Full text: St. Ingberter Anzeiger

„Donnersbderg“, von welchem aus Moltke und Bis⸗ 
nard telegraphische Grüße übersandt wurden, be— 
chloß das schöne Fest. 
— Speyer, 5. Sept. Der Distriltsrath 
von Speyer hatte bei'm kgl. Staatsministerium des 
Inneren nachgesucht um Zuwendung einer ent⸗ 
prechenden Summe zur Wiederherstellung der durch 
vas Hochwasser im November v. Is. zerstörten Brücke 
über den sogenannten Rauschgraben Gemeinde Schif⸗ 
ferstadt, uund zwar aus den fuͤr die vom Hochwasser 
hetroffenen Gemeinden bestimmten unverzinslichen, 
moriisirbaren Darlehensfonds. Dieses Gesuch ist 
rbschläglich beschieden worden. 
— Am Montag soll einem Privatier in 
Brünstadt während seiner Abwesenheit aus seiner 
zerschlossenen Wohnung aus einem ebenfalls ver⸗ 
chlossenen Kleiderschrank ein Geldbetrag von über 
300 Mi. gestohlen worden sein. Es verlautet, 
zaß ein junger verheiratheter Mann aus Grünstadt 
m Verdacht steht, diesen Diebstahl ausgeführt zu 
jaben, und ist, der „Frkth. Zig.“ zufolge, deßhalb 
jestgenommen worden. Es soll bei ihm ein Betrag 
pon 120 Mtk. gefunden worden sein. 
— (In Amerika gestorben. Der von 
William Raich, Notar in New-York, herausgegebene 
Rechtsschutz'“ enthält die Namen folgender in 
Amerita verstorbener Pfäl zer: Susanne Eidel⸗ 
vein, geb. Beckmann, aus Fußgönnheim, 70 J. a., 
jest. am 29. Juli 1883, Batesville, Indiana; 
Zalentin Hufft, aus Mechtersheim, 88 J. a. gest. 
am 19. Juli 1883, New⸗Orleans-Louifiana. 
AAMh 
Vermischtes. 
Aus Bayern, Anfang Sept. Bei einer 
Schöffengerichtssitzung in einer größeren Stadt 
Baherns sah der für den christlichen Angeklagten 
Alaidirende Rechtsanwalt sich veranlaßt, einen Be⸗ 
jastungszeugen eingehend zu inquiriren. Der vor⸗ 
itzende Amisrichter verstieg sich darob zu der Be⸗ 
merkung: „Hetr Anwalt, Sie glauben wohl den 
Moritz Scharf vor sich zu haben?“ Der Anwalt 
exwiderte darauf: „Nein, aber ich glaubte, vor 
einem bayerischen Gerichte zu plaidiren, jetzt sehe 
ch aber, daß ich mich in Ungarn befinde.“ Auf 
ine Bemerkung zu diesem Vorgange dürfen wir 
vohl verzichten. 
Gagenresektion) Der Direktor der 
chirurgischen Klinik, Universitätsprofessor und Gene⸗ 
ralarzi à la suite Dr. Heinecke in Erlangen 
nahm vor ca. 3 Wochen an einem mit weit vor⸗ 
geschrittenem Magenkrebs behafteten Manne eine 
Magenresektion vor; es wurde ein handgroßes Stück 
herausgeichnititen, und die Operation ist völlig ge— 
sungen. Der Patient verträgt bereits leichtere 
Speisen und sieht binnen Kurzem seiner Heilung 
entgegen. 
F'Metz, 3. Sept. Wie die „Lothringer Zei⸗ 
jung“ schreibt, treten in Lothringen die Wölfe be⸗ 
reits hervor, wie sonst beim Einiritt der strengen 
Jahreszeit. Auf einem Täuferhofe wurde ein Knabe 
sertissen und am Waldesrande holten zwei Wolfe 
den Arbeitern das Fleisch aus dem Brodkorbe. Im 
Durchschnitt werden in Lothringen alljährlich 50 
Wolfe erlegt. 
FBrumath, bei Straßburg i. E., 4. Sevt. 
