Full text: St. Ingberter Anzeiger

4An der Hufbeschlagschule zu Würzbur— 
wird am Montag den 1. Oltober l. Is. Vormit⸗ 
ags 10 Uhr ein dreimonatlicher Lehrkurs für Huf⸗ 
beschlagschmiede eröffnet werden, dessen Besuch den 
Schülern nach erfolgreich bestandener Schlußprüfung 
Aujpruch auf Ausstellung eines Diploms verleiht, 
durch welches sie als „geprüfte Hufbeschlagmeister“ 
aklärt und zur Führung dieses Titels bei selbststän⸗ 
digem Geschaͤftsbetriebe autorisirt werden. Der Un— 
derricht wird unentgeltlich ertheilt. — 
F Aus Kissingen, 11. August, wird dem 
„Pf. K.“ geschrieben: Seit der Anwesenheit des 
Reichskanzlers dreht sich um ihn am Brunnen 
wie in den Salons fast ausschließlich das Tages⸗ 
gesprach. Jeder Kurgast weiß etwas anderes über 
seine Gepflogenheiten zu erzählen, und doch gibt es 
so Wenige, die eingeweiht sind in die Geheimnisse 
der „Oberen Saline“, wo Furst Bismarck alljähr⸗ 
lich zu residiren pflegt. Jeden Morgen nimmt der 
Kanzler in einem eigens für ihn reservirten und 
besonders geschmackvoll eingerichteten Badezimmer 
cin Bad und jeden Morgen macht er einige Stunden 
später auf der großen Wiese, die sich mit saftigem 
Grun vor dem Badegebände der oberen Saline 
usbreitel, einen Spaziergang. Den Raboczy, das 
prikelude, heilkräftige Naß, läßt sich der Fürst tag⸗ 
jäglich frisch vom Brungen in die mit Alterthümern 
reich ausgestatlete Wohnung bringen; er trinkt ihn 
regelmäßig, lebt dabei kuͤrgemaß — kurgemäßer 
woͤhl als die meisten der hiefigen Kurgäste und soll 
sich verhältnißmäßig wohl fühlen. Man behauptet, 
der Herr Reichskanzler halte sich während seines 
hiesigen Aufenthalles von jeder Arbeit fern; die 
großen Briefbeutel, die jeden Tag mehrmals vom 
Hostamt Kissingen durch eigenen Boten zur Saline 
befordert werden, erregen bei mir bezüglich dieses 
Punktes Zweifel, von denen schwerlich Jemand be⸗ 
haupten will, daß sie nicht gerechtfertigt seien. 
Die Küche des Fürsten Bismarck wird im allge⸗ 
meinen durch Erxpreßsendungen von Berlin aus 
versorgt; nur wenige Nahrungsmittel werden von 
Kissingen bezogen. Ich hatte Gelegenheit, den 
Kanzler am Donnerstag zu sehen; er sieht sehr 
leideind aus, leidender als ich ihn in früheren Jahren 
je gesehen. Hoffen wir, die Kur möge ihm gute 
Genesung bringen! 
4.Trier, 12. August. In der gestrigen 
Sitzung des deutschen anhropologischen Kongresses 
sprachen aus der Pfalz Dr. Mehlis über neue 
Funde von Eisenberg und der Limburg. 
Dieselben beweisen nach diesem Redner, daß schon 
vor den Römern an beiden Plätzen eine mit der 
Melallkunde vertraute Bevölkerung bestand. Außer— 
dem machte Dr. Köhl (von Pfeddersheim) die 
Anwesenden mit einem neuen Schlackenwall bei 
Sli. Medard an der Nordgrenze der Pfalz bekannt. 
Veiden Rednern wurden von der Gesellschaftskasse 
je 100 Mtk. für Ausgrabungen bewilligt. Heute 
findet bei günstigem Wetter ein Ausflug zu dem 
Ringwalle bei Otzenhausen, nahe bei Türkismühle 
statt. Der Kongreß war von über 400 Theil⸗ 
nehmern und Theilnehmerinnen besucht. 
