Full text: St. Ingberter Anzeiger

ðSl. Junberter Amzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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Samstag, 25. August 1883. 
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18. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Bezüglich der angeblichen Kissinger Entrevue 
bird aus Kissingen, 21. August, geschrieben: Es 
t Thatsache, daß der Reichskanzler, wie bereits 
uitgetheilt, bis jetzt noch in keine Unterhandlung 
nit dem Cardinal Howard getreien ist. Der Ver— 
eehr des letzteren beschränkte sich nur auf den Grafen 
herbert Bismarck, worüber aber die Besprechung 
nit demselben gehandelt hat, entzieht sich selbstver⸗ 
ändlich jedem Fernstehenden. Ueber die Abreise 
eß Fürsten circuliren verschiedene Gerüchte. Das 
hahrscheinlichere ist, daß Fürst Bismarck erst seine 
dur gegen Ende des Monats vollenden und dann 
ur Nachkur nach Gastein reisen wird. 
Metz, 22. August. Heute fand eine Haus— 
ichung und Beschlagnahme von Papieren bei dem 
leichstagsabgeordneten Antoine statt, der des Landes⸗ 
craths augeklagt ist. 
Metz, 23. August. Der Statthalter trifft 
orgen zur Truppenschau hier ein. 
Straßßzburg, 22. August. Die „Elsaß⸗ 
viuringische Ztg.“ kommentirt den in der „Nordd. 
illgem. Ztg.“ erschienenen Wasserstrahl nach Paris 
ahin, daß durch die plötzliche Einberufung des 
unbesraths der verbündeten Regierungen die Mög⸗ 
chkeit gegeben sei, der Mahnung, die deutscherseils 
teichzeitig an Frankreich ergangen, erforderlichen 
jalles. sofort den nöthigen Nachdruck zu verleihen 
rankreich werde jedenfalls der Leidenschaft seiner 
gresse, welche seit einigen Wochen den Krieg an⸗ 
ündige, und der Agitation, von welch' letzterer man 
n Elsaß⸗Lothringen in neuester Zeit so viele Bei⸗ 
diele gesehen, kein anderes Ergebniß zu danken 
aben, als eine neue politische Demühigung. 
Aus Berlin, 22. August, wird dem „Frkf. 
ourn.“ berichtet: Im Vordergrunde des Interesses 
eht die Einberufung des Bundesraths 
ad des Reichstags. Es ist keine Frage, daß 
ian sich an Allerhöchster Stelle zur Anberaumung 
ner Session der beiden hohen Körperschaften in 
eser Jahreszeit nur aus Gruͤnden des nationalen 
ohls hat entschließen können. Die Erwägung, 
iß der deutsche Handels- und Gewerbestand das 
ungendste Interesse daran hat, über die fernere 
aestaltung der deuisch⸗spanischen Handelsbeziehungen 
allste Gewißheitlizu erhalten, st in erfler Linie 
aaßgebend gewesen für die Enschließungen der 
iserlichen Regierung und für die gestern erfolgte 
inberufung der gesetzgebenden Faktoren. Aufgabe 
et regirrungsfreundlichen Parteien und deren Presse 
iuß es sein, dahin zu wirken, daß namenilich die— 
igen Abgeordneten von vornherein vollzählig auf 
em Platze sind, welche die Intentionen der Reichs⸗ 
ierung, soweit sie in erster Linie auf die Be— 
uühigung des Handelsstandes gerichtet sind, zu 
aterstüßen sich gern angelegen sein lassen und 
relche die kurze Ünbequemlicht⸗it einer Session in 
derlin gern auf sich nehmen werden, wenn sie 
mit dem nationalen Interesse eine Förderung zu 
deit werden lassen können. Je beschlußfähiger 
er Reichstag von vornherein ist, um so kürzer 
urd voraussichtlich die Dauer der kleinen Sommer— 
sion werden. Od vielleicht noch diese oder jene 
mnere Vorlage dem Reichstage außer dem deutsch⸗ 
mischen Handelsvertragstext zugehen wird, darüber 
gzsich auͤgenblicklich noch miegts Näheres sagen. 
ur nicht gerade unwahrscheinlich wird 58 gehalten, 
m noch die internationale Fischerei-Konvention der 
en Körperschaft unterbreuet werden wird. 
