St. Ingbherter Amzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Inabert.
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M 169.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
Wir haben gleich Zweifel gehegt, daß die Nach—
richt von der Theilnahme Königs Ludwig an
den Feierlichkeiten zur Enthüllung des National⸗
denkmals richtig sei. Wie die „Str. Post“ erfährt,
st wirklich diese Mittheilung von völlig unberufener
Seite in die Welt gesetzt; sie entbehrt jeder Be⸗
zründung. Das genannte Blatt bemerkt: „Der
ast bei jedem einigermaßen beeigenschafteten Anlaß
ich wiederholende Versuch, die Debatte über die
noͤgliche Theilnahme oder Nichttheilnahme Königs
Ludwig zu eröffnen, hat fast etwas von Absichtlich-
reit, ja Taktlosigkeit an sich, da man nur zu gut
veiß, daß König Ludwig seit langen Jahren nicht
nehr an geräuschvollen Veranstaltungen, es sei denn
m einer ganz bestimmten Anzahl von Hoffesten,
heilnimmt. In der Taktlosigkeit ist man sogar bei
rüheren Anlässen noch über eine gewisse Grenze
inausgegangen, indem man allerhand von
mtinationalen oder particularen Beweggründen
aßelte. Die nationalen Großthaten Königs Ludwig
tehen vor aller Welt offen da, und vor ihnen muß
enes Geschwätz verstummen. Man wird einem so
ochverdienten Manne, wie König Ludwig, es wohl
nachsehen, wenn er sich sein Leben nach seiner Neigung
einrichtet. An der Vortrefflichkeit des Denkmals
und an der Berechtigung der Einweihungsfeier wird
dadurch doch wohl nichts geändert.“
Kissingen, 80. August. Fürst Bismarck
a mit Gemahlin und dem Grafen Herbert Bis—⸗
aarck gestern Abend 8 Uhr 45 Minuten von hier
ach Gastein abgereist.
Berlin, 29. August. Die Herbstparade des
gardekorps fand heute vor dem Kaiser Statt
ind wurde vom schönsten Wetter begunstigt. In
em glänzenden Gefolge des Kaisers befanden sich
iele fremdherrliche Offiziere. Der Kaiser wurde
jei der Zu und Rückfahrt von der dichtbedrängten
Nenichenmasse jubelnd begrüßt.
Berlin, 29. August. Eröffnung des
teichstages. Die Thronrede sagt, die Berufung
es Reichstages sei erfolgt behufs verfassungsmüßiger
deschlußfassung über den Handelsvertrag zwischen
Neutschland, und Spanien. Die Bundesregierungen
aben veranlaßt durch den dringenden Wunsch der deut⸗
chen Industrie nach einem baldigen Inkrafttreten von
zollerleichterungen, sich zu der Auffassung geeinigt,
)aß auf Grund diplomatischer Verständigung die
orläufige Inkraftsetzung der Zollermäßigungen ge—
chehen solle, vorbehaltlich der Zustimmung des Bun⸗
ꝛesrathes und des Reichstages. Die Thatsache, daß
ür die hierin liegende Abweichung von den Be⸗
iimmungen der Reichsrerfassung Indemnität nach.
uusuchen sei, sowie der unerwartete Umstand, daf
n weiteren Kreisen gegen die Abweichung vom Buch⸗
taben der Verfassung Klage erhoben und das Prin⸗
ip des Indemnitätsverfahrens vestritten wurde, ver⸗
mlaßten Se. Maj. den Kaiser die einer sofortigen
berufung des Reichstages entgegenstehenden Be⸗
ꝛenken zuͤrücktreten zu lassen.
Serlin, 29. August. Verschiedentlich wird
Vermuthung ausgesprochen, daß im Reich-tag
me Interpellauon uͤber die allgemeine politische
cituation erfolgen und daß die Regierung sich einem
olchen Vorgehen gegenüber wohlwollend verhalten
derde. — Ferner wird davon gesprochen, die Re—
gerung denke anläßlich der Affaire Antoine an die
Linführung eines politischen Eides für Reichstags—
Samstag, 1. September 1883. 18. Jahrg.
abgeordnete nach dem Muster der für Preußens
Landtag geltenden Bestimmungen.
