Full text: St. Ingberter Anzeiger

im Hause seines Eroßvaters mütterlicherseits, des 
praklischen Arztes Dr. Schupp von hier, die meiste 
Zeit verbrachte. Die Angehörigen des strebsamen, 
sebenswürdigen und kenntnißreichen jungen Mannes 
werden von Jedermann bedauert, um so mehr, da 
er zu den schönsten Hoffnungen berechtigte und nichts 
weniger als ein studentische Raufbold war. Das 
schmerzliche Ereigniß wecktvon Neuem die Erinnerung 
an gleiche, von denen dreiandere hiefige Familien sind 
detroffen worden. Voriges Jahr erst fiel stud. 
juris Stöpel von hier im Duell zu Göttingen, 
wenige Jahre zuvor stud. Lang in Erlangen und 
ztud. Mohr in Straßburg, beide ebenfalls von hier. 
— Neustadt, 18. Juli. Die Lieferung der 
Weine für das Kreisturnfest hat wieder eine be— 
deutende Konkurrenz hervorgerufen; es sind etwa 
100 Proben Weißwein eingelaufen. Das Pröbeln 
selbst hat zwei Tage in Anspruch genommen und 
folge: des Resultat geliefert: neuen Faßwein darf 
liesern Herr C. Stoewer, alten Herr C. J. Hoch; 
ein Flaschenwein zu 55 Pf. wurde Herrn Jul. 
rafft zuerkannt, zu 90 Pf. Herrn J. C. Hoch, zu 
1 Mt. 20 Pf. Herrn Ed. Kuby, zu 1Mk. 80 Pf. 
Herrn Ed. Kuby, Rothwein zu 90 Pf. Herrn Ph. 
Thomas. Die Lieferung deutschen Champagners 
ist Herrn Ph. Thomas übertragen, die des fran⸗ 
zösischen den Herren J. Cron und J. B. Eckel. 
Alle Lieferanten sind von hier. 
— Am vergangenen Sonntag saß ein in Bad 
Bleisweiler sich aufhaltender Kurgast vor dem 
dortigen Kurhause; derselbe wünschte eine Cigarre 
zu raͤuchen und erbot sich das 9jährige Söhnchen 
ines andern Kurgastes, ihm eine sotche aus seinem 
m 3. Stock befindlichen Zimmer zu holen, was 
hm auch gestattet wurde. Unterwegs gesellte sich 
»essen 4 Jahre altes Brüderchen zu ihm und Beide 
gingen in das Zimmer, wo sie neben dem auf dem 
Tischen stehenden Cigarrenkistchen 2. Revolver liegen 
sahen, wovon der eine geladen war. Zum Unglück 
ergriff der ältere Knabe auch gerade den geladenen 
ind hielt ihn seinem Brüderchen vor das Gesicht 
nit den Worten: „Soll ich dich todtschießen ? 
Sleichzeitig drückte er auch wirklich ab und die 
Fugei drang dem Kinde neben der Nase in den 
dopf. Dasselbe ist schwer, jedoch nicht lebensge⸗ 
fährlich verletzi. 
In Scheibenh ardt hat sich vor einigen 
Tagen ein trauriger Fall zugetragen. Das djährige 
Töchterchen des Obermüllers Bopp in der Liebhardt'⸗ 
schen Mühle dasselbst brachte ihrem Vater das Ves⸗ 
derbrod in die Mühle. In der Mühlstube neckte 
as Mädchen einen Mühlburschen mit Namen Bopp, 
velcher ein Verwandter zu ihrem Vater ist, hielt 
inen Besenstiel gegen ihn und sagte, ich schieße. 
Bopp nahm sein an der Wand befindliches Gewehr 
herunter und sagte, ich schieße auch, zielte auf das 
Mädchen und, o furchtbarer Schrecen, das Gewehr 
ging ios und das Mädchen fiel todt zur Erde. Wie 
nan hört, soll Bopp Morgens das Gewehr gerei⸗ 
haben, ein anderer Mühlbursche hatte es aber 
geladen, ohne daß ersterer es wußte. Bopp wurde 
verhaftet. 