Große Obstausstellung.) — Der Präsident 
des landwirthschaftlichen Kreis-Vereins, Hert Kreis- 
direktor Graf zu Solms-Laubach in Straß- 
hurg und der Vorstand der Sektion Obstbau des 
andwirthschaftlichen Bezirks-⸗Vereins für Unter-Elsaß, 
derr Direkior Schüle in Brumath, stellten beim 
Zentral-Ausschuß des landw. Bezirks-Vereins für 
ünter⸗Elsaß den Antrag, mit Rücksicht auf den zu 
erwartenden außergewöhnlichen Obstsegen im Oktober 
dieses Jahres in Brumath eine große Bezirks-Obst ⸗ 
Ausstellung abzuhalten. Dieser Antrag wurde an⸗ 
genommen und zur Ausführuug der Obst⸗Ausstel⸗ 
lung ein namhafter Beitrag bewilligt, wie auch 
Seüens des landw. Kreis-Vereins Straßburg⸗Land 
das Unternehmen in jeder Weise zu fördern, be⸗ 
schlossen worden ist. Da man sich der zuversicht⸗ 
iichen Hoffnung hingeben darf, daß auch die Re— 
zierung der Ausstellung ihr Wohlwollen nicht ver⸗ 
sagen wird und in Anbetracht, daß die Sache 
allseits begeisterte Aufnahme, besonders auch bei der 
Jiesigen Gemeindebehörde, findet, so kann schon 
etzt vorausgesetzt werden, daß Brumath vom 6. bis 
11. Oktober etwas Großartiges zu bieten im Stande 
ein wird. Dafür bürgen uns auch schon die das 
Ausstellungs-Komits bildenden Herren Bach, 
Bezirks-Präsident des Unter-Elsaß zu Straßburg, 
hraäͤsident der Ausstellung; Zimmer, Bürger— 
meister der Stadt Brumath, Vorsitzender der Fest⸗ 
ommission; Pasquay, Direktor des Kaiserlichen 
randes⸗Gestüts zu Straßburg, Präsident des landw. 
zezirks⸗Vereins für Unter-Elsaß; Bastian, Bei⸗ 
jeordneter aus Vendenheim, Direktor der Kaiserl. 
Ibst⸗ und Gartenbauschule zu Brumath, Vorstand 
er Sektion Obstbau des landw. Bezirks-Vereins 
ür Unter⸗Elsaß; Graf zu Solms⸗Laubach, 
dreisdirektor zu Straßburg, Präsident des Landw. 
dreisvereins Straßburg⸗Land; von Stichaner 
dreisdireltor zu Weißenburg, Präsident des landw. 
dreisvereins Weißenburg; Dr. Vogel, General⸗ 
5ekreiär des landwirthschaftlichen Bezirks-Vereins 
ür Unterelsaß zu Straßburg; Wagner, Vor—⸗ 
sand der Seklion für Bartenbau des landwirthsch. 
zezirksvereins fur Unter-⸗Elsaß; Dr. Zeilssoff, 
weiter Vorstand der Sektion Obstbau des land⸗ 
zirthsch. Bezirks-Verceins für Unter-Elsaß und die 
ege Theilnahme Seitens vieler mit derartigen Un⸗ 
ernehmungen vertrauter Herren aus Brumath und 
imgebung an den verschiedenen Lokal⸗Kommissionen. 
die Zwecke der Ausstellung sind: 1) Die Liebe zur 
»bsiktltur unter der landw. Bevölkerung mehr und 
nehe zu wecken, weßhalb auch bei der Prämiirung 
n erster Linie die Leistungen in der Wirt hschafts— 
bstkultur den Ausschlag geben; 2. den Nach— 
deis zu liefern, welche Sorten in größerer Menge 
n Elsaß⸗Lothringen Anbau gefunden haben und 
velche anderswarts bewährte Sorten dem Lande 
ioch fehlen; 3. die Besucher und Aussteller mit 
»en pomologischen Namen der verschiedenen Sorten 
ekannt zu machen; 4. im Lande vorhandenen be⸗ 
vährten Lokalsorten eine weitere Verbreitung zu 
erschaffen; 5. dem Branntweingenusse einen Damm 
ntgegenzusetzen und den Vorurtheilen gegen den 
Ibstwein zu begegnen. Zur Unterstützung letzge⸗ 
annten Zwedes wird eine bestens eingerichtete 
Ibstkelter wahrend der Dauer der Ausstellung in 
oslem Betriebe sich befinden. Zur Konkurrenz um 
ie Preise für Obst- und Obstbäume werden alle 
zewohner Elsaß⸗Lothringens zu der um Obst⸗ 
»rodukte, Geräthe ‚Lehrmittelrc. auch 
seiicht⸗ElsaßLothringer zu gelassen. 
