Full text: St. Ingberter Anzeiger

ʒt. Jugherter Anzeiger. 
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
der „St. Ingberter Anzeiger“ erscheint wochentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donuerstag, Samstag und Sonntag; 2mal wochentlich mit Unterhaltungs⸗ 
Jlaut und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljahrlich 1.4 40 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1A 73 —, einschließlich 
d Zustellungsgebuhr. Die Einrückungsgebühr far die Agespaltene Garmondzeile oder deren Raum betragt bei Inseraten aus der Pfalz 10 —, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auzkunft ertheilt, 13 , bei Reclamen 30 3. Bei 4maliger Einruckung wird nur dreimalige berechnet. 
— 
—ZF 
M 175. J Sonntag, 9. September 1883. 18. Jahrg. 
Politische Uebersicht. 
Deutsches Neich. 
München, 6. Sept. Der „Schles. Ztg.“ 
ufolge soll die bayerische Regierung beabsichtigen, 
nehrere in Bayern nicht heimathberechtigte sozial⸗ 
emokratische Führer, die sich gegenwärtig in 
Rünchen aufhalten, auszuweisen. Wahrscheinlich 
oürde hiervon in erster Linie der Redakteur der 
Süddeutschen Post“, Referendar a. D. Louis 
iereck, betroffen werden, der in München die 
pzialdemokratische Propaganda mit außerordentlichem 
yeschick und Erfolge betriebe und auch sein Blatt 
isher von der Unterdrückung zu bewahren gewußt 
abe. — Wir beschränken uns darauf, diese Meld— 
eing zu registriren. 
Wie wir hören, wäre die heute im Berl. Tgbl. 
usgestellte Behauptung, es habe sich bei der Salz⸗ 
uurger Entrevue hauptsächlich um handels— 
olitische Dinge und um eine Annäherung der bei⸗ 
en Kaisermächte auf wirthschaftlichem Gebiete ge— 
andelt, irrig, vielmehr hat der Orient, d. h. die 
alkanhalbinsel und die vielfachen sich auf diesem 
jebiete vorbereitenden Fragen den Hauͤptgegenstand 
et Conferenz ausgemacht. Die Reise Bratianos 
ird als ein Nachspiel derselben aufgefaßt. 
Berlin, 7. Sept. Der Reichsanzeiger meldet: 
de Kaisserin drückte in einem Telegramm an 
»en Minister Maybach ihre besondere tiefe Theil— 
ahme an dem Sieglitzer Unglück aus und sandte 
em vaterländischen Frauenverein in Berlin 1000 
Natk für hilfsbedürftige Hinterbliebene. Als solche 
verden eine Wittwe und zwei Mütter mit acht 
Vaisen bezeichnet. 
Ausland. 
—R— 
uc Note, worin fie den Grafen von Paris als 
hef des Hauses in Frankreich anerkennt. — Der 
önig von Spanien empfing heute Vormittag den 
hrafen von Paris und dessen Sohn, begab sich 
rauf nach Epiney, um das Dejeuner dei dem 
erzog von Montpencier einzunehmen. — Heute 
dachmittag empfing der König den Minister des 
luswärtigen und AÄbends findet auf der spanischen 
ʒotschaft ein großes Diner siatt. — Don Carlos 
in Venedig eingetroffen; die französischen Roya⸗ 
isten statteten demselben keinen Besuch ab. Don 
sarlos richtete ein -Schreiben an Noc dal, den 
ühret der spanischen Legitimisten, worin er er— 
atte, Spanien gehöre ihm und werde ihm stets 
thoͤren· ·· 
London, 7. Sept. Der Standard meldet 
¶ Honkong vom 6. ds.: Es verlautet, daß die 
tanzosen eine neue Niederlage vor Hanoi erlitten 
aͤtten. Einige französische Kanonenboote fuhren 
n Fluß hinauf in der Richtung nach Snutah und 
sshossen die Festungswerke der schwarzen Flaͤggen, 
nußten aber nach mehrstündiger wirkungsloser Ka⸗ 
made mit einem Veriust von 12 Todten reliriren. 
Lotale und pfälzische Nachrichten. 
.In der Wohnung des Bierbrauers Schwalb 
Zlieskastel ist ein Einbruchdiebstahl verübt 
nrden. 800 Mark hat der Dieb als Beute da⸗— 
ongetragen. 
