Die bayer. Aerztekammern sind zu den Ver⸗
handlungen für as Jahr 1883 auf Dienstag, den
J. Oktober ds. Is. einberufen.
FSaargemünd, 8. Sept. Der landwirth⸗
schaftliche Kreisverein hierselbst hat, wie die „Saar⸗
zemünder Zeitung“ berichtet, sich auf Anregung
des Ministeriums mit der Frage beschäftigt, in wie
weit der von Dr. Nortih und Genossen im Landes⸗
ausschuß gestellte Antrag über Beschaffung
»on Geldmitteln für Landesmeliorati—
nen Berechtigung habe, und seine Ansicht hierüber
zahin geäußert, daß größere Grundbesitzer wohl aus
eigenen Mitteln Meliorationen vornehmen werden,
dagegen der kleinere Landmann, welcher in den
letzten Jahren durch schlechte Ernten in Rückgang
zekommen, sich schwer dazu verstehen wird, hypo⸗
hekarische Darlchen aufzunehmen. Es sei sehr
zweckmäßig, wenn der Staat, wie bisher auch ferner
in ausreichendem Maße Unterstützungen zu Melio—⸗
rationen gewähren, auch an bedürftige Gemeinden
Darlehen zum Ausbau von Feldwegen bewilligen
nöchte, welches zum Nutzen der einzelnen Land⸗
eute gereichen würde.
F Aus Rüdesheim wird geschrieben: Wohn⸗
ungen für die Zeit der Enthüllung des Niederwald⸗
Denkmals sind hier nicht mehr frei. Dagegen hat
sich hier im Auftrage des Festkomitees ein Wohnungs⸗
Ausschuß gebildet, der, unter Leitung des Herrn
Fduard Sturm stehend, Quartiere in den benach
zarten Orten vermittelt. Die Vermittelung geschieht
gratis. Eine reiche Anzahl von Quartieren mit
ungefähr zwölfhundert Betten ist angemeldet, auch
aus Kreuznach, wo jetzt die Kurzeit vorüber, und
vo jeder Komfort geboten wird. Da die Bahnen
ahlreiche Extrazüge stellen, um nach allen Seiten
hin den Verkehr nach Bequemlichkeit zu erleichtern,
so ist es das Rathsamste für diejenigen, welche noch
kein Quartier haben, sich an Herrn Sturm, den
Vorsitzenden des Wohnungs-Ausschusses zu wenden.
fStuttgart, 11. Sept. Sonntag Nacht
ereignete sich in der benachbarten Garnisonsstadt
Ludwigsburg ein beklagenswerther Vorfall. Drei
beim Bau der dortigen neuen Trainkaserne beschäf⸗
iigte Arbeiter, die sich in stark angeheitertem Zu⸗
tande befanden, reizten und neckten durch ihr un—
tatthaftes Gebahren, die bei den Proviantmagazinen
auf dem Jägerhofe aufgestellten Posten, welche ver⸗
zeblich die Ruhestörer zurechtzuweisen suchten. Von
dem Anführer einer gerade aufziehenden Patrouille,
dem Musketier Sauter vom 4. JInfanterieregiment
Nr. 122, entschieden zur Ruhe gewiesen und mit
Schießen bedroht, ging der Maurer Baumann so
weit, dem Sauter einen Schlag in's Gesicht zu
dersetzen, und ihm dabei höhnisch zuzurufen: „Du
dausbub', Du kannst ja gar nicht schießen, Du hast
a gar keine Patronen!“ und dann auszureißen.
Baumann hatte gedient und mochte glauben, daß
adach dem Reglement die Patrouillen keine Patronen
bei sich haben.) Aus Versehen hatte der wache—
führende Unteroffizier aber der Patrouille die Pa—
tronen nicht vorher abgenommen. Sauter rief dem
die Flucht ergreifenden Beleidiger mehrere Male
„Halt!“ zu, jedoch vergeblich, und nun schickte er
ihm eine scharfe Ladung nach, die Baumann durch
Rücken und Brust schlug und ihn saofort tödtete.
Sauter meldete den Vorgang auf der Stelle und
wurde mit dem wacheführenden Unteroffizier in den
Untersuchungsarrest abgeführt. Baumann hinterläßt
Frau und mehrere Kinder.
