Full text: St. Ingberter Anzeiger

ʒtatt gehabten Schwurgerichtssession war ein im 
juschauerraum anwesender hiesiger Väckermeister mit 
In Wahrspruch der Geschworenen — welche das 
Schuldig über einen wegen Sittlichkeinsverbrechens 
ingetlagten hiesigen Bürger aussprachen — nicht 
jnerstanden, und nach beendigter Verhandlung gab 
im Korridor seiner Meinung einen beleidigenden 
jusdruck, indem er rief: „Woher kommt's? Weil 
zuler Bauernstoffel d'rin sind!“ Sänmmtliche Ge⸗ 
hworenen stellten Strafantrag. Das Schöffenge⸗ 
acht verurtheilte heute den ungestümen Kritiker zu 
Tagen Gefängniß. 
Nürnberg, 12. Sevt. Wegen Betrugs, 
interschlagung und Vergehens wider die öͤffentliche 
IAdnung hatte sich heute vor der Strafkammer da⸗ 
zier der geprüfte Gerichtsvollzieheramtsbewerber 
Ichann Storck von Mutterstadt (Pfalz) zu verant⸗ 
Jrten. Storck war als Gehilfe bei Gerichtsvoll⸗ 
ieher Gottsmann dahier thätig und hatte einer hie⸗ 
igen Geschäftsfrau, welcher er einen Zahlungsbe⸗ 
mIl zuzustellen hatte, vorgespiegelt, er sei der Ver⸗ 
veser des G. und als solcher zur Empfangnahme 
on Geldern berechtigt. Er erhielt darnach von der 
Frau den angefordertea Betrag von 235 M. und 
erputzte das Geld. Auf gleiche Weise brachte er 
inen armen Taglöhner um 5 M. und ferner erhob 
bei der Post 5 M. im Namen G., ohne dazu 
suftrag zu haben. Bei dem frechen Benehmrn und 
zeugnen, welches der Angeklagte in der heutigen 
herhandlung an den Tag legte, ging der Gerichts 
sof über die beantragten 5 Monate Gefängnis hinaus 
ind verurtheilte Storck zu 7 Monaten Gefängnis 
owie in die Kosten. 
4 Lisdorf bei Saarbrücken, 15. September. 
gestern Nachmittag 4 Uhr wurden eine beim Pflügen 
seschäftigte Frau und 2 Pferde vom Blitze erschlagen. 
die Frau ist Mutter von 7 unerzogenen Kindern. 
p Nach einer Mittheilung des „B. T.“ stände 
ie Verstaatlichung der hessischen Ludwigsbahnstrecke 
von Mainz bis zur pfälzischen Grenze un— 
nittelbar bevor. Das Angebot der preußischen Re— 
zierung soll auf 3)3 pCt. Rente — 5 pCt. Prämie 
auten. 
— Festlied zu der am 28. September 1883 
tattfindenden Einweihung des National-Denkmals 
auf dem Niederwald. 
(Bekannte Melodie.) 
(Aus der Köln. Ztg.) 
Dort, wo der Vater Rhein mit feinen Wellen 
des Niederwalds belaubte Höhen grüßt, 
dort, wo die Rüdesheimer Trauben schwellen 
Und Aßmannshäuser Most in Strömen fließt: 
Victoria, Victoria! 
Wie herrlich stehst du da, 
Du schönes Weib, Germania! 
Ddein Auge blickt hinaus auf die Gefilde, 
Dahin dich einst die Kriegstrompete trieb. 
Fs strahlt so siegesstolz und doch so milde! 
Kein finstrer Groll zurück im Herzen blieb. 
Victoria, Victoria! 
Wie herrlich stehst du da, 
Du mildes Weib, Germania! 
du hälst empor die deutsche Kaiserkrone, 
fin Unterpfand, erkämpft in heißem Strauß, 
daß Einigkeit in deutschen Lande wohne. — 
KHott schirme Kaiser Wilhelm und sein Haus! 
Victoria, Victoria! 
Wie herrlich stehst du da, 
Du starkes Weib, Germania! 
Friedrich van Hoffs. 