Halberstadt, 30. August. Rechtsanwalt
Schenk-⸗Wiesbaden wurde mit 222 Stimmen zum
Anwalte der verbundenen Deutschen Genossen⸗
schaften gewählt. Dr. Schneider erhielt 26
Stimmen.
Der Kronprinz wird in der Nacht zum
3. September in Würzburg eintreffen und auf
5 Tage in dem dortigen Residenzschlosse Wohnung
nehmen.
Das revidirie Aktiengesetz, welches an die Stelle
des Gesetzes von 1870 theilweise treten soll, ist.
dem Vernehmen nach, in dem Hauptitheile fertig
und kann immerhin schon den nächstfolgenden
Reichssstag beschäftigen. Einzelne, auch zur
richterlichen Entscheidung gekommene Vorkommnisse
verden die Vorlegung des in Rede stehenden Ge⸗
etzes beschleunigen. Uebrigens hört man, daß Ra⸗
italänderungen gar nicht vorkommen werden und
zas Hauptgewicht auf die Einzelheiten in der Aus—
ührung und nähere Erläuterungen fallen würde
Die Kommission für den Hamburger
Zollanschluß ist noch nicht zusammengetreten.
Die verlauiet, hat sie ihre Thätigkeit bis nach dem
Zchlusse der jehigen Reichstagssession verschoben.
Ueber den Ort der Jusammenkunft der
yreußischen Bischöfe herrscht noch immer ein
Jeheimnifvolles Dunkel. Zuerst hieß es, man sei
in Böhmen zusammengekommen, jetzt verlautet, man
zabe Herrn Melchers, dem vormaligen Erzbischos
„on Köln, zu Gejsallen eineu Ort auf holländischem
Bebiet, unweit Aachen, für die Berathung aus—
ersehen, und dort habe Herr Melchers den Vorsit
zeführt. Außer Herrn Herzog von Breslau und
ʒem Bischof von Kulm sollen alle Bischöfe beisammen
zewesen sein.
Den deutschen Herbstmansvern wohnt,
wie bekannt, schon eine recht stattliche Anzahl frem⸗
der Fürstlichkeiten bei. Wie der „Daily Telegraph“
erfährt, soll nun auch der König von Italien
den Wunsch ausgedrückt haben, den Herbstmanövern
der deutschen Armee, welche in der Nähe von Bad
domburg Statt finden sollen, beizuwohnen. Das
däre ein neuer Beweis für das Bestreben Italiens,
mmer inniger und fester sich dem Bündniß der
deiden befreundeten Kaiserreiche anzuschließen, wenn
nan zunächst in diesem Besuche auch wohl nur
einen Akt der Dankbarkeit für die von der deutschen
Nation soeben bewiesene Theilnahme wird erblicken
müssen.
Bekanntlich liegt ein besonderer Vortheil der
deutschen Heereseinrichtung in der Schnelligkeit
der Mobilmachung der Truppenkörper, welche mit
dem denkbar geringsten Zeitverlust die Konzentrir⸗
ung der Armeen gestattet. Derjenige der krieg⸗
ührenden Theile, welcher sich die Initiative der
Dffensiv⸗Operationen zu sichern im Stande ist, wird
naturgemäß im Stande sein, sich einen gewaltigen
Vorsprung für den ganzen Feldzug zu sichern. Es
liegt nahe, daß alle diejenigen Heeres-Abtheilungen
welche schon im Frieden Grenzgebiete besetzt halten,
mit erhöhter Energie ihre Mobilmachung zu be—
treiben haben werden, und diese sind es auch, welche
ogeunannte „beschleunigte Mobilmachungsordres“ be—
itzen, auf deren Charakter näher einzugehen wir
ins an dieser Stelle natürlich versagen müssen.
