Full text: St. Ingberter Anzeiger

eiche Verwundete aus Casamicciola gebracht worden 
ind, und belobte das Personal, besonders die 
armherzigen Schwestern, wegen ihrer ausgezeich⸗ 
aeten Dienstleistungen. Auch in der Spitalkirche 
ijnd Verwundete untergebracht. Die Damen Ravas— 
sieri, Meuricoffre und andere Mitglieder der Ge⸗ 
schaft vom Rothen Kreuze begaben sich mit Binden, 
zharpie und Medicamenten nach Casamicciola, um 
aselbst eine Ambulanz zu errichten. Die Soldaten 
sheiten unausgesetzt angestrengt. Unter dem Mili⸗ 
ir sind zahlreiche Sonnenstichfälle vorgekommen. 
zeit zwei Tagen werden ein Lieutenant, ein Ser⸗ 
rant und zehn Mann vom 11. Artillerieregiment 
wßt; man befürchtet, daß sie irgendwo ver—⸗ 
süttet worden sind. Konig Humbert verweilte in Ischia 
ie Stunden auf der Unglücksstätte und war beim 
qublis der Verwüstung sichtlich gerührt. Die 
deinende Volksmenge begrüßte den Konig erfurchts— 
oll und bezeugte ihren Dank für seine Theilnahme 
uf alle mögliche Weise. Auf dem Stadtplatze von 
zsamicciola empfing der König den Bischof von 
chia, welcher ein Schreiben des Erzbischofs von 
deapel überreichte, und sprach dem Bischofe den 
dank aus für die von demselben bewiesene Mild— 
hätigkeit. Wegen der infolge der Hitze eingetretenen 
aschen Verwesung der Leichname ist die Luft ver⸗ 
estet. Heute Mittag 12 einhalb Uhr wurde eine 
eue Erderschütterung mit unterirdischem Getöse 
hahrgenommen. 
Cammicciola, 2. August. Bei dem Be— 
ach auf Ischia begab sich der König selbst nach 
eht schwer zugänglichen Orten, so daß Depretis 
ind Mancini dem König nicht überall zu folgen 
ermochten. Der König spendete 100,000 Francs 
ind gab wiederholt den Entschluß kund, Alles zu 
sun, um unverzüglich das Loos der unglücklichen 
interlassenen zu erleichter. (Der Ministerrath in 
dom sandte einstweilen 150,000 Francs zur Ver— 
heiliung. Der Stadtrath von Rom bewilligte 
0,000 Francs und in sämmtlichen Städten Italiens 
vurden Subscriptionen eröffnet. Der Papst 
mdte 20,000 Francs, die Municipien verschiedener 
ztädte je 3000 Francs als erste Gabe.) In der 
gegleitung des Königs befand sich auch der Bür— 
ermeister von Lacco, welcher seine Frau und Kinder 
erloren hat. Bei Fortsetzung der Rettungsarbeiten 
velche durch eine neuerliche Erschütterung verzögert 
vurden, sind noch mehrere Personen lebend aus 
»en Trümmern hervorgezogen und viele Werth— 
egenstände aufgefunden worden. Die Verwesung 
er Leichname schreitet fo schnell vor, daß die Fest— 
selling der Identität wiederholt unterblieben ist. 
Nan glaubt jetzt allgemein, daß die Kathastrophe 
ucht in Folge eines Erdbebens eingetreten sei, und 
nan bemerkt. daß dieselbe nur dort eintrat, wo 
eichliche Termalquellen fließen. 
(Die Katastrophe auf Ischia.) Der 
oͤmische Correspondent der „Voss. Zig.“ giebt 
olgende interessante Schilderung der Katastrophe 
ach Berichten von Augenzeugen: „Ich sprach soeben 
it einem deutschen Landsmann, der sammt allen 
uf Ischia befindlichen Deutschen, unter denen sich 
ich der Direktor des Zoologischen Instituts zu 
leabel, Prof. Dr. Dohrn befand, dem entsetzlichen 
aglück entronnen ist. Er erzählt: Wir saßen auf 
nem nach den Weinbergen sich öffnenden Altan 
awGarten, als gegen 912 Uhr immer stärker 
erdendes Geräusch sich hören ließ, ähnlich einem 
senbahnzuge, welcher über eine eiserne Brücke führt. 
