Full text: St. Ingberter Anzeiger

die Ausstellung und nahm die Preisvertheilung vor. 
Die Kreisversammlung wurde vom Herrn Regier⸗ 
uingspräsidenten mit einer trefflichen Ansprache er⸗ 
iffnei. Herr Kreissekretär Hauter referirte über 
‚den jeßigen Stand der Torfstreufrage“, über 
Brennereiwesen“ sprachen die Herren Wanderlehrer 
Fischer und Ocklonom Geitner vom Trup— 
dacherhof. 
— Der Verwaltungsrath der pfälzischen Eisen⸗ 
zahnen wird, wie man der „Pf. Vztg.“ mittheilt, 
am 17. ds. Mis. in Kaiserslautern eine 
Sitzung abhalten und nach Schluß derselben mit 
einer Extrafahrt die Baustrecken der Lauterthalbahn 
besichtigen. Für die Station Lampertsmühle ist 
zur Besichtigung des Industriegeleises und des 
Etablissements ein halbstündiger Aufenthalt vorge⸗ 
mertt. Die Verkehrseröffnung der Lauterthalbahn 
soll erst im November erfolgen. 
— Kirchheimbolanden, 8. Sept. Im 
daufe des gestrigen Vormittags wurde von der 
lokalen Polizeibehörde bei einem hiesigen, im Ge⸗ 
ruche der Sozialdemokratie stehenden Arbeiter eine 
zründliche persönliche Durchsuchung nach etwaigen 
diversen sozialdemokratischen Schriftstücken abgehalten 
und gestern Nachmittag nahm das kgl. Untersuch⸗ 
ingsgericht von Kaiserslautern eine umfossende 
daussuchung in der Wohnung des erwähnten 
Arbeiters vor. Ueber den Erfolg der Recherchen 
verlautet noch nichts Bestimmtes. 
— Dannenfels, 7. Sept. Die gerichtliche 
Obduktion der Leiche des königi. Oberförsters Kief⸗ 
haber ergab, daß weder ein Verbrechen noch ein 
Unglückssall, sondern leider Selbstentleibung vorliegt. 
Der Verlebte brachte sich zwei Schüsse bei: der erste 
n die linte Brust, gegen das Herz gerichtet, ver— 
fehlte die beabsichtigte Wirkung, worauf der zweite 
Schuß in den Mund erfolgte. Die Motive des 
Selbstmords sollen dienstlicher und privater Natur 
sein. Der Verstorbene, eine siattliche Erscheinung 
ind beliebte und geachtete Persönlichkeit wird allge⸗ 
nein bedauert. 
— Speyer, 7. Sept. Das hiesige Diako— 
nissenhaus begeht am 3. Okt. sein Jahresfest; Herr 
Bfarrer Blaul von Neubäusel wird die Predigt halten. 
Vermischtes. 
Eine Falschmünzerwerkstatt hat die 
Polizei in München im Walde an der Groß—⸗ 
Jesseloher Eisenbahnbrücke entdeckt und die Mitglieder 
ʒes Komplotts verhaftet. Ihre Thätigkeit ist eine 
sehr rege gewesen und hat vorzugsweise in der An⸗ 
kertigung von Zehnpfennigs⸗ und Einmarkstücken 
bestanden, deren in dortiger Gegend eine erhebliche 
Menge koursiert haben. 
F.,Parsifal, der reine Thor, oder 
die Ritter vom Salvator' ist der langath⸗ 
nige Titel einer Parodie, welche jetzt allabendlich 
n Veinem Münchener Volks⸗, Rauch⸗ und Bier—⸗ 
Theater zur Aufführung gelangt. Die Parodie 
jennt sich „Große Bayreuther Bühnenweihfestspiel⸗ 
Komödie in 5 Abtheilungen, frei nach dem Wahn⸗ 
friedischen des Richard Wagner für Nicht-Bayreuther 
leichtfaßlich bearbeitet und mit Gefang, Tanz und 
Saivatorknciperei ausgestattet von E. F. Germani⸗ 
us.“ Die Parodie zerfällt in 5 Abtheilungen: 
1) „Ein reiner Thor, oder: der verhängnißvolle 
diterkrug.“, 
2) ‚Auf der Salvatorburg, oder: Eine spiriti— 
tische Klopffechterei.“ 
3) In der Zauberküche des Nekromanten, oder: 
Fine verfehlte Spekulation, oder: Die böse Saat.“ 
) Die heirathslustigen Blumenmädchen, oder: Der 
reine Thor in Verlegenheit, oder: Der in der Luft 
zängen bleibende Pokal.“ 
5) Der todte Geist, oder: Der wunderthätige 
Pokal, oder: die Kraft des Salvators, oder: Ende 
zut, Alles gut.“ 
Das Personalverzeichniß enthält folgende Namen 
ind Details: 
Gurnemanz, ein altes Hausmöbel, so alt, 
daß er die Pfeife nicht mehr mit den Zähnen halten 
fann, sonst Haushofmeister und Baryton, besstzt die 
Tapferkeitsmedaille und das Verdienstkreuz für sech⸗ 
igjährige Ehe. 
