St. Jugherter Atzriger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
der St. Ingberter Auzeiger“ erscheint wochentlich füufmalz AUm Moutag, Dienstag, Tornerstag, c amssstag und Sonutag; 2mal wöchentlich mit Unterhaltungs
Uiatt und Sonntags mit Sseitiger illustrirter Beilage. Das Blatt kostet vierteljährlich 1M 60 A einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 14 75 4, einschließlich
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X 213.
Donnerkétaag, 1. November 1883.
18. Jahrg.
— “
Für die Monate November und
Dezember nehmen die Postanftalten,
ie Aussträger und die Expedition Bestellungen
auf dieses Blatt entgegen.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
München, 30. Oktober. Keßler beantragt
Referat des Finanzausschusses die Ablehnung
zer Gehaltsaufbesserung für die pragmatischen Be⸗
mmten, weil die Besserung der Finanzen nicht dau⸗
ernd gesichert, eine Mehrbelastung aber dann un⸗
ermeidlich sei.
Berlin, 29. Oktober. In offiziellen hiesigen
ind Wiener Kreisen hat das Auftreten des Fürsten
llexander von Bulgarien (derselhe hat die russischen
IAffiziere aus der bulgarischen Armee kurzerhand
entlassen und die in der russischen Armee dienenden
dulgarischen Offiziere nach Sofia berufen) keine
Billigung gefunden. Man hält es für nicht opportun
ind wird ihm eventuell rathen, einen modus vivendi
nit Rußland zu suchen.
Berlin, 30. Oktober. Bezüglich eines Ar⸗
jtels der Moskowski Wjedomosti über das Verhält⸗
uß Rußlands zum mitteleuropäischen Friedens⸗
ounde, speziell zu Deutschland, bemerkt die Nordd.
Alg. Ztg.: Wenn die Moskowski Wjedomosti von
thündnifsen spreche, so könne damit sehr leicht ein
MNißverständniß verbunden werden. Ein Bündniß
ftteine Assoziation zu bestimmten Zwecken. Wenn
kuropa sich in zwei Bündnißlager theilte, so wäre
das im Interesse des Friedens zu bedauern; Bünd⸗
nisse agressiven oder auch nur aktiven Charakters,
werden aber unseres Wissens bisher nirgends ge⸗
jucht oder geschlossen. Wenn man von einer Thei⸗
lung Europas in zwei Lager spricht, so kann dieses
uur in dem Sinne verstanden werden, daß die
Nehrzahl der europäischen Staaten, vielleicht die
Besammtheit der europäischen Völker den Frieden
wünscht, daneben es aber auch Staaten gibt, die
jeneigt wären, Krieg zu führen, sobald sich Ge—⸗
egenheit zeige und die Situation dazu sich günstig
gestalten würde — und daß die Freunde des Frie⸗
dens sich deßhalb mehr und mehr zur gegenseitigen
Assekuranz des von ihnen gewünschten Friedens zu⸗
ammenschließen mit der Absicht, mit Jedem zu—
ammenzuhalten, der Frieden bringt. Man würde
ie somit im gegebenen Falle bereit finden, für die
krhaltung des Friedens solidarisch einzutreten, so⸗
wie sich gegenseitig Beistand gegen Friedensstörungen
zuzusichern.
Das Berliner,Militär⸗Wochenblatt“ bringt
cinen Artikel über das französisch⸗ Heer und die
AUlgemeine Wehrpflicht, welcher mit solgender Zu⸗
ammenfassung schließt: „Als Gesammtresultat un⸗
serer Betrachtung darf man wohl die Behauptung
als erwiesen ansehen, daß die franzoͤsische Armee-
organisation sich wohl den Buchstaben der deutschen
kinrichtungen, aber nicht den belebenden Geist der⸗
elben anzueignen verstanden hat, daß bei aller
derlennung für die unheueren Leistungen des
Staates und der Möglichkeit, eine imponirende
Streitmacht organisirt aufzustellen, der Charatter der
Vassen, welchen jene Kräfte bilden, infolge der
Bidersprůche in den gesetzlichen Bestimmungen, ein
denig gleichartiges Gepräge hat. Die Gleichartig⸗
eit ist aber der Inhalt aller Kraftbedingungen des
)eeres. So lang Selbstzucht, Erkenntniß und
Selbstverlaugnung, diese wahren Soldatentugenden,
in der deutschen Armee Lebenskraft besitzen und
derselben das einheitliche Charaktergepräge geben,
vird sich dieselbe als ein fester Fels erweisen, an
velchem die Brandung der feindlichen Streitermassen
machtlos zerschellt.“
Eine militärische Maßregel ist in Folge der
Straßburger Mordthaten auch in Metz getroffen
vorden. Es ist nämlich angeordnet, daß saäͤmmt⸗
iche Schildwachen den Mündungsdeckel, welcher den
beren Theil des Gewehrlaufes verschließt, abge—⸗
rommen haben müssen, um das Aufpflañzen des
Seitengewehres in kürzester Frist ausführen zu lönnen.