»r Boden schwankte, ich wurde vom Stuhle ge⸗ 
eudert, und als ich mich erholte und mechanisch 
ich meinem Hute faßte, fund ich mich in Nebel, 
tanb und Schutt gehüllt. — Casamicciola war 
icht mehr. Ju meinem Hotel der Piccola senti—⸗ 
ela brannten im hinteren Theile noch die Petro— 
mlampen, mittelst einer solchen leuchtete ich nach 
im Zimmer meiner Frau, die bei dem ersten Ge⸗ 
asche aus dem Bette gesprungen war. Ich fand 
lebend und unverletzt; wir' kampirten in der 
acht im Garten. Vergebens versuchte ich eine 
glückliche Amerikanerin, deren Beine von einem 
u sie gestürzten Fels zerschmettert waren, von diesem 
befreien; meine Kräfte reichten nicht; entsetzlich 
inten die Hilferufe der Jammernden durch die 
aht. Um 105 Uhr ging das erste Schiff nach 
apel, um Hilfe zu holen, die prompt eintraf. 
9 Ausbrüche der Verzweiflung einerseits und da— 
nten die Freudenrufe sich Wiederfindender anderer⸗ 
ind unbeschreiblich. Ich schätze die Verluste 
Tausende von Menschenleben. Nicht blos ver—⸗ 
ctet und erschlagen wurden die Umgekommenen, 
ourden quch von den aus den Erdspalten 
rir 
uufsteigenden Schwefeldämpfen erstickt. Die Ur— 
ache scheint mir mehr Einsturz als Erdbeben (diese 
Vahrnehmung bestätigt die Ansicht des Professors 
Zalmieri, daß die Katastrophe durch eine Erdsenkung 
des Inselterrains herbeigeführt sei. Red.) Schlimmer 
venn möglich soll es in Forto, Lacco und Ameno 
ugegangen sein. Die Mannschaften eines Gen⸗ 
armerie⸗Commandos sind sämmilich erschlagen; 24 
dinder einer Heilanstalt sind todt. Neapel, welches 
vort Villegiatur zu halten pflegte, ist in tiefster 
Trauer. Dampfer bringen fortwährend Todte und 
Verwundete, der Hilfsdienst war anfänglich etwas 
ingeordnet, jetzt ist es besser. Ueber 100 Aerzte, 
iele fromme Schwestern sowie Militär zum Ab— 
äumen sind nach der Unglücksstätte hinüberbefördert.“ 
F Gur Deutschenhetze.) Selbst das 
zrauenvolle Unglück aus Ischia muß dazu herhalten, 
im den Deutschen einen Hieb zu versetzen. Ein 
Bericht des Gaulodis aus Neapel über die Vorgänge 
n Casamicciola schließt mit dem Satze: „Man be⸗ 
sauptet, auch viele Engländer seien umgekommen. 
Ddagegen hat die de utsche Colonie fast gar nicht 
zjelitten. Die haben immer Glübk nicht 
wvahr?“ Echt französisch! 
F(Gus den Zeiten der Leibeigen— 
chaft) theilt die Russische Revue nach den In— 
eraten der russischen Zeitungen einige recht charakteri⸗ 
tische Züge mit. Wie man Kühe oder Apfelsinen, 
Nöbel oder Fische zum Verkaufe ausbot, wurde 
»er Verkauf von Bauern „familienweise“ oder „ein⸗ 
elne“ oder der Verkauf „hübsch aussehender leib⸗— 
igener Mädchen“ annoncirt. Folgende Proben 
ius dem Jahre 1795 mögen einen Einblick in diese 
eidigen Verhältnisse gewähren. In Nr. 73: „Wegen 
Abreise werden verkauft: ein 11jähriges Mädchen 
ind ein 15jähriger Barbier für 275 Rol., ferner 
tische, Stühle, Betten u. s. w.“ In Nr. 75: „Im 
)ause der Wittwe N. N. werden verkauft: ein 
zauernjunge von 17 Jahren und allerlei Möbel.“ 
in Nr. 76: „Zu verkaufen: ein Schneider, ein 
doch und ein Schuster, eine Kalesche und ein Pferd.“ 
jn Nr. 77: „Zu verkaufen ein Bauernmädchen 
