Full text: St. Ingberter Anzeiger

als auch die sonstigen führenden Perjönlichkeiten 
sich ihrer liberalen Aufgaben und ihrer libetalen 
Ueberzeugung so gut wie jemals bewußt sind und 
durchaus nicht zu Gunsten der minderfähigen oder 
gar minder aufrichtigen Rivalen auf der äußersten 
Sinken abzudanken brauchen. Und dabei wird es 
auch in Zukunft sein Bewenden haben, denn die 
gestrige Erledigung einer Reihe von organisatorischen 
Fragen wird in der Folge einen so viel lebhafteren 
Verkehr der freisinnig⸗nationalen Elemente unter 
sich bewirken, daß auch das Vertrauen der Wähler 
zu der guten Sache, zu der sie bisher treu gehalten 
haben, sich immer nur noch mehr wird befestigen 
önnen. 
— Eisenberg, 7.Okt. Gestern Nachmittag 
ereignete sich auf dem Gienant'schen Eisenwerke 
dahier ein schwerer Unglücksfall. Der Tagner 
Friedrich Inghoff von Stauf Vater von 5 Kindern 
arbeitete mit noch mehreren Kameraden an einem, 
auf Tragbalken aufgestellten 20 Ctr. schweren Kessel, 
indem sie die Giesstellen abschlagen wollten. Plötzlich 
fiel derselbe um, und zerquetschte die beiden Beine 
des Inghoff. Die Verletzungen, welche der Be— 
dauernswürdige erlitt, sind so bedeutend, daß heute 
die Amputation eines Beines vorgenommen wurde. 
Wahrscheinlich wird es mit dem andern auch so 
geschehenmüssen. (K. 3.) 
— Am verflossenen Sonntag fand in Bitsch 
in Sache des Bahnprojektes Zweibücken— 
Bitsch eine von über 100 einflußreichen Herren 
aus den Reichslanden und der Pfalz besuchte Ver⸗ 
sammlung statt. Nach eingehender Besprechung 
und Befürwortung der projektirten Bahnlinie nahm 
die Versammlung folgende von Herrn Oberlandes- 
gerichtsrath Hessert (Zweibrücken) vorgeschlagene 
Resolution an: „Die heute in Bitsch versammelten 
Interessenten aus Elsaß⸗Lothringen und aus der 
Pfalz ersuchen die Landesregierung von Elsaß—⸗ 
Lothringen, den Bau einer Bahn von Zweibrücken 
nach Bitsch mit Fortsetzung in südlicher Richtung 
nach Elsaß baldmöglichst in Angriff nehmen zu 
lassen, und bitten zugleich den anwesenden Herrn 
Kreisdirektor v. Cramer, diese Erklärung zur Kennt⸗ 
niß der Regierung bringen zu wollen.“ — (Der 
Versammlung hatte u. A. auch unser Reichstags⸗ 
abgeordneter Herr Hüttenwerksbesitzer Oskar Krämer 
beigewohnt.) 
Vermischtes. 
Dem Präsidium des bayverischen Veter— 
anen⸗, Krieger⸗ und Kampfgenossen-Bundes lagen 
in seiner letzten Monatssitzung 76 im Monat Sep⸗ 
tember eingelaufene Unterstützungsgesuche vor. Von 
diesen wurden 21 theils abgewiesen, theils wegen 
weiter zu pflegender Erhebungen zurückgelegt. Für 
die verbliebenen 55 Gesuche wurden 741 Mark ge⸗ 
nehmigt. Von den Gesuchstellern haben 39 die 
Feldzüge 1866 und 1870,71 und 2 den Feldzug 
1849 mitgemacht. Das Leiden von 7 Gesuchstellern 
datirt noch aus dem Feldzug 1870,71. Unter den 
genehmigten Gesuchen befanden sich 5 von Wittwen 
verstorbener Bundesangehöriger. 
Vom 5. bis 10. November findet in Bayern 
die Einreihung der Rekruten zum Dienst mit den 
Waffen statt, und zwar bei jedem Infanterie- und 
Jägerbtaillon ca. 190, bei den Kavallerieregimen⸗ 
lern ca. 150, bei den reitenden Batterien 25, bei 
den übrigen Feldbatterien 30, bei jedem Fußartil⸗ 
lerie⸗Bataillon 180, bei den Pionierbataillonen je 
200, bei der Eisenbahnkompagnie 55, bei jedem 
Trainbataillon per Kompagnie zum Zjährigen Dienst 
ca. 15, zum halbjährigen Dienst ca. 44, zur Equi⸗ 
tationsanstalt 60, zu jeder Sanitätskompagnie 80 
Mann. 