F(GEEinetheure Ohrfeige.) Ein Speise—
wirth zu Berlin verabreichte seinem Kellner eine
Ohrfeige. Der Schlingel stürzte sofort zu den
Beafsteak schmausenden Gästen und rief: Meine
Herren, lassen, Sie sich Ihr Pferdefleisch gut schmecken!
— Pferdefleisch? fragten die Gäste entrüstet und
legten Messer und Gabel nieder. — Ja, Pferde⸗
fleisch, kommen Sie mit mir in den Keller, ich will's
Ihnen beweisen. — Nach fünf Minuten war der
Speisesaal leer und blieb es bis heute; denn der
Wirth konnte nicht klagbar werden gegen den Keller.
durz, es war eine theure Ohrfeige.
— Professor Wollhuber schläft über der Lektüre
rines interessanten wissenschaftlichen Werkes, das er
Abends im Bett mit einer gewissen Regelmäßigkeit
zu studiren pflegt, ein, während das Licht auf dem
Nachttische fortbrennt. Es ist das nämlich sein
eigenes neuestes Buch, das er zu benutzen pflegt,
um sich einzuschläfern. In Folge einer unglücklichen
Bewegung des Schlafenden fängt aber die Rips—
jardine des Himmelbettes Feuer und beginnt unter
ürchterlichem Qualm zu verkohlen. Der Professor
»rwacht. sprinat empor und löscht den Brand durch
ebergießen mit dem Inhalt der Wasserflasche. Dann
üftet er und legt sich mit dem selbstzufriedenen
Ausruf wieder zu Bette: „Da sieht man, was
geistesgegenwart und Gewandtheit bedeutet, ohne
nich wäre ich jetzt erstickt!“
fF Ein Unfall, der große Aehnlichkeit mit
»em aufweist, welcher sich vor drei Jahren beim
kurnfest in Frankfurt ereignete, hat sich am 6. d.
N. in Brüssel zugetragen. Bei einem Feuerwerl
prang nämlich ein mit Raketen gefüllter Mörser;
jurch die weit fortfliegenden Eisenstücke wurden zwei
Personen getödtet und vier verwundet.
Wien, 10. Sept. Die Lokalchronik Wiens
st heute wieder um einen traurigen Fall bereichert
vorden. Fünf Menschenleben, eine Frau und vier
Zinder, sind der Katastrophe zum Opfer gefallen,
und die Mutter war es, welche das tödtende Gift
den Kindern gereicht, um das Leben derselben zu
ernichten, worauf sie selbst in den Tod ging. Der
Schauplatz des Ereignisses ist das Haus Nr. 32
)er Zollgasse am Neubau, wo heute früh um halb
3 Uhr die Vergoldersgattin Antonia Obrist mit
hren vier Kindern im Alter von 10 bis 18 Jahren
odt in den Wohnzimmern aufgefunden wurde. Alle
ünf Personen haben infolge einer Vergiftung durch
Fyankali den Tod gefunden. Folgende Einzelheiten
iegen Uber den Fall vor: In der Zollgasse Nr.
