Full text: St. Ingberter Anzeiger

Die neueste Nummer der „Bläfßter für Ge⸗ 
onenschaftswesen · enthält an der Spitze des Blattes 
Agende Bekannimachung: „An die Deutschen 
rnossenschaften! Von dem bierundzwan ⸗ 
igsten Allgemeinen Vereinstage zum Anwalt der 
—W Genossenschaft berufen, zeige ich Ihnen 
mn, daß ich die Geschäfte übernommen habe und 
egrüße Sie als Ihr Anwalt. Ich bin in das 
nir übertragene Ehrenamt mit dem ernstlichen Wislen 
jngetreten, den wahren Interessen der Deutjschen 
jenossenschaften und deren Mitglieder meine ganze 
draft zu widmen und mir ihr Vertrauen allezeit 
m erhalten. Gewähren Sie mir Alle — und ein 
Jeder an seiner Stelle — Ihre Unterstützung in 
Jeinem redlichen Streben, dann wird uns gelingen, 
az große Deutsche Genossenschaftswerk zu festigen, 
otzuführen und weiter auszubilden zum bleibenden 
indenken an unsern großen Meister Dr. Schulze⸗ 
Selitzsch, zum Wohle der Menschheit und zu Ehren 
ind Frommen des Vaterlandes. Der Anwalt F. 
zchench.“ Ferner folgende Anzeige: Nachdem Herr 
dechtanwalt Schenck zum Anwalt des Deutschen 
zenossenschaftsberbandes gewählt worden ist, werden 
ie Vereine gebeten, alle für die Anwaltschaft be⸗ 
immten Briefe bis auf Weiteres nach Wiesbaden 
u richten. Das Bureau der Anwaltschaft. 
Ein unterseeisches Kriegsfahrzeug 
vird, so meldet man aus Kiel, auf der Reise nach 
zrankreich den Eiderkanal passiren. Dasselbe ist auf 
er Palmcrantzejschen Werft in Stockholm erbaut, 
4 Fuß lang, 9 Fuß breit und hat eine Dampf⸗ 
naschine von 30 Pferdekräften. Das Schiff kann 
is zu einer Tiefe von 50 Fuß versenkt werden. 
zei einem Versuch, welcher am 25. August auf dem 
Nälarsee gemacht wurde, konnte man das Boot mit 
zülfe des Steuerruders in horizontaler Lage unter 
hasser halten, wo es sich mit einer Geschwindig—⸗ 
zit von 10 Knoten bewegte. Die Mannschast kann 
ingere Zeit in demselben von der Luft leben, die 
nmdemselben vorhanden ist und die zugeführt wird 
uurch einen Cylinder, welcher über die Wasserfläche 
zervorragt und in dessen Junern sich ein spiral⸗ 
oͤrmiger Treppengang befindet. Im Kriegsfalle 
agt nur eine confexe Glasscheibe über Wasser, durch 
velche der Steuermann die Umgebung beobachten 
und das Schiff entsprechend lenken kann. Das 
hoot hat die Form einer Cigarre; vier Personen 
jaben sich sechs Stunden in dem Boot unter Wasser 
ufgehalten. 
FBelgrad, 9. Sept. In Folge heftiger 
egengüsse hat in dem Westen Serhiens eine große 
leberschwemmung stattgefunden. Der durch dieselbe 
mgerichtete Schaden ist ein sehr bedeutender. 
F Ein großes internationales Velozipedisten⸗ 
ennen findet am 28. und 29. Sept. ds. Is. in 
zrag statt. Einladungen sind an die Mitglieder 
es deutsch-österreichischen Velozipedistenbundes, 
atunter auch, der Kaiserslauterer Velozipedisten⸗ 
tlub, ergangen. 
f(Elekrisch beleuchtete Eisenbahn— 
zuge.) Ueber die elektrische Beleuchtung der Schnell⸗ 
üge der Bahn Wien⸗Triest berichten Fachblätter 
vünstiges. Die Aufgabe war eine ganz besonders 
hwierige. Die Züge fahren nämlich in der Ebene 
iemlich schnesi (60 Kilom. in der Stunde), zwischen 
Kloggnitz und Mürzzuschlag (Semmering) jedoch 
ur halb so rasch. Demgemäß schwankt die Ge— 
hwindigkeit der von einer Wagenachse getriebenen 
Dynamomaschine und die erzeugte Strommenge be— 
eutend, und es war schon deshalb die Anwendung 
n Akkumulatoren zur Ausgleichung erforderlich; 
uch mußte während des Aufenthaltes auf den Sta— 
onen für Fortdauer des Stromes gesorgt werden. 