son 18 Jahren, zu erfragen beim Haustnecht“, 
der: „Bei der Kirchenschule des h. Nikolaus wird 
in hübsches Mädchen von 20 Jahren verkauft, 
bendort kann man Auskunft erhalten über ein 
paus, welches 250 Rbl. jährlich abwirft“, oder: 
Es werden verkauft: mehrere schöne Pferde (Apfel⸗ 
himmel) und ein Ehepaar“, oder: „Zu verkaufen: 
dühe zwei Ziegen, ein weißer Ziegenbock und eine 
zauernfamilie“, oder: „Zu verkaufen: ein Pferd 
Fuchs) und eine Dirne von 30 Jahren, zu be— 
ehen dort und dort.“ Auch Inserate, wie folgende, 
'amen vor: „Wer ein etwa 30jähriges Weib zu 
verkaufen wünscht, welches nähen und plätten kann, 
owie ein 13jähriges Mädchen, kann sich melden 
da und da.“ 
F Die Civilisation der Wilden in Südafrika 
chreitet mit Riesenschritten vorwärts. Die Kaffern 
saben bereits ihre eigene Zeitung die „Isigidimi“ 
sjeißt und in Vort Elisabeth erscheint. In einer 
ser letzten Nummern liest man den folgenden 
Heirathsantrag“: „Der Einsender, ein Kaffer, bittet, 
illen Mädchen bekannt geben zu dürfen daß er 
nit einer hübschen Jungfrau in den heiligen Ehe— 
'and zu treten wünscht. Er verlangt von seiner 
zukünftigen, daß sie im Lesen und Schreiben gut 
ewandert sei. Schulbildung genossen habe und alle 
Rausarbeiten zu verrichten weis. Der Einsender 
st es müde, gestampfte Maiskolben und unge— 
äuertes Brod zu essen. Er ist von mittlerer Größe, 
25 Jahre alt, hübsch, gesund und hat einen tüchtigen 
Schnurrbart und K. 135. Er weiß; wie zu ar— 
»eiten. Das Mädchen, das sich entschließt, ihm in 
diesem Leben durch Dick und Dünn zu folgen, wird 
eine ausgezeichnete Wahl getroffen haben. Die— 
enigen, welche auf dieses Inserat antworten wollen, 
verden gebeten, Photographien beizulegen, welche 
yen freundlichen Berathern des jungen Mannes zur 
luswahl vorgelegt werden sollen. Nicht Angenom— 
nenes wird retournirt. Diskretion Ehrensache. 
donies (d. h. kleine Frauenzimmer) wollen sich nicht 
emühen. Chiffre A. B. C. an die Erpedition d. Bl.“ 
CGeichte Verständigung.) Ein eng— 
ischer Fabrikant wurde in Pecking von einem chi— 
iesischen Mandarin zum Diner eingeladen. Derselbe 
ieß sich die fremdartigen Gerichte ausgezeichnet 
Hmecken. Eben war ein herrlicher Braten präsen— 
irt, als ihm der unheimliche Gedanke kam, derselbe 
önne vielleicht von einer Katze sein, da die Chinesen 
ekanntlich Katzen essen. Er beschloß, sich darüber 
lufklärung zu verschaffen. Diesez war nichtso leicht, 
denn der Chinese verstand kein Englisch und der 
Englander kein Chinesisch, weßhalb der Letztere auf 
zie Schüssel zeigte und fragte: „Miau, miau?“ 
Der Chinese antwortete kopfschüttelnd: „Wau, wau!“ 
F Die Leiche des Capitän Webb, welcher für 
eine Wette von 10,000 Doll. den tollkühnen Ver— 
juch gemacht hatte, über die Niagarafälle zu schwim⸗ 
men und dabei um's Leben kam, wurde ca. 4 eng⸗ 
ische Meilen unterhalb des Strudels aufgefunden. 
Die Leiche hatte eine klaffende Wunde am Kopfe. 
Cobliedauf deutsche Bauern.) Vor 
wanzig Jahren, schreibt ein Blatt in St. Louis, 
vohnten der Manchester-Road entlang — einer 
jerrlichen breiten Landstraße, die von St. Louis 
rnuslaufend, sich etwa dreißig Meilen durch St. 