Kundryy, ein weibliches Mädchen, von deren 
Zweck und Nothwendigkeit Niemand überzeugt ist; 
was leicht und vergeßlich, war früher berühmte 
Konzertsängerin und Goldfliege am Théatre Chatelet 
u Paris. 
Parsifal, der eigentliche Held, recte dum« 
ner Kerl'im Stück, jung, übermüthig, roh, ja so— 
ar etwas frech, trotz aledem aber doch ein reiner 
Thor, um dem Wagnerschen Urtexte gerecht zu 
werden, sonst hats weiter keinen Zweck. 
zTiturell, ein abgestorbener König, wandelt 
ils Geist ruhelos umher und wird von Zeit zu 
Zeit von seinem Herrn Sohne als Medium benützt, 
vas sogar den Geist schließlich umbringt. 
Amfortas, König und Sohn seines geistern⸗ 
den Herrn Vaters, Vorsitzender eines Vereins zur 
gerbreitung des Salvators. In seinen sreien 
-„tunden ein eifriges Mitglied einer spiritistischen 
pesellschaft. 
Klingsor, früher Tündler und Kommissionär, 
nachher Unterhändler und Börsenjobber, jetzt Zau⸗ 
zerer aus Verzweiflung, um seine fünf mitgiftlosen, 
erzogenen Töchter an den Mann zu bringen, u. s. f. 
endlich Ritter, Knappen, Leichenbitter, Mundschenken 
ind Kellnerjungen, Rettigweiber und sonstige Wür— 
denträger. 
Der hauptsächlichste Theil der Handlung spielt 
ich in einem großen Kneipsaale auf dem Monsal⸗ 
zat ab. Nach der Parodie kann Amfortas von 
einen Leiden (Rheumatismus) nur dann geheilt 
verden, wenn ein reiner Thor ihm, dem kranken 
dönige, den Pokal zurückbringt, dessen er durch 
dlingscor gelegentlich eines zärtlichen Stelldicheins 
nit Kundry beraubt wurde. Parsifal erlangt den 
bokal, heitathet Kundry, und Amfortas versöhnt 
ich mit Klingsor. — Die Parodie, welche mit 
venig Witz und viel Behagen verfaßt ist, bezweckt 
jauptsächlich eine Verherrlichung des Salvator⸗ und 
dofbräuhausbieres. Hin und wieder vermag der 
‚arodirte Parsifal dem Hörer ein Lächeln abzu—⸗ 
ringen, im Ganzen jedoch zwingt er Demjenigen, 
velcher ihm einen ganzen Abend geopfert hat, den 
irgerlichen Ausruf ab: „O, ich reiner Thor!!“ 
F Linden. Daß Kinder ihre Schutzengel 
jaben, haben wir dieser Tage hier wieder erlebt. 
zin Schieferdecker arbeitete auf einer 80 Fuß langen 
reiter an einem Hause in der Nähe der Kirche. Als nun 
zer Mann um 10 Uhr am Frühstücken war, warf 
er Wind die lange Leiter um und fiel diese zur 
eẽrde auf's Trottoir, auf dem sich gerade ein kleines, 
3 Jahre altes Mädchen befand; die Leiter fiel dem 
rinde aber so glücklich über den Kopf daß dasselbe 
n der Mitte der Leiter zwischen den Sprossen noch 
zuf den Beinen gerade aufstand. Es hatte nach 
er „H. Z.“ nur an einem Beinchen eine leichte 
„chramme bekommen. 