stach dem sehr reichhaltigen Programme, aus dem 
ruch die Bedingungen ersichtlich sind und das Jeder⸗ 
nann von Herrn Direktor Schüle in Brumath 
zratis erhalten kann, sind an Preisen ausgesetzt: 
Chrendiplom, 1 goldene Medaille, 3 Vermeil—⸗ 
Medaillen, 70 silberne Medaillen, 80 Bronze⸗ 
Medaillen, eine große Zahl Anerkennungsdiplome, 
erbreitungswürdige Obstbaugeräthschaften im Werthe 
on 250 Mark (für Privat-Produzenten) und hoch⸗ 
tämmige Obstbäume im Werthe von 350 Mark 
für Gemeinde⸗Kollektiv-Ausstellungen) ꝛc. 
(Zornthal. Bote.) 
f(Allzugroße Bescheidenheit.) Einem 
Artikel des Dr. G. Daremberg über die ärztlichen 
zflichten im ‚Journal des Déͤbats“ entnehmen wir 
olgende Anekdote: „Ein Spezialist hatte einen 
eichen Pastetenfabrikanten aus Straßburg von einem 
artnäckigen Uebel geheilt. Einss Tages meldete 
ich der glücklich Genesene, um dem Doktor zu 
zauken und eine Gänseleber⸗Pastete anzubieten. Der 
Arzt fürchtete, die Annahme des Geschenkes könnte 
hn verhindern, ein hohes Honorar zu fordern, und 
ntgegnete, er habe den Grundsatz, niemals Ge⸗ 
chenke anzunehmen; er begnüge sich mit dem Ho— 
rorar. Nun erkundigte sich der Elsässer nach dem 
getrage seiner Schuld. „1200 Franken“, war die 
Untwort. Der Besucher zog sein Messer aus seiner 
kasche, zerschnitt die Pastete, nahm zwei Tausend⸗ 
rankenscheine heraus, die mit einer silbernen Kapsel 
orgfältig verschlossen waren, und bat den beschäm⸗ 
en und ärgerlichen Mann der Wissenschaft, ihm 
achthundert Franken zurückzugeben. 
fGin Bauernvereinstag.) Bingen 
hatte dieser Tage die Ehre, eine Anzahl vornehmer 
und hochgestellter Herren in seinen Mauern zu 
ehen, um daselbst einen Bauern-Vereinstag abzu⸗ 
halten. Es waren die Herren Graf zu Solms⸗ 
raubach, Freiherr Dael von Köth-Wandscheidt auf 
Sörgenloch, Pastor Dietz zu Bielefeld und andere 
veltliche und geistliche Notabilitäten. Die Suche 
herlief aber nicht nach Wunsch der vornehmen Ge⸗ 
ellschaft. Trotzdem der größte Saal der Stadt 
gemiethet war, fanden sich nach fünfviertelstündigem 
Warten über die anberaumte Stunde der Eröffnung 
aum einige fünfzig Leute ein, darunter wirklich 
in wahrhaftiger Bauer, sage und schreibe ein eiun— 
iger, und dieser Eine entpuppte sich zum Entsetzen 
er adeligen Herren obenein noch als — Liberaler. 
jraf Solms zu Laubach unternahm es trokdem, 
sein Programm zu entwickeln. Als aber schließlich 
der Buchhändler May aus Bingen das Wort dern 
angte, und ihm dasselbe unter dem Vorwande, daß 
er keinen Grundbesiß habe, versagt wurde, trozden 
doch auch alle „Freunde der Landwirthschaft einge 
aden waren, da rief derselbe dem adeligen Kom— 
ee zu: 
Ich konftatire hiermit, daß hier eine Bauern⸗ 
ereinsversammlung getagt hat ohne Bauern 
Sie haben drei Stunden ausgefüllt mit Reden 
ie zum allergrößten Theil erbärmlichen Unfinn 
Unwahrheiten, Verdächtigungen der Liberalen. 
amentlich des Abgeordnelen Bamberger, schaͤnd 
che Hezereien uud fade Witze enthielten; es iß 
zhnen lediglich um konservatide und antisem 
ische Propaganda zu thun. Wir haben Sie von 
—X 
rechung, ruhig angehört, und nun verweigern 
Sie das Wort zur Erwiderung! Das ist elende 
rFeigheit!“ 
Unter großer Erregung löste sich die Versamm— 
ung auf. Der „Rhein⸗ und Nahe⸗Bote“, dem 
vir diese Einzelheit entnehmen, verabschiedet sich 
don herrn v. Thüngen mit folgenden Versen: 
Verehrtester Herr v. Thüngen. 