— Ein schändlicher Raub wurde an einem ehe⸗ 
maligen Frankfurter Geschäftsmanne, der in diesen 
Tagen aus Mexiko zurückkehrte, bei seiner Durch⸗ 
reise in Hamburg verübt. Ein sogen. Führer 
geleitete ihn daselbst in eine anscheinend anständige 
Gastwirthschaft; kaum hatte er jedoch den ersten 
Schluck gethan, so schlief er ein, und als er nach 
sechsundzwanzig Stunden aufwachte, befand er sich in 
einem ganz anderen Hotel. Auf sein Befragen äußerte 
der Wirth: Mehrere Personen hätten ihn gestern 
Nachmittag hierher gebracht. Alles baare Geld, 
mehr denn 600 Mark, das theilweise in seine Weste 
eingenäht war, hatie man ihm geraubt, nur seine 
Wechselhatte er noch im Besitze. Der Beraubte 
setzte sofort die Criminal⸗Polizei in Kenntniß. 
welche bis jetzt aber noch keine Spur der Verbrecher 
entdecken konnte. 
7 EGEin Liebesdrama.) Am Montag 
miitag saß ein älterer Herr in Berlin in einer 
Restauration der Mökernstraße bei einem Glas 
Bier, als die Tochter des Wirths ins Zimmer stürzte 
und athemlos erzählte, daß man soeben ein etwa 
16 Jahre altes, sehr hübsches Mädchen in der Nähe 
der Anhalter Eisenbahnbrücke aus dem Wasser ge⸗ 
zogen habe. Der Gast sprang vom Stuhle auf 
uͤnd rief: „Um Gottes Willen! ich suche meine 
Tochter, die seit vorgestern verschwunden ist. Sie 
soll sich auf der Straße mit einem jungen Mann 
getroffen haben, dessen Umgang ich ihr auf das 
ttrengste verboten hatte. Wohin hat man die Leicht 
befördert?“ Die Wirthstochter erklärte, das wisse sie 
nicht, aber der Schuzmann habe einen Umhang der 
im Wasser Gefundenen mit zur Wache genommen 
Der Gaft stürzte wie ein Wahnsinniger zum Hause 
hinaus und nach dem ihm bezeichneten Wachtlokal. 
Auf seine Bitte wurde ihm der Umhang gezeigt, 
und der unglückliche Vater erkannte in dem Kleid⸗ 
ingsstück wirtlich das Eigenthum seiner Tochter. 
Dhnmächtig brach er zusammen. Als er sich erholt 
zatte, fuhr er nach dem Obduktionshause, und hier 
iand er seine Tochter mit langem, aufgelösten schwar⸗ 
jen Haar als Leiche ausgestreckt liegen. Der junge 
Mann, der mit dem Mädchen gegangen, wird eben⸗ 
'alls vermißt und dessen Mutter vermuthet, daß er, 
wie seine Geliebte, ebenfalls den Tod im Wasier 
gesucht habe. 
F(Reichtssgerichts⸗-Enscheidung.) Un⸗ 
vahre Angaben eines Kreditsuchenden über seine 
Vermögenslage, wenn auch nur allgemein gehalten 
o»der unter Verschweigung wesentlicher Umstände, 
zelten als Betrug. 
Eine für die Creditverhältnisse, insbesondere für 
den kaufmännischen Creditverkehr sehr bemerkens- 
verthe Entscheidung ist vom Reichsgericht, Il. Straf⸗ 
enat, durch Urtheil vom 1. Juni 1883 gefällt 
worden. Hiernach kann die unwahre Erklärung eines 
Treditsuchenden, daß er ein sicherer Mann sei, seine 
Bestrafung wegen Betrugs zur Folge haben. Ebenso 
würde sich ein Creditsuchender des Betruges schuldig 
nachen, welcher, auf das Befragen des Creditiren⸗ 
den nach seiner Vermögens⸗ und Geschäftslage, unter 
Darlegung der auf eine günstige Vermögenslage 
zinführenden Momente unguͤnstige Umstände geflis⸗ 
entlich verschweigt. „Der Angeklagte rügt, daß die 
Straftammer in der dem Kaufmann Sch. gegenüber 
jemachten Aeußerung, er sei ein sicherer Mann, die 
Vorspiegelung einer falschen Thatsache gefunden 
hube. Nach der Meinung des Angeklagten liegt 
hierin nicht die Behauptung einer Thatsache, son⸗ 
dern ein Urtheil. Allein abgesehen davon, daß 
mehr oder weniger jede thätsächliche Behauptung ein 
Urtheit in sich schließt, so täuscht auch derjenige, 
welcher bei einem Anderen den Irthum über die 
Richtigkeit eines Urtheils erregen will, denselben 