— Ueber das Fest-Programm bei der Ent⸗ 
züllung des National⸗Denkmals auf 
»em Niederwald berichtet der „Rhein. Cour.“ 
rzolgendes: Zur Vorfeier wird Abends vorher 
am 27. Sept.) mit allen Glocken in Rüdesheim, 
zingen und Geisenheim geläutet. Ferner sollen 
zöllerschüsse abgefeuert, auf sämmtlichen höheren 
zergspitzen der Umgegend Freudenfeuer angezündet, 
ie Wege erleuchtet und die Ufer des Rheins durch 
rennende Pechtonnen erhellt werden. Die Städte 
zingen, Ruͤdesheim, die Burg Klopp, die Rochus⸗ 
apelle und die Geisenheimer Kirchthürme werden 
leich dem Niederwald-Denkmal in bengalischem 
feuer prangen, und inmitten des altehrwürdigen 
Zater Rhein soll ein Feuerwerk abgebrannt werden. 
Im dieses Feuerwerk herum und inmitten aller 
zieser strahlenden, die Nacht zum Tage erhellenden 
richtfarben werden 8—ÿ10 größere Dampfer in 
inem von Rüdesheim bis Bingen reichenden Halb— 
reis auffahren und, Rumpf und Takelwerk mit 
zampions geschmückt, Sänger⸗ und Musikchöre auf⸗ 
jehmen, welche ihre Weisen in mächtigen Freuden⸗ 
önen erschallen lassen. Die Hauptfeier soll nach 
»em vom Ausschuß des großen Komités infolge 
zer ihm von höchster Stelle zugegangenen Mitthei— 
ungen entworfenen Programm vor sich gehen. 
Nach diesem wird der Kaiser nebst hohem Gefolge, 
n einem Sonderzuge von Wiesbaden kommend, 
in dem Punkte, wo die Eisenbahn die Geisenheimer 
Fhaussee kreuzt, um halb 12 Uhr eintreffen, um 
ich von da zu Wagen nach dem Niederwald zu 
zegeben und die Einweihung zu vollziehen. Bei 
der Enthüllung des Denkmals sollen alle Glocken 
der umliegenden Ortschaften durch Festgeläute und 
wei Batterien Artillerie durch Kanonendonner den 
Vollzug des feierlichen Aktes verkünden. Der Kaiser 
vird dann, gefolgt von den Fürstlichkeiten und 
hohen Würdenträgern des Reiches, die Rückfahrt 
nach dem Bahnhofe zu Rüdesheim antreten. Auf 
ieser wird der Kaiser die Huldigung der Stadt 
stüdesheim unter einem hierzu eigens herzurichtenden 
daiserpavillon entgegennehmen. Auch sollen bei 
ieser Rückfahrt sämmtliche, den Kaiser in 128 Wagen 
»gleitenden Fürstlichkeiten und Würdenträger seitens 
der Stadt begrüßt merden — die Insassen je eines 
Wagens durch zwei, Damen und einen Cabalier 
Wie im Walde, vom Platze des Denkmals big zum 
xẽͤngerweg, die Kriegervereine mit ihren Fahnen 
Spalier bilden sollen, so werden in der Stadt die 
Turner⸗ und Feuerwehrmannschaften Spalier und 
zor ihnen, hauptsächlich in der Nähe des Kaiser. 
zavillons, die Schulkinder in der Tracht von Win⸗ 
zer und Winzerinnen, mit Rebenguirlanden geschmuͤct 
leine mit Trauben gefüllte Körbchen und kleine Legei 
ragend, sich aufstelen. Daß es sich die Winge 
zie Küfer, die Schiffer, die Bauzunft nicht nehmen 
afsen werden, Sr. Majestät ihre Huldigung durch 
krrichtung sinnreicher Ehrenpforten darzubdringen 
hdedarf keiner besonderen Erwähnung, wie es seift 
derständlich ist, daß die Stadt die Straßen, durch 
velche der Zug kommt, in der reichsten Weise durch 
Flaggenstangen, Laubgewinde, Blumenurnen u. s. w. 
hmücken wird bis zu dem Bahnhofe, wo der Kaiser 
zie Huldigung der Stadt Mainz entgegennimmt 
eren Verlreter auf reichbeflaggten Dampfern bo 
der Halle Auffahrt genommen haben werden. 
im halb 3 Uhr, heißt es, soll Se. Majestät Rüdes. 