Aus dem Oberbergamtsbezirk Dortmund, 
3. Sept. Wiederum haben sich im hiesigen Be— 
rrke zwei größere Grubenunglücke ereignet. Auf 
er Zeche „Germania“ verunglückten infolge Ex— 
Nlosion schlagender Wetter drei Arbeiter und blieben 
odt. Einer der drei hatte, wie die amtliche Unter— 
uchung ergeben hat, die verschlossene Sicherheits— 
ampe geöffnet, indem er den Schröder'schen Plomben⸗ 
erschluß durchschnitt, um sich seine Pfeife anstecken 
u können. Der Leichtsinnige hat diese That mit 
em Leben büßen müssen, aber zwei Unschuldige 
nit in den Tod gerissen. — Auf der Zeche „Ge⸗ 
eral Blumenthal“ im Reviere Reclinghausen 
utstand gestern Abend eine Explosion schlagender 
hetter, durch welche neun Arbeiter mehr oder minder 
hwere Brandwunden erlitten. Bis heute war noch 
einer der Verunglückten gestorben, wenn auch leider 
icht anzunehmen ist, daß sämmtliche mit dem Leben 
abon kommen. Die genannte Zeche hat übrigens 
gel mit schlagenden Wettern zu kämpfen. 
F Vor kurzem hat man in Osnabrück mit 
der Pfennigsparkasse die Ausgabe von „gesperrten“ 
Sparkassenbüchern verbunden. Ueber diese EKinrich— 
ung theilt nun das „Frankf. Journ.“ folgendes 
henauere mit: In ein „gesperrtes“ Sparkassenbuch 
'önnen bei der Kasse, die solche Bücher ausgibt, zu 
eder Zeit und in jedem Betrage Spareinlagen ge— 
nacht werden, eine Zurücknahme der Einlagen kann 
iber nicht vor dem Termin stattfinden, den der Ein⸗ 
eger freiwillig bei der ersten Einlage selbst bestimmt. 
Dieser Termin wird dann von der Direktion der 
S„parkasse in dem Buche deutlich vermerkt und das 
X 
diese Einrichtung? Sie will den Einlegern Gelegen⸗ 
seit geben, von langer Hand her und ohne merk⸗ 
iche Schwierigkeiten durch Hinterlegung vieler kleiner 
zeträge größere Summen für eine bestimmte Zeit 
zu sammeln. Solche Termine, in denen man größere 
Zummen nothwendig bedarf, treten mehr oder weniger 
in jede Familie heran. Man denke nur daran, 
aß Kinder confirmirt, die Söhne Soldat werden 
nüssen, daß ein eigenes Geschäft oder eigener Herd 
u gründen ist. Oft genug ist auch ein Capital 
mn einem Grundstücke abzuzahlen, was mit Leichtig⸗ 
eit geschehen könnte, hätte der Besitzer sich durch 
rkinlagen auf ein „gesperrtes“ Sparkassenbuch im 
ꝛaufe der Zeit vorbereitet. Die Mütter würden 
ich die Sorgen bei der Verheirathung ihrer Töchter 
edeutend erleichtern, wenn sie frühzeitig Spargroschen 
auf „gesperrte“ Sparkassenbücher hinterlegten. Die 
dehrmeister sollten dafür sorgen, daß ihre Lehrlinge 
Heschenke und sonstige kleine Verdienste sofort auf 
gesperrte“ Sparkassenbücher für künftige Zeiten 
estlegen. Wie mancher Geselle verthut seinen ganzen 
dohn oft genug in völlig unnützer Weise, und hinter⸗ 
jer fehlt es, wenn er Soldat werden muß oder ein 
heschäft anfangen will. Dasselbe gilt leider von 
o vielen Dienstboten. Dann wird mit Schulden 
n die Ehe gegangen und damit der Grund zu fort⸗ 
zauernder Armuth, Noth und Sorge gelegt. Hier 
s'ollten Meister und Meisterin ihren Einfluß geltend 
nachen, hier sollten die Herrschaften kräftiger ein⸗ 
zreifen. Diese Idee fördern, heißt mithelfen an der 
Lösung der sozialen Frage. 
FBerlin, 14. Sept. (Ein glücklicher Finder.) 
Fin vergrabener Schatz, der durch den Schneider⸗ 
neister Gensich auf dem Grundstück des Eigen⸗ 
hümers Dirksen in der Heinersdorferstraße gehoben 
vurde, war von so seltsamer Beschaffenheit, daß er 
dem glücklichen Finder nicht nur keinen Finderlohn 
eingebracht, sondern auch noch Anlaß zur Einlei— 
tung eines gerichtlichen Verfahreus gegeben hat. 
