Full text: St. Ingberter Anzeiger

Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
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1092. Dienstag, 2. Oktober 1888. 
—18. Jahrg. 
* Gallisches Gift. 
Es ist uns wohl bekannt, daß die Mehrheit 
e Franzosen oder doch deren größere Hälfte nicht 
i Deutschfresser und Kriegsschreier sind, wie es 
ns die von den pariser Heißspornen geleitete 
sinorität glauben. machen will. Der französische 
der richtiger gesagt pariser Chauvinismus ist aber 
giftiger, fanatisch feindseliger, aufreizender und 
abei sogar ansteckender Natur, daß er im Stande 
ein kann, das ganze französische Volk in eine 
linde, nationale Wuth zu hetzen. Das Aussäen 
— 
uch von der pariser Hetzpresse bei jeder noch so 
inpassenden Gelegenheit in so frecher, cynischer 
Leise betrieben, daß man deutlich merkt, daß 
czystem und Ziel in diesen gehässigen Ausfällen 
iegt und gegenwärtig liefern die pariser Chauvinisten 
n dieser Richtung etwas ganz Außerordeutliches. 
Zunächst hat ihnen die Enthüllung des National 
entmals auf dem Niederwalde Gelegenheit gegeben 
zift und Galle, Hohn und Spott über deutsch- 
ands angebliche Prahlsucht und das unerhörte Glück 
r „Prussiens“ auszugießen. Die betreffenden 
Stellen aus französischen Zeitungen wollen wir 
us Rücssicht auf die patriotischen Gefühle, welche 
ie Nationalfeier in Deutschland erweckt hat, hier 
ücht citiren, erwähnen auch, daß einige französisch 
‚eitungen mit Würde und Zurückhaliung die Ent— 
üͤllungsfeierlichkeiten des Denkmals auf dem Nieder— 
nulde besprochen haben. — Geradezu unerhört sind 
ndessen die giftigen Ausfälle, weiche die Pariser 
Jatter anläßlich der Anwesenheit des Königs von 
hanien in Deutschland und seiner Reise durch 
daris vollbracht haben. Nach dem „Ebénémem 
iel König Alfons in die Schlinge Bismarcks. Das 
noße germanische Raubthier machte sich klein und 
hmeichelte sich wie eine Katze bei dem unktlugen 
Ufons ein. Der „Gaulois“* verlangt, daß der 
lnig von Spanien in Paris nur im Civilanzuge 
cheine, denn die spanische Uniform habe seit 
nigen Jahren die preußische Pickelhaube adoptirt 
ind schon der bloße Anblick einer solchen beleidige 
ie Gefühle der Franzosen. Das „Sideile“ schreibt: 
Um die Franzosen zu ärgeru, ernannte detr Kaiser 
dilhetm den Konig Alfons don Spanien zum 
hef der „Straßburger Ulanen“, der Blüthe der 
etmanischen Urbanität!“ — Wir müssen zur Auf⸗ 
aͤrung einschalten, daß es „Straßburger Ulanen“ 
berhaupt nicht giebt, sondern daß es das schleswig⸗ 
ueinische Uütanen ⸗ Regiment Nr. 15 istwelches 
user Wilhelm dem Koönige von Spanien ver— 
ehen hat, und das nur seine zeitweise Garnison 
Straßburg hat. Der „Radikal“ bemerkt: 
enn der König Alfons nach Titel und Abzeichen 
begierig ist, so soll ihm der Präsident Grevh 
Titel „Thürsteher im Elysée“ verleihen.“ — 
smit will der „Radikal“ seine Verachtung vor 
— Monarchen kumdgeben, die bei der französischen 
publik zu antichambriren im Vorgimmer zu 
auten haben. — Die „Francé“ verlangt, daß 
nder Ankunft des Königs Alfons in Paris di 
Angerschaft Zurückhaltung bewahren, aber vor 
n Standbilde der Siadt Siraßburg auf dem 
n dierzolatze eine nationale Kundgebung ver⸗ 
bten solle. — Das Evénsment schrebt an einer 
en Stelle, wenn König Alfons sich zu Deutsch⸗ 
* neige, so werde er bald aus Spanien vei— 
werden, dann könne er deutscher Ulanenoberst 
Inees werden, nachdem er jetzt solcher zum 
uß geworden sei. Die frauzosischen Regier⸗ 
ungsblätter suchen die Aufregung der Pariser zu 
heschwichtigen und schreiben, daß die Ernennung 
—— 
politische Bedeutung habe, sondern nur eine Sitte 
der Höflichkeit unter befreundeten Monarchen sei. 