jeim wieder verlassen, um im Schlosse zu Wies 
aden zum Schluß der Feier seine hohen Gäste zur 
kafel zu ziehen. Kaiser Wilhelm hat das Programm 
»er Festlichkeiten gutgeheißen und in verschiedenen 
Ztädten haben sich Comitees gebildet, um der Feier 
inen nationalen Ausdruck zu geben. Wie bei der 
Feier der Grundsteinlegung am 16. September 
877, so nimmt auch Mainz diesesmal wieder 
roßen Antheil an der Anordnung. Ein dortiges 
somitee hat den Beschluß gefaßt, eine festlich ge⸗ 
hmückte Flotte vor Rüdesheim zu senden, um von 
ort aus das Denkmal im Augenblick der Enthüllung 
nit Böllerschüssen zu begrüßen. Bei der Rückkunst 
odird der Kaiser in Rüdesheim eine Deputation der 
nainzer Bürgerschaft empfangen, wobei ihm Damen 
Zzlumensträuße überreichen. Die Schiffe auf dem 
ehein werden eine feierliche Auffahrt in's Werk 
etzen und auf dem Heimwege von den festlich be— 
euchteten Villen im Rheingau mit Böllerschüssen 
degrüßt werden. Wahrscheinlich werden auch ver⸗ 
chiedene Nachbarstädte sich mit mehreren Schiffen 
m der Fahrt betheiligen. So die obenerwähnte 
Zeitung, die Genehmigung des Programms ist je— 
zoch von dem Kaiser noch nicht ausgesprochen. 
F Von allgemeinem Interesse ist nachstehender 
Bescheid, welchen die königliche Regierung in Kassel 
ertheilt hat: „Auf die Anfrage vom 28 Juli J. J. 
röffnen wir Ihnen zum Bescheide, daß das Geseß 
vom 20. Juli 18810 für Schankgefäße, in denen 
Brannwein und Liqueur verabreicht wird, eine Be—⸗ 
‚eichnung des Sollinhalts nicht vorschreibt und daß 
gieselbe daher polizeilich nichl gefordert werden kann. 
dönigl. Regierung, Abtheilung des Innern.“ 
F Liegnitz, 8. Sept. Auf einer Erholungs 
reise degriffen, war der Reichstagsabgeordnete 
stichter Cüben) in dem Termin seines Majestäts- 
„eleidigungsprozesses entschuldigt ausgeblieben. Die 
Ztaatsanwaltschaft beantragte Verhaftung behufs 
wangsweiser Vorführung, der Gerichtshof beschloß 
agegen die Ansetzung eines neuen Termins. 
F Zu dem Direklor einer höheren Berliner 
Lehranstalt kommt eine Frau „aus dem Volke“ und 
agt: Ich bin nämlich die Budikerin Schulze von 
er Ecke und habe eine siebzehnjährige Tochter. Die 
jat nun seit einem halben Jahre ein Verhältnis 
nit dem Sekundaner Müller von Ihnen; und der 
Müller ist ein netter, junger Mann, und ich würde 
nichts dagegen haben, wenn er meine Tochter hei 
rathet. Aber man muß sich als Mutter doch vor⸗ 
ehen, und da komme ich zu Ihnen, um zu fragen: 
Was hat denn so ein Sekundaner hei Ihnen aufs 
zahr?“ 
F Der Lübecker Dampfer „Phönix“, Kapi⸗ 
än Behrens, welcher Cardiff am 31. August der 
ieß, ist am 3. ds. auf dem Wege nach Odessa in 
zer Bay von Biscaya untergegangen. Der Schiffe 
immermann Landorn ertrauk, aber die übrige Be⸗ 
nannung wurde von dem italienischen Schonet 
Papa Felic“ gerettet und befindet sich an Bord 
zesselben auf dem Wege nach Hamburg. 
4 Ein Hauswirth, welcher einen Mietber zum 
Lerlassen der Wohnung dadurch nöthigt, daß er 
Thüren und Fenster der Wohnung aushebt un— 
intfernt, ist nach einem Urtheil des Reichgerichss. 
H. Strafsenats, von 14./15. Juni d. J. wegen 
Röthigung aus 8 240 Str.«G.«B. ziu bestuann 
elbst wenn der Miether verpflichtet war, die Woh 
uung zu räumen und trotz mehrfacher Ermuerun 
zeitens des Wirths die Wobnung nicht verlassen wil