Als Herr Gensich an dem Glückstage sein auf dem 
zenannten Grundstücke befindliches Karioffelfeld be— 
lellen wollte, stieß er auf einen dort vergrabenen 
Beutel, der anscheinend eine stattliche Geldsumme 
enthielt, denn es klimperte ganz anmuthig, als er 
uns Tageslicht befördert wurde. Leider mußte Herr 
Hensich die Erfahrung machen, daß nicht Alles Gold 
st was glänzt, denn der Inhalt des Beutels be⸗ 
and aus 123 — falschen Thalern, die allem An⸗ 
cheine nach schon längere Zeit an der Fundstelle 
selegen hatten. Der „glückliche“ Finder mußte unter 
iesen Umständen von vornherein jeden Anspruch 
uuf Finderlohn bei Seite setzen und es blieb ihm 
nichts weiter übrig, als das Geld nach der Polizei 
u tragen, auf deren Veranlassung die II. Ferien- 
trafkammer hiesigen Landgerichts J. die Einziehung 
zes falschen Geldes verfügte. 
F (Auszeichnung.) Dem durch seine Afri⸗ 
areise berühmt gewordenen Secondelieutenant Wieß⸗ 
nann vom großherzoglich Mecklenburgischen Füsi— 
ierregiment Nr. 90 ist der großherrlich türkische 
Medschidje⸗-Orden vierter Klasse verliehen worden. 
FGeues Repetirgewehr.) Franz v. 
Dreyse in Sömmerda erhielt, wie man der „Tägi. 
st.“ schreibt, soeben ein Patent auf einen Repetir— 
nechanismus für Gewehre mit Cylinderverschluß 
ind unter dem Laufe liegendem Magazin. Als 
horzüge der neuen Konstruktion erwähnt der Er— 
inder, daß man den Mechanismus während des 
Feuerns unter Benutzung desselben sofort auswirken 
ind wirken lassen könne, ohne Schloß und Mecha— 
nismus zu stören, daß man, wenn die Patronen 
»es Magazins verschossen sind, das Gewehr ohne 
Verlust von Zeit als Einzellader benutzen könne; 
undlich, daß die Patronen des Magazins in jeder 
dage des Gewehres sicher in das Patronenlager be— 
ördert werden, mag das Gewehr mit der Münd— 
ing senkrecht, nach oben oder unten oder in wage— 
echter Stellung oder endlich mit der geöffneten 
Zatroneneinlage nach unten gekehrt sich befinden. 
Das Patronenmagazin ist unter dem Luufe ange⸗ 
ordnet und nimmt z. B. beim Infanteriegewehr 
M71 acht Patronen auf, welche dem Mechanismus 
durch eine Spiralfeder zugeführt werden. 
* (Reichsgerichs-Entscheidungen.) 
Fine für die Creditverhältnisse, insbesondere für 
den kaufmannischen Creditverkehr sehr demerkens⸗ 
werthe Entscheidung ist vom Reichsgericht, II. Straf⸗ 
senat durch Urtheil vom 1. Juni 1883 gefällt 
vorden. Hiernach kann die unwahre Erklärung 
eines Creditsuchenden, daß er „ein sicherer Mann“ 
ei, seine Bestrafung wegen Betruges zur Folge haben. 
kbenso würde sich ein Creditsuchender des Betruges 
chuldig machen, welcher, auf das Befragen des 
Treditirenden nach seiner Vermögens⸗ und Geschäfts- 
lage, unter Darlegung der ouf eine günstige Ver— 
moͤgenslage hinführenden Momente ungünstige Um— 
tände geflissentlich verschweigt. 