Das deutsche Montagsblatt schreibt: Der 
Zufall hat uns einige Grab⸗Inschriften, die wir 
auf einem Kirchhofe in Oberbayern gefunden, 
in die Hände gespielt; einige der gelungensten 
mögen hier Platz finden: 
„Hier ruhl Herr Anton Schinabeck, (Prien am 
Im Frieden sanft im Kriege keck Chiemsee.) 
Ein Engel war er diesseits schon 
Und Gefreiter im 4. Jägerbataillon.“ 
„Hier ruht Herr Johann Christof Lamm, (Bene⸗ 
Er starb durch einen Sturz vom Damm, dictbeuren 
EFigentlich hieß er Leim, am Kochlsee.) 
Aberes geht nicht wegen dem Reim.“ 
„Hier ruht Maria Vogenfinder, (Urfeld am Walchen⸗ 
Mutterund Nähterin Ser Kinder.“ see) 
„Bruckl ganga, Bruckl broche, (Ebendaselbst.“ 
Abi g'falle! — Dasoffe.“ 
„Der Weg zur Ewigkeit (Lenggries.) 
Er ist nicht weit, 
Um neun Uhr fuhr er fort, 
Um zehu Uhr war er dort.“ 
AIn Neunkirchen (egier.Bez. Trier) 
wird seit Freitag der Lehrer Breidt von dort 
vermißt. Derselbe hatte mit noch zwei Kollegen 
am Donnerstag Nachmittag einen Spaziergang nach 
Wellesweiler gemacht. Die Herren waren daseibst 
eingelehrt und traten wegen des starken Regens erst 
jpät am Abend den Heimweg an. In der Finster⸗ 
niß verloren sie den richtigen Weg und näherten 
sich im Umherirren, ohne es zu wissen, der Blies. 
Plötzlich war Herr Breidt von der Seite seiner 
zollegen verschwunden. Diese fanden sich endlich 
zurecht und glaubten auch ihren Freund in Sicher⸗ 
heit. Breidt war jedoch nicht nach Hause gekommen 
und fehlt bis jetzt jede Spur von ihm. Man glaubt, 
zaß er in der Finsterniß, unbemerkt von seinen Kol⸗ 
egen, in die Blies gestürzi ist und darin seinen 
Tod gefunden hat. 
Ger Leibschneider des Fürsten 
Bismarck vor Gericht.) Wohl Jedermann, 
der sich längere Zeit in Frankfurt a. M. aufge— 
jalten, kennt ein kleines Männchen, welches stets 
»inen langen schwarzen Rock und einen gewaltigen 
Zylinder trägt. Dieser kleine Held der Nadel 
vurde 1829 in Obereschbach geboren, nennt sich 
Johann Heinrich Düppel und erklärte kürzlich vor 
em Amtsgericht Frankfurt mit Stolz, daß er lang— 
aähriger Vürger der ehemals freien Reichsstadt 
ei. Man bezüchtigt ihn der Ruhestörung und 
geamtenbeleidigung, worauf er Folgendes zu er— 
lären hat: Hoher Herr Gerichtshof, ih hab an 
dem fragliche Awend 13 Schoppe Appelwei ge— 
runke und da deß ä Unglickszahl is, so mußt 
mer's bassier'n, daß ich voll geworn bin. Su voll 
pie ä jung Ratt'. Ich kam der also in dem Zu⸗ 
tann vor mei Haus — 8' is mei Eigethum un 
3 hot käner ä Hippedeck druff — un fin' mei 
Zausdhir verschlosse. Präsident: Nun kommen Sie 
inmal zur Sache. Angeklagter: Ich stih eben vor 
meiner Hausdhir. Also, wie gesagt, es zeigt sich 
deß Manco eines Hausschlissels. Was thu ich? 
Ich drick der mei eige Scheib in meim eigne Haus 
mit meine eigne Finger ei. Präsident: Weiter! 