Wie die „Kieler Ztg.“ erfährt, hat auch das IX
Armee-Korps, dessen Truppentheile in der Provinz
S„Schleswig⸗Holstein u. s. w. garnisoniren, jetzt solche
Ordres erhalten. Der Zeitunterschied in der Vol—
lendung der Mobilmachung in dem einen oder in
dem anderen Falle bemißt sich nach mehreren Tagen,
kann aber, da eins solche Beschleunigung nicht für
die ganze Armee ausführbar ist, obschon sie für die
Gesammtheit in gleicher Weise wünschenswerth sein
wvürde, doch nur auf Kosten vorläufiger Rückstellung
mancher sonst zu beobachtenden Maßnahmen erfolgen,
welche später nachgeholt werden.
Ausland.
Budapest, 30. August. In Zala⸗Loevoe
sind neuerdings Exzesse vorgekommen. Alle Ge—
wölbe wurden geplündert, 400 Mann Militär
konnten die Excedenten nicht bändigen. Ein Tisch⸗
ergehilfe wurde erschossen. Der Minister des Innern
hat wieder einen Erlaß an die Municipien anläß⸗
iich der Judenhetzen gerichtet und strenge Bestrafung
wegen der Nachsicht der Beamten in Aussicht gestellt.
— In Agram soll ein königlicher Commissaͤr er⸗
nannt werden, weil der Banus nicht weiter zu⸗
jammen bleibt. — Nemzet meldet Kalnoky reist
heute nach Salzburg, um dort mit dem Fürsten
Bismarck zusammenzutreffen.
Paris, 30. August. Der Graf von Paris
zeigte heute allen Höfen den Tod des Grafen
Chambord mittels Circularschreibens an. Das
Schreiben ist Philippe, Graf von Paris unter⸗
zeichnet.
Den „Times“ wird aus Berlin' gemeldet, daß
man in diplomatischen Kreisen die Ankündigung der
VBerlobung des Kronprinzen von Por—⸗
tugal mit der Erzherzogin Valerie, der jüngsten
Tochter des österreichischen Kaiserpaares, als nahe
bevorstehend betrachte.
Ein offiziöser Berliner Correspondent der „Schles.
Zeitung“ schreibt derselben: „Aus bestunterrichteten
Kreisen erfahre ich, daß der Artikel der „Nord⸗
deutschen Allgemeinen Zeitung“ wesentlich veran⸗
laßt wurde durch die französischen Umtriebe
in Spanien. Es liegen über diese sehr be—
lastende Beweise vor, und man sieht der Veröffent
lichung demnächst entgegen, glaubt aber, daß dieselbe
von Madrid aus erfolgen dürfte.
Moskau, 30. August. Anläßlich der Ver—
gIffentlichung eines anonymen Briefes eines Russen
in der Kreuzzeitung und in Bezug auf die Aeußer—
angen der Zeitungen darüber sagt die Moskauer
Zeitung, in Rußland wie in Deutschland
wünsche Niemand Krieg, man lenne die
Bedeutung eines Krieges und könnte sich dazu nur
im äußersten Falle entschließen. Rußland habe
kein Interesse daran, Deutschland anzugreifen.
Wenn die Kreuzzeitung wissen will, daß in Ruß—
land eine Partei slavistischer Hetzer existire, so sei
doch die Frage zu eroöͤrtern, was diese Partei in
Deutschland zu suchen hätte. Allerdings gehörten
polnische Länder zu Deutschland, aber bedurften
diese Rußland? Beabfichtigte etwa Rußland das
historische Polenreich wieder herzustellen um eine
Barriere zwischen Deutschland und sich aufzurichten
und einen schwachen Nachbar statt eines starken
sich zu verschaffen? Mit derartigen Insinuationen
sei eher Deutschland als Rußland beizukommen, da
Deutschland häufig das russische Grenzpolen als
ein besonderes Land betrachte. Rußland fei indeß
überzeugt, daß die Mehrzahl der Deutschen und
die deutsche Regierung andere Ansichten habe und
in den polnischen Patrioten die Feinde sehe,
welche Zwist zwischen Rußland und Deutschland
äen wollten. Dieser Ansicht habe auch die „Nordd.
Allgem. Zeitung“ bereits unzweideutigen Ausdruck
gegeben. Andererseits sei Rußland überzeugt, daß