— Der, auf der berühmten Werft von Laird in 
Birkenhead gebaute, und im August vom Stapel 
gelassene Dampfer Wester nland von der Red 
Star Linie in Antwerpen ist der größte, bis 
jetzt an der Mersey gebaute Dampfer. Der Western⸗ 
land ist von Stahl, mit 4 Decks und 4 Masten, 
circa 5500 Tons groß, bei 4000 Pferdekraft; seine 
Dimensionen sind in engl. Fuß: Länge 455', Breite 
17, Tiefe 360, und er wird 180 Cojüten⸗ und 
200 Zwischendeckspassagiere nehmen können. Das 
S-chiff hat elektrisches Licht und für Sicherheit und 
Tomfort sind die neuesten Erfindungen und Erfahr⸗ 
ungen verwendet worden. Die erste Reise nach 
New-PYork wird von Antwerpen gegen Mitte Ok⸗ 
sober stattfinden. Der Stapellauf des Schwester⸗ 
chiff der Westernland, die Noordland, welche eben⸗ 
alls bei Laird für die Red Star Linie gebaut 
vird, soll im Oktober staitfinden, und die Indienst⸗ 
tellung zu Anfang des kommenden Jahres. 
(Oel und Butter.) TFin in Italien reisender 
Deutscher machte seinem Wirthe Vorwürfe, daß alle 
Speisen mit Oel zubereitet wären, während doch 
die Butter viel besser schmecke. „Ja, Excellenza, 
aber das Oel ist doch viel edler. Hat man zum 
Beispiel gehört, daß bei der Krönung in Moskau 
der Czar mit Butter gesalbt worden wäre?“ 
GOriginelles Grabdenkmal.) Im 
nördlichen Theile des Staates New⸗York starb eine 
alte Frau und wurde beerdigt. Lange überlegte 
der hinterbliebene Gatte, wie er das Andenken der 
Seligen am zweckmäßigsten ehren könnte. Schließlich 
etzte er den Ofen, an welchem er sich so oft mit 
der Dahingeschiedenen gewärmt hatte, als Monu⸗ 
ment auf das Grab der Gattin, der theuren. 
F Eine eigenthümliche Hochzeit fand 
»origen Monat auf der Bühne des Buckingham— 
Theaters in Louisville (Ver. Staaten) statt. Mr. 
John Zmaris, besser bekaunt als „Major Mite“, 
30 Jahre alt und 42 Zoll hoch, wurde mit Miß 
Marie Nail, 32 Jahre alt und nur 31 Zoll hoch, 
keierlich getraut. Dieses Zwergenpuar, welches 
nehrere Jahre hindurch die ganze Welt bereiste, 
verliebte sich in einander vor drei Monaten in 
Pittsburg. Anläßlich dieser Bühnenhochzeit hatte 
ich ein zahlreiches Publikum in dem Theater ein⸗ 
sefunden. Um 9 Uhr wurde der Vorhang in die 
doͤhe gezogen. Die Bühne war für den Zweck 
n einen eleganten Salon verwandelt worden. Nach⸗ 
»em ein Lied „The Marriage Bills“ gesungen 
vorden, kam Richter H. B. Hoke vom Probate— 
Tourt in Salontoilette auf die Szene. Ihm folgten 
die Brautjungfern. Die kleine Braut erschien in 
einem weißen Atlaskleide mit langer Schleppe und 
inem Perlenhalsband. Ein langer Schleier, mit 
Drangeblüthen durchwoben, fiel graziös über ihre 
—Schultern bis zum Boden hinab. Ihre niedlichen 
hdände steckten in weiße Glacéhandschuhen mit vier⸗ 
ehen Knöpfen, und ihre Füße in weißen Atlas⸗ 
chuhen (Kindergröße Nr. 6). Der Bräutigam trug 
)en herkömmlichen schwarzen Anzug mit Lackstiefeln 
ind weiße Handschuhe. Kurz nach 9 Uhr kam die 
Tochter des Direktors auf die Bühne mit der Hei— 
cathslicenz, welche sie dem Richter überreichte, der 
zjierauf den Trauungsakt vollzog und am Schlusse 
herselben die Braut küßte. Dann fiel unter dem 
stürmischen Applaus der Zuschauerschaft der Vorhang. 
F (Ein vorsichtiger Arzt.) Ein Blatt 
in Texas bringt folgende ergözliche Geschichte eines 
der experimentirenden Schule der Medicin ange— 
hörenden Arztes. Eine Frau kam zu einem nam— 
haften Doktor und bat um ein Mittel gegen Rheu— 
natismus. Der Arzt verschrieb etwas und sagte: 
dassen Sie das in der Apotheke machen und reiben 
Zie Ihrem Manne den Rücken damit gehörig ein.