Weiter! Angeklagter: Norzt langsam. Wie deß 
gescheh war, din ich dorch deß Fenster gekroche und 
da is ä Nachtwächter kumme un' hot gerufe: 
Dalt'n den Spitzbub! Deß war Alles. Präsident: 
Zie sollen aber einen ganz heillosen Skandal voll⸗ 
rührt und dem Wächter, der Sie unter diesen Um⸗ 
tänden für einen Dieb halten mußte, beschimpft 
Jaben. Angeklagter: Wenn mei Fraää, mei Gretchen, 
»eim Hämkumme segt, du Volleul, geh' erei Du 
dump, so wern ich er net Liewenswerdigkeit zur 
Antwort gewe.‘ Präsident: Sie wollen also damit 
agen, daß Sie dem Wächter nach Gebühr geant. 
voͤrtet. Angeklagter: Vun antworte kann bei 13 
Schoppe Appelwei, zwa Glas Bier un' finf Zieh⸗ 
zarn nett merr die Red' sei. Präsident: Nun, 
vir wollen einmal den Nachtwächter hören. Wächter: 
Als ich den Mann, den ich für einen Dieb halten 
nußte, erwischie, sagte er: Ich bin kaiserlicher Hof⸗ 
rath und des Fürsten Bismarck Leibschneider. Sie 
ind ein Subjekt, und noch einmal eins und noch 
ein Subjekt. Ein Lump sind Sie und ein städt- 
scher Beamter und dies Haus hier ist mein Eigen— 
hum. Sie haben mir nichts zu sagen. Ange— 
lagter: Es kennt jo möglich sei', daß ich äbissi 
msgefahrn bin, ich gläb odder nett, daß ich 'n ä 
Zubjekt genannt hab. Su ä schwer Schimpfwort 
jebrauch ich noch nett ämäl gege mei Gretche. 
Zräsident: So arg werden Sie übrigens nicht be— 
runken gewesen sein, als Sie sich für einen kaiser⸗ 
ichen Rath ausgaben, denn Sie sollen Ihrem Gret— 
hen ganz zärtlich zugerufen haben: Bleibe weg! 
Wat wir unter uns Männer auszumachen haben, 
geht dich mitsamt dei'm Licht nir an. Es kann 
chon sei. Ich kennt ääch Hofrath sei, wenn ich 
aett Schneider gwest wär. Wer wißt odder, ob ich 
»o mei eige Scheib in meim eigne Haus eindricke 
ennt. Präsident: Die Sache ist so gut wie auf—⸗ 
geklärt. Der Staatsanwalt beantragt für die Ruhe— 
förung 15 Mk. und für die Beleidigung 10 Mk. 
Heldbuͤße. Mei 13 Schoppe kennte doch als mil— 
hernde Umständ' angerech'net wern. Deß wär viel 
Hheld for den Spaß. — Der Gerichtshof zieht sich 
zur Berathung zurück und verurtheilt schließlich das 
onderbare Schneiderlein, den kaiserlichen Herrn 
dofrath und Leibschneider des Fürsten Bismard 
u 20 Mk. Geldstrafe. 
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3 
7Gureden hilft., Jammernd und händ 
ringend detritt eine alte Matrone mit —*—* 
und durchfurchtem Gesicht die Anklagebant, der tpre 
Straflammer des Landgerichts l zu —B 
macht fortwährend tiefe Knixe vor dem — 
en 
und blickt dann wieder verzweifelt den Staals— 
walt an. Praf.: Sie sind die 78jahrige a 
Busse? Angekl.: Ach du mein Jott ja, ch bin e. 
de Busse'n, de arme, de unglückliche Busse'n! ge 
Sie haben, wie es scheint, Ihr Leben nicht in * 
derbracht, denn Sie sind nicht weniger als 18 
vestraft und haben den größten Theil Ihres Lebens 
n Gefängnissen und Zuchthäusern zugebracht. Angell; 
Mein gutetster Herr, dat is't ja all' eben! Wenn 
der liebe Jott nicht will, denn kommt der Mensch 
aus der Verschmadderung nich mehr raus, und de 
ZBusse'n war ein Unglückskind von ganz kleen an 
uind se wird als Unglückskind nu ooch ins Jug 
z»eißen. Ach du mein Jott, ach du mein Jott — 
Präs: Ihnen scheint aber das Stehlen zur zweiten 
statur geworden zu sein; denn kaum sind Sie aus 
dem Zuchthause entlassen worden, da haben Sie 
schon wieder beim Kaufmann Neumann gestohlen. 