Die „Nordd. Allg. Ztg.“ richtet folgende, in! 
vor. Nr. kurz angezeigte, sehr verständliche War⸗ 
nung an unsere westliche Nachbarn: „Im deutschen 
tteich wird verhältnißmäßig selten und meist nur 
lüchtig und oberflächlich von dem rastlosen Kriege 
kenntstiß genommen, welchen in Frankreich die 
Zresse aller Parteien in den mannichfaltigsten Formen, 
non den verschiedenartigsten Ausgangspunkten, wett⸗ 
ifernd in Heftigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen 
)en deutschen Nachbar führt. Die nüchterne Welt⸗ 
inschauung des Deutschen und der bisher geringe 
zrad seiner nationalen Empfindlichkein vermag die 
eidenschaften nicht recht zu verstehen, die in jenem 
Irgan von Schmähungen und Hetzereien ihren 
lusdruck suchen, und von denen, so weit wir die 
ranzösische Presse einzusehen in der Lage sind, 
igentlich kein Organ, sei es welcher Farbe immer, 
ich auch nur eine gewisse Zeit lang frei zu erhalten 
»ermag. Von Zeit zu Zeit möchte es aber als ein 
ßebot der eigenen Friedensliebe erscheinen, den Ein⸗ 
ruck zusammen zu fassen, welchen diese Angriffe 
n ihrer stetig zunehmenden Lebhaftigkeit hervorzu⸗ 
zringen geeignet sind, und der bei allen ruhigen 
zeobachtern, selbst bei solchen, die etwa noch in 
xrankreich selbst zu finden wären, nur dahin gipfeln 
ann, daß Frankreich durch die maßlose 
deftigkeit seiner Revancheprediger und 
»urch das Echo, welches dieselben bei'm eigenen 
Bolke und darüber hinaus bis in die Kreise ge— 
innungsverwandter Agitatoren in Elsaß⸗Lothringen 
inden, als der einzige Staat sich darstellt, 
velcher den Frieden Europas dauernd 
pedroht. Zugleich mit dieser Erkenntniß wird 
zie Ueberzeugung sich aufnöthigen, daß ein solcher 
Zustand nicht andauern kann, ohne das Ziel aller 
rnsthaften Politiker, den Frieden schwer zu ge— 
ährden. Denn je höher die Fluth der Leidenschaft 
inschwillt, welche eine gewissenlose Agitation für 
hre verschiedenartigen Zwecke anzufachen nicht er⸗ 
müdet, um so weniger läßt sich vorhersehen, o b 
und wie lange dieselbe noch innerhalb 
der Dämme des äußerlichen Friedens 
zurückgehalten werden kann. Mit vollem 
RKecht gilt hier in verstärktem Maße das Wort im 
Volksmunde, daß der Teufel, den man zu oft an 
»ie Wand gemalt, am Ende in Wirklichkeit er⸗ 
cheint.“ Im Zusammenhang mtt dieser offiziösen 
kundgebung steht folgende Auslasseng der „K. Z.“: 
Unter Vorbehalt sei einer Vermuthung Raum ge⸗ 
jeden, die nicht ohne alle Wahrscheinlichkeit ist, 
jach welcher der Reichztag auch vielleicht mit 
rnsteren Dingen, als es der spanische Han⸗ 
elsvertrag ist, befaßt werden könnte. Der franzö— 
ische Kriegsminister will — und die angekündigte 
Ibsicht desselben ist noch nicht aufgegeben — an 
jer französischen Ostgrenze „zur Probe“ ein Armee— 
'orps mobilisiren, also in Rriegsbereitschaft 
etzen. Es ist das ein Vorhaben ohne Vorgang 
n der Geschichte; daß bei unserem Auswärtigen 
Umte Aufklärungen üer die Natur dieses Vorhabens 
jegeben worden seien, ist nicht bekannt geworden, 
ind Fürst Bismarck müßte nicht er selbst und unsere 
Armeeleiter müßten schier übertrieben sorglos ge— 
vorden sein, wenn sie nicht auf dies bevorstehende 
kreiguiß alle Aufmerksamkeit richteten, die es er⸗ 
ordert. Und so ist es sehr wohl möglich, wenigstens 
enkbar, daß die Reichsregierung die Mittel vom 
Reichstage verlangen will, auch diesseitig „jur Probe“ 
in oder auch zwei Armeekorps zu mo— 
zilisiren. Ein dahinzielender Reichstagsbeschluß 
vürde hoffentlich nur die Wirkung haben, daß die 
bewilligten Gelder nicht zur Verwendung zu kommen 
hrauchten. Und das schon wäre ein großer Ge⸗— 
vinn. — Die „Straßb. Post“ knüpft an die 
dundgebung folgende Betrachtungen: Der Artikel 
der „Nordd. Allgem. Ztg.“ giebt der Lage mit 
einmal ein sehr ernstes Gepräge. Es müssen h'inter 
den Koulissen ganz eigenthümliche Dinge vorge— 
jangen sein, wenn man im Zuschauerraum das Blitzen 
ind Donnern mit solcher elementaren Kraft vernimmt! 