32 haben seit längerer Zeit der Goldarbeiter Florian
Ibrist mit seiner Frau und seinen vier Kindern
eopoldine (18 Jahre), Anton (17 Jahre), Marie
12 Jahre) und Richard (10 Jahre), eine im zweiten
ztockwerke gelegene Wohnung, welche aus Küche,
zorzimmer, zwei Wohnzimmern, einer Werkstätte
ind einem Magazin besteht, bewohni. Florian
Ibrist hielt einen Lehrjungen und einen Gehilfen,
ie außer dem Hause wohnten. Das Geschäft ging
edoch trotz der redlichen Bemühungen Obrists schlecht,
ind die Frau, welche dies schwer empfand, soll
rst dor kurzem gegen eine Hausgenossin geäußert
aben: „Wenn das so fortgeht, so werden Sie
ehen, daß ich und meine Kinder keines natürlichen
'odes sterben.“ Gestern Nachmittag verließ Florian
Obrist seine Wohnung und kehrte Abends um 10
Uhr nach Hause zurück. Er pochte wiederholt an
die Thür, ohne daß ihm geöffnet wurde: und ver⸗
ieß dann das Haus. Heute früh halb 8 Uhr be—
zab er sich wieder in seine Wohnung, vor welcher
x bereits den Lehrjungen traf der vergebens durch
Läuten und Klopfen Einlaß zu erhalte suchte. Da
ziese Versuche erfolglos blieben, wurde durch einen
Schlosser die Eingangsthür geöffnet, und jetzt fand
man in dem einen Wohnzimmer, welches gewöhn⸗
lich auch dem Goldarbeiter, seiner Frau und deren
süngsten Tochter Marie als Schlafzimmer diente,
die Frau und ihre vier Kinder todt. Die Frau
ind ihr ältester Sohn Anton lagen auf dem Fuß⸗
„oden, Leopoldine und Marie im Bette, Richard
uuf dem Sopha. Auf dem Tische lag ein von der
Nutter und den beiden ältesten Kindern unterfer⸗
igtes Schreiben, in welchem sie erklärten, sich frei⸗
villig wegen der traurigen finanziellen Lage, in der
ich die Familie befände, das Leben genommen zu
saben. Photographieen der Eltern und Kinder
agen zerstreut im Zimmer umher. Die Familie
Ibrist war früher wohlhabend, infolge des immer
chlechtern Geschäftsganges gerieth Florian Obrisi
n Schulden, welche erst kürzlich eine Pfändung zur
Folge hatten, deren Vornahme in den uächsten Tagen
zu gewärtigen war. Dieser Umstand dürfte haupt⸗
ächlich die Frau mit ihren Kindern, denen sich
zierdurch eine traurige Aussicht in die Zukunft er—
zffnete, zur Verzweiflung getrieben haben.
F Die beiden Geschwister des auf Ischia ver⸗
unglückten Malers Ginsberg, dessen Hinterlassenschaft
ich auf 800 000 M. beläuft, haben den Betrag
»on 100 000 M. zu einer Stiftung für nothleidende
dünstler bestimmt. Von den Zinsen dieser 100 000
M. sollen Künstler in Berlin, München und Wien,
in welchen Orten der Verstorbene gelebt hat, unter—
tützt werden.
Am 8. ds. Mis. trat in Rom unter dem
borsitze des Ministers der öffentlichen Arbeiten Ge—
jala, der Oberbaurath zusammen, um über die
Art des Wiederaufbaues von Cassamicciola anf
IFschia zu verhandeln. Einstweilen wurde beschlossen,
»aß nur einstöckige massive Häuser aus Steinen
nit Mauern von nur vorgeschriebener Dicke errichtet
verden dürfen, daß, falls ein zweiter Stock gebaut
verden soll, derselbe nur aus Holz oder Eisen be—
tehen kann. Weitere Entschließungen des Ober⸗
auraths stehen bevbor. — Die Schäden auf Ischia
ind ießt vom Komitee auf 8 Millionen festaestellt.
New-Pork, 28. August. Ueber den Em
afang der Villard'schen Gäste in New· dor
zerichtet Rich. Gördeler der Münchener ail
Zztg.“ folgendes: Nach einer stürmischeren den
als man sie zu dieser Zeit erwarten durfte, lief de
Dampfer „Elbe“, welcher die zur Eroöffnung de—
NRorthern⸗Pacific⸗Bahzn geladenen Gäste an XR
hatte, am 25. August im Glanz der Morgensonn,
in den Hafen von New⸗NYork ein. Vergessen wa
der schreckliche Sturm vom 19., vergessen di
Schrecken der Seekrankheit, und alle standen erwar
rungsvoll auf Deck, um das wunderbare Land, von
dem sie schon so viel gehört, nun auch mit eigener
Augen zu schauen. Die deutsche Flagge, und un
zählige bunte Wimpel flatterten lustig im Wind
zie Musik spielte einen kriegerischen Marsch, um
om Ufer wurden Taschentücher geschwenkt, vom
Dampfer aus der Gruß erwidert. Langsamer um
angsamer wurde der Lauf, jetzt fiel die Vrücke, un
im nächsten Moment begrüßte Herr Henry Villatd
die vom ihm geladenen Gäste auf amerikanischen
Boden, um sie dann nach dem Hotel Brunswia
zu führen, wo ein splendides Gabelfrühstück ihre—
vartete. An diesem Imbiß nahmen außerdem noch
darl Schurz, Eduard Lasker und viele hervorragend⸗
)eutsche Geschäftsleute der Stadt New-NYork iheil
Der Nachmittag war der Besichtigung der Meiro—
»ole gewidmet, wobei die Brooklyner Brücke die
neiste Anziehungstraft ausübte. Abends 7 Uhr
'and in den glänzenden Räumen des „Union League
Tlub“ ein Diner statt, dessen Menu alles üherbot,
vas der verwöhnteste Gaumen nur etwartet hatte.
