St. Jugherter Auzeiger.
Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert.
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MW 219.
Samstag, 10. November 1883.
18. Jahrg.
Politische Uebersicht.
Deutsches Reich.
(Pf. L. C.) Die statistischen Ausweise über die
Ausfuhr unserer Industrie⸗Erzeugnisse
vährend der ersten neun Monate dieses Jahres
ind nicht gerade befriedigend. Speziell der Eisen⸗
narkt glaubt sogar auf die Möglichkeit einer Krisis
ich vorbereiten zu sollen. Wir lesen selbst in der
„D. Ver. Corr.“, dem beglaubigten Organ der
Fisen⸗Industriellen, das Zugeständniß, daß die Lage
insicher ist und sich zwar bessern, aber auch noch
zerschlimmern kann. Eine äußerlich wahrnehmbare
Bestätigung hiefür erbringen die mehrfach gemeldeten
Urbeiter-Entlassungen und Einschränkungen der
Arbeitsdauer. Das ist nun an und für sich sehr
veklagenswerth, zumal in diesen Zeiten, da eben
was Sicherheit in unsere Produktionsverhältnisse
u kommen schien. Allein es ist doch auch die
illgemeine Lage des Marktes im Auge zu behalten,
ius der sich ergibt, daß alle konkurrirenden Länder
intet ungleich größeren Schwierigkeiten zu leiden
jaben. Der Rückgang des amerikanischen Bedarfs
ind die Exportichwierigkeiten nach Rußland haben
n Belgien und England wesentlich tiefer und
hädigender sich fühlbar gemacht, als in Deusch—
and. Und auf der anderen Seite erscheinen uns
zie Klagen des deutschen Eisenmarktes deshalb nur
on vorübergehender Bedeutung, weil derselbe, unter
em Schutze seines Zolles wenigstens nicht zu be—⸗
ürchten hat, daß die thatsächliche stattgehabte Ueberpro—
uktion auch noch durch die Concurrenz der aus—
ändischen Ueberproduktion in der Absatzfähigkeit
seschädigt wird. Es ist natürlich eine volkswirth⸗
haftliche bedenkliche Eischeinung daß unser Export
elbst mit an den Schleuderpreisen auf den fremden
Närkten Schuld trägt, dieselbe auch in Gottes
—R
risenzoll denken, wie man will, — so ist er es
voch, welcher den überproducirten Fabrikaien des
luslandes einigermaßen den Weg über unsere Grenze
jerein verleidet, also ihnen verwehrt, auch bei uns
elbst die Krisis, vor welcher England und Belgien
tehen, hervorzurufen. Auch müssen wir die That⸗
ache der jüngst erfolgten Arbeiter⸗ Entlassungen doch
nindestens im Lichte der gleichen, nur wesentlichen
imfassenden Thatsache wuͤrdigen, welche in den
ibrigen — einerlei, ob freihaͤndlerisch oder schutz
öllerisch wirthschaftenden Staaten sich vollzieht.
doch besser aber im Lichte der regelmäßig alle drei
der vier Jahre sich ereignenden Flutbewegung im
Zereiche der Hochöfen, welche dann immer größere
rbeitermassen außer Verdienst zu setzen pflegte.
diese Rückfluth tritt jetzt — glüdcklicherweise micht
anz so schlimm ein, — wie in den siebenziger
jahren. Wir möchten ihr kaum das Anrecht zugeben,
nit dem herrschenden Zollsystem in Zusammenhang
ebracht zu werden. Uebrigens hat der Export in
en letzten fünf Jahren in einem Umfang zuge—
nmen, daß die diesjährige Stauung ebensowohl
eilsam, wie schädlich wirken mußte, indem sie der
»eberproduktion, die sich sonst ins Riesenhafie ver⸗
dren hätte, zu guter Stunde noch ein Ende machte.
der Export aus Deutschland nach den Vereinigten
Ataaten ist seit 1878 von 114 auf 265 Millionen
dollars an Werth gestiegen; unter anderen hat die
ßochumer Guß-Stahl ⸗Fabrik im Jahr 1878179
berhaupt rund 28 000, im Jahr 188283 hingegen
sahe an 73 000 Tonnen exporlirt. Es ist ange—
chts dieses raschen und allseits so freudig zuge—
landenen Aufschwunges wohl nicht durchaus nöthig,
inen etwa folgenden Rückschlag, wenn er nur nicht
jar zu lange dauert, sogleich voll Schwarzseherei
u behandeln.