Aber trotzdem finden die Ausbrüche des Hasses und 
der Verleumdung gegen Deutschland und den König 
Alfons in der Mehrheit der Pariser Zeitungen 
ihren Fortgang. In Haß, Wuth und nationaler Eitel 
seit sind die Franzosen, soweit sie den chauvinistischen 
Hetzereien zugänglich sind, genau noch dieselben 
vie vor dem letzten deutsch-französischen Kriege und 
es ist hohe Zeit, daß sich einmal der besonnene 
Theil der Franzosen energisch gegen die das gute 
Verhältniß zwischen Frankreich und Deutschland zu 
hergiften drohenden Verleumdungen und Feindselig 
eiten der Pariser Hetzparteien wende. 
wir dies unerhört; der Bezirks-Ingenieur T. in 
K. soll sich auf über 8000 M. stellen, ein anderer 
bezieht per Monat nahezu 600 M. Wie armselig 
nehmen sich gegen die Einkünfte der reichen Herren 
die Gehälter der meisten Stationsbeamten und des 
Zagpersonals aus! Daß jüngere Beamten gleicher 
Kategorie mehr Gehalt haben als ältere, soll auch 
keine Seltenheit sein. Rühren darf sich aber nie— 
mand, sonst erhält er erst recht nichts; überall 
Willkür und Gunst! 
Von patriarchalischem Geiste zeigt die Sorge 
für die Nachkommen. Zwei Schwiegersöhne des 
Direktors sind in hohen Stellungen (wenn wir gleich 
gegen die Herren persönlich nichts einzuwenden ha⸗ 
ben), und diverse Schwiegersöhne eines anderen 
Direktionsrathes auf sehr guten Posten, zeugen von 
väterlicher Fürsorge. Auch hat man für den Schwieger⸗ 
sohn eines anderen Ressortvorstandes eine Stelle 
mit zirka 5000 M. Nebenbezügen als Unikum ge— 
schaffen, kurz, wem man nicht wohl will, der bleibt 
einfach links liegen. 
Uns wundert nur, daß sich die Mehrzahl des 
pfälzischen Personals noch nicht dem roten Sozialis- 
mus in die Arme geworfen. Die Behandlung soll 
odon Seite gewisser Herren auch nicht sehr liebens— 
noürdig sein und es werden in dieser Richtung recht 
nette Szenen erzählt. 
Eine merkwürdige Einrichtung besteht zur Bequem⸗ 
lichkeit des Oberbetriebsinspektors, der aber nie auf 
die Strecken kommt. Wir meinen die der Betriebs⸗ 
donrroleure, welche wir indes vorläufig roch bei 
Ab 
Wir zweifeln nicht, daß, wenn es zur Ver— 
handlung in der Kammer kommen wird, wir De—⸗ 
tails erfahren werden, welche unseren Ausspruch 
rechtfertigen, daß die Uebernahme der Pfalzbahr 
bvom moralischen Standpunkt ebenso nöthig ist, als 
ausffinanziellen und politischen Gründen. (Der „N ürn⸗ 
berger Anzeiger,“ dem wir Vorstehendes 
entnehmen, fügt noch bei: Es darf auch nicht vergessen 
werden, daß der Staat durch die Aufzahlung von 
90/0 finanziell an Pfalzbahnen interessiert ist und 
dieser Zinsfuß, sehr nahe an den durch das Wucher⸗ 
geĩetz verpönten streift.) 
Der Herr Staatsminister des Innern, Frhr. v. 
Feilitzsch, hat einen Gesetzentwurf, betr Hagel⸗ 
versicherungsanstalt, auf dem Prinzip der 
Gegenseitigkeit ruhend, dem Landtag vorgelegt. 
Baden-Baden, 30. Sept. Um 11 Uhr 
fuhren die Fürstlichkeiten zur Gratulationscour bei 
Ihret Majestät der Kaiserin auf. (Dieselbe begeht 
ihren 72. Geburtistag.) 
Berlin, 1. Oktt. Prinz Wilhelm ist zum 
Commandeur des ersten Bataillons 1. Garderegi⸗ 
ments zu Fuß ernannt worden. 
