St. Judherter Amztiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
er St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs⸗
Jatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 14 40 B einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1I 75 , einschließlim
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M 137.
Dienstag, 17. Juli 1883.
18. Jahrg
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Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
München, 15. Juni. Der Ministerialrath
m Cultusministerium Herr Dr. W. v. Völk, ist
einne an einer Lungenlähmung gestorben. Der Hin⸗
eschiedene erreichte ein Alter von 64 Jahren.
Mit Bezug auf die Colonisationsbestrebungen
eitens Deutschlands wird hervorgehoben, wie Fürst
zismarck der festen Ueberzeugung sei, daß der
txwerb von großen Colonieen für das deutsche
teich eine Lebensbedingung ist, da ein großer euro⸗
aischer Staat heutzutage ohne Colonialbesitz eine
heltmachtstellung auf die Dauer nicht behaupten
jnne. Die Erfahrung mit der Samoa-Vorlage im
Leichstage hat den Reichskanzler allerdings gelehrt,
aß diese Erkenntniß in Deutschland noch nicht ge—
ügend verbreitet und daß es daher geboten ist, in
ieser Frage möglichst vorsichtig und langsam vor⸗
igehen. Jeder deutsche Mißerfolg in dieser Hin⸗
icht kommt direct unseren Concurrenten zu Gute,
die gleichfalls die Samoa-Affaire gelehrt hat. Nur
us diesem Grunde hat Fürst Bismarck vorläufig
ie Colonisationsbestrebungen amtlich ruhen lassen.
zeine vollen Sympathien gehören aber dem kürz-—
ich gegründeten Verein zur Erwerbung deutscher
jolonieen, und er wird ohne Frage auch seinerseits
ie Bestrebungen. dieses Vereins in demselben Augen⸗
licke wieder aufnemen, in dem er die Ueberzeug⸗
mg gewonnen haben wird, daß die Mehrheit der
xutschen Volksvertretung ihn darin zu unterstützen
ereit ist.
Das Tabakmonopol. Während einerseits
on dem Plane die Rede ist, die Tabaksteuer zu er—
oͤhen, nimmt die N. A. Z. den Feldzug für das
abakmonopol wieder auf, indem es an der Spitze
qs begeisterte Urtheil eines französischen Volkswirths
ber dessen günstige Wirkung auf die Finanzen
rankreichs anführt. Dazu bemerkt die Nat.⸗Lib.
orresp.: „Wir sollten doch denken, die Regierung
abe nachgerade in dieser Frage Niederlagen genug
tlitten, oder gelüstet sie etwa nach einer neuen
Bahlbewegung unter dem Feldgeschrei des Tabak—
nonopols? Das Jahr 1881 sollte ihr noch eine
chendige Warnung sein.“
Ausland.
Frohsdorf, 15. Juli. Das Befinden des
tafen Chambord hat sich wieder ein wenig gebes⸗
ert; derselbe konnte heute mehrere Personen seiner
mgebung empfangen und einiage Worte mit den⸗
lben wechseln.
Roubaix, 15. Juli, Abends. Die Anarchisten,
elche sich heute Früh nochmals zusammenroiteken,
m gegen die Ablehnung der Amnestie zu prote⸗
iren, wurden von der Polizei zerstreut. Nachmit⸗
gs 5 Uhr sammelten sich zahlreiche Gruppen Ar⸗
eiter auf der Grande Piace, wurden aber durch
atrouillen auseinander getrieben Die Ruhe hlieb
vtdem ungestört.
Rom, 15. Juli. Das „Journal de Rome“
u: „Eine Antwort von Seiten Preußens er—⸗
arte der Vatikan nun nicht mehr; doch könnten
Anterhandlungen, welche selbst während Hrn.
Schlszers demnächstiger Abwesenheit durchaus
cht vollstandig zu ruhen brauchten, auf der Gruͤnd⸗
e neuer gegenseitiger Konzesfionen wieder aufge⸗
Anm werden. Deutschland fürchte viel mehr,
n es zugestehe, die Wirrsale, welche ein Bruch
it der Kirche nach sich ziehen würde Der heilige
sei bereit, alle moglichen Konzessionen zu be⸗
igen; man solle ihm nur annehmbare Garan—
jeen bieten. Das „Journal de Rome“ glaubt
seute mehr denn jemals an eine friedliche Lösung.
