„Watt hest Du loden?“
„Wull!“
‚Wie is de Fracht?“
Vull!“
Wie heit dat Schipp?“
„John Bull.“
„Und de Kaptein?“
„Krull.“
Da schreit der Fragesteller wüthend zurück:
„Minsch, Du bist wul dulhl!“
FDr. Schweinfurth hat von Kaire
uus an den Sekretär der Anti-Sklaverei-Gesellschaft
nn London ein ausführliches Schreiben gerichtet, in
welchem er die Gegenden am oberen Nile der
besonderen Beachtung aller Jener empfiehlt, welche
sich um die Erschließung und Civilisation Central
Afrikas inleressiren. Er bezeichnet den Weg durch
diese Gegenden als den nächsten, sichersten und
besten zum mittleren Kongo, „dessen Mündung ein⸗
mal das große Ausgangsthor bilden, aber noch fün
lange hinaus keinen Einlaß bieten wird.“ Der
Weg durch die oberen Nilgegenden dagegen bildet
heute schon, Dank den Bemühungen des Gouver—
ieurs von Lado, Emir Bey (Dr. Schnitzler, ein
jeborener Oesterreicher), die offene Heerstraß, zum
Innern des dunklen Kontinents. Lado ist in 45
Tagen von Kairo — zumeist per Dampfer — zu
rreichen; es unterhält eine regelmäßige Post⸗
berbindung und bietet Kaufleuten und Ansiedlern
rußerordentliche Vortheile. Von dieser Seite steht
Afrika der Welt offen. Europa aber bleibt den Bemüh—⸗
ingen Emir Bey's gegenüber theilnahmslos; es
sucht den Weg nach Centralafrika, der ihm hier
offen liegt und verschwendet auf anderer Seite
träfte, welche, hier angewandt unerwartet reiche
Früchte tragen würden.
ESchmeichelhafte Urtheile) Der
Onkel des Mikado, Prinz-Marschall Arisougowa,
ist nach seiner großen Europa⸗Reise wieder in Japan
angelangt und hat ein Tagebuch seiner Reise⸗Ein⸗
drücke verfaßt, das er an Bekannte vertheilt. Dem
orrespondenten der, Temps“ erzählte er folgendes:
Wien ist die einzige Stadt, in der sich's gut leben
läßt; der Luxus ist dort groß, ohne die freie Be⸗
wegung zu hindern; die Leute sind liebenswürdig
ohne zudringlich zu erscheinen. Rußland erschien
mir so abschreckend, daß mich bei dem Gedanken
an meinen Aufenthalt daselbst Furcht befällt. Berlin
ist eine öde Kaserne ohne Heiterkeit, ohne Leben.
Rom ist nicht übel, aber die Leute sind dort zu
debot; Amerika ist geradezu abscheulich, das Volk
besteht aus egoistischen Kramern; Paris aber ge⸗
fält mir durchaus nicht; Präsident Grévy ist Ju
einfach, und man langweilt sich in seiner Umgebung.
F Die Stellung der Frauen in
Amerika.) Unter dem Vorsitze des Parlaments-
mitgliedes Mr. J. Bright wurde neulich in London
rin Meeting abgehalten, welches sich für die Zuer⸗
kennung des Wahlrechts an Frauen aussprach und
mehrere Resolutionen in diesem Sinne faßte. Bei
dieser Gelegenheit schilderten zwei Amerikanerinnen,
Mrs. Stanton und Miß Antony, die Stellung der
Frauen in den Ver. Staaten, und zählten eine Reihe
von Erwerbszweigen auf, welche noch vor 40 Jahreu
den Frauen gänzlich verschlossen waren. Anstatt der
Frauenärzte sind jetzt tausende von Frauen als ge—
drüfte Aerzte thätig. Früher konnten die Frauen
aur eine Art von Predigten abhalten — Gardinen⸗
predigten; jetzt sprechen sie von den Kanzeln als
geachtete und gutbezahlte Seelsorger zu zahlreichen
Bemeinden; früher hielt man die Maͤnner für die
aatürlichen Vertheidiger der Frauen, dieser Wahn
st zerstoben, in Amerika vertheidigen jetzt die Frauen
die Männer — vor den Geschworenen wenigstens.
Das Rechtsstudium steht ihnen offen, und weibliche
Advokaten, die in ihrer Anwaltsstellung selbst vor
dem höchsten Gerichtshofe plaidiren können, sind in
den Ver. Staaten fast ebenso zahlreich, wie ihre
nännlichen Kollegen. Die Verbreitung von Neuig—
eiten war immer eine starke Seite des schwachen
Beschlechts, es ist darum nicht zu verwundern, daß
Frauen Zeitungen redigiren, Bücher verlegen und
die Hälfte des großen Heeres der Reporter bilden.
Die Erziehung der Jugend liegt in ihren Händen,
und der Postverkehr wird zum großen Theile von
ihnen vermittelt. Nicht weniger als 5000 Frauen
sind in den Ver. Staaten „Posimeister“, leider aber,
wie Miß Antony bemerkte, nur auf den schlecht
dotirten Posten, da die Männer sich durch ihren
politischen Einfluß die einträglichsten Stellen zu
ichern wissen. „So lange wir nicht das Wahlrecht
besitzen, bleiben wir noch Sklaven,“ — sagte die
Rednerin, — „dieses müssen wir erringen und ifl
's unser, so wird die erste Folge sein, daß wir der
Mäßigkeitsbewegung zum Siege verhekfen und strikte
Sperrstunden der Wirthshäuser einführen“ — eine
Bemerkung, die mit großem Beifalle aufgenommen
wurde: Die Männerwelt hat, wie es scheint, sehr
erfreuliche Aussichten.
F Eine alte Jungfer in Philadelphia hat
über 1000 ihrer Bekanntinnen, die sich verheirathet
huben, Buch geführt und gefunden, daß die Aus—
ichten auf die Ehe in den Ver. Staaten für Mäd⸗
hen zwischen 14 und 40 sich folgendermaßen gestaltet
haben: 32 zu 14 und 15 Jahren; 104 zu 16
und 17; 219 zu 18 und 19; 230 zu 26 und
21; 165 zu 22 und 23; 62 zu 24 und 25; 60
zu 26 und 27; 45 zu 28 und 29; 18 zu 30
und 31; 11 zu 32 und 33; 8 zu 34 und 35;
3 zu 36 und 37; 2 zu 38 und 39 Jahren. Die
Fluthzeit der Ehe liegt also zwischen 18 und 25
Jahren.
F Ein Zigeuner-Convent wird in
diesem Monat in Utica im Staate Newyork
tagen, wobei auch die von allen in der Union
sebenden Zigeunern anerkannte „Königin“, nebenbei
bemerkt eine Frau don 76 Jahren, die soeben mif
einem Gefolge von 60 Personen in der Nähe von
Philadelphia ihr „Hoflager“ hält, anwesend sein
wird. Zigeuner, die ihre jährlichen Generalversamm⸗
lungen abhalten — man sieht, die Nomaden der
Neuen Welt haben von ihren seßhaften Brüdern
»ereits trefflich gelernt, sich die „Segnungen der
Fivilisation“ zu Nutze zu machen.