dies ist mit Hülfe der Akkumulatoren von de Calo 
a Wien im Ällgemeiuen recht gut gelungen. Die 
erwendeten Swan⸗-Lampen schwankten während der 
sahrt unbedeutend; nur während des Ueberganges 
her den Semmering zeigten sich die Akkumulatoren 
nzureichend, und es mußte deren Zahl und Stärke 
choht werden. Das jetzige Beleuchlungs⸗Verfahren 
er Eisenbahnwagen mit Petroleum oder Gas ist 
in so umständliches, daß eine Reform auf diesem 
yebiete geboten erscheint. Als besonders wünschens⸗ 
verth und ökonomisch dürfte die elektrische Beleuch— 
ung auf Strecken mit vielen Tunneln sich erweisen, 
X die Lampen des ganzen Zuges alsdann durch 
een bloßen Druck auf einen Hebel plötzlich erglänzen 
ind wieder verlöschen. 
Wie gut es ist, wenn die Hausfrauen 
on der praktischen Kochkunst wenigstens allgemeine 
kenntniß besitzen, hat sich dieser Tage in der Nähe 
St. Goar in auffallender Weise bestätigt. 
In 
die Frau eines zu den besseren Ständen zählenden 
kinwohners, die in einer Großstadt ihre Erziehung 
rhalten und dort wohl auch hin uud wieder die 
die Küche besucht hatte, kam eines Tages auf die 
Idee, ihre gesammte Haushaltung mit einem selbst⸗ 
jemachten guten Salat zu beglücken. In der Küche 
ehlte es nicht an funkelnden Geschirren der mannich⸗ 
altigsten Art, von welchen sie zum Anmachen des 
Zalates einen blank geputzten Kupfertopf glaubte 
im Besten benutzen zu können, und solchen auch 
aktisch hierzu gebrauchte. Sie ließ überdies den 
zalat, nachdem derselbe fertig, noch einige Zeit in 
em Topfe stehen, um ihn dann mit selbstbewußter 
ufriedener Miene als ihr Kochkunstprodukt den 
zFhrigen vorzusetzen, die dann der Kochkünstlerin zu 
Liebe dem übrigens schmackhaften Gericht tüchtig zu⸗ 
prachen. Leider zeigten sich jedoch nur zu bald sehr 
mangenehme Wirkungen in Folge des Gebrauches 
ses kupfernen Topfes, so daß nur rasch herbeige— 
ufenc ärztliche Hülfe und die sofort zur Hand 
sefindlichen nöthigen Medikamente die Familie vor 
den Folgen der Vergiftung bewahrten. Die Situ— 
tion erwies sich als äußerst ernsthaft, zum Glücke 
edoch verlief die Sache noch gut. Mithin die Moral 
»on der Geschicht: Fur Salat nimm den Kupfer⸗ 
opf nicht! 
F Aus St. John Meufundland) meldet ein 
nom 5. d. M. datirtes Privattelegramm: Furcht⸗ 
zare Stürme hausten hier am 26. und 30. v. M., 
velche zahlreiche Menschenopfer gefordert. In fran⸗ 
osischen Fischerbarken verloren 200, in amerikanischen 
twa 50 Personen ihr Leben. Durch die cyclonischen 
„türme ist auch ein empfindlicher Verlust an Fischerei⸗ 
jeräthen entstanden, aber die Fischer an der Küste 
lieben unversehrt. — Aus Quebeck wird unterm 
3. d. M. gemeldet: Ein in Indian Harbour (Nova 
Scotia) gescheiteter Dampfer ist, wie man vermuthet, 
)er verschollene belgische Dampfer „Ludwig“. 
