Full text: St. Ingberter Anzeiger

u. s. w.), hatte behauptet, er wolle sich in die 
Seine werfen lassen und ans Ufer schwimmen, ohne 
um Hilfe zu rusen. Die anderen „Ahs“ glaubten 
das nicht. Man wettete, Sarrien gewann — das 
war Alles. ag 
— Von einem haarsträubenden Verbrechen wird 
aus Kowno berichtet. Ein achtzehnjähriger Schufter⸗ 
geselle beschloß, sich an seinem Meister wegen einer 
ihm zugefügten Kränkung zu rächen. In welcher 
Weise der Bursche dies that, zeugt von einer bei— 
spiellosen Verlommenheit und Verwilderung seiner 
moralischen Gefühle. Er ermordete mit einem Beile 
in der Nacht seinen Meister und dessen Ehefrau 
und versteckte die Leichname in einem großen Koffer, 
den er darauf fest verschloß. Das Ehepaar hatte 
zwei kleine Kinder, welche der Bursche bis zum 
heranbrechenden Morgen zu beruhigen suchte, alsdann 
legte er dieselben auf den Ofen, zündete ein Feuer 
an und verließ die Wohnung, indem er die Thüre 
sorgfältig verschloß, um sich darauf in ein öffentliches 
Haus zu begeben. Als die Nachbarn den aus den 
Fenstern und dem Dache dringenden Rauch be— 
merkten, eilten sie zur Rettung herbei, und als die 
Thüre mit Gewalt geöffnet wurde, fanden sie die 
Kinder auf dem Ofen bereits erstickt. Vergebens 
suchte man die Eltern, in dem Glauben, daß sie 
nicht zu Hause wären. Die Feuersgefahr wurde 
inzwischen größer und man begann, die Sachen aus 
det Wohnung zu schaffen. Als man zu dem Koffer 
tam, erwies sich derselbe zum Fortschaffen zu schwer, 
man zerbrach also den Deckel und fand die Leich— 
nahme des Ehepaares. Da man wußte, daß bei 
dem Meister nur der einzige Geselle arbeitete, fiel 
dessen Abwesenheit sogleich auf, und nach sofort 
angestellten Nachforschungen wurde der Verbrecher 
in dem öffentlichen Hause ermittelt. Er gestand 
ohne Zögern den Mord ein, und erklärte, denselben 
aus Rache verübt zu haben. Von den Einzelheiten 
des Verbrechens sprach er mit so außerordentlicher 
Ruhe und Kaltblütigkeit, daß man an seinem nor— 
malen Geisteszustande zweifeln muß. 
(GEin Engländer über das deutsche 
hdeer) Den Vorwürfen gegenüber, welche viele 
nglische Blätter gegen das deutsche Militärsystem 
erheben, richtet ein Engländer einen Brief an die 
Morning⸗Post, in dem es heißt: „Mein Herr! Wie 
gut es auch immerhin mit der britischen Armee 
destellt sein mag, so meine ich doch nicht, daß 
Jemand leugnen kann, daß die deutsche Armee die 
allervoslendeiste und mächtigste Militärmaschine ist, 
welche die Welt je gesehen hat. Ich bezweifle, daß 
die abfälligen Beurtheilungen, welche die Parade 
des elften Armeekorps bei Homburg erfahren hat, 
die deutschen Militär-Autoritäten sehr betrüben, 
noch das Vertrauen der deutschen Nation erschüttern 
werden. Ich kann es wohl begreifen, wenn Graf 
Moltke oder General Blumenthal sagt: Allerdings 
ist es sehr traurig, zu hören, daß die Schweife 
unserer Pferde zu lang, unsere Sättel zu aufrecht⸗ 
tehend und einige unserer Pferde hinten unbe— 
schiagen sind, daß unsere Lafetten nicht mit der 
richtigen Farbe bemalt und unser Parademarsch 
ächerlich ist, daß es überhaupt unserer Armee an 
tnöpfen und Pfeifenthon fehlt. Aber man probirt 
den Pudding am besten, wenn man ihn ißt. Vor 
13 Jahren wurden ebendieselben langbeschweiften 
Pferde mit ihren hohen Sätteln, einige sogar ohne 
hintere Hufeisen, ebendieselben schlecht bemalten 
dafetten, ganz dieselbe Infanterie mit dem lächer⸗ 
lichen Paradeschritt einer Armee gegenübergestellt, 
welche als die beste Armee der Welt galt, und in 
wenigen Wochen hatten sie dieselbe gefangen ge— 
nommen, alle ihre Festungen erobert, waren bis in 
das Innerste ihres Landes vorgedrungen und um— 
rcingten ihre Hauptstadt mit einem Gürtel von 
Stahl, den Nichts brechen konnte.“ Aber es ist 
aicht allein die militärische Kritik, welche die deut⸗ 
chen Einrichtungen angreift. Der britische Radicale 
zeht mit Ueberhebung einher und wirft Steine nach 
eines Nachbars Glashäuser, augenscheinlich ohne 
irgend eine Ahnung davon zu haben, daß er selbst 
in einem solchen wohnt. „Wie widerwärtig ist es.“ 
jagt er ein ganzes Land in eine Kaserne verwandelt, 
alle Klassen der Bevölkerung für den Krieg gedrillt, 
Industrie, Ackerbau, Erziehung und Zivilisation 
ernachlässigt zu sehen, zum Amüsement für Kaiser 
und Könige.“ — „Warum“, sagt er, tauscht ihr 
nicht eure Schwerter mit dem Pfluge, vertraut nicht 
dem wohlwollenden Instinkt der Menschheit?“ ꝛc. ꝛ⁊c., 
und ich kannsehr wohl begreifen, daß Fürst Bismarch 
jeine Antwort bereit haben würde: „Höre mir zu, mein 
lieher Bull und laß Dir einige Thatsachen erzählen, 
bevor Du Deine Nachbarn richtest und verurtheilst. 
Wir lieben den Frieden gerade so sehr wie Du; 
und wenn Du freundlichst einen Blick rückwärts aus 
unsere beiderseitige Geschichte werfen willst, so wirst 
Du finden, daß wir ihn viel mehr und kräftiger 
gepflegt haben, wie Du. Wir haben nur im Falle 
der Nothwehr und Selbstvertheidigung mit unseren 
Nachbarn Krieg geführt, auch werden wir das 
in Zukunft so halten; aber unsere Nachbarn haben 
diese Tugend gegen uns nicht geübt. Während der 
letzten hundert Jahre hat Frankreich Deutschland 
vierzehn Mal überfallen, jedesmal mit allen Schrecken 
des Krieges. Du tadelst uns, daß wir Elsaß und 
Lothringen behalten, aber gestatte mir gütigst die 
Bemerkung, Du thust das aus Unkenntniß, Du 
sprichst von Dingen, die Du nicht verstehst. Anstatt 
uns zu tadeln, daß wir Straßburg, und Mezz be— 
halten, solltest Du uns vielmehr von ganzem Herzen 
dankbar dafür sein, den diesem Umstande ganz allein 
ist es zuzuschreiben, daß Europa der Friede dreizehn 
Jahre erhalten blieb. Die augenblickliche Wuth der 
Franzosen gegen Deutschland rührt nicht von der 
Annexion der Provinzen her, die ehemals zu Deusch⸗ 
sand gehörten, sondern daher, daß im Kriege von 
1870 deutsche Waffen dem französischen Stolze und 
Hochmuth eine tödtliche Wunde schlugen. Ihr Haß 
—D 
ringer gewesen sein, auch wenn wir ihnen Elsaß 
und Lothringen gelassen hätten, aber ihre Macht, 
diesem Gelüste zu fröhnen, würde um so viel größer 
Jewesen sein. 
4 (EEin neues Gewehr) Herr Gotekoff, 
der Befitzer einer Privat⸗Gewehrfabrik in Tula, 
tellte dem russ. Kriegsminister ein neues Gewehr vor, 
velches angeblich neun Schuß in 15 Sekuunden, 
36 Schuß in einer Minute schießt. Die eventuelle 
Umänderung des jetzt hier eingeführten Berdauge- 
vehrs in das ueue Gewehr soll ohne besondere 
Zchwierigkeiten möglich sein. 
— Wie die Londoner „Allg. Korresp.“ erzählt, 
zibt es in New-York gegenwärtig 5000 Bnch— 
Jalter, welche Stellung suchen! Auf eine einzige 
Zeitungsanzeige hin, in welcher ein Kommis mit 
10 Dollars Wochenlohn gesucht wurde, meldeten 
ich 700 Bewerber — zumeist Deutsche! 
Was gibt's für einen Winter? 
Nach Allem, was man über das Wetter und seine 
daunen weiß, fürchtet man einen frühen, anhaltend 
trengen Winter. Die zuverlässigen Bauernregeln 
assen daran auch keinen Zweifel, denn schon im 
Juli heißt es: „Sind um Jakobi die Tage warm, 
zibt's fruh im Winter Kälte und Harm.“ Harm 
eßhalb, weil die meisten Leute auf Vorräthe nich 
rühzeitig genug bedacht gewesen sind. Deßhalb sorge 
ede Hausfrau früh für den Winterbedarf an Kar⸗ 
offeln und anderen unentbehrlichen Gegenständen. 
rine weitere Bauernregel sagt: „Fallen die Eicheln 
yvor Michaeli ab, kommt der Winter im schnellen 
Trab“, und „Hat der Herbst viel Obst gebracht, 
riert's recht bald, daß es kracht.“ In Bezug auf 
etztere Regel wird in Chroniken und Kalendern zu⸗ 
veilen von einem obstreichen Jahre berichtet, dem 
der Winter so früh und strenge folgte, daß die 
dartoffeln theilweise noch im Boden, viele aber aus 
dem Transporte erfroren, so daß die Preise in die 
Zöhe gingen. Weiter sagt eine auch heuer zutref⸗ 
ende Foͤrsterregel: „Wenn der Eichbaum noch sein 
daub behält, so folgt im Winter strenge Kält'“ 
ind der Jäger: „Wenn rauh und dick des Haser 
Fell, dann sorg' für Holz und Kohlen schuell.“ 
luch der nordischen Nebelkrähe, die unter dem Namen 
„graue Krähe“ allgemeiner bekannt ist, an unseren 
Westküsten, läßt auf einen stiengen Winter schließen; 
für ein weiteres Zeichen hält man das Erscheinen 
der Wölfe in Lothringen. 
,Hebels Rheinländischer Hause 
reund“ für 1884 in Begleitung des „Deu t⸗ 
chen Landeskalender“, (beide Verlag 
von J. Lang in Tauberbischofsheim), sind 
oeben erschienen. „Hebel's Rheinländischer Haus—- 
reund“ enthält bei einem Preise von nur 80 Pf 
iuf 108 Quartseiten einen ganz außerordentlich 
eichen Inhalt mit 76 guten Originalbildern. 
Treffliche Erzählungen ernsten Inhalts wechseln ab 
mit Humoresken und komischen Gedichten in Pfälzer 
Mundart von Barack, dem Verfasser des bekannten 
„Drumbeder vun Wallstadt.“ „Hebel's Rheinlän⸗ 
ischer Hausfreund“' ist in allen Theilen des deut 
chen Reiches, der Schweiz, Oesterreich bis hinüber 
iach Nordamerika in einer halben Million Familien 
um alljährlich willkommenen Hausfreund geworden 
Der neue Jahrgang dieses gediegenen Kalenders 
wird fich verdientermaßen weitere Freunde erwerben 
und sei hiermit auf's Allerbeste empfohlen. — 
Dder „Deutsche Landeskalender“ bietet gleichfalls 
einen mannigfaltigen Unterhaltungsstoff auf 70 
Quartseiten mit vielen Bildern zum Preise von 20 Pf. 
Auch dieser Kalender kann hestens empfoblen werden! 
Die Reichsversicherungsbauk in Bremen. 
Eine der heiligsten Pflichten des Familienvaters 
ist die Sorge für die spätere Wohlfahrt seiner 
Kinder. „Wenn ich's nur soweit bringe“, hören 
wir manchen Familienvater sagen, „daß ich meine 
Kinder versorgen kann.“ Wie viele junge Leute 
haben schon gedacht: „Drei Jahre Soldat seiu 
müssen und nichts verdienen können, ja noch viel 
Geld zusetzen müssen, das halten meine Eltern nicht 
aus, da kehre ich lieber dem Vaterlande den Rücken 
und suche im Auslande Verdienst.“ Wie manchen 
Eltern nagt die Sorge um die Zukuagft ihrer Töchter 
am Herzen. Es wurde auf die Ausbildung der—⸗ 
selben alle Sorgfalt verwendet, allein gleichwohl 
zleiben gar viele „sitzen“, weil es dem Vater nicht 
möglich ist, eine entsprechende Aussteuer und die 
heutzutage unumgänglich nöthige baare Mitgift 
aufzutreiben, denn ohne letztere ist jetzt fast kein 
Schwiegersohn mehr zu gewinnen. Es bleibt da—⸗ 
her dem Vater nur übrig, sich an eine Lebensber⸗ 
icherungs⸗Austalt zu wenden. Doch hier treten 
sogleich gewaltige Bedenken auf, da der Vater jähr⸗ 
lich bei 2000 Mark Versicherungs-Kapital 30 bis 
50 Mark, somit bei 10,000 Mark 300 bis 
500 Mark zu zahlen hat, eine Summe, welche in 
der gegenwärtigen verdienstarmen Zeit die große 
Mehrzahl unserer Familienväter nicht aufzubringen 
hermag. Wie ist nun diesen Uebelständen abzu—⸗ 
helfen? wird der Leser fragen, und wir antworten 
hierauf: Nun, überall da, wo der Einzelne sich 
nicht selbst zu helfen vermag, hat die Allgemeinheit, 
die Gegenseitigkeit, rettend einzutreten. Schon die 
Jroße Gothaer Lebensversicherungs Gesellschaft wurde 
auf diesem Grundsatze begründet und die Reichs— 
versicherungsbank in Bremen hat ihn jetzt zum 
bollständigen Ausbau, zur höchsten Entfaltung ge— 
hracht. Hiermit verhält es sich, wie folgt: eine 
Familie vermehrt sich um ein Söhnchen oder um 
ein Töchterchen; bei ersterem wünscht der Vater, 
daß ihm bei'm Eintritt in's Militär eine gewisse 
ZSumme ausbezahlt werde. Der Vater bezahlt für 
je 1000 Mk., die ihm später eingehändigt werden 
müssen, außer einer Anmeldegebühr nur 2 Mlk., 
ijage zwei Mark jährlich, für 10,000 Mk, mithin 
zehnmal zwei, also 20 Mk. Das sind Prämien- 
fätze, die Jedem zu entrichten möglich sind, bis 
hderuntier zum ärmsten Taglöhner. Hat sich die 
Familie um ein Töchterchen vermehrt, und wünscht 
der Vater demselben bei seiner späteren Verhei⸗ 
cathung eine entsprechende Summe als Mitgift zu 
ichern, so hat er auch hierbei für je 1000 Mk. 
‚ährlich 2 Mk., für je 10,000 Mt. also nur die 
zeringe Summe von 20 Mark aufzuwenden. 
Während der nächsten 15 Jahre, von Errich— 
sung der Anstalt an gerechnet, sind weitere Zah⸗ 
iungen nicht zu leisten. Nach Ablauf dieser fünf— 
zehn Jahre aber wird alljährlich ein geringer Aus— 
teuer⸗Beitrag einige Pfennige für je 1000 Mark 
jon jedem einzelnen Mitgliede genau im Verhält⸗ 
aisse zu seiner Versicherungssumme erhoben. Zehn⸗ 
ausend Mark sind aber eine Sume, mit der wohl 
jedes halbwegs gerade gewachsene Mädchen einen 
Mann findet. Und wohl verstanden: diese Summe 
wird, wie gesagt ausbezahlt, sobald das Mädchen 
heirathet. Ist aber die Tochter einmal Gattin ge— 
worden, so hört jede weitere ZJahlung an die Bank 
auf. Bleibt die Versicherte bis zum 45. Lebens⸗ 
jahre ledig, so werden ihr alle geleisteten Beiträge 
nit Einschluß ihres Gewinnantheils zurüdbezahlt; 
oder sie bleibt bis zum 50. Lebensjahre ohne jeg⸗ 
iche Verpflichtung zu weiteren Nachzahlungen und 
empfängt alsdann bei erreichtem 50. Lebensjahre 
die volle Versicherungssumme. Will demnach ein 
Vater recht bald von der jährlichen Einzahlung an 
die Bank befreit werden, so muß er seine Tochter 
jeitig heirathen lassen. Aehnlich verhält es sich 
hei der Wehr«Aussteuer-Versicherung. Das ver⸗ 
iicherte Kapital wird ausbezahlt bei Einstellung des 
Versicherten in das deutsche Heer oder in die 
—W—— 
empfangen bei erreichtem 23. Lebensjahre ihre ge⸗ 
leisteten Prämienzuschüsse nebst Gewinnantheil zurück. 
Aber, wird weiter mancher Leser fragen, wie ist 
ꝛs möglich, daß eine Bank für so bedeutende Ver— 
icheruugssummen, statt der sonst üblichen Prämien—