Louis County erstreckt — zu beiden Seiten fast 
russchließlich amerikanische Farmer, deren Landfitze 
allen Besuchern gastfrei offen standen. Möglich, 
»aß zu viel Gastfreundschaft in diesen Häusern 
jerrschte und dies gerade die Ursache für die Wand⸗ 
ung ist, welche stattgefunden hat; fast alle Land⸗ 
züter an dieser prachtvollen Straße sind von den 
Amerikanern auf Deutsche übergegangen nund die 
Manchester⸗Road ist jetzt eine Landstraße von einem 
Ende zum anderen. Die Landgüter sind heute 
nicht mehr so groß, wie sie unter dem alten Regime 
varen, aber sie sehen viel schöner aus. Die Felder 
iind besser bestellt und die Anwesen besser verwaltet. 
Fine ähnliche Aenaderung hat sich an fast allen be⸗ 
heutenden Verkehrswegen in diesem County doll⸗ 
ogen und drei Viertel aller Farmen sind heute in 
den Händen von Deutschen; eine gleiche Wandlung 
»ollzieht sich in den besten Bezirken des Staates— 
Franklin-County gehört zum großen Theil den 
Deutschen; einige der schönsten Gegenden von 
rafayette-County sind von Deutschen besiedelt. 
S„t. Charles-County ist fast ganz deutsch, Mont— 
omery und Warren-County desgleichen. Die 
Deutschen mehren sich in Callaway- Cooper⸗ und 
Farroll-County im Centrum des Staates und in 
St. Genevieve-, Perry- und Cape⸗Girardin-County 
im Südosten und überall kommen sie in den Besiß 
der schönsten Farmen, welche früher den Amerikaneru 
zehörten. Die Erklärung für diese Thatsache liegt 
in der zunehmenden Rastlosigkeit des Amerikaners; 
ein Nachwuchs hat nicht die Geduld, das monotone 
Farmerleben auszuhalten; der junge Amerikaner 
ieht die Anziehungskraft der Städte und besonders 
der großen Städte vor, wo sich alles bietet, was 
zas Leben schön und angenehm zu machen im 
Stande ist. Die Deutschen dagegen lieben das 
Land, welches sie bebauen, und sie behalten es auf 
ille Fälle; sie sind geduldig und ausdauernd, spar— 
am in ihren Gewohnheiten, vortreffliche Landwirthe. 
»ie es verstehen, dem Boden die besten Ernten ab— 
ugewinnen; sie vermeiden Ertravaganzen und 
Schulden, welche früher oder später den Amerikaner 
im sein Erbgut bringen. Wo immer eine deutsche 
Bauernanfiedelung im Westen gefunden wird, und 
3 giebt ihrer sehr viele im Staate Missouri, da 
varf man versichert sein, die alte Klage widerlegt 
uu sehen, daß sich der Ackerbau nicht mehr bezahlt; 
)enn diese Deutschen leben auf einem Landftͤck, 
verden unabhängig und reich, während sein Vor— 
zänger im Besitz, der Amerikaner, nicht das nackte 
deben auf demselben fand. 
(Schnellverkehrnach Europa.) Das 
Krojekt. die Zeit für die Reise von Amerika nach 
furopa bedeutend abzukürzen, beginnt feste Gestalt 
anzunehmen. Das Unternehmen liegt in den Hän— 
den der „Great American and European Short 
zine Railroad Co.“, Newyork, welche ihre Pafsa— 
zere mittelst Eisenbahn bis nach der Ostküste von 
Neufundland und von dort mit Dampfern nach der 
Westküste von Irland zu befördern beabsichtigt. Es 
ind bereits 6000 Arbeiter an der Bahn in Neu— 
Schottland thätig und auf Cape Breton die Ver— 
nessungen für den Bahnbau beendet. Die neue 
Zahn soll in Neu⸗Schottland beginnen und in nord— 
vestlicher Richtung durch diese Provinz und Cape 
Zreton bis zur St. Lawrence Bai, die mittelst Fähr— 
ooten, von welchen die ganzen Bahnzüge aufge— 
iommen werden können, übersetzt werden würde, 
ind sodann durch Neufundland bis zur Trinity Bai 
zeführt werden, von welcher täglich ein Dampfer 
jach Galway in Irland abgehen soll, wo eine gute 
Lerbindung mit dem irländischen Eisenbahnnetze her⸗ 
zestellt werden würde. Die vorgenannte Trinity Bai 
st zum Landen von Schiffen mit bedeutendstem Tief— 
ange geeignet. Man nimmt an, daß schnellfahrende 
dampfer von dort in vier Tagen in Irland ein— 
reffen können, andere Dampfer werden die Strecke