Ueber die Ausweisung eines fran—⸗
zöofischen Offiziers, welcher der Spionage ver⸗
zächtig ist, meldet die Metzer Zeitung im Anschluß
an die Spionaggenachrichten französischer Zeitungen:
„Wie wäre es denn, wenn der gutmüthige deutsche
Michel auch einmal Lust bekäme, sich gewissen
„Touristen“ von jenseits der Vogesen gegenüber
zum Begleiter auf ihren Touren in Deutschland
aufzuwerfen? Der Anfang scheint gemacht zu sein.
So wurde ein Tourist dieser gewissen Spezies, ein
schon ältlicher Hert, gegen welchen übrigens, neben⸗
bei gesagt, wegen Spionageverdacht seit Jahresfrist
ein Ausweisungsbefehl vorlag, in St. Avold auf
seinen natürlich ganz „harmlosen Spaziergängen“
angehalten und per Gendarmerie über die deutsche
Grenze gebracht. Wir müßten uns sehr irren,
wenn dies nicht derselbe „Tourist“ gewesen, der
auch hier in Noveant und Umgegend die Natur
ichönheiten des Moselthales durch eingehende Be—
sichtigung der Brücken, Bahnanlagen, Terrainfor⸗
nmationen und anderer „Sehenswürdigkeiten“ ge⸗
nießen zu wollen schien und dann, als er sich beobachtet
ah, plötzlich verduftete. Herr Deroulede von der
Patriotenliga mag sich übrigens von diesem seinem
Landsmanne nähere Auskunft über den Ausflug
nach Deutsch-Lothringen geben lassen. Die Adresse
önnen wir ihm verrathen, sie lautet: Mr. Altmeyer
welch urfranzösischer Name, Herr Deroulede),
eines Standes: französischer Major mit dem Gar⸗
nisonsorte Paris“.
Ausland.
Kairo, 29. Ottober. Einer Meldung des
Bureau Reuter zufolge sind 150 egyptische Solda⸗
en von den aufrührerischen Bergstammen im Defilée
wischen Suaklim und Karrala überfallen und nie⸗
zeraemacht worden.
Lokale und pfälzische Nachrichten.
— Kaiserslautern, 29. Oktober. Die
Feier der Grundsteinlegung der neuen Synagoge
and heute Nachmittag 3 Uhr in programmmäßiger
Weise statt. Im Karlsbergsaale waren die Pläne
des Neubques zur allgemeinen Ansicht ausgestellt
und zeugen dieselben einen monumentalen Bau,
dessen Vollendung der Cultusgemeinde zwar große
dosten aber auch viele Ehre einbringen und welcher
)er Stadt zur Zierde gereichen wird. Hr. Bezirks-
rabbiner Dr. Landsberg hielt die Weiherede
und wünschte — an eine Episode aus der alttesta⸗
nentlichen Geschichte anknüpfend — dem angefange⸗
nen Werke Vollendung. Der Act der Grundstein⸗
egung selbst wurde von Herrn Bezirksamtmann
B. Schmitt vollzogen; derselbe sprach seine Freude
iber den begonnenen Bau und den Wunsch aus,
daß aus demselben für die Gemeinde drei werth⸗
yolle Güter entstehen möchten: Einigkeit, Opfer⸗
villigkeit und Friede. — Der neue Bürgermeister,
)r. Anwalt Neumayer, versicherte in herzlichen
Worten die israelitische Gemeinde der Sympathie
der Stadt. In den Grundstein wurden eingeschlossen:
eine Urkunde mit einer kurzen Vorgeschichte des in
Ausführung begriffenen Baues, einem namentlichen
Verzeichnisse der Cultusgenossen und der Spitzen
»es Stautes, des Kreises und der Stadt und einer
tatistischen Beschreibung der Stadt, eine Sammlung
der jetzt gangbaren Reichsmünzen, je ein Exemplar
ämmtlicher dahier erscheinenden Zeitungen u. s. w.