Was wollen Sie eigentlich in Bingen? 
Fin Bauernvereinchen uns bringen 7! 
Gehn's weg mit so närrischen Dingen, 
Die auf Fastnacht nur können gelingen! 
Adien, Herr Baron von Thüngen!!! 
fKöln, 3. Sept. Ein peinlicher Vor— 
zall macht augenblicklich diel von sich reden. Cin 
Mann aus der unbemittelten Arbeiterklasse hatte 
ich am Samstag erhängt; die mittellose Frau 
vandte sich an das Standesamt wegen unentgelt⸗ 
icher Ueberlassung des Leichenwagens, doch wurde 
gdieselbe dahin beschieden, daß sie sich an den Armen⸗ 
rorsteher zu wenden habe, welcher einen Schein 
zusfertigen würde. Ob letzterer einen solchen ver⸗ 
veigerte, weil er die Frau nicht für mittellos hielt, 
der ob der Armenpfleger überhaupt nicht ange⸗ 
sangen wurde, das wird die energisch eingeleitete 
Antersuchung ergeben, das aber ist Thatsache, daß 
aim Donnerstag, also am sechsten Tage 
rach dem Tode die bei der enormen 
ditze bereits stark in Verwesung über 
jegangeneLeiche noch im Sterbehause 
par! Der Hausbesitzer zahlte endlich nolens volens 
die städtischerseits geforderten 13 Mark 50 Pf. 
gegräbnißkosten, worauf am Freitag die Beerdigung 
rfolgte. So geschehen zu Köln, in der Metropole 
er Rheinlande, im 83. Jahre des 19. Jahrhunderts. 
Hamburg. Am Sonntag, 11. November 
878, wurde zu Tonisberg, Kreis Kempen, Rhein⸗ 
»rovinz, die Ehefrau Leuper in ihrer Wohnung, 
vährend der Ehemann die Kirche besuchte, ermordet 
ind beraubt vorgefunden. Der Verdacht fiel auf 
Mart. v. Rhee, welcher mit dem Manne der Frau 
ꝛdeuper bekannt war und welcher sein Alibi zur 
Zeit aicht genau angeben konnte. Ein alter Manu 
Jagegen wollte Beklagten in der Nähe der That, 
wa 25 Schritte entfernt, bemerkt haben. In der 
hauptverhandlung vor Gericht jedoch gab er an— 
ich doch irren zu können, indei sein Augenlicht 
richt mehr ganz zuverlässig sei. Als neuer Beweis 
vurde folgender Fall angesehen: Etwa vierzehn 
Tage nach der Mordthat haite der Nachbar des 
Nartin v. Rhee, mit Namen Frank, in Branut⸗ 
veinlaune geäußert, daß er dem Beklagten Martin 
. Rhee ein Rasirmesser zu der That dargeliehen 
zabe und dieses gleich nach der That vom Beblagten 
vieder erhalien habe. Von den Zeugen befragh 
vo er denn dieses Rasirmesser habe / zog Franb 
emgemäß ein Rasirmesser aus der Tasche mit den 
Worten: „Hier ist dasselbe.“ Frank gerieth eben · 
alls hierduͤch in Haft. Thatsächliche Beweise 
vurden weiter nicht erbracht. Zeugenaussagen— 
pelche höchst ungenügend und irrelevant waren, 
vurden förmlich bei den Haaren herbeigezogen. 
Nartin v. Rhee wurde von dem Schwurgerichte zu 
Flede, wo diese Verhandlung stattfand, fuͤr schuldig 
efunden und zu 15 Jahren Zuchthaus verurtheitt. 
fine Revision gegen das Urtheil wurde verworfen. 
das ganze Besitthum des Verurtheilten ging uu 
nen 5 Jahren, wo fortwährend nach neuen Beweis 
nitteln für die Unschuld des Verurtheilten geforsch 
vurde, für Anwaltskosten ꝛc. verloren. Die Num 
es Angeklagten starb im Kummer über das Ungu 
hies Sohns Im Vollbewuhnfein seinet Unscun 
vandte sich der arme Mann an den Kaiser un 
»on dem Kaiser wurde sofort bestimmt, ein— neue 
Tatersuchung einzuleiten. Inzwischen erkrankte der