Munchen, 6. Nov. Der Referent über den
hagel-Versicherungs-Gesetzentwurf,
bg. Freiherr v. Soden, stimmt, wie mitgetheilt,
em Entwurf in seinen Hauptprinzipien (Freiwil⸗
gkeit des Beitritts und Gegenseitigkeit in Bezug
uf die Vergütung der Schäden) zu. Dagegen ist
r nicht damit einverstanden, daß der neu zu grün—
enden staatlichen Anstalt als Betriebsmittel ein
inverzinslicher Vorschuß aus den Ueberschüssen
der Brandversicherungskammer angewiesen werde;
er erachtet es als einen unzulässigen Eingriff in
zie Brandversicherungsanstalt, welche ein vollständig
jetrenntes eigenes Vermögen besitze; deßhalb schlägt
seferent vor, diese jedenfalls erforderliche Million
Mark als direkten Staatszuschuß zu gewähren;
uus welchen Mitteln er gewährt und wie und wann
er refundirt werden soll, darüber zu bestimmen,
»ehält Referent den Ausschußberathungen vor. Bei
»iesem Modus des Staatszuschusses glaubt Referent
iuch, daß die Bedenken leicht zu beseitigen wären,
velche der Ausdehnung der Anstalt auf die Pfalz
m Wege stehen. In der letzteren Richtung äußert
iich der Referent Freiherr v. Soden wie folgt:
ks ist zu hoffen, daß die auf Vereinigung der
»fälzischen mit der diesrheinischen Brandver—
icherungsanstalt eingeleiteten Verhandlungen bald
u dem gewünschten Ziele führen, welchenfalls der
jesetzlichen Ausdehnung der Hagelversicherungsanstalt
zuf die Pfalz ein Hinderniß nicht mehr im Wege
tände. Ob eine solche auch jetzt schon möglich,
ind in wie weit sie von den Vertretern dieses
stegierungsbezirkes gewünscht wird, müssen die
lusschuß⸗Verhandlungen ergeben. Keinenfalls dürfte
n diesem Verhältniß jedoch ein durchschlagender
zrund zu finden sein, von Zuschüssen aus der
Staatskasse abzusehen, indem eine derartige Aus⸗
jabhmebehandlung einzelner Landestheile bei so
vichtigen allgemeinen Staatsinteressen nicht an—
sjängig erscheint, auch thatsächlich in anderen
jällen nicht eingetreten ist. So hat z. B. im
iingekehrten Fall das Sekundärbahngesetz vom
38. April 1882, Art. 5, die Bestimmung getroffen,
aß der bis dahin nur für das diesrheinische Bayern
estehende Vizinaleisenbahnbaufonds künftighin auch
um Sekundärbahnbau in der Pfalz verwendet
verden dürfe. (Der Fonds beträgt über 3 Mil⸗
ionen Mark.) Daß aber in der Pfalz das Be—
ürfniß, sich gegen Hagelschaden zu versichern, vor⸗
sanden ist, und mit den bestehenden Gesellschaften
ingenügend befriedigt wird (Schwierigkeit des Wein⸗
aues), wiewohl dieser Landestheil nicht zu den
jagelgefährlichen gehört (1879 — 1882 6,7 pCt. des
hesammtschadens in Bayern), wurde u. A. bei den
iesbezüglichen Verhandlungen des Generalkomité's
ꝛes Landwirthschaftlichen Vereins vom 3. Oktober
n. Is. hervorgehoben. Es ist deßhalb zu erwarten,
naß eine baldige Vereinigung der beiden Brand—
zersicherungsanstalten schon aus diesem Grunde
tattfinden wird.