— Landau, 30. Oktober. Die auf heute
angesetzte und hier mit einer gewissen Spannung
erwartete Verhandlung in der Beleidigungsklage
des hiesigen fortschrittlichen Ausschusses gegen den
Verleger des Anzeigers nahm einen Ausgang wie
das weiland berühmte Schießen in Hornberg. Bei
der Aufrufung der Zeugen ergab es sich, daß mehrere
derselben, auf welche der Vertheidiger des Beklag⸗
ten besonders Gewicht legen zu müssen glaubt, nicht
erschienen waren, weßhalb von Herrn Rechtsanwalt
Müller Vertagung beantragt wurde. Das Gericht
rrat dem Antrage bei und vertagte die Verhandlung
nuf unbestimmte Zeit. Gilb.)
Vermischtes.
fF Zu dem Duelle Moschel⸗Lennig wird
aus Würzburz, 29. Oktober, geschrieben: Tas
Corps „Bavaria“, dessen Mitglied bekanntlich der
flüchtig gegangene Lennig war, hat über das Duell
eine Erklärung an seine Corpsphilister erlassen, in
der die Partei Lennigs ergriffen und das Auftreten
desselben gerechtfertigt wird. Mit dieser Erklärung
st aber der S. C. keineswegs einverstanden, son⸗
sern wird eine Gegenerklärung erlassen. Die An—
gelegenheit ist überhaupt noch nicht entschieden,
ondern wird erst durch den Beschluß der Philister
zeregelt werden. z
2 St. Johann, 31. Oktober. Heute Mor⸗
jen traf die schon mehrere Tage durch große Pla—⸗
tate angekündigte Menagerie des Herru Womb⸗
vell hier ein. Dieselbe führte 7 Vieh⸗ und 5
nit schöner Malerei und Goldschnitzerei versehene
remperwagen, sowie 4 große und 2kleine Kameele
ind einen mittelgroßen Elephanten mit sich. Die
Menagerie wird nur 5 Tage hier bleihen und da
ie nach dem Berichte der auswärtigen Presse recht
nteressant ist, so dürfte sich ein Besuch, zu dem
die Vorstellungen Donnerstag uund Sonntag Nach—
mittag die günstigste Gelegenheit bieten, wohl der
Mühe lohnen.
f St. Johann, 29. Oktober. Unter dem
Perdacht, einer der an den unlängst in Straßburg
»egangenen Mordthaten Betheiligten zu sein, wurde
rach der „St. Joh. Ztg.“ gestern hier ein von
—A
Justizarresthaus abgeführt.
—G(Gie Straßburger Morde.) Wie
vir der Elsaß-Lothringischen Zeitung entnehmen,
yat die Kaiserin durch Vermittelung des Vaterlän⸗
ischen Frauen⸗Vereins Straßburg den Hinterblie⸗
»enen des ermordeten Apothekers Lienhardt ein
ßnadengeschenk von 200 Mtk. zugewiesen. Dieselbe
Zeitung erzählt, daß ein älterer Bruder des Apo⸗
hekers Lienhardt vor ungefähr zwanzig Jahren in
Nancy gleichfalls durch Mord um das Leben kam.
Derselbe, von Beruf Kellner, stand im Begriffe,
ich zu verheirathen und eine eigene Wirtschaft zu
»egründen. Am Morgen des von ihm ausersehenen
dochzeitstages überschritt er in seinen Hochzeits⸗
leidern gegen 8 Uhr die Meurthebrücke, als er
rücklings überfallen, mit drei Stichen in den Kopf
zetödtet und in den Fluß geworfen wurde. Die