Am 17. und 18. ds. Mis. wurde in 
Frankenthal unter zahlreicher Betheiligung das 
Jahresfesi des pfälzischen Gustav-Adolf— 
Bereins gefeiert. Wie üblich wurde am Vor⸗ 
bend des kigentlichen Festtages (Mittwoch) eine 
berathende Versammlung abgehalten, in der u. A. 
anuch die dem Haupwerein zur Verfügung stehende 
Summe im Beirage von 5471 Mk. 49 Pfg. (in⸗ 
luside der durch die Zweigvereine bereits bewilligten 
Anlerstützungen 11,694 Mk. 45 Pfg.) zur Ver⸗ 
heilung unter die bedürftigen Gemeinden gelangte. 
Bedacht wurden 26 pfälzische Gemeinden, darunter 
Blieskastel mit 1000 M. Ensheim mit 
500 M., Mittelbexrbach mit 1000 M. und Neu— 
häusel mit 516 M. 28 Pfg. Außerdem wurden 
ür Blieskastel die Kollekten bei den Zweigvereins- 
esten im Jahre 1884 bestimmt. 
— Von einem pfälzischen Schöffengericht 
wurde dieser Tage eine 7 8jährige Frau wegen Sach— 
heschädigung mit 6 M. bestraft. Bei der Zeugen⸗ 
dernehmung stellte sich zur großen Heiterkeit des 
Publikums heraus, daß das Motiv der That un⸗ 
Teue Liebe war. Die ehrwürdige Matrone hatte 
namlich in den Zeiten, wo sie der Liebe noch fähig 
war — heute scheint sie nur Gift und Galle zu 
besitzen — mit dem nunmehr verstorbenen Vater 
des Beschädigten, der selbst schon 38 Jahre alt ist, 
n einem Liebesverhältniß gestanden, das jedoch von 
em untreuen Liebhaber während seiner Militärzeit 
baebrochen wurde, infolge dessen die treulos Ver⸗ 
jassene heute noch zu haben ist. Mit diesem Fak⸗ 
jum hat sie sich bis jetzt so wenig ausgesöhnt, daß 
sie dem Sohne des Untreuen heute noch schaden 
nöchte, wo sie kann; so ließ sie sich im Frühjahr 
zeigehen, in fortgesetzter Weise in dem Wingert det 
Beschädigten die Rebenaugen wegzureißen, wodurch 
zie Ertragsfähigkeit der betr. Stöcke aufgehoben 
bezw. vermindert wurde. Daß die Angeklagte trotz 
hres etwas kindischen Wesens wohl wußte, daß sie 
ein Unrecht begehe, bewies sie selbst am besten da⸗ 
zurch, daß sie zuvor immer fein Umschau hielt, ob 
Niemand zusehe, und in ihren eigenen Weinbergen, 
ie selbst noch bebaut, dergleichen Weinstockschänd⸗ 
ingen nicht verübt. Mit Rücksicht auf ihr hohes 
Alter wurde die obengenannte Geldstrafe für ge— 
nügende Sühne erachtet, sonst wäre sie so glimpf⸗ 
ich nicht durchgekommen. (Pf. P.) 
Vermischtes. 
F Würzburg. Betreffs des jüngsten Zwei⸗ 
ampfes mit tödtlichem Ausgange (wobei Student 
Noschel von Germersheim fiel) schreibt man der 
„N. Pr.“: „Es wird jetzt das Gerücht verbreitet, 
der gefallene Mainländer habe durch Händelsucht 
den Zweikampf muthwillig herbeigeführt und sei 
azu von seinem eigenen Korps gehetzt worden. 
das Gegentheil ist die Wahrheit. Der Mörder — 
o muß ihn auch der Jurist nennen (7) — übte sich 
Pochen lang mit außerordentlichem Fleiße im Pi— 
tolenschießen. Als er sich hinreichend eingeübt hatte, 
eleidigte er den Mainländer, einen artigen und 
iebenswürdigen Mann, während dieser bei einer 
„chlägermensur des Mörders als Unparteiischer 
ungirte, ohne alle Veranlassung durch äußerst rohe 
Vorte. Solches Benehmen eines Korpsburschen 
jegen einen Korpsburschen, solches Attentat gegen 
sen Unparteiischen mit perpetueller Dimmission und 
erpetuellem Verrufe zu bestrafen, war Pflicht des 
dorps Bavaria und Pflicht des 8. C. Statt dessen 
jat das Korps Bavbaria kein Mittel unversucht ge— 
assen, um mit Hilfe zweier anderen Korps den 
ꝛeleidigten Mainländer zur Pistolenforderung zu 
wingen. Die Mainländer thaten, was sie konnten, 
im diese Mensur zu verhindern; allein die Gegner 
vollten, daß der Mörder sein Opfer habe.“ 
In Mainz sind beim Landgericht seit Neu⸗ 
ahr nicht weniger als dreißig Ehescheid— 
ungsklagen eingereicht worden. 