Kaiser Wilhelm hat durch Handschreiben, 
welches der Oberpräsident der Provinz Hessen⸗ 
Nassau veröffentlicht, für den ihm in Homburg 
d. d. H. und der Umgegend bereiteten Empfang 
und die herzliche Begrüßung, sowie für die ent⸗ 
gegenkommende Aufnahme der Truppen seitens der 
Bevölkerung Dank und Anerkennung ausgesprochen. 
Ausland. 
Pest, 29. Sept. Die deutschen Studenten 
Prags sendeten zum Niederwaldfest ein Be— 
grüßungs-Telegramm, in welchem sie die Hoffnung 
ausdrücken, daß das Gefühl unlöslicher Zusammen— 
gehörigkeit aller Deutschen neu gestärkt erblühe. 
Paris, 29. Sept. Gestern begaben sich un⸗ 
gefähr 1000 Personen nach dem Eintrachtsplatze 
und legten Blumensträuße an dem Standbild der 
Volitische Uebersicht. 
Deutsches Reich. 
Muünchen, im September. In den sehr gur 
und sachgemäß behandelten Artikeln des „M. F.“ 
ist der rechnerische Werth der Verstaatlichung der 
Pfalzbahnen klar nachgewiesen. Wir wollen ver⸗ 
suchen, darzulegen, daß der Staat auch die mora— 
iche Verpflichtung hat, die Pfalzbahn zu übernehmen, 
um dadurch einem Staat im Staate zum wohlvber⸗ 
dienten Ende zu verhelfen. Wer die Verhältnisse 
in der Pfalz nur einigermaßen kennt, der muß 
wissen, daß die Eisenbahndirektion in Ludwigshafen 
eine Gewalt ausübt und sich über ungeahnte Ver— 
hältnisse erstreckt, wie sie die kgl. Staatsregierung 
nicht hat. Es ist keine Kleinigkeit, über ein Per— 
sonalmaterial von ca. 3000 Menschen absolute Ge— 
walt zu haben und daß diese Gewalt ausgeübit 
vird, ohne daß sich die Betroffenen beschweren 
önnen, ist Thatsache, traurige Thatsache. Wir 
wollen uns vorläufig nicht auf Details einlassen 
doch sind wir zur Hand, wenn es gilt. Wenn das 
erst kürzlich so belobte und in der That tüchtige 
Personal des pfälzischen Fahrdienstes in seine 
zroßen Mehrheit sehnlichst den Uebergang an den 
Staat wünscht, so hat es hiezu sehr gewichtige 
ßründe, welche die kleinen Vortheilce, als Genuf 
von Freikarten für die Angehörigen und frachtfreier 
Bezug von Kohlen nicht aufwiegen. Das Personal 
weiß ganz genau, daß es diesen Vortheil nur des— 
halb hat, damit die Herren in Ludwigshafen ihn 
haben können. Mit einem Wort, das Personal in 
einer großen Mehrheit sehnt hinaus sich, aus dem 
Denunzianten- und Spitzelthum in geordnete, recht 
iche Zustände; es möchte auch denselben Rechts 
chutz genießen, wie die Staatsbahnbediensteten. denr 
sie haben auch dieselben Pflichten. 
Auch pekuniär ist die große Mehrzahl der pfäl— 
zischen Beamten schlechter gestellt, als beim Staat. 
Ein Gehaltsstatus ex istiert zwar, ob er aber einge⸗ 
jalten wird, ist eine andere Frage. Die Oberbe 
imten natürlich erfreuen sich Gehälier, die sich kgl 
Staatsbeamten nicht träumen lassen, abgesehen von 
iversen Nebenbezügen, von denen sich die königl. 
Staatsregierung durch ihre Revisionen wohl über—⸗ 
zeugt haben dürfte. Verklausulierungen solcher 
Bezüge könnten aber durch direkte Nachfragen bei 
den Auszahlungsstellen am sichersten aufgedeckt wer⸗ 
den. Wenn z. B. ein Strecken- oder Bezirks-In⸗ 
zenieur in der Pfalz schon an 5000 M. Gehalt 
bezieht und nebenbei noch für Steinbruchverwaltung 
rgend eines Bruches in seinem Bezirk 1000 M 
und mehr jährlich Remuneration erhält, so nennen