F Auf der Industrie⸗Ausstellung in Christ i— 
urnia findet sich Wallfischfleisch in hermetisch ver⸗ 
chlossenen Dosen ausgestellt. Man hat den lobens— 
verthen Versuch gemacht, die große Masse von 
Rährstoffen, welche alljährlich mit den Riesenkörpern 
er erlegten Wallfische zu Grunde geht, der mensch— 
ichen Ernährung nutzbar zu machen und auf 
Zorvär eine Fabrik zur Anfertigung von konser⸗ 
„irtem Wallfischfleisch angelegt. Die zu einem 
Wallfischdiner eingeladenen Gäste versichern, daß die 
n der Gestalt von Beef Carbonade und „knochen⸗ 
s'osem Geflügel“ auftretenden Präparate nach jeder 
Kichtung hin empfehlenswerth sind. Das Fleisch 
vird als wohlschmeckend, durchaus nicht thranig 
ind kräftig geschildert. Eine 10 Portionen Fleisch 
enthaltende Dose kostet 2,80 Mk. 
London, 6. Sept. Ueber die Verheer— 
ingen, welche die heftigen Stürme in England 
mgerichtet haben, liegen jetzt nähere Berichte vor. 
zIn Castbourne, Brighton und andern Küstenplätzen 
rat das Meer aus, riß die Dämme theilweise weg 
ind überschwemmte die benachbarten Straßen, wo⸗ 
zei viele Erwachsene und Kinder ertranken. In 
Jersey wehte die Windsbraut einen Zirkus um 
ind entdachte das erst jüngst gebaute Kasino. Von 
den Küsten werden stündlich neue Schiffsunfälle ge— 
neldet, von denen die meisten leider von Verlust 
in Menschenleben begleitet sind. Die deutsche 
Zassagierbarke „Wilhelm“ lief schwerbeschädigt in 
„pithead ein. — Einem amtlichen Ausweise zufolge 
ind im August 56 britische Schiffe untergegangen, 
vobei 92 Menschen das Leben verloren. 
F Der verstorbene englische Henker 
Marwood war eine absonderliche Persönlichkeit, 
Fr war stolz auf seinen Beruf und niemals müde, 
iber seine von ihm erfundene Methode des Stran— 
julirens von zum Tode verurtheilten Verbrechern 
‚zu sprechen. Daß er sich seines traurigen Berufes 
nicht schämte, beweist der Umstand, daß er an der 
khür seines kleinen einstöckigen Hauses in Horn— 
astle eine Tafel mit den Worten , Marwood, Crown 
Iffice“ anbringen ließ und siets Geschäftskarten 
»ei sich trug, auf denen zu lesen war: „William 
Marwood, Scharfrichter, Churchlane, Horneastle, 
rinkolnshire, England.“ Vor seiner Ernennung 
um Henker führte er ein kümmerliches Leben als 
Schuhflicker. Die vielen Hinrichtungen, die er zu 
vollstrecken hatte, brachten ihm aber ein kleines Ver— 
mögen ein, welches er in Häuserhesitz anlegte. Er 
interläßt eine Wittwe, aber keine Familie. Die 
-chuhflickerei hatte er indeß nicht ganz an den 
dagel gehängt und lag derselben in seinen Muße— 
tunden ob. An den Wänden seines kleinen Ladens 
in welchem er die Schusterei betrieb, hingen die Stricke, 
mit denen er verschiedene berüchtigte Mörder in das 
Jenseits befördert hatte. Die Stricke, deren er für 
ein Henkeramt bedurfte, ließ er sich in den Re— 
gierungswerkstätten nach seiner eigenen Vorschrift 
abriziren. Er pflegte zu sagen, daß er vor seiner 
Ernennung zum Henker niemals einer Hinrichtung 
zeigewohnt, aber seit Jahren über den Gegenstand 
aachgedacht hatte, da er die Weise, in welcher sein 
Umtsvorgänger Calcraft die Delingquenten erdrosselte, 
aicht billigen konnte. Er war überaus stolz auf 
eine Methode des „long drop“ und er beträachtete 
ich in der That als einen Wohlthäter des Menschen⸗ 
jeschlechts. Vor jeder Hinrichtung erkundigte er 
ich genau nach dem Alter, der Größe, dem Gewicht 
ind der Beschäftigung des Delinquenten, und nach 
den ihm gemachten Angaben berechnete er die Länge, 
velche der Strick haben müsse, um dem Verur⸗ 
heilten durch den jähen Fall sofort das Genick zu 
prechen. Die Delinquenten behandelte er in der 
Regel sehr gütig. Oft wurde ihm gesagt, daß er 
den Verurtheilten aus seiner Zelle nach dem Schaffot 
zu schleppen haben würde. „Aber,“ sagte er, „wenn 
ich ihnen auf die Schulter klopfe, kommen sie stets 
mit mir. Ich flöße vielen Delinquenten Vertrauen 
ein, indem ich ihnen zuflüstere, daß ich sie nicht 
quälen werde, daß es bald vorüber sein werde.“ 
Nach seinem Programm bei einer Hinrichtung be— 
tragt, sagte er: „Nun, wenn ich aus dem Bette 
steige, knie ich nieder und erflehe Gottes Segen auf 
das Werk, das ich zu verrichten habe, und seine 
Gnade für den armen Sünder.“ 
7 In dem griechisch-katholischen Kloster „Basi⸗ 
lika“ nächst Munkacs war Waulfahrt. Zahlreiches 
Volk, meist dem Bauernstande angehörig, war her— 
beigeströmt und auch an den bei solchen Anläßen 
sttets gegenwärtigen Bettlern war kein Mangel. 