Angekl.: Ach bester Herr, et war ja man een 
Bisken Kaffee. — Präs.: Ihr „Bisken“ Kaffee 
var ein volles halbes Pfund. — Angeli.: 
Mein scheenster Herr Präsident, Sie sind ja 
'o jut, schenken Sen'n doch 'ner ollen Frau 
noch mal! So 'n Bisken Lorke macht doch den 
Mann janz und jar n'ch glücklich, un Sie machen 
ich doch auch nischt draus, ob so 'n armes altes 
Zuhn in's Loch geht, aber da ist es doch so kalt 
in denn 73 Jahre! Nicht wahr, Sessind so grund⸗ 
zütig? — Staatsanwalt: Den Kaffee konnten Sie 
zoch am Ende nicht auf einmal verzehren? — Angekl.: 
Mein schönster süßester junger Herr, legen Se doch 
en gnädiges Wort für so'n altes Reff mit ein! O 
Jott, erbarmen Sie sich doch, et is ja so duster in 
dat olle Gefängniß. Un so'n Bisken Kaffee! Wenn 
man erst so in de Siebzig ist, denn schmachtet man 
ja nach 'n Täsken Warmen, und de olle Busse'n 
hat den Kaffee immer so jerne jetrunken, schon wie 
se noch de junge Busse'n war, und so Tassener 
sechse die schlabbert man ja jerne runter ... Ach 
Jott, erbarme Dir! Mein bester Staatsanwalt, 
sei'n Se doch man so jut, Se sollen auch Iluck 
haben vor ihr janzes Leben und de schönste Frau 
uͤnd de liebsten Kinder .. .. Sei'n Se doch man 
so jut! — Der Staatsanwalt konnte diesen inten⸗ 
iven Bitten nicht widerstehen. Er beantragte wegen 
Entwendung von Eßwaaren nur 14 Tage Haft, 
auf welche der Gerichtshof auch erkannte. — Muiter 
Busse knixte noch tiefer, warf dem Staatsanwalt 
einen regelrechten Kußfinger zu und versicherte ein 
Mal über das andere: „Ich hab's all' immer ge⸗ 
jagt: Der Herr Gerichtshof ist jar nicht so böse. 
wvie er aussieht.!“ 
Ein prächtiger Zug des deutsscheen Kronm⸗ 
prinzen, welcher wieder einmal so recht von 
Hem leutseligen Charakter desselben Zeugniß ablegt, 
Jelangt erst jetzt zu unserer Kenntniß. Das leßtte 
Nandver war beendei, der Kaiser hatte die Kritik 
bgehalten und die hohen und höchsten Offiziere 
erstreuten sich langsam. Zwei biedere Sachsen⸗ 
Jäuser betrachteten die glänzenden fremden Uniformen 
ind fragten sich gegenseitig, wer wohl dieser oder 
ener Offizier sei. Der Kronprinz bemerkt dies und 
redet die beiden Sachsenhäuser, ihren Dialect nah⸗ 
ihmend, mit folgenden Woten an: „Gelle, ihr 
vollt gern wisse, wer die Leut' all' sinn ?“, und 
noch ehe dieselden geantwortet hatten, fuhr er fort: 
Der Ülanenoffizier dort ist der König von Spanien, 
ver dicke Husar hier ist der Prinz von Wales, det 
zlauer Draͤgoner ist der König von Sachsen, der 
zie Franzosen bei Gravelotte und bei St. Privat 
o fuͤrchterlich geschlagen hat, der — junge Lajn 
iber, der dort fortgaloppirt, ist mein Sohn! 
Zprachlos blickten die so schnell Belehrten den Kron⸗ 
Anzen an dieser aber sagte weiter: „Ja, hun 
volli ihr wohl auch noch wissen, wer ich bin Va 
i te he mig bnnen ich wilns eut 
aber sagen: Ich bin euer Kronprinz!“ — ee 
ind ritt lächelnd und munter, aus seinem Pfei 
hen schmauchend, von dannen. 
p Folgendes Inserat enthält das 3 
dörde eerscheinende „Volksblatt“: „Den wnne 
dunden die ergebene Mittheilung, daß das gleinhch 
Beschäft in der Langenstraße in underänderter — 
veiter geführt wird. Auch ich, der Bräuligam 
Frulein Lina Klein, theile hierdurch mit. de 
nich im Hause derselben als Kammerjäger 9 
gelassen habe und zur Vertilgung alles Ungezie