— Der preußische Gesandte v. Schlözer hatte gestern
iine Unterredung mit dem Kardinalstaatssekretär
Jacobini.
Die Insurrection in Albanien kann vorläufig
ür beendigt gelten, da sämmtliche Stämme sich der
ürkischen Regierung unterworfen haben. Der Funke
»er Empörung glimmt aber unter der Asche weiter,
a die endgiltige Grenzregulirung noch immer eine
merfüllte Forderung ist.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
St. Ingbert, 17. Juli. Am nächsten
Sonntag Nachmittag hält die Allgemeine
dranken-Unterstützungs-und Sterbe—
dasse St. Ingbert behufs Berichterstattung
iber Thätigkeit und Stand des Vereins im Lokale
)es Herrn Johann Weirich Gecker'sche Brauerei
— Unterstadt) ihre statutengemäße Generalver—⸗
ammlung ab. Mit Genugthuung kann der
herein auf seine Thätigkeit im verflossenen halben
zahre zurückblicken. Eine hübsche Summe wurde
in Unterstützungsgeldern ausbezahlt und dadurch in
nancher armen Familie, in der der Ernährer krank
arniederlag, die drückendste Noth gemildert. Trotz
ieser ziemlich starken Inanspruchnahme der Kasse
st der finanzielle Stand derselben doch ein sehr guter
ind beträgt das Vereinsvermögen gegenwärtig nach
nicht ganz zweijährigem Bestande circa 800 Mark.
Ullgemein bringt man in der Bevölkerung
em Vereine wegen seines gemeinnützigen und wohl⸗
hätigen Zweckes Interesse entgegen und steht zu
joffen, daß demselben auch in der nächsten General⸗
zersammlung, zu der Jedermaun freundlichst ein-
jeladen ist, viele neue Mitglieder gewonnen werden.
* St. Ingbert, 17 Juli. Die gegenwär⸗
ige Witterung ist eine wenig sommerliche. Die
Temperatur ist eine herbstlich kühle und steht in
grellem Gegensatze zu der vor wenig Tagen herr⸗
chenden tropischen Hitze. Unseren westricher Land⸗
virthen sowohl wie dem vorderpfälzischen Winzer
nag es jetzt auch genug geregnet haben.
—2. Bebelssheim, 15. Juli. Herr Bür⸗
zermeister Gerber von hier legte diese Woche
us verschiedenen Gründen sein Amt nieder und
st auch nicht zu bewegen, dasselbe weiter zu führen.
ks dürfte daher baldigst Neuwahl anberaumt werden.
90 Wittersheim, 15. Juli. Gestern war
ahier nicht geringe Aufregung. Ein Handwerks—
ursche kam in die Wohnung des Ackerers Bart⸗
cherer und verlangte von der Tochter des Hauses,
velche allein zugegen war, einen Zehrpfennig. Da
ieselbe nicht den Schlüssel zur Kasse hatte, gab sie
hm Brod. Darauf warf er das Mädchen nieder,
teckte ihm ein Tuch in den Mund, band es an
ꝛen Tisch und suchte es zu vergewaltigen. Im
Augenblicke der höchsten Noth kam ein Kind herbei,
vorauf der Strolch die Flucht ergriff. Das Mädchen
var ohnmächtig und fürchtete man anfangs für
ein Leben. Der saubere Patron machte sich eilig
zus dem Staube. Die Gendarmerie fahndet nach ihm.
? Wolfersheim, 16. Juli. Der Ge—
angverein von Erfweiler machte gestern
inen Ausflug hierher. Bei zwangloser Unter⸗
zaltung gab derselbe mehrere vierstimmige Lieder
um Besten. Man war hier über den Besuch er⸗
reut und wünscht baldige Wiederholung.
— In Waldmohr hat sich in der Nacht
um Samstag ein junger Mann von da, welcher
uletzt bei der Kaminkehrerswitiwe Frau Reis in
Kusel als Geschäftsführer fungirte, in der Wohn⸗
ung seiner Angehörigen, welche er ohne Vorwissen
der letzteren betreten hatte, erschossen.