zugleich über die thatsächlichen Grundlagen desselben, 
wenn und soweit er in ihm durch das Urtheil den 
Blauben erwecken will, daß diese Thatsachen andere 
jeien, als sie in Wirklichkeit sich verhalten. In 
olchem Fall liegt in dem Urtheil zugleich die falsche 
Vorspiegelung derjenigen Thatsachen, auf welche das 
Urtheil gebaut ist. Und so verhält es sich auch im 
— 
ammer hat der Angeklagte mit jener Aeußerung 
agen wollen, seine Vermögenslage sei zur Zeit eine 
derartige, daß Sch. wegen seiner Forderung aus 
dem abzuschließenden Vertrage keinerlei Gefahr laufe, 
ondern mit Sicherheit seine Befriedigung zu der 
tipulirten Zahlungszeit zu gewärtigen habe. Der 
Angeklagte hat demnach über seinen thatsächlichen 
Vermögensbestand Angaben gemacht, welche nach der 
Annahme der Strafkammer unwahr waren, und den 
Zweck hatten, den Sch. über die Vermögenslage des 
Angeklagten zu täuschen. Unter diesen Umständen 
konnte die Strafkammer unbedenklich in jener Aeu— 
zerung des Angeklagten die Vorspiegelung einer 
falschen Thatsache erblicken ... Obgleich die Rich— 
sigkeit des Satzes, daß der auf Kredit bestellende 
aufmann nicht verpflichtet ist, seinem Mitkontra— 
henten, über seinen Vermögenszustand Auskunft zu 
zeben, nicht bezweifeln ist, so schließt dies doch nicht 
aus, daß, wenn der Besteller, um einen Kredit zu 
erlangen, es unternimmt, seine Vermögenslage dem 
Mitkontrahenten vorzulegen, er bei dieser Darleg— 
ung wahrheitsgemäß zu verfahren hat. Durch die 
einseitige Hervorhebung derjenigen Momente, welche 
dieselben in einem günstigen Lichte erscheinen lassen, 
und das bewußte Verschweigen derjenigen Umstände, 
velche das Urtheil über den Vermögenszustand zu 
einem ungünstigen gestalten würden, erschwert er 
uicht blos durch positives Handeln die Erkennung 
des wahren Sachverhalts, sondern spiegelt auch dem 
Mitkontrahenten eine falsche Thatsache, nämlich die 
Thatsache vor, daß sein Vermögenszustand ein gün⸗ 
tigerer sei, als er in der Wirklichkeit ist. In sol— 
hem Falle liegt in dem Unterdrücken einer wahren 
zugleich ein Vorspiegeln einer falschen Thatsache. 
— (E(rennung zweier erwachsener 
Menschen.) Am 6. Juli kam in das Spital 
„Kronprinz Rudolf-Stiftung“ zu Radautz in der 
Bukowina ein siebzehnjähriges Mädchen aus dem 
Ddorfe Oberwikow und bat, es von einem zweiten 
nenschlichen Wesen, welches an dem Rücken de⸗ 
Mädchens angewachsen war, zu befreien. Diese 
ingewuchsene Wesen war im Wachsthum n 
nißgeartet; sah einem unförmlichen, ovalen über 
zoppelt kindskopfgroßen Fleischklumpen ähnlich, 
haare am Kopfe, unvolltommene Lippendidee 
Stock⸗ und Schneidezähne, verlümmerte Finger 
vollkommen entwickeltem Nagelglied, Knochen u. s. — 
ind war fähig, den Harn abzusondern. Das sich. 
ehnjährige Mädchen war dagegen vollkommen normal 
ausgebildet und gesund. Der Czernowitzer Arjt 
Dr. Zoloziecki nahm hierauf unter Assistenz da 
Nerzte Professor Dr. Kleinwächter, Dr. Maier unmd 
Dr. Offner die Operation vor, welche auch glüd. 
lich gelang. 
F Der aus Würzburg nach Basjel geflüchtele 
Student Lennig, der seinen Gegner (Moschel, 
im Duell erschoß, befindet sich nicht auf freiem Fuß, 
vie verschiedene Blätter meldeten. Der Verhaftel 
jat bereits Versuche gemacht, gegen hohe Kaution 
eine Entlassung aus der Haft zu bewirken, doch 
jat sich die Baseler Behörde diesen Anerbietungen 
Jegenüber streng ablehnend verhalten. 
fF Belfort, 12. August. Heute früh 4 Uhr 
'and im Bahnhof Belfort ein Zusammenstof 
der Schnellzüge Calais-Delle-Basel und Calais- 
Altmünsterol⸗Basel statt. Bis jetzt bekannt 1 Todter 
3 schwer Verwundete, viele leicht Verwundete. 