Unter diesen erregte besonders ein Bettelknabe Mit⸗ 
eic, der ohne Füße vor der Kirchenthüre auf den 
nieen rutschend, seiage Kirchenlieder sang. Jeder 
Vorübergehende warf ihm eine Gabe in den Hut. 
Auch eine Bäuerin, die daher kam, warf ihm einen 
dreuzer zu und wollte vorübergehen. Da rief der 
Znabe ihr zu: „Mutter, auch Sie geben mir einen 
reuzer?“ Die Frau ward stutzig, schaute dem 
Knaben ins Gesicht und wurde — ohnmächtig. Sie 
hatte ihr Kind erkannt, das sieben Jahre alt, von 
einen baumstarken Landstreicher gestohlen und ver— 
tümmelt wurde, damit es als Krüppel das Mitleid 
errege und ihm eine Erwerbsquelle bilde. Die in 
der Nähe befindliche Gendarmerie nahm den betrun— 
lenen Landstreicher sofort fest und die Bäuerin, die 
nittlerweile sich erholt hatte, nahm ihr unglückliches 
Kind zu sich. 
r In Aegypten sind bis Ende August 
26,900 Personen an der Cholera gestorben, da— 
runter blos 138 Offiziere und Soldaten des eng⸗ 
ischen Besitzungsheeres. In Kairo bezifferten sich 
ie Cholera-Todesfälle auf 6710, in Alexandria 
nuf 710, in Damietta auf 1830 und in Ober—⸗ 
igypten auf 5070; der Rest entfällt auf die ver—⸗ 
chiedenen Provinzen Unterägyptens. 
F(Auch ein Zollkuriosum.) Vor eini— 
gen Wochen verschrieb sich ein Herr Lawrence in 
Montreal, Kanada, von einer Bostoner Verlags- 
irma Paines „Zeitalter der Vernunft“ und Vol—⸗ 
aires „Philosophien“, um sie als werthvolle Schätze 
»er Wissenschaft und des freien Gedankens in 
eine Bibliothek einzureihen. Als die Bücher im 
Zollhause zu Montreal ankamen, belegte sie der 
dortige Zolldirektor mit Beschlag, weil dieselben — 
eine Ausgeburt der Hölle und ihr Inhalt unmora— 
isch sei und übergab sie später den verzehrenden 
Fiammen. Herr Lawrence strengte daraufhin eine 
—„chaden. rsatzklage gegen die Zolldirektion resp. die 
anadische Regierung an, wurde indeß in erster 
Instanz abgewiesen, da die Regierung in ihrer 
Vertheidigungsschrift geltend machte, daß diese 
Bücher ihres „unmoralischen und unanständigen 
Charakters“ wegen dem Gesetze gemäß der Be— 
schlagnahme verfielen. Da die Regierung aber auf 
Drängen des Herrn Lawrence einräumen mußte, 
daß die sämmtlichen Werke der beiden Geistes— 
heroen durch Prachtausgaben in der großen Parla— 
ments-Bibliothek zu Ottawa, der kanadischen Haupt⸗ 
tadt, vertreten wären, wird Herr Lawrence diesen 
jon der Regierung begangenen offenkundigen Wider⸗ 
pruch mit dem von ihr selbst angezogenen Gesetzes— 
aragraphen benützen, um gegen das erstinstanz— 
iche Urtheil zu appellitn. Man darf auf den 
chließplichen Ausgang des Prozesses gespannt sein.