F Das Schöffengericht zu Hagen ver— 
irtheilte einen Arbeiter, der bereits wiederholt wegen 
Finfangens von Singvögeln mit 30, 50 und 60 
MNark bestraft war und sich abermals wegen Aus⸗ 
tellens von Leimruten und Lockvögeln zu verant⸗ 
vorten hatte, zu 6 Wochen Gefängniß. 
F Auf dem Altkönig inm Taunus hat es 
im Montag früh geschneit. 
FGahres-Einkommen als Todten— 
zräber.) Die Todtengräberstelle für den St. 
detrikirchhof in der Friedensstraße in Berlin, 
velche seit einiger Zeit vacant ist, findet sehr viele 
Bewerber. Es haben sich für diese Stelle nicht 
weniger als 80 Reflektanten gemeldet, eine Zehl, 
die eigentlich nicht überraschen kann; der einzu⸗ 
tellende Beamte erhält nämlich außer freier Dienst⸗ 
vohnung 2100 M., ferner wird aber sein Ein⸗ 
ommen durch Blumenhandel, Instandhaltung der 
Gräber, dekrorati usstattung der Leichenhalle bei 
besonderen Begräbnissen auf ca. 12,000 M. ge⸗ 
chätzt. Wenn diese Schätzung richtig ist, wer 
möchte da noch seinen Sohn, wie jene gute Ber— 
iner „Minister lernen“ lassen? 
— Ein recht heiterer Zivilprozeß wird demnächst 
»eim Berliner Amitsgericht zur Verhandlung ge⸗ 
angen. Der Klage liegt folgender Thatbestand zu 
ßrunde: Die in gewissen Kreisen sehr bekannte 
ind vielbegehrte Heirathsvermittlerin Frau G. war 
yon einem in der Potsdamerstraße wohnenden Be⸗ 
imten beauftragt worden, für ihn bei der vermögen⸗ 
»en Wittwe T... in der Dragonerstraße zu 
verben, um derselben Hand und Herz des Kandi⸗ 
aten zu offerieren; derselbe erhielt aber von der 
Lermittlerin per Postkarte und in lakonischer Kürze 
ie Mittheilung: „Frau T. .. können Sie nicht 
nehr heirathen, die wird heute begraben.“ — Der 
zeamte suchte sich zu trösten und heirathete eine 
indere. Das erfuhr nun — die keineswegs be— 
sjrabene Frau T..„ welche au contraire noch 
eute ganz frisch und gesund in der Dragonerstraße 
vohnt — sie war also, weil jene Frau G. sie 
jatte begraben lassen, um den Mann gekommen, 
ind das verzeiht keine wenn sie heirathen will. 
Parum die Vermittlerin jene Dame schon so vor⸗ 
zeitig hat sterben lassen, das wird erst im Proʒesse 
aufgeklärt werden, bei welchem auch der bereits mi 
iner andern Wittwe verheirathete Beamte als Zeuge 
erscheinen muß. 
F Ein Berliner Raritätensammler befindet 
ich im Besitz eines Zeitungsblattes vom 25. Okt. 
1764, das eine Konzertanzeige enthält, welche der 
petulative Vater Mozarts veröffentlichte, als sein 
Sohn, als Wunderkind berühmt, und dessen Schwester 
in dem genannten Jahre in Frankfurt a. M. auf— 
raten. Die interessante Reklame lautet wie folgt: 
„Meine Tochter, zwolf Jahre alt, und mein Sohn, 
der sieben zählt, werden die Konzerte der größten 
Meister auf einem Klavizin mit und ohne Schweif 
ausführen, mein Junge auch ein Konzert auf einer 
Violine. Mein Sohn wird die Tasten des Kla— 
dizin mit einem Tuche zudecken und auf demselben 
spielen, als wäre es nicht zugedeckt. Von Weitem 
wie aus der Nähe wird er jeden Ton, jeden Akkord 
errathen, den man ihm auf dem Klavizin oder an 
einer Glocke oder auf einem Instrument angeben 
vird. Zum Schlusse wird er so lange frei phan— 
asiren, als man nur will, und zwar nach Wahl. 