7 GEin elektrischer Omnibus.) Die 
Passanten auf der Place de la Concorde in Paris 
varen am Sonntag Abend sehr überrascht durch den 
UAnblick eines Omnibus, der ohne Pferde, jedoch 
tark mit Passagieren besetzt, hin und her fuhr. Es 
var dies wieder eine Leistung der Elektrizität. Das 
Vehikel führte die Kraft, die dasselbe bewegte, mit 
ich. Unter den Sitzen waren Akkumulatoren ange⸗ 
zracht, welche ein Gewicht von 2500 Kilogramm 
repräsentiren und die Arbeit von 72 Pferden ver—⸗ 
ichten. Die Akkumulatoren waren durch Drähte 
nit einer Siemensmaschine verbunden, welche unter⸗ 
jalb des Wagens angebracht war. Unter den, Pa⸗ 
sagieren, die im Innern des Wagens Platz ge⸗ 
iommen hatten, befanden sich Cochéry, Lesseps, der 
Ingenieur Dietz, Rouvier, Blanchard und andere 
zistinguirte Persönlichkeiten. Die Probefahrt ist als 
hollständig gelungen zu betrachten. Sowohl die Ge⸗ 
schwindigkeit als auch die Lenkbarkeit des Fuhrwerkz 
si weitaus größer als bei den gewöhnlichen Om— 
uibussen. 
F CGEin neuer Feind im Schweine 
leisch.) Es scheint nicht genug zu sein an der 
Finnen und Trichinen, die im Schweinefleisch ent— 
jalten sind und uns den Genuß desselben ver— 
ümmern, denn bereits wird ein neuer Feind ge— 
neldet, der womöglich noch weit gefährlicher zu sein 
cheint, als beide älteren zusammen. Wie das Pa⸗ 
iser medizinische Journal d'Hygieine“ schreibt, er⸗ 
rankten in einer Stadt plötzlich 20 Menschen nach 
dem Genusse von gekochtem amerikanischen Schinken, 
yon denen vier starben, während die übrigen ge— 
nasen. Die Obduktion der Gestorbenen ergab eine 
tatke Affection der Lungen und Nieren. Durch die 
nikrostopische Unsuchung wurde das Vorhandensein 
ener kleinen fadenartigen Bacterien enideckt, von 
henen eine Art den so gefährlichen Milzbrand her— 
vorruft. Die Untersuchung der Ueberreste des der— 
zächtigen Schinkens ergab das gleiche Resultat. Du 
Fleisch war massenweise mit den Backerien und 
hren Sporen besetzt; nach Constatirung dieser Zheb 
ache stellte man verschiedene Versuche mit dem übrig 
gebliebenen Schweinefleisch an, indem man daseelbe 
so, wie es war, verfütterte, oder bacterienhallige 
Flüssigteit, wie Pafteurbei'm Milzbrand urd 
Zoussant bei der Schafpoke auf Vieh überimpft 
Fast sämmtliche Thiere krepirten. Die Section 
Jab einen krankhafien Zustand der Lungen, bewn 
zurch die datin euthaltenen Bacterien, welche sih 
n zahlreicher Menge vorfanden. In einent zweiten 
Falle starb nach dem Genusse von Schw inebraln 
der aus einem Restaurant niedrigen Ranges bepan 
var, von 15 Personen eine. Die Section in 
Vorhandensein der Bacterien im Herzblute und 
»en Lungen. Auch der Magen sowie die Vn 
des Dünndarmes, Milz und Nieren waren 
zesetzt, Ein dritier und vierter Fall werden 
London berichtet, die vielleicht auf die gleiche 70 
ache zurückzuführen sind. Im ersten erltantren 
Petsonen nach dem Genusse von Wurst, die in 
Ochsenfleisch und Schweinfett hergesteut warn 
anderen haite Schweinefleisch die Krantheit 
Es erscheint zweifelhaft, ob diese Schmarotzet e 
in dem Fleische des lebenden Thieres vorhanden 
der ob sie erst später in dasselbe hineindringen