leber die Natur des Feuers, das solchen Rauch zu 
rzeugen vermochte, sind heute noch nicht einmal Ver— 
nuthungen möglich. Nur die eine Annahme erscheint 
ast gewiß, daß, ehe ein solcher Artikel möglich war, in 
»em direkten Verkehr der beiden Regierungen, die 
hier in Frage kommen, irgend etwas vorgegangen, 
irgend ein Zwischenfall eingetreten ist. Die Haltung 
der französischen Presse, die ja leider in der letzten 
Zeit auf deutscher Seite kein anderes Gefühl zu 
erzeugen wußte, als das der Bitterkeit, kann doch 
wohl kaum allein zu einer solchen Kundgebung ge— 
führt haben. Der Artikel des Blattes, dessen Be—⸗ 
iehungen zur Regierung bekannt sind, wird in 
den nächsten Tagen eine ebenso verschwenderische, 
ils verwirrende Fülle von Commentaren erzeugen; 
er wird, wenn ihm nicht weitere Aufklärung über 
ẽntstehung, Zweck u. s. w. auf dem Fuße folgt, 
ielleicht auch Anlaß zu vielfachen Beunruhigungen 
jJeben. Unseres Erachtens nicht mit vollem Recht. Es 
jandelt sich noch nicht um einen Krieg⸗in⸗Sicht-Artikel, 
vohl aber um eine nicht mißzuverstehende Mahnung 
in unseren revanchelustigen Nachbar, mit dem Feuer 
anicht so lange zu spielen, bis der Funke gezündet 
jat und der Brand euntfacht ist. Und dieser Brand 
vürde schließlich unausbleiblich sein, wenn die in 
orstehendem Artikel gegeißelte Erhitzung der Ge— 
nüther in Frankreich ungestraft fortgesetzt werden 
zarf. Nicht als ob auch noch so scharfe Angriffe 
n der französischen Presse gegen Deutschland einen 
krieg zur unmittelbaren Folge haben könnten; aber 
iestill geschäftige Art, fortgesetzt und durch diezganze 
ranzösische Presse die seindselige Stimmung, die 
ielfach bei unseren westlichen Nachbarn noch herrscht, 
u nähren; durch Uebertreibung, Entstellung und 
ibsolute Erfindung die Feindseligkeit hier zu Ver— 
ichtung, dort zu Haß zu steigern; kein Mittel un⸗ 
ersucht zu lassen, um den Rachegedanken rege zu 
rhalten, denselben zu helllodernder Kriegslust zu 
nntfachen: das alles muß in seiner beharrlichen 
Birkung die öffentliche Meinung in Frankreich 
chließlich vollständig umgestalten, muß endlich auch 
ie Kreise, die in richtiger Erkenntniß des Heiles 
hres Landes jetzt noch durchaus friedlich gesinnt 
ind, in jene kriegerische Stimmung versetzen und 
»er öffentlichen Meinung eine Macht, Fülle und 
Ztärcke geben, der selbst eine friedliche Regierung 
erfolgreichen Widerstand entgegenzusetzen auf die 
Dauer nicht mehr in der Lage wäre. Und es liegt 
im französischen Nationalcharakter, sehr leicht erreg⸗ 
har zu sein, und die Regierung der französischen 
Republik zeichnet sich in ihrer Mehrheit durch un⸗ 
erschütterliche Fiedensliebe nicht aus. 
Ausland. 
Aus Basel, 22. August, wird dem „Pf. K.“ 
nitgetheilt: Letzten Samstag hat der deutsche So— 
ialdemokrat Grillenberger dahier vor einer unge— 
vöhnlich zahlreich versammelten Zuhörerschaft aus 
illen Ständen eine sehr gemäßigte Rede über den 
Sozialismus gehalten, wobei er die Arbeiter vor 
der Gemeinschaft mit den Anarchisten warnte und 
ie zur geistigen Arbeit und Ausdauer ermahnte.