auf der Orgel oder am Klavizin, in allen Tonarten 
nn den allerschwierigsten, nach Wahl. Sein Orgel— 
piel ist aber ein ganz anderes als sein Klabizinspiel!“ 
(Cigarre und Pfeife.) W. Horn macht 
n seinen Erzählungen darauf aufmerksam, daß 
nan in immer weiteren Kreisen die wohlfeile Ta— 
zakpfeife durch die kostspielige Cigarre ersetzt. Die 
5,959, 140,000 Cigarren, die man in Jahresfrist 
m deutschen Zollgebiete verbrauchte, hätten ein 
Bewicht von 751,307 Centner und einen Geld⸗ 
werth von 249,269,000 Mark. Der Rauchtabak 
hatte ungefähr dasselbe Gewicht (731,391 Centner) 
»agegen einen Geldwerth von nur 42.429. 000 
Mark. 
Gich selbst eingemauert.) Aus 
Brüx wird geschrieben: Ein Maurer hatte den Auf—⸗ 
rag erhalten', in einem kleinen Raume im neuen 
dreisgerichtsgebäude die dort befindliche Thüröffnung 
u vermauern und eine iolche nach einer anderen 
Zeite hin auszubrechen. Der gute Mann geht an 
die Arbeit, mauert und mauert und als er beinahe 
iertigt ist, schlägt die Mittagsfeierstunde, schnell 
virft er nach Maurerart die Werkzeuge weg und 
vill sich entffernen; doch wo soll er hinaus? Er 
hatte dem Auftrage gemäß die Thüröffnung ver—⸗ 
mauert, aber vergessen, die neue Oeffnung zuvor 
nuszubrechen. So blieb dem Eingemauerten nichts 
äbrig, als seine gemachte Arbeit wieder zu zerstören, 
um das unfreiwillige Gefängniß verlassen zu können. 
Gon der Freude getödtet.) Vor 
durzem kam zu mililärischen Uebungen nach Lem⸗ 
herg der Pionierlieutenant Scheibert aus Oesterreich, 
im gleichzeitig der Prüfung seiner eigenen auf dem 
Bebiete der Militärtechnik gemachten Erfindungen, 
velche die Aufmerksamkeit maßgebender militärischer 
Zreise auf sich gelenkt hatten, beizuwohnen. Die 
Prüfung fand mit großartigem Erfolge Statt, und 
ille Kameraden gratulirten dem glücklichen Erfinder. 
In dem Momenle, als sich ihm der Regimentskom. 
nandant nahte, um ihn zu beglückwünschen, stieß 
Sch., während er schwankte, einen durchdringendeu 
Schrei aus und fiel todt einem Kameraden in die 
Arine. Die Freude über allseitige Anerkennung hat 
ihn getödtet. Mad konstatirte einen Herzschlag. 
F GDesinfizirung eines Telegram— 
mes.) Der „Slovenski Rarod“ berichtet folgenden 
omischen Vorfall aus Laibach: Gestern brachte ein 
Depeschenausträger dem Herrn Si, welcher Ver⸗ 
wandte in Damiette hat, ein Telegramm. Beim 
Aufmachen der Depesche bemerkte S., daß die 
Depesche schon vor 24 Stunden in Laibach ange⸗ 
ommen sei. Er war darüber ungehalten und sagte 
dem Austräger: „Das ist aber doch zu viel, daß 
mir das Telegramm erst nach 24 Stunden zuge⸗ 
tellt wird. Glauben Sie, daß so etwas nichis zu 
sedeuten habe? Ich werde Ihnen das schon zeigen! 
Darauf antwortete der Telegraphendiener ruhig und 
Jelaffen: Das Telegrammist richtig vor 2* 
Sluuden angekommen? aber wir mußien daffelbe— 
da es aus enem Lande komimt, wo Cholera graß 
sirt, nach den Befehlen der Sanitätsbehörde wahrend 
dieser Zeit desinfiziren.“ (7) 
F Der stärkste Esser von Paris, V 
red Mouchet, ist gestorben. Mouchet war ein langer 
trockener Geselle, mit ungeheuren Hünden und Füßen, 
ils Troneur der Haändler auf“ dem Pferdemarhi 
Ferdiente er 8bis 6 Francs den Tag. Mouchet 
ermochte sich mit diesem Einkommen kaum vor 
vem Hungertode zu schützen. Oft wurden Wetten