— Dürkheim, 16. Juli. Wie uns gemel⸗
det wird, entlud sich gestern Nachmittag in der
Richtung Leistadt, Kallstadt, Freinsheim ⁊c. ein
schweres Hagelwetter, welches bedeutenden
Schaden an Wingerten und Sonstigem verursachte.
(D. A.)
— Um die Angelegenheit der Anlage des Ca⸗
aals Ludwigshafen-Straßburg in Fluß
zu bringen, werden in den elsässischen Handels—
reisen gegenwärtig Schritte zur Bildung eines Co—
mite's gethan. Es verlautet, dem „Fr. J.“ zufolge,
daß eine große Anzahl elsässischer Notabeln die Zu⸗
sage gegeben hat, dem Comite anzugehören. Es
'oll von dem Comite ebensowohl das alte Canal—
project Straßburg⸗Ludwigshafen näher in's Auge
zefaßt werden, als auch eine Anbahnung mit den
Interessenten in Baden je nach deren Verhalten und
nach deren Stellung zu dem Project versucht werden.
— Dem Jahresbericht des Kreiskomités des
iandw. Vereins der Pfalz für 1882 entnehmen
vir, daß der Verein Ende 1881 6616, Ende 1882
3569 Mitglieder hatte. Es ergibt dies eine Minder⸗
ung um 47 Mitglieder, was in Anbetracht der für
die Landwirthschaft so überaus ungünstigen Ver—
jältnisse des Jahres 1882 als nicht ungünstig
gjelten darf, zumal neben Kirchheimbolanden und
dandau besonders die durch Ueberschwemmung heim⸗
zesuchten Bezirkskomités die stärksten Abgänge auf-
veisen, der sicherste Beweis, daß es nur die wirth⸗
chaftlichen Verhältnisse sind, die der fortdauernden
zunahme der Mitgliederzahl entgegen stehen. —
Die landwirthschaftlichen Spezialvereine in der Pfalz
iind: 1 Pferdezuchtverein mit 532 Mitgliedern, 1
Pferdezuchtgenossenschaft mit 64 Mitgliedern, ein
Verein zur Hebung der Donnersberger Viehrace
nit 34 Mitgliedern, 7 Geflügelzuchtvereine mit 710
Mitgl., 1 Kreisfischereiverein mit 115 Mitgl., 2
Fischereivereine mit 23 Mitgl., 28 Bienenzucht-⸗
dereine mit 1079 Mitgl., 39 Obstbauvereine mit
1493 Mitgl., 1 Weinbauverein mit 102 Mitgl.,
dreisverbände bestehen folgende: 1. Pfälzischer
Zreisberein für Geflügelzucht und Vogelschutz, 2. der
dreisfischereiverein. Von Leistungen der Spezial⸗
»ereine sind besonders der Erfolg der Obstbau—⸗
und Pferdezuchtvereine hervorzuheben. Mit dem
Inslebentreten des Kreisvereins für Geflügelzucht
cheint in der letzteren eine bessere Richtung einge—
chlagen worden zu sein, indem dieser Verein in
einem Programm die Verbreitung eines guten an⸗
pruchslosen Leghuhns als Hauptziel seiner Thätig⸗
eit angibt.
— Zu Präfungskommissären an den
fälzischen Realschulen sind in diesem Jahre er—⸗
ijannt für Kaiserslautern Rektor Rohe, für Landau
Brofessor Hecht vom Realgymnasium Würzburg,
ür Neustadt, Professor Staudacher und für Zwei—
zrücken Professor Gögelein, beide vom Realgym—
nasium Speyer, endlich für Speyer Recktor Reck—
nagel von Kaiserslautern.
— Seitdem sich der Bau der Lauterbahn
Kaiserslautern-Lauterecken) der Vollen⸗
ung zuneigt, tritt das Project einer Nebenbahn
»on Kaiserslantern über Waldfisch—
bach nach Biebermühle (etwa 28 Kilometer)
'in den Vordergrund. Diese Linie durchschneidet
ine Strecke von großem Holz⸗ und Steinreich⸗
hum, ausgedehnter Landwirthschaft, Eisenwerke
dolzsagewerke, Mühlen ꝛc.