Der folgende Tag war ein Sonntag, und da die
Amerikaner es verstehen, sich und aller Welt diesen
Tag so recht von Herzen zu verleiden, so hatte
Präsident Villard einen Dampfer in Bereisschaft,
der die Herren zu einer Fahrt auf dem Hudson
der Stadt entführen sollte. Lustig wehte die schwarz—
weiß⸗ rothe Fahne im Wind, lustig tönten die Weisen
des prachtvollen Orchesters, lustig klangen die Gläser
im Salon, man plauderte von der alten und neuen
Welt, und Villard mit seinen alten Freunden von
vergangenen Tagen. In West-⸗Point hielt man an
und bestieg bereit stehende Wagen, um nach de—
Tadettenanstalt und den schönsten Punkten zu fahren.
dann ging es nach New-York zurück, wo man
Abends 9 Uhr eintraf. Montag war der anstreng
ndste Tag. Morgens 10 Uhr fuhren sämmtlicht
Herren nach Tarrytown am Hudson, wo Equipagen
bereit standen, zu einem Ausflug in die Umgegend
Man besuchte Sunnyside, den Landsitz des Dichters
Washington Irving, die große Besitzung des Eisen
»ahnkönigs Jay Gould und das Denkmal des Ma⸗
ors André, der im Unabhängigkeitskrieg als Spion
rschossen worden war; dann ging es nach der Villa
Billards bei Dobbs Ferry. Als die feurigen Rosse
zurch die Einfahrt flogen, ertönte von einem im
Bebüsch verborgenen Orchester Mendelssohn's Hoch⸗
eitsmarsch, und nun stellte Herr Villard die deut⸗
chen Ehrengäste den anwesenden Damen vor, vor
illem seiner Gemahlin, der einzigen Tochter det
edlen William Lloyd Garrison, der einst so mannes
nuthig für Aufhebung der Sklaverei gestritten hatte
ind seiner lieblichen Tochter. Man dejeunirte an
tleinen Tafeln auf der Veranda und underhielt sich
höchst animirt und zwangslos, bis die Wagen vor⸗
fuhren, um die Gäste nach dem Bahnhof zu führen.
Programmäßig hätten alle um halb 7 Uhr nach der
Liederkranz-Halle gehen sollen, um dort zu essen;
aber man gedachte der Anstrengungen des Abends,
die noch beborstanden, und ging wohlweislich in'
Hotel, um dort sich durch ein Bad zu erfrischen
ind den Staub der Fahrt los zu werden. In der
Zwischenzeit hatte sich der deutsche Liederkranz, 1500
Mann siark, im großen Ballsaal seines neuen Ver—
einslokals an langen Tafeln versammelt, und ein
brausendes Hurrah erscholl, als der Präsident, Hetr
Wmm. Steinway, uͤnd die Herren vom Comitee mi—
den 30 Gästen erschienen und an der obersten Tafe
Platz nahmen. Herr Steinway, der eine überau—
hjerzüche Ansprache gehalten halie, ließ nun nach
allen Regeln der Kuͤnst einen musikalischen Sala—
nander reiben, worauf Professor Gneist in pahsen
der Weise seinen Dank abstattete. Großen Eindru⸗
machte die Rede von Karl Schurz, der die Versamm
ung daran erinnerte, wie descheiden und gedudt sich
die Deutschen im Ausland gefüuͤhlt hätten, bis plöß
lich in den Jahren 1870 und 1871 die Helmspiße
der Germania siegesleuchtend über den Ozean wunn
ind er sprach den Wunsch aus, daß —
nie wieder so bescheiden wie früher, sondern fest un
elbstbewußt aufireten möge. damit seine Söhne im