NKaiserslautern, 6. Sept. Daß die 
e Stadt trauert um den Verlust, der sie in dem 
d ihres Bürgermeisters Louis G oerg betroffen, 
le die heute Noachmitiag um 423 Uhr vor sich 
Hngene Beerdigungsfeier. In den Straßen, 
uch welche der imposante Leichenzug sich bewegte, 
nen die Gaslaternen, die Feuerwehr gab das 
Beleite mit Fackeln, die Vereine der Kampfgenossen, 
)er Krieger und Turner waren erschienen, 3 Musik— 
orps spielten Trauerweisen; die tgl. Kreisregierung 
var vertreten durch ihren Chef, Se. Exz. Hrn. Prä⸗ 
identen v. Braun, und Hrnu. Regierungsrath 
Wand. Der Verewigte war Katholik. Als Geist⸗ 
icher fungirte Hr. Domkapitular Dahl von Speher, 
rüher Stadtpfarrer dahier. Der Leichenwagen wurde 
on vier Pferden gezogen. Am Grabe sang der 
Nusikverein; es sprachen dort außer dem Geistlichen: 
Ix. Adjunkt Gelbert namens der isr. Gemeinde, 
„tadtbaumeister Bindewald namens der städt. 
Angestellten. Dem Zug folgten 13 besetzte Chaisen. 
Viele Läden waren geschlossen. — Wer des Ver⸗ 
wigten Nachfolger im Amt werden wird, läßt sich 
aicht sagen. Hr. Hohle hat keine Aussichten. 
— Maikammer, 6. Sept. Gestern ver⸗ 
sauften mehrere Weinbergsbesitzer aus ihren Gärten 
den Most per Horte (40 Liter) um 11 Mark 40 
Bfennig. 
— Neustadt, 6. Sept. Von Herrn Michel 
dielhöfer wurden der „N. Bgztg.“ heuͤte reife Kir— 
chen (zweite Frucht), aus dessen eigenem Garten, 
ugesandt. 
Vermischtes. 
* Memmingen, 3. Sept. Heute Nachts 
»rannte es viermal in Thannheim, Erolzheim, 
Berkheim und Ochsenhausen. In Thannheim ver— 
oren drei rüstige Männer beim Löschen eines 
rennenden Mühlstadeltz ihr Leben. In Ochsen⸗ 
ausen gingen zwanzig Stück Vieh zu Grunde. 
fFSaarbrücken, 6. Sept. Die „Saarbr. 
ztg.“ schreibt: Auf dem Ende Juni hier ver⸗ 
ammelten Kreistage wurde u. A. folgender 
Zeschluß gefaßt; „In Betreff der Umgestaltung 
)er königlichn Gewerbeschule zu Saarbrücken 
st der Kreislag der Ansicht, daß die Umgestaltung 
n ein Real-⸗Gymnassum den Interessen ded 
kreises vollständig entspreche, und erklaͤrt sich bereit 
ür das ev. neu zu errichtende Real⸗Gymnasium 
zuschüsse in der durchschnittlichen Höhe der bisher 
on den Landgemeinden des Kreises für die Ge— 
verbeschule gezahlten Beiträge zu bewilligen; da⸗ 
jegen sprach sich der Kreistag schon jetzt dahin aus, 
daß er die Uebernahme jedes weileren Risikos, 
iamentlich also die Gewährung weiterer über die 
vorbezeichneten Beiträge (ca. 6000 Mtk.) hinaus- 
zehende Zuschüsse entschieden ablehnen müsse. 
F In der Umgebung von Weißenbürg im 
ẽlsaß sol eine Zuckerfabrik errichtet werden. Das 
dapital in der Höhe von einer Million Mart soll 
»on Norddeutschland aus dazu geliefert werden. 
Im „W. W.“ erschien dieser Tage ein Aufruf an 
die Landwirthe, sich hinsichtlich ihrer Bereitwilligkeit, 
küben zu bauen, zu erklären. 
Folgende Anzeige brachte dieser Tage 
)as Weißenfelser Kreisblatt: „Im Leben noch nicht 
agewefen! Meine Frau, 838 Jahre olt, zum zwei⸗ 
enmale verheirathet, hat mich in 992 Jahren 
Smal böcwillig verlassen. Als Ersatz suche ich 
ine Haushälterin im Alter von 45 bis 50 Jahren 
douis Kühnemann, Coßplatz.“ 
F Berlin, 6. Sept.“ Heute Rachmittag um 
bUhr fand die feierliche Beerdigung von 18 Opfern 
des Unglücss in Steglitz statt. Ein imposanter 
deichenzug, wie in Berlin seit langer Zeit nicht ge— 
ehen, gab das Geleite. Zuerst erschien ein Musik⸗ 
orps, dann kamen die Schützengilden mit ihren 
Fahnen, an welche sich zwölf offene Leichenwagen 
nit den reich begrenzten Särgen anschlossen. Den 
Schluß des Zuges bildete eine endlose Wagenreihe 
Unter Grabgesängen, Rede und dem Gebet des 
Geistlichen auf dem Friedhofe wurden die Särge in 
die Gruft gesenkt. 
GBestrafung wegen Spielens.) In 
Hagen stand dieser Tage ein Wirth aus Iserlohn 
vor der Strafkammer unter der Anklage, in seiner 
Wirthschaft das Spielen um Bier und Würste ge— 
'ördert, und sich durch das gewerbsmäßige Betreiben 
»esselben des strafbaren Eigennutzes schuldig ge— 
nacht zu haben. Es wurde durch Zeugen darge— 
than, daß ein 15jähriger Bäckerlehrling auf diese 
Art 50 Mk. verlor, und so gezwungen wurde, 
eine ganzen Ersparnifse in Knackwuͤrsten anzulegen, 
owie daß die ganze Tischgesellschaft oftmals heran⸗ 
zezogen werden mußte, um die überwältigende 
Menge von Knadwürsten, welche sich in wenigen 
Minuten angehäuft hatten, vetzehren zu helfen. 
Es wurde anerkannt, daß hier trotz der harmlosen 
Außenseite ein Fall strafbarer Gewiñnsucht vorliege, 
und der Wirth zu 8 Tagen Gefängniß verurtheitt. 
F Kleister zum Aufziehen von Ta— 
peten⁊c. vom Hoftapezierer Loessz in Darmstadt. 
Man weicht 18 Pfund Bolus, nachdem man ihn 
kleingeklo pfi, in Wasser auf und gießt das über— 
schüssige Wasser vom dem Balusschlamme wieder 
ib. Dann werden 13 Pfund Leim zu Leimwasser 
abgekocht und 2 Pfund Gyps gut mit dem erweich⸗ 
en Bolus gemengt, und die ganze Masse wird nun 
mittels eines Pinsels durch eine Seihe getrieben. 
Man verdünnt hierauf bis zur Konsistenz eines 
dünnen Kleisters oder einer Schlichte, und der 
leister ist zur Verwendung ferlig. Derselbe ist 
aicht nur billiger als alle andere Kleisterarien, son- 
dern haftet auch an getünchten Wänden, namentlich 
in mehrfach angestrichenen, von denen die Anstriche 
nicht vollständig entfernt werden konnten, besser als 
andere Kleistet. Zum Aufziehen feiner Tapeten 
eignet er sich freilich weniger, weil dieselben leicht 
durch ihn beschmutzt werden. Wenn dieselben aber 
auf Grundpapier aufgezogen werden, so ist es un— 
bedingt zu empfehlen, das Grundpapier mit diesem 
leister auf die Wand und dann die Tapeten auf 
das Grundpapier mit gewöhnlichem Kleister aufzu⸗ 
ziehen. Eine besonders schätzbare Eigenschaft dieses 
vom Erfinder seit längerer Zeit angewandten Klei— 
sters ist noch die, daß dawit aufgezogene Tapeten 
auch in Vorplätzen, Gängen ꝛc., wo sie dem Tem⸗ 
peraturwechsel mehr ausgesetzt sind, als in bewohnten 
Räumen, gut an den Wänden haften und nicht 
leicht abspringen. 
fF Rom, 4. Septbht. In Grumonevano bei 
Reapel sind in Folge eines Erdbebens 2 Häuser 
eingestürzt und 11 Personen getödtet worden; von 
)er Rettungsmannschaft ist ein Feuerwehrmann um⸗ 
zekommen. In Pomigliano sind 6 Häuser einge⸗ 
türzt. Große Wolkenbrüche sind in ganz Süditalien 
niedergegangen. 
7 Ein mysteriöser Vorfall.) Vor 
inigen Wochen wurde auf der Charkow⸗Restower 
Bahn durch die Gendarmerie ein etwa sechzehn⸗ 
ähriges Mädchen angehalten, dessen Sprachte und 
Schrift sämmtlichen Sprachkundigen vollkommen 
mverständlich blieb. Russische Blälter erzählen 
nun über diesen mysteriösen Vorfall: Nach vielen 
hergeblichen Versuchen meldele sich beim Polizei⸗ 
neister ein Russischer Matrose, welcher während 
einer häufigen Reisen mehrere fremde Sprachen 
erlernte und sich bereit erklärte, das Mädchen in 
diesen ihm bekannten Sprachen anzusprechen. Der 
bolizeimeister ließ das Mädchen vorrufen, und der