München, 7. Nov. Der Finanzausschuß
der Kammer der Abgeordneten hat heute nach um—
assender Debatte über den Etat der Ausgaben für
teichszwecke beschlossen, bei'm Plenum zu beantragen,
en Matrilelar⸗ Beitrag Bayerns für ein Jahr der
rächsten Finanzperiode auf 18,500,000 Mark zu
ꝛeranschlagen. Es ist das um 100,000 Mk. weniger
18 das Regierungspostulat normirte. Der ursprüng⸗
sche Antrag des Referenten, Abg. Geiger, auf einen
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Abstrich von 750,000 Mk. konnte wegen der Un⸗
ichtigkeit der Berechnung des Referenten nicht auf⸗
ꝛecht erhalten werden. — Bei der Vorlage des Bud⸗
jets am 29. v. Mts. hatte der kgl. bayer. Finanz⸗
ninister in Betreff der Frage der Reorganisation
der Forstverwaltung „zur Erzielung eines Einver—
tändnisses in Bezug auf die Mittel“ eine eingehende
denkschrift in Aussicht gestellt; wie wir vernehmen,
st diese Denkschrift nunmehr vollständig ausgearbeitet
ind wird alsbald in Druck gegeben werden.
Berlin, 8. Nov. Der Reichsanzeiger ver—
jffentlicht eine königliche Verordnung, durch welche
»er Laudtag auf den 20. Nopbr. einberufen wird.
Die Mittheilungen über den Zeitpunkt, zu
velchem der Aktiengesetzentwwurf dem Reichstag
»orgelegt werden wird, erweisen sich als zumeist
uuf willkürlichen Combinationen beruhend. Da die
kinzelreglerungen den Entwurf verschiedenen Han⸗
delsorganen zur Begutachtung übergeben haben, so
jängt es nicht allein von den Regierungen, sondern
iuch von der Arbeit der htzteren Korporationen ab,
vann der Entwurf der Volksvertretung vorgelegt
verden kann.
Ausland.
Die Zustände in Serbien haben sich zum
Zürgerkriege zugespitzt. In Wien erregen natür—
ich die Vorgänge lebhaftes Interesse. Die Situation
vird für ernster erachtet, als die offiziellen Berichte
isher zugeben. Am Sonnabend wurde in dem
Defils von Tschesta-Broditza angeblich ein ganzes
zataillon Infanterie von den Aufständischen zer—
prengt. Am Sonntag fand an derselben Stelle
in neuer Kampf zweier Bataillone mit den Insur⸗
enten statt, dessen Ausgang noch unbekannt ist.
der Banjaer Kreis ist ebenfalls insurgirt. Bei
Aleksenic ist der Telegraph zerstört. Indeß hofft
nan in Wien, daß die energischen Maßregeln der
erbischen Regierung die Bewegung eindämmern
vird. Vorläufig wollen die amtlichen Wiener Kreise
jen serbischen Vorgängen keine beunruhigende Trag⸗
veite zuerkennen.
Rom, 7. Nov. Der Papst empfing heute
en preußischen Gesandten Herrn v. Schlözer, welcher
odann Jacobini besuchte.
Madrid, 8. Nov. Um Mitte dieses Monats
vird der deutsche Kronprinz zum Besuche des Königs
hier erwartet.
Eine Depesche des „New⸗-York Herald' aus
dongkong meldet: Admiral Courbet Comman⸗
ant der französischen Streitkräfte in China beschloß
vegen des schlechten Zustandes der Wege den Vor⸗
narsch auf Bacnin, wo die chinesische Garnison zu
erzweifeltem Widerstand rüstet, bis Anfang De—
ember aufzuschieben. Harmane reist mit dem näch⸗
ten Packetboot nach Frankreich zurück. Sein Rück⸗
ritt würde als Beseitigung des Haupthindernisses
iner erfolgreichen französischen Campagne angesehen.
jede Eifersucht zwischen den französischen Landiruppen
ind Seestreitkräften sei gewichen. Es herrschte ein
‚ollständiges Einvernehmen. Der chinesische General
Tang, Anhänger der Kriegspartei, komme soeben
zus dem Norden Chinas, um das Commando der chine⸗
ischen Truppen im Süden zu übernehmen. Ueberall in
Lhina würden lebhafte Vorbereitungen getroffen.
ie Arsenale sind sehr beschäftiot
Lokale und pfälzische Nachrichten.
*St. Ingbert, 9. Nov. Wie wir hören,
jat Herr Bergmeister Kamann der Unterstütz-
ingskasse der hiesigen Knappschaft die ansehnliche
zumme von